Der Apostel beweist, dass wir Kinder Gottes sind, durch die Tatsache, dass wir den Heiligen Geist in uns haben (vgl. Gal 4,6). Niemals, so sagt er, würden wir es wagen zu sprechen: „Vater unser im Himmel …“, ohne das Bewusstsein, dass der Heilige Geist in uns wohnt und mit der machtvollen Stimme des Verstandes und des Glaubens ruft [schreit]: „Abba, Vater“.
[…] Es ist zu beachten, dass in der Heiligen Schrift mit dem Wort „schreien“ nicht die Intensität der Stimme, sondern die Kraft des Gedankens und der ausgedrückten Wahrheit gemeint ist. So antwortet der Herr im Buch Exodus dem Mose: „Was schreist du zu mir?“ (Ex 14,15), obwohl Mose vorher kein einziges Wort gesprochen hatte. Die Schrift bezeichnet hier also mit „schreien“ das Klagen und Weinen seines zerknirschten Herzens über das Volk. […]
„Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,7). Er sagt also: Da ihr den Geist des Sohnes Gottes habt, der in euch ruft „Abba, Vater“, seid ihr nicht mehr Sklaven, sondern Söhne. Früher habt ihr euch durch nichts von Sklaven unterschieden, obwohl ihr dem Wesen nach Gott angehörtet; aber ihr lebtet wie alle Unmündigen unter der Vormundschaft von Lehrern und Meistern. Wenn ihr jetzt zu Söhnen geworden seid, steht euch folglich auch das Erbe zu. […]
Da ihr nun aus der Knechtschaft in die Freiheit gelangt seid, müsst ihr auch – zusammen mit Jesus Christus, dem Erben des Vaters – erben; in der menschlichen Natur, die er angenommen hat, spricht er im Psalm: „Der Herr sprach zu mir: ‚Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt. Fordere von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe‘“ (vgl. Ps 2,7–8). Was aber hier von einem Einzelnen gesagt ist, gilt für die ganze Menschheit; denn wir alle, die wir glauben, sind eins in Jesus Christus, sind Glieder seines Leibes und dazu bestimmt, zum vollkommenen Menschen zu werden (vgl. Eph 4,13); wir haben Christus zum Haupt, weil „Christus das Haupt des Mannes ist“ (1 Kor 11,3).