Lerne also wahrhaft demütig zu sein – ohne Verstellung wie jene, die sich in Falschheit demütigen, und nicht wie die Heuchler, von denen es im Buch Sirach (19,23) heißt: „Es ist einer, der sich trügerisch erniedrigt, sein Inneres aber ist voll List.“ „Ein wahrhaft Demütiger“, sagt Bernhard, „will stets geringgeachtet, nicht als demütig gepriesen werden.“ […] Glaube nicht, dass die Jungfräulichkeit Gott gefalle ohne die Demut; sicher wäre auch Maria nicht die Gottesmutter geworden, wenn sie in sich Hochmut gehabt hätte. […] und deswegen handelt es sich hier um eine große Tugend, ohne deren Besitz es nicht bloß keine andere wahre Tugend gibt, sondern diese sich zum Hochmut auswächst. […] Christus hat sich für uns erniedrigt […] dass zu seiner Zeit nichts verächtlicher angesehen wurde als er. […] So tief war seine Erniedrigung, so sehr hatte er sich gebeugt, dass niemand über ihn ein rechtes Urteil abgab, niemand von ihm glaubte, dass er Gott sei. Wenn also unser Herr und Meister selber sagt: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr, und der Jünger steht nicht über seinem Meister, dann musst du, wenn du eine Magd Christi, eine Jüngerin Christi bist, gering, verachtet und demütig sein.