Montag, 28 Juni 2021 : Kommentar Origenes

In seinem Orakelspruch hatte Bileam gesagt: „Wie schön sind deine Häuser, Jakob, deine Zelte, Israel“ (Num 24,5 LXX). Hier steht Jakob als Sinnbild für Menschen, die in Taten und Werken vollkommen sind, und Israel für jene, die nach Weisheit und Erkenntnis suchen. […] Von dem, der seine ganze Pflicht erfüllt hat und dessen Werke vollkommen sind, wird man sagen, dass die Vollkommenheit seiner Werke sein Haus, sein schönes Haus ist; während es für diejenigen, die sich um Weisheit und Erkenntnis bemühen, kein Ende ihrer Mühen gibt – wo auch sollte es eine Grenze für die Weisheit Gottes geben? Je näher man ihr kommt, desto mehr erkennt man ihre Tiefe; je eingehender man sie erforscht, desto mehr versteht man, wie unaussprechlich und unbegreiflich sie ist; denn die Weisheit Gottes ist unbegreiflich und unermesslich. Bei diesen Menschen also, die auf dem Weg der Weisheit Gottes voranschreiten, rühmt Bileam nicht ihre Häuser, da sie ja noch nicht am Ziel ihres Weges angekommen sind, sondern er bewundert die Zelte, mit denen sie ständig aufbrechen und weiterziehen. Jeder, der in der Erkenntnis der Dinge Gottes Fortschritte gemacht und auf diesem Gebiet Erfahrungen gesammelt hat, weiß sehr wohl: Kaum hat die Seele eine Einsicht, ein Verständnis geistlicher Geheimnisse gewonnen, weilt sie dort wie in einem Zelt; und nachdem sie von ihren ersten Entdeckungen aus neue Regionen erkundet hat […], bricht sie ihr Zelt gleichsam ab, streckt sich nach Höherem aus und richtet dort für eine Weile die Wohnstatt ihres Geistes ein. […] Indem sie sich auf diese Weise „nach dem ausstreckt, was vor ihr ist“ (vgl. Phil 3,13), zieht sie immer weiter voran, wie die Nomaden mit ihren Zelten. Nie kommt der Moment, da die Seele, die vom Feuer der Erkenntnis Gottes brennt, sich Zeit zur Ruhe gönnen kann; ständig wird sie vom Guten zum Besseren und von diesem Besseren zu noch größeren Höhen angespornt.

Zuletzt geändert: 28 June 2021