Sonntag, 27. November : Sel. Guerricus von Igny

Wahrlich, meine Brüder, im Jubel des Geistes müssen wir der Begegnung mit dem kommenden Christus entgegengehen. […] Unser Geist soll sich also in freudiger Bewegung erheben und seinem Erlöser entgegeneilen […]. Ich glaube nämlich, dass uns viele Stellen der Heiligen Schrift einladen, ihm entgegenzugehen, nicht nur in Bezug auf die zweite Ankunft, sondern sogar in Bezug auf die erste. […] Noch vor seiner Wiederkunft soll der Herr doch zu euch kommen. Bevor er der ganzen Welt erscheint, möge er euch ganz vertraut besuchen, er, der gesagt hat: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch“ (Joh 14,18). Denn in dieser Zeitspanne zwischen seinem ersten und seinem letzten Kommen gibt es – je nach Verdienst und Eifer eines jeden – ein häufiges und vertrautes Kommen des Herrn, das uns nach dem ersten formt und auf das letzte vorbereitet. […] Durch sein Kommen während der gegenwärtigen Zeit arbeitet er daran, unseren Hochmut zu korrigieren, uns jener Demut ähnlich zu machen, die er bei seinem ersten Kommen erwiesen hat, und „unseren armseligen Leib zu verwandeln in die Gestalt seines verherrlichten Leibes“ (vgl. Phil 3,21), den er uns bei seiner Wiederkunft zeigen wird. Deshalb müssen wir dieses vertraute Kommen, das uns die Gnade des ersten Kommens schenkt und uns die Herrlichkeit des letzten verheißt, ersehnen und inständig erbitten. […] Das erste Kommen war demütig und verborgen, das letzte wird offenkundig und herrlich sein. Das Kommen, von dem ich spreche, ist verborgen und herrlich zugleich. Ich sage verborgen, nicht weil es von dem, dem es widerfährt, nicht wahrgenommen würde, sondern weil es ihm im Geheimen widerfährt. […] Er kommt, ohne gesehen zu werden und entfernt sich, ohne dass jemand es bemerkt. Seine bloße Anwesenheit ist für die Seele und den Geist ein Licht, das Unsichtbares sehen und Unerkennbares erkennen lässt. […] Dieses Kommen des Herrn versetzt die Seele dessen, der ihn schaut, in süße und glückliche Bewunderung. Dann sprudelt aus seinem Innersten der Ruf hervor: „Herr, wer ist wie du?“ (Ps 35(34),10). Wer es erfahren hat, weiß es. Möge es Gott gefallen, dass diejenigen, die es nicht erfahren haben, den Wunsch danach verspüren!

Zuletzt geändert: 27 November 2022