Liebe jeden mit echter, starker Nächstenliebe; Freundschaft dagegen schenke nur solchen, die mit dir Verbindung in wertvollen Dingen aufnehmen können […] Wenn ihr eure wissenschaftlichen Kenntnisse austauscht, so ist eure Freundschaft gewiss lobenswert; noch besser ist sie, wenn ihr einander zur Tugend der Klugheit, der taktvollen Mäßigung, der Stärke und Gerechtigkeit aneifert; wenn ihr einander aber die Liebe, die Frömmigkeit, die christliche Vollkommenheit vermittelt, wie wertvoll wird dann eure Freundschaft sein! Sie wird eine ausgezeichnete sein, weil sie von Gott kommt, weil sie auf Gott hinzielt, weil Gott ihr Band ist, weil sie ewig in Gott weiterleben wird. Wie schön ist es, auf Erden so zu lieben, wie man im Himmel lieben wird, und zu lernen, einander auf dieser Welt so herzlich verbunden zu sein, wie wir es in der anderen ewig sein werden! Ich spreche hier nicht von der einfachen Nächstenliebe, die wir allen Menschen schulden, sondern von der geistlichen Freundschaft, in der zwei, drei oder mehr Seelen einander ihre Frömmigkeit mitteilen, ihre geistigen Empfindungen austauschen und eins werden im Geist. Mit Recht können diese glücklichen Menschen singen: „Wie schön und lieblich ist es, wenn Brüder einig zusammenleben!“ (Ps 133,1) […] Ich meine, dass jede andere Freundschaft im Vergleich damit nur ein Schatten ist […] Für solche […], die mitten unter Weltmenschen die wahre Tugend anstreben, ist es notwendig, sich untereinander durch eine heilige Freundschaft zu verbinden; dadurch ermuntern sie sich gegenseitig, helfen einander und tragen sich gleichsam gegenseitig zum guten Ziel […] Niemand kann leugnen, dass der Herr in besonders liebevoller Freundschaft den Heiligen Johannes, Lazarus, Marta, Magdalena zugetan war, da es die Heilige Schrift bezeugt (Joh 13,23; 11,5).