[„Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch!“ (Hld 2,10)] Die göttliche Natur zieht die menschliche Seele hin zur Teilhabe an ihr, übersteigt diese jedoch immerfort durch ihre Erhabenheit im Guten. Die Seele wächst stetig durch die Teilhabe an dem, der sie überragt, und hört nie auf zu wachsen.
Doch das Gut, an dem sie teilhat, bleibt immer dasselbe, indem es sich der Seele, die immer mehr daran teilhat, immer gleich übersteigend offenbart.
So sehen wir, wie das göttliche Wort die Braut auf den Wegen der Tugend wie auf den Sprossen einer Leiter in die Höhe führt. Zuerst sendet das göttliche Wort ihr einen Lichtstrahl durch die Fenster der Propheten und die Gitter der Gebote des Gesetzes. Es fordert die Braut auf, sich dem Licht zu nähern und schön zu werden, indem sie im Licht die Gestalt einer Taube erhält. Da sie nun ihrer Fassungskraft entsprechend des [göttlichen] Gutes teilhaftig geworden ist, zieht er sie – als ob sie noch keinen Anteil daran hätte – erneut zur Teilhabe an der höheren Schönheit. So wächst in dem Maß ihres Fortschreitens auf das hin, was sich immer neu vor ihr zeigt, auch ihr Verlangen, und das Übermaß an Gutem, das immer noch höher liegt, lässt sie glauben, sie stehe immer noch am Anfang ihres Aufstiegs.
Deshalb spricht das göttliche Wort erneut: „Steh auf“ (Hld 2,13), zu ihr, die schon aufgestanden ist, und „Komm“, zu ihr, die schon nähergekommen ist. Wer so aufsteht, wird in der Tat nie aufhören, sich zu erheben, und wer so hineilt zum Herrn, wird den weiten Raum für den göttlichen Lauf nie ausschöpfen. Deshalb müssen wir uns stets neu erheben und nie aufhören, uns im Lauf zu nähern; denn jedes Mal, wenn das göttliche Wort spricht: „Steh auf“ und „Komm“, gibt es uns auch die Kraft, höher zu steigen.