Christus ist derjenige, der „wusste, was im Menschen ist“ (vgl. Joh 2,25), im Mann und in der Frau. Er kennt die Würde des Menschen, seinen Wert in den Augen Gottes. Er selbst, der Erlöser, ist die endgültige Bestätigung dieses Wertes. Alles, was er sagt und tut, findet im Ostermysterium der Erlösung seine endgültige Erfüllung.
Das Verhalten Jesu zu den Frauen, denen er auf den Wegen seines messianischen Dienstes begegnet, spiegelt den ewigen Plan Gottes wider, der eine jede von ihnen erschafft und sie in Christus erwählt und liebt (vgl. Eph 1,1–5). […] Jesus von Nazaret bestätigt diese Würde, ruft sie in Erinnerung, erneuert sie und macht sie zum Inhalt des Evangeliums und der Erlösung, um deretwegen er in die Welt gesandt wurde. […]
Jesus begibt sich in die konkrete, geschichtliche Situation der Frau, eine Situation, die vom Erbe der Sünde belastet ist. Dieses Erbe kommt unter anderem in den Gewohnheiten zum Ausdruck, die die Frau zugunsten des Mannes diskriminieren, und ist auch in ihr selbst verwurzelt. Unter diesem Gesichtspunkt scheint die Episode von der Frau, „die beim Ehebruch ertappt wird“ (vgl. 8,3–11), besonders ergiebig zu sein. Zuletzt sagt Jesus zu ihr: „Sündige von jetzt an nicht mehr“; vorher aber weckt er das Schuldbewusstsein in den Männern, die sie anklagen […]. Jesus scheint den Anklägern sagen zu wollen: Ist diese Frau mit ihrer ganzen Sünde nicht vielleicht auch und vor allem eine Bestätigung eurer Übertretungen, eurer „männlichen“ Ungerechtigkeit, eurer Missbräuche?
Diese Wahrheit ist für das ganze Menschengeschlecht gültig. […] Eine Frau wird allein gelassen und mit „ihrer Sünde“ der öffentlichen Meinung ausgesetzt, während sich hinter „ihrer“ Sünde ein Mann als Sünder verbirgt, der „an der Sünde anderer“ schuld, ja mitverantwortlich für sie ist. Seine Schuld entzieht sich jedoch der Aufmerksamkeit und wird stillschweigend übergangen. […] Wie oft büßt in ähnlicher Weise die Frau für ihre Sünde […] Wie oft bleibt sie mit ihrer Mutterschaft verlassen zurück, wenn der Mann, der Vater des Kindes, die Verantwortung dafür nicht übernehmen will? Und neben den so zahlreichen „unverheirateten Müttern“ in unserer Gesellschaft müssen wir auch an all jene Frauen denken, die sich sehr oft unter mancherlei Druck, auch von seiten des schuldigen Mannes, von ihrem Kind noch vor dessen Geburt „befreien“. Sie „befreien sich“: aber um welchen Preis?