Donnerstag, 4 November 2021 : Kommentar Hl. Katharina von Siena

O ewiger Vater! O Feuer und Abgrund der Liebe! O ewige Schönheit, o ewige Weisheit, o ewige Güte, o ewige Milde, o Hoffnung, o Zuflucht der Sünder, o unermessliche Weite, o ewiges und unendliches Gut, o Narr der Liebe! Brauchst du denn dein Geschöpf? Man könnte es meinen, denn du handelst so, als könntest du nicht ohne es leben, du, der du doch das Leben bist, die Quelle allen Lebens, ohne die alles stirbt. Warum bist du dann so wahnsinnig verliebt? Warum verliebst du dich in dein Geschöpf, schenkst ihm deine Zuneigung und hast an ihm deine Wonne? Die Sehnsucht nach seinem Heil ist wie eine Sucht in dir: Dein Geschöpf flieht vor dir – und du gehst auf die Suche nach ihm; es entfernt sich – und du näherst dich ihm. Könntest du ihm noch näher kommen, als dich in seine Menschlichkeit zu versetzen? Und was soll ich sagen? Ich mache es wie ein Stotterer und sage „a, a …“, da ich nichts anderes zu sagen weiß und da endliche Worte das Gefühl der Seele nicht auszudrücken vermögen, die sich unendlich nach nichts anderem sehnt als nach dir. Mir scheint, ich könnte die Worte des heiligen Paulus wiederholen: „Wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Was soll ich also sagen? Hier passen keine groben Gefühle. Lass uns nur sagen, o meine Seele, dass du den Abgrund der souveränen und ewigen Vorsehung gekostet und gesehen hast. Und ich danke dir, Herr, ewiger Vater, für die unermessliche Güte, die du mir erwiesen hast, mir, der ich so elend und aller Gnade unwürdig war.

Zuletzt geändert: 4 November 2021