Sonntag, 12. Februar : Hl. Irenäus von Lyon

Es gibt natürliche Gesetzesvorschriften, deren Einhaltung bereits Gerechtigkeit bewirken; auch bevor Mose das Gesetz gegeben wurde, hielten sich Menschen an diese Gebote, waren durch ihren Glauben gerechtfertigt, und Gott fand an ihnen Gefallen. Diese Gebote setzte der Herr nicht außer Kraft, sondern erweiterte und vollendete sie. Das belegen folgende Worte: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“ (Mt 5,27f.). Und: „Es ist gesagt worden: Du sollst nicht töten […] Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein“ (vgl. Mt 5,21f.). […] Und so weiter und so fort. Alle diese Vorschriften widersprachen den vorhergehenden nicht und hoben sie nicht auf, sondern vollendeten und erweiterten sie. Wie der Herr selbst sagt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 5,20). Worin bestand dieses „weit größer“? Erstens darin, nicht nur an den Vater, sondern auch an den nunmehr geoffenbarten Sohn zu glauben; denn er ist es, der den Menschen in die Gemeinschaft und Einheit mit Gott führt. Zweitens, nicht mehr nur zu reden, sondern auch zu handeln – denn „sie redeten nur, taten selbst aber nicht, was sie sagten“ (vgl. Mt 23,3) – und sich nicht nur vor bösen Taten, sondern sogar vor dem Verlangen danach zu hüten. Mit dieser Lehre widersprach Christus nicht dem Gesetz, sondern vollendete es und verwurzelte die Vorschriften des Gesetzes in uns. […] Wenn einer nämlich fordert, sich nicht nur der vom Gesetz verbotenen Handlungen, sondern sogar dem Verlangen danach zu enthalten, so widerspricht er damit dem Gesetz nicht und hebt es nicht auf, sondern vollendet und erweitert es.

Zuletzt geändert: 12 February 2023