Alle Nachtwachen, die zu Ehren des Herrn begangen werden, finden Gottes Gefallen und seine Zustimmung, aber diese Nachtwache steht über allen anderen. Deshalb trägt diese Nacht auch eine besondere Bezeichnung: „Nachtwache des Herrn“. Wir lesen ja: „Als eine Nacht des Wachens zur Ehre des Herrn gilt sie den Israeliten in allen Generationen“ (Ex 12,42).
Diese Nacht trägt ihren Titel zu Recht, weil der Herr zum Leben erwacht ist, damit wir nicht im Todesschlaf bleiben. Durch das Mysterium seiner Passion hat er ja für uns den Todesschlaf erlitten; aber dieser Schlaf des Herrn ist zur Nacht des Wachens für die ganze Welt geworden; denn der Tod Christi hat den Schlaf des ewigen Todes weit von uns vertrieben. Er selbst erklärt es durch den Propheten: „Ich lege mich nieder und schlafe ein, und mein Schlaf war süß gewesen (Ps 3,6; Jer 31,26). Der Schlaf Christi, der uns aus der Bitternis des Todes zur Süße des Lebens zurückgerufen hat, konnte ja nur süß gewesen sein. […]
Salomo schrieb: „Ich schlief, doch mein Herz war wach“ (Hld 5,2). Diese Worte bekunden ganz offensichtlich das Geheimnis der Göttlichkeit und Menschlichkeit des Herrn. Dem Leib nach hat er geschlafen, doch seine Göttlichkeit war wach, denn die Göttlichkeit konnte nicht schlafen. […] „Nein, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht“ (Ps 121(120),4). […] Dem Fleisch nach schlief er, seine Gottheit aber stieg hinab in das Reich des Todes, um den Menschen, der dort gefangen war, herauszuholen. Unser Herr und Erlöser wollte alle Orte aufsuchen, um allen Barmherzigkeit zu erweisen. Er stieg vom Himmel herab auf die Erde, um die Welt zu besuchen; er stieg dann von der Erde hinab in die Unterwelt, um denen das Licht zu bringen, die dort gefangen waren, gemäß dem Wort des Propheten: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1).
Darum feiern die Engel im Himmel, die Menschen auf der Erde und die Seelen der Gläubigen im Reich des Todes diese Nachtwache des Herrn. […] Wenn schon über die Umkehr eines einzigen Sünders, wie das Evangelium berichtet, Freude herrscht bei den Engeln im Himmel (vgl. Lk 15,7.10), um wie viel mehr dann über die Erlösung der ganzen Welt? […] Diese Nacht des Wachens ist also nicht nur ein Fest für Menschen und Engel, sondern auch für den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, denn das Heil der Welt ist die Freude der Dreifaltigkeit.