Es gibt zwei Arten von Martyrium: das offenkundige und das geheime; das sichtbare und das verborgene; das eine im Fleisch, das andere im Herzen. […] Das Martyrium des Herzens übertrifft die Qualen des Fleisches.
So hat auch die glorreiche Jungfrau in dieser Art von Leiden triumphiert, und zwar umso glorreicher, je enger sie dabei mit dem anbetungswürdigen Kreuz des Erlösers verbunden war.
Sie schöpfte und trank aus dem Kelch des Leidens, und getränkt vom Strom der Schmerzen konnte sie eine Qual ertragen, die niemals ihresgleichen haben wird. Sie folgte Jesus nach, nicht nur dem Duft seiner Salben (vgl. Hld 1,3–4), sondern auch dem Übermaß seiner Schmerzen; nicht nur in der Freude der Tröstungen, sondern auch in den Fluten des Leidens. Als Mutter sah sie ihren Sohn, den wahren Salomo, mit dem Diadem, mit dem sie ihn gekrönt hatte (vgl. Hld 3,11), und sie selbst folgte ihm, gekrönt mit einer Krone der Trübsal.
Aufrecht stand sie unter dem Kreuz (vgl. Joh 19,25), um das so liebreiche Haupt ihres Sohnes zu betrachten […], das gesalbt worden war mit dem Öl der Freude wie keines seiner Gefährten (vgl. Ps 45(44),8), jetzt aber mit einem Rohr geschlagen und mit Dornen gekrönt. Sie sah den Schönsten von allen Menschen (vgl. Ps 45(44),3), der weder Glanz noch Schönheit mehr hatte. Sie sah den, der über alle Völker erhaben ist, ganz verachtet und auf den letzten Platz erniedrigt. Sie sah den Heiligsten der Heiligen zusammen mit Schurken und Verbrechern gekreuzigt. Sie sah, wie der Blick dieses erhabenen Menschen sich senkte und wie sich das Haupt dessen, der das Universum im Dasein erhält, auf seine Schultern neigte, wie das so friedvolle Antlitz Gottes dahinwelkte, und die Schönheit seines Gesichtes schwand.