Donnerstag, 9 Dezember 2021 : Kommentar Sel. Guerricus von Igny

„Ein Mann rang mit Jakob, bis die Morgenröte aufstieg […], und Jakob sprach zu ihm: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest“ (vgl. Gen 32,25.27). Für euch, meine Brüder, die ihr den Himmel erstürmen wollt und den Kampf aufgenommen habt mit dem Engel, der den Zugang zum Baum des Lebens bewachen sollte (vgl. Gen 3,24): Für euch ist es absolut notwendig, ausdauernd und hartnäckig zu kämpfen […], nicht nur, bis euer Hüftgelenk sich ausrenkt […], sondern bis zum Tod eures fleischlichen Seins. Das kann eurer Askese aber nur gelingen, wenn die Kraft Gottes euch berührt und euch diese Gnade gewährt […]. Hast du nicht den Eindruck, als würdest du mit dem Engel oder vielmehr mit Gott selbst kämpfen, wenn er sich tagtäglich deinen glühendsten Wünschen in den Weg stellt? […] Du schreist zu ihm, und er hört dich nicht. Du willst dich ihm nahen, und er weist dich zurück. Du triffst eine Entscheidung, und er lässt zu, dass das Gegenteil geschieht. So bekämpft er dich auf nahezu allen Ebenen in roher Manier. – O du verborgene Güte, mit Härte verkleidet, mit welcher Zärtlichkeit, Herr, bekämpfst du die, für die du kämpfst! Vergeblich „verbirgst du dies in deinem Herzen“: Ich weiß sehr wohl, dass du „alle liebst, die dich lieben“, und dass die Güte „die du bereithältst für alle, die dich fürchten“, grenzenlos ist (Ijob 10,13; vgl. Spr 8,17; Ps 31(30),20). Verzweifle also nicht, Bruder! Der du angetreten bist, mit Gott zu kämpfen, geh’ es mutig an! In Wirklichkeit hat er es gern, wenn du ihm Gewalt antust; er verlangt danach, dass du ihn besiegst. Selbst wenn er zürnt und den Arm erhebt, um zuzuschlagen, sucht er, wie er selbst sagt, einen Mann wie Mose, der ihm die Stirn zu bieten weiß. […] Jeremia versuchte zwar, ihm zu widerstehen, konnte aber seinen unerbittlichen Zorn und sein unbeugsames Urteil nicht zurückhalten. Daher brach er in Tränen aus und rief: „Herr, du hast mich gepackt und überwältigt“ (vgl. Jer 20,7).

Zuletzt geändert: 9 December 2021