Seit den Ursprüngen wird daher die Fastenzeit als eine Zeit der unmittelbaren Vorbereitung auf die Taufe gelebt, die in der Osternacht feierlich gespendet werden soll. Die ganze Fastenzeit war ein Weg hin zu dieser großen Begegnung mit Christus, zu diesem Eintauchen in Christus und dieser Erneuerung des Lebens. Wir sind schon getauft, aber die Taufe ist in unserem Alltagsleben oft nicht sehr wirksam. Darum ist auch für uns die Fastenzeit ein neues „Katechumenat“, in dem wir erneut unserer Taufe entgegengehen, um sie wieder neu zu entdecken und zutiefst wieder zu erleben, um wieder wirklich Christen zu werden. Die Fastenzeit ist also eine Gelegenheit, um wieder neu Christen „zu werden“, durch einen ständigen Prozess des inneren Wandels und des Fortschreitens in der Erkenntnis und in der Liebe Christi. Die Umkehr geschieht nie ein für allemal, sondern sie ist ein Prozess, ein innerer Weg während unseres ganzen Lebens. Dieser Weg der dem Evangelium entsprechenden Umkehr darf sich gewiss nicht auf eine besondere Periode des Jahres beschränken: Es ist ein Weg, der jeden Tag zu gehen ist, der den ganzen Bogen der Existenz, jeden Tag unseres Lebens umfassen muss. […] Umkehren: Was heißt das wirklich? Umkehren heißt Gott suchen, mit Gott gehen, die Lehren seines Sohnes, Jesu Christi, willig befolgen. Umkehren ist nicht ein Bemühen um Selbstverwirklichung, denn der Mensch ist nicht der „Architekt“ seines eigenen ewigen Schicksals. Wir haben uns nicht selbst gemacht. Deshalb ist die Selbstverwirklichung ein Widerspruch und für uns auch zu wenig. Wir haben eine höhere Bestimmung. Wir könnten sagen, dass die Umkehr gerade darin besteht, sich nicht als „Schöpfer“ seiner selbst zu betrachten und so die Wahrheit zu entdecken, denn wir sind nicht die Urheber von uns selbst. Umkehr besteht darin, frei und mit Liebe zu akzeptieren, dass wir in allem von Gott, unserem wahren Schöpfer, abhängig sind, dass wir von der Liebe abhängig sind. Das ist nicht Abhängigkeit, sondern Freiheit.