Warum, Mensch, bist du in deinen eigenen Augen so gering, wenn du doch in den Augen Gottes so kostbar bist? Warum entehrst du dich selbst, wenn Gott dich so geehrt hat? Warum suchst du zu ergründen, wie und woraus du geschaffen wurdest, und vernachlässigst es, herauszufinden, zu welchem Ziel und Zweck? Ist diese Welt, diese irdische Wohnstätte, die du siehst, nicht ganz und gar für dich erbaut? Für dich strahlte das Licht auf, um die Finsternis zu vertreiben; für dich wurde die Nacht eingerichtet und der Tag abgemessen; für dich leuchtet der Himmel im Glanz der Sonne, des Mondes und der Sterne; für dich bedeckt sich die Erde mit Blumen, Wäldern und Früchten; für dich lebt in der Luft, auf dem Land und im Wasser die wunderbare Vielzahl der Tiere, damit nicht Traurigkeit und Einsamkeit die Freude an der neugeborenen Schöpfung verdunkeln.
Gott hat dich aus Erde geformt (vgl. Gen 2,7), damit du Herr über die Dinge dieser Erde seist, obwohl du mit ihnen eine gemeinsame Natur teilst. Doch Gott hat dich, so irdisch du auch bist, nicht so weit dem Irdischen angeglichen, dass du in Bezug auf deine Seele nicht mehr auf der Ebene des Himmels wärest. Damit du den Verstand gemeinsam mit Gott und den Körper gemeinsam mit den Tieren habest, schenkte Gott dir eine himmlische Seele und einen irdischen Leib. So wurde in dir eine bleibende Verbindung zwischen Himmel und Erde geknüpft.
Dein Schöpfer wollte aber noch etwas zu deiner Erhöhung hinzufügen: Da geht er so weit, dir sein Bild einzuprägen (vgl. Gen 1,26), damit dieses sichtbare Abbild den unsichtbaren Schöpfer auf Erden gegenwärtig mache. […] Wenn das so ist, wie kann man es dann als Schande betrachten, dass Gott in seiner Güte das, was er in dir geschaffen hat, in sich aufnimmt und wirklich selber als Mensch sichtbar werden möchte? […] Die Jungfrau hat empfangen und einen Sohn geboren (vgl. Mt 1,23–25).