Mittwoch, 20 Oktober 2021 : Kommentar Johannes Cassianus

Das wirksamste Heilmittel für das menschliche Herz ist die Geduld, nach einem Wort von Salomo: „Ein sanftmütiger Mann ist ein Arzt für das Herz“ (Spr 14,30 LXX). Nicht nur Zorn, Traurigkeit, Faulheit, Prahlerei oder Stolz werden dadurch ausgerottet, sondern auch die Wollust und alle Laster zugleich. „Langmut“, so sagt Salomon weiter, „gewährt Königen Erfolg“ (vgl. Spr 25,15 LXX). Derjenige, der immer sanftmütig und ruhig ist, wird nicht vom Zorn entflammt, verzehrt sich nicht in den Qualen der Langeweile und Traurigkeit, verliert sich nicht in vergeblichem Streben nach eitlem Ruhm und bläht sich nicht auf im Stolz: „Reich an Frieden sind, die den Namen des Herrn lieben; und es gibt für sie keinen Anstoß“ (vgl. Ps 118(119),165 Vg) Der Weise hat wahrhaftig recht, wenn er sagt: „Besser ein langmütiger Mann als ein starker, wer über seinen Zorn siegt, ist besser, als wer eine Stadt einnimmt“ (Spr 16,32 LXX). Aber bis wir diesen festen und dauerhaften Frieden erreichen, müssen wir mit vielen Angriffen rechnen. Oft werden wir unter Tränen und Seufzen sagen müssen: „Ich bin elend geworden, und überaus gebeugt; den ganzen Tag gehe ich trauernd einher. Denn voll von Schmach sind meine Lenden“ (Ps 37(38),7–8 Vg). […] Bis die Seele den Zustand vollkommener Reinheit erreicht hat, wird sie häufig diese wechselnden Zustände durchlaufen, die für ihre Formung notwendig sind; bis schließlich die Gnade Gottes ihr Verlangen erfüllt und sie für immer festigt. Dann wird sie in Wahrheit sagen können: „Sehnsüchtig harrte ich auf den Herrn, und er merkte auf mich. Und er erhörte mein Gebet, und zog mich heraus aus der Grube des Elends, aus schlammigem Kote; und stellte meine Füße auf einen Felsengrund, und machte meine Schritte sicher“ (vgl. Ps 39(40),2–3 Vg).

Zuletzt geändert: 20 October 2021