Die Demut ist eine geheime Kraft, die die Heiligen empfangen, wenn sie die ganze mühevolle Übung ihres Lebens gut durchlaufen haben. Diese Kraft wird nämlich nur denen gegeben, die die Tugend durch die Kraft der Gnade zur Vollendung bringen. […] Es ist die gleiche Kraft, die die seligen Apostel in Gestalt des Feuers empfangen haben. Der Erlöser hatte ihnen befohlen, Jerusalem nicht zu verlassen bis sie die Kraft aus der Höhe empfangen hätten (vgl. Apg 2,3; 1,4). Jerusalem steht hier für die Tugend. Die Kraft ist die Demut. Und die Kraft aus der Höhe ist der Paraklet, das heißt der Tröster Geist. Das ist es, was die Heilige Schrift sagt: Die Geheimnisse werden den Demütigen geoffenbart (vgl. Lk 10,21). Den Demütigen ist es gegeben, in ihrem Innern diesen Geist der Offenbarung zu empfangen, der die Geheimnisse enthüllt. Deshalb haben einige Heilige davon gesprochen, dass die Demut die Seele vervollkommnet in göttlicher Kontemplation. Niemand soll sich also einbilden, er habe das Maß der Demut erreicht, weil ihm irgendwann ein zerknirschter Gedanke gekommen sei oder weil er ein paar Tränen vergossen habe. […] Doch wenn ein Mensch alle bösen Geister besiegt hat […], wenn er alle Festungen der Feinde überwunden und erobert hat, und wenn er dann spürt, dass er diese Gnade empfangen hat, was „der Geist selber seinem Geist bezeugt“ (vgl. Röm 8,16) nach den Worten des Apostels Paulus, dann ist das die Vollendung der Demut. Selig ist, wer sie besitzt. Denn dann ruht er beständig an der Brust Jesu (vgl. Joh 13,25).