„Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!“ Dem geistlichem Verständnis nach ist mit diesem Freund Christus gemeint, der spricht: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde“ (vgl.
Joh 15,15). Man muss zu diesem Freund bei Nacht gehen, d. h. in der Stille der Nacht, so wie Nikodemus damals, von dem berichtet wird, dass er „Jesus bei Nacht aufsuchte“ (vgl. Joh 3,2). Und zwar in erster Linie, weil man in der heimlichen Stille der Nacht durch Beten anklopfen soll, wie Jesaja sagt: „Meine Seele verlangt nach dir in der Nacht“ (vgl. Jes 26,9). Oder man kann „Nacht“ auch im Sinn von „in der Not“ verstehen, wie Hosea sagt: „In ihrer Not werden sie wieder nach mir Ausschau halten“ (vgl. Hos 5,15).
Der Freund nämlich, der von der Reise heimkehrt, ist unser Geist, der zu uns zurückkehrt, so oft er sich der zeitlichen Güter wegen entfernt hatte. Das Vergnügen treibt diesen Freund weg, doch die Not bringt ihn zurück, wie es später bei Lukas über den verlorenen Sohn gesagt wird, der sich der Ausschweifungen wegen entfernt hatte und seines Elendes wegen zurückkehrte (vgl. Lk 15,11–32). Wer zurückkehrt, geht in sich, doch er findet sich allen geistlichen Trostes entleert.
Für diesen hungrigen Freund muss man also den wahren Freund um drei Brote bitten, d. h. um das Verständnis für die Dreifaltigkeit, nämlich die Namen der drei Personen, damit er seine Nahrung in der Erkenntnis des einen Gottes finde. Die drei Brote können auch Glaube, Hoffnung und Liebe sein, als dreifache Tugend der Seele. Von ihnen heißt es im Buch der Könige: „Wenn du dann von dort weiterziehst und zur Tabor-Eiche kommst, werden dir dort drei Männer begegnen, die zu Gott nach Bet-El hinaufziehen. Einer trägt drei Böckchen, einer trägt drei Laib Brot und einer trägt einen Schlauch Wein“ (1 Sam 10,3), womit die Einheit der Gnade und die Dreifaltigkeit der Tugenden gemeint sind, durch die das Bild Gottes in der Seele geformt wird.