Auf die Frage: „Was ist Gott?“ hat bisher noch kein Lehrer eine rechte Erklärung geben können, denn Gott ist über alles Denken und über jeden Verstand erhaben. Und doch kann ein Mensch, der sich eifrig und beharrlich um die Erkenntnis Gottes bemüht, dahin gelangen – wenn auch nur ansatzweise.
[…] So haben einst einige tugendhafte heidnische Lehrer nach ihm gesucht, insbesondere der weise Aristoteles. Er durchforschte den Lauf der Natur […]; er suchte leidenschaftlich und fand: Aus der Natur leitete er ab, dass es notwendigerweise ein einziges höchstes Wesen geben müsse, den Herrn über alle Geschöpfe – den wir Gott nennen. […]
Das Wesen Gottes ist eine derartig geistig-geistliche Substanz, dass das sterbliche Auge sie als solche nicht schauen kann; aber man kann sie in ihren Werken erkennen. Nach einem Wort des hl. Paulus sind die Geschöpfe wie ein Spiegel, in dem sich Gott widerspiegelt (vgl. Röm 1,20). Verweilen wir hier ein wenig […]; richte deinen Blick nach oben und schau um dich herum: Wie weit und hoch ist doch der Himmel in seinem schnellen Lauf, wie edel hat sein Meister ihn mit sieben Planeten geschmückt, wie herrlich ist er mit zahllosen Sternen geziert! Wenn im Sommer die Sonne so heiter am wolkenlosen Himmel strahlt, wie viele Früchte, wie viele Wohltaten bringt sie der Erde! Wie prangen die Wiesen im schönen Grün, wie lachen die Blumen, wie tönt der süße Gesang der Vöglein durch Wald und Flur! Und alle Tiere, die sich während des harten Winters verkrochen hatten, drängen fröhlich ins Freie. Und ebenso die Menschen: Jung und Alt sind fröhlich über diese Wonne, die ihnen so viel Glück beschert! O du zärtlicher Gott, wenn du schon so würdig bist, in deinen Geschöpfen geliebt zu werden – wie schön musst du selber dann erst sein und würdig, um deiner selbst willen geliebt zu werden!