Der Heiland hat einen Teil des hohenpriesterlichen Gebetes, das er selbst bei seinem Opfer gebetet hat, seiner Braut zur Vollendung im Laufe der Zeiten hinterlassen. Wenn auch sein Gebet von unendlicher Wirksamkeit ist, so will er doch, dass wir unser Gebet mit dem seinigen vereinen.
Als einmal der Heiland mit seinem göttlichen Blick die Menge der zu erlösenden Seelen umfasste, sprach er zu seinen Aposteln, die das Evangelium predigen sollten: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende“ (Lk 10,2). Wohl hätten die Apostel ihm entgegnen können: „Herr, warum sollen wir beten? Genügt dein Gebet nicht?“ Nein, es genügt nicht! „Betet“, betet auch ihr! Wie das Gebet seiner Apostel, so fordert der Heiland auch unser Gebet.
Darum sollen wir, wenn wir uns […] sammeln, daran denken, dass der Heiland vom Tabernakel aus uns zuruft: „Bittet den Herrn der Ernte! Leihet mir eure Lippen und eure Herzen, damit ich mit ihnen hier auf Erden unaufhörlich beten könne, während ich dort oben dem Vater meine Verdienste anbiete. Zuerst sollt ihr beten, dann erst werden die Arbeiter kommen und ihr Werk wird erfolgreich sein, soweit mein Vater infolge eures Gebetes, das auch mein Gebet ist, vom Himmel seinen Gnadentau sendet.“ […]
Beim Gedächtnis des Opfers, das die ganze Welt erlöst hat, gestützt auf die Macht des Heilandes selbst, umfasst die Kirche mit mütterlichem Blick all die verschiedenen Gattungen von Seelen, die der Hilfe von oben bedürfen, und fleht für jede derselben in einer besonderen Bitte. Dieses Beispiel unserer Mutter müssen wir nachahmen und vertrauensvoll vor Gott hintreten; denn wir sind in diesem Augenblick wirklich „der Mund der ganzen Kirche“ (vgl. hl. Bernard, Senensis, Sermo 20).