Wie gerne wäre ich Priester gewesen, um über die Heilige Jungfrau predigen zu können! Ein einziges Mal hätte mir genügt, um alles zu sagen, was ich über diesen Gegenstand denke! Zuerst hätte ich gezeigt, wie wenig man über ihr Leben weiß. Man sollte nicht unwahrscheinliche Dinge sagen oder Dinge, die man nicht weiß, wie zum Beispiel, dass sie, als sie noch ganz klein war, als Dreijährige, in den Tempel gegangen ist, um sich Gott in glühender Liebe und mit ganz außerordentlichen Gefühlen darzubringen; in Wirklichkeit ist sie vielleicht einfach hingegangen, um ihren Eltern zu gehorchen […] Damit mir eine Predigt über die Heilige Jungfrau gefällt und nützt, muss ich ihr Leben vor mir sehen, wie es wirklich war, aber nicht ein erdachtes Leben; und ich bin überzeugt, dass ihr wirkliches Leben ganz einfach gewesen sein muss. Man stellt sie unnahbar dar, aber man müsste sie nachahmbar zeigen, ihre Tugenden aufzeigen, sagen, dass sie aus dem Glauben lebte wie wir, die Beweise aus dem Evangelium dafür anführen, wo wir lesen: „Sie verstanden nicht, was Er zu ihnen sagte“ (vgl. Lk 2,50). Und diese andere, nicht minder geheimnisvolle Stelle: „Seine Eltern waren voll Bewunderung über das, was man über Ihn sagte“ (vgl. Lk 2,33). Diese Bewunderung setzt ein gewisses Staunen voraus, finden Sie nicht, Mütterchen? Man weiß, dass die Heilige Jungfrau die Königin des Himmels und der Erde ist, aber sie ist mehr Mutter als Königin, und man sollte nicht ihrer Vorzüge wegen sagen, sie verdunkle die Herrlichkeit sämtlicher Heiligen, wie die Sonne bei ihrem Aufgang die Sterne zum Verschwinden bringt. Mein Gott, ist das merkwürdig! Eine Mutter, die den Glanz ihrer Kinder zum Verschwinden bringt! Ich denke genau das Gegenteil, ich glaube, sie wird den Glanz der Auserwählten noch stark erhöhen. Es ist gut, dass man von ihren Vorzügen spricht, aber man sollte nicht ausschließlich von ihnen sprechen […] Wer weiß, ob das nicht manche Seele soweit bringt, dass sie schließlich einem dermaßen überlegenen Geschöpf gegenüber eine gewisse Entfremdung fühlt und sich sagt: „Wenn das so ist, dann kann man sich besser in eine kleine Ecke verziehen und dort leuchten, so gut man eben kann!“ Die Heilige Jungfrau hatte uns voraus, dass sie nicht sündigen konnte, dass sie frei war vom Makel der Erbsünde, aber andrerseits hat sie auch wieder weniger Glück gehabt als wir, denn sie hat keine Heilige Jungfrau zum Lieben gehabt, und das ist eine so große Seligkeit mehr für uns […]!