Heute möchte ich kurz ein weiteres Bild erwähnen, das uns hilft, das Geheimnis der Kirche zu erläutern: das Bild des Tempels (vgl. Zweites Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 6). […] In Jerusalem war der große Tempel Salomons der Ort der Begegnung mit Gott im Gebet; im Innern des Tempels befand sich die Bundeslade, […] ein Hinweis darauf, dass Gott immer in der Geschichte seines Volkes gegenwärtig war, seinen Weg begleitet, seine Schritte gelenkt hat. Der Tempel ruft diese Geschichte in Erinnerung: Auch wir müssen uns an diese Geschichte erinnern, wenn wir zum Gotteshaus gehen, ein jeder von uns an unsere Geschichte, wie Jesus mir begegnet ist, wie Jesus mit mir gegangen ist, dass Jesus mich liebt und mich segnet. Denn das, was im alten Tempel Vorzeichen war, wird durch die Macht des Heiligen Geistes in der Kirche Wirklichkeit: Die Kirche ist das „Haus Gottes“, der Ort seiner Gegenwart, wo wir den Herrn finden und ihm begegnen können; die Kirche ist der Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt, der sie beseelt, leitet und stützt. Wenn wir uns fragen: Wo können wir Gott begegnen? Wo können wir durch Christus mit ihm in Gemeinschaft treten? Wo können wir das Licht des Heiligen Geistes finden, das unser Leben erleuchtet? Dann lautet die Antwort: im Volk Gottes, unter uns, die wir Kirche sind. […] Und der Heilige Geist ist es, der mit seinen Gaben die Vielfalt entwirft. Das ist wichtig: Was macht der Heilige Geist unter uns? Er entwirft die Vielfalt, die der Reichtum in der Kirche ist, und vereint alles und alle, um einen geistigen Tempel zu bilden, in dem wir keine materiellen Opfer darbringen, sondern uns selbst, unser Leben (vgl. 1 Petr 2,45). Die Kirche ist kein Geflecht aus Dingen und Interessen, sondern sie ist der Tempel des Heiligen Geistes, der Tempel, in dem Gott wirkt, der Tempel, in dem ein jeder von uns durch das Geschenk der Taufe ein lebendiger Stein ist. […] wir alle sind notwendig, um diesen Tempel zu bauen! Niemand ist zweitrangig. Niemand ist der Wichtigste in der Kirche, wir sind alle gleich in den Augen Gottes. Jemand von euch könnte sagen: „Hören Sie, Herr Papst, Sie sind uns nicht gleich.“ Doch, ich bin wie jeder von euch, wir sind alle gleich, wir sind Brüder! Niemand ist anonym […].