Während im Evangelium gelesen wurde, wie der Herr seinen Jüngern durch Anhauchen den Heiligen Geist erteilte, bat sie [Gertrud] ihn mit inniger Andacht, er möge auch ihr seinen lieblich strömenden Geist erteilen. Der Herr antwortete: „Wenn du verlangst, den Heiligen Geist zu empfangen, so musst du zuvor nach Art meiner Jünger meine Seite und meine Hände berühren.
“
Dabei erkannte sie, dass „die Seite des Herrn berühren“ heißt: mit Dankbarkeit die Liebe seines göttlichen Herzens erwägen, in der er uns von Ewigkeit her zu Kindern und Erben seines Reiches vorausbestimmt hat, und uns Unwürdigen mit unendlichen Gütern beständig zuvorkommt und uns Undankbaren folgt. Auch die Hände des Herrn muss derjenige, der den Heiligen Geist empfangen will, berühren, d. h. er muss mit Dankbarkeit die einzelnen Werke der Erlösung beherzigen, worin der Herr dreiunddreißig Jahre aus Liebe zu uns sich abgemüht hat, und besonders sein Leiden und Sterben.
Ist er durch die Erinnerung hieran und durch die Dankbarkeit erwärmt worden, dann opfere er Gott sein ganzes Herz auf in Vereinigung mit jener Liebe, in welcher er gesprochen hat: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21), zu jeglichem Wohlgefallen des göttlichen Willens, so dass er in nichts etwas anderes verlangt als das höchste Wohlgefallen Gottes; außerdem biete er sich an, alles zu tun oder zu ertragen, was der Herr ihm auferlegt. Wenn jemand das tut, so empfängt er ohne Zweifel den Heiligen Geist, den Tröster, in derselben Gesinnung, in welcher die Jünger an diesem Tag ihn durch die Anhauchung des Sohnes Gottes empfingen.