Mittwoch, 26. Oktober : Juliana von Norwich

[Wenn der Sünder erkennt, dass er schuldig geworden ist], lässt die göttliche Gnade eine so tiefe Zerknirschung in ihm aufkommen, so großes Mitleiden und echten Durst nach Gott, dass der Sünder, plötzlich von Sünde und Last befreit, wieder aufgerichtet wird. […] Die Zerknirschung reinigt uns, das Mitleiden bereitet uns vor und der wahre Durst nach Gott gibt uns die Würde zurück. Nach meinem Verständnis sind dies die drei Mittel, durch die alle Seelen in den Himmel kommen, das heißt, die Menschen, die auf Erden gesündigt haben und gerettet werden. Denn jede sündige Seele muss durch diese drei Arzneien geheilt werden. Doch auch wenn die Seele geheilt ist, bleiben ihre Wunden vor Gott bestehen, aber nicht mehr als Wunden, sondern als Siegeszeichen. Besteht unsere Bestrafung hier auf Erden in Leiden und Buße, so werden wir im Himmel mit der wohlwollenden Liebe unseres Herrn belohnt. […] Er betrachtet die Sünde derer, die ihn lieben, zwar als etwas Trauriges und Schmerzliches, aber, weil er uns liebt, nicht als etwas Verdammenswertes. Der Lohn, den wir empfangen werden, wird nicht gering sein, sondern herausragend, ehrenvoll, herrlich; und so wird die Schande in Herrlichkeit und Freude verwandelt werden. Denn in seiner Güte will unser Herr nicht, dass seine Diener verzweifeln, weil sie so oft und erbärmlich gefallen sind; unsere Stürze hindern ihn nicht daran, uns zu lieben. […] Er will, dass wir wissen: Er ist das Fundament unseres ganzen Lebens in Liebe, mehr noch: Als unser ewiger Beschützer verteidigt er uns mit Macht gegen alle Feinde, die wütend über uns herfallen. Und ach, wir haben ihn bitter nötig, da wir uns durch unser Fallen häufig ihrem Einfluss aussetzen.

Zuletzt geändert: 26 October 2022