Die Juden hatten gesagt, nur Gott könne Sünden nachlassen; er aber lässt nicht bloß die Sünden nach, sondern tut noch zuvor etwas, was nur Gott tun konnte, er liest die geheimen Gedanken ihres Herzens. […] Dass aber nur Gott allein die geheimen Gedanken erkennt, das kannst du von dem Propheten hören, der da sagt: „Du allein kennst die Herzen“ (vgl. 2 Chr 6,30), und an einer anderen Stelle: „Gott erforscht Herz und Nieren“ (Ps 7,10). Und Jeremias sagt: „Das Menschenherz ist tiefer als irgendetwas, und er ist ein Mensch, und wer wird ihn kennen?“ (Jer 17,9); endlich: „Der Mensch schaut ins Gesicht, Gott aber in das Herz“ (1 Kön 16,7). Auch auf andere vielfache Weise kann man sehen, dass Gott allein die Gedanken wissen kann. Nachdem also Christus gezeigt hatte, dass er Gott ist und seinem Vater gleichstehe, so enthüllt und offenbart er ihre verborgenen Gedanken. Sie fürchteten eben das Volk und wagten deshalb ihre Meinung nicht zu äußern. Doch auch hierbei verfuhr er sehr schonend […] Wenn jemand das Recht hatte unwillig zu werden, so war es der Kranke, der gewissermaßen enttäuscht worden war. Er konnte sagen: Für eines wollt ihr Genesung suchen, und Du heilst etwas anderes? Wie sollte ich wissen können, dass mir meine Sünden nachgelassen sind? In der Tat aber sagt der Gichtbrüchige nichts dergleichen, sondern überlässt sich ganz der Macht dessen, von dem er Heilung erwartet […] Als aber die Juden ihn herausforderten, da zeigte er seine Macht schon viel deutlicher und sprach: […] Was haltet ihr für leichter, einen gichtbrüchigen Leib zu heilen, oder die Sünden der Seele nachzulassen? Offenbar, dem Leibe seine Kraft wiederzugeben. Denn um wieviel höher die Seele über dem Leibe steht, um wieviel mehr ist es auch, Sünden nachzulassen. Da aber das eine sichtbar, der andere unsichtbar ist, so lasse ich auch das nachfolgen, was zwar in sich geringer, dafür aber deutlicher bemerkbar ist. Dieses soll zum Beweise dienen für das Größere und Unsichtbare, indem ich durch die Wunderwerke im Voraus die Verheißung des Johannes erfülle, der da sagte: „Er nimmt hinweg die Sünden der Welt“ (Joh 1,29).