Das Gesetz war nämlich für Knechte gegeben; durch seine äußerlichen, körperlichen Vorschriften unterwies es die Seele, indem es wie durch ein Band heranziehen wollte zur Beobachtung der Gebote, damit der Mensch lernen sollte, Gott zu gehorchen. Das Wort aber befreite die Seele und lehrte, wie sich der Körper durch sie freiwillig reinige. Demgemäß war es nötig, die Bande wegzunehmen, an die der Mensch sich schon gewöhnt hatte, und ungefesselt Gott zu folgen. Erweitern aber mussten sich die Gebote der Freiheit und wachsen musste die Unterwürfigkeit gegen den König, damit niemand wieder umkehre und dessen unwürdig erscheine, der ihn befreit hat. […] Deswegen hat der Herr statt des Gebotes: Du sollst nicht ehebrechen, das: Du sollst nicht begehren gesetzt; statt des: Du sollst nicht töten, das: Du sollst nicht einmal zürnen; statt des Zehnten die Verteilung der gesamten Habe unter die Armen geboten und befohlen, nicht nur den Nächsten, sondern auch die Feinde zu lieben, nicht nur gute Geber und Verteiler zu sein, sondern freiwillige Geber gegen die, welche uns das Unsrige nehmen. Das ist unser Herr, das Wort Gottes, das zuerst die Knechte zu Gott hinzog, dann aber die befreite, die sich ihm unterwarfen, wie er selber seinen Jüngern sagt: „Nicht mehr werde ich euch Knechte nennen, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut, Euch habe ich meine Freunde genannt, da ich euch alles kundgetan habe, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). […] Dadurch aber, dass er „Freunde Gottes“ seine Jünger nennt, zeigt er deutlich an, dass er das Wort Gottes ist, dem Abraham freiwillig und ohne Fesseln infolge der Großmut seines Glaubens folgte, wodurch er ein Freund Gottes wurde.