Hl. Johannes Chrysostomus

Der Sämann sät. Der Sämann ging aus, um zu säen, und einiges fiel auf den Weg, anderes auf den Felsen, anderes in die Dornen, anderes auf das gute Land. Drei Teile gingen verloren, ein Teil ward erhalten − und der Sämann ließ nicht ab, sein Feld zu bebauen. Weil ein Teil erhalten blieb, hörte er nicht auf, den Acker zu bearbeiten.

Nun aber ist es doch ganz unmöglich, dass mir aus dem Samen, den ich unter eine solche Menge von Zuhörern ausstreue, gar keine Ähren erwachsen sollten. Wenn nicht alle hören, wird doch vielleicht die Hälfte hören; wenn nicht die Hälfte, doch der dritte Teil; wenn nicht der dritte, doch der zehnte Teil; und wenn auch nicht der zehnte Teil, nun wohl, wenn auch nur einer aus der ganzen Menge auf mich hören will, so höre er!

Denn es ist nichts Geringes, wenn auch nur ein einziges Schaf gerettet wird (vgl. Mt 18,12). Hat nicht jener gute Hirt die neunundneunzig Schafe verlassen, um dem einen, das sich verirrt hatte, nachzueilen (vgl. Lk 15,4)? Ich verachte keinen Menschen. Ist es auch nur ein einziger − es ist ein Mensch, d. h. ein Wesen, das Gott dem Herrn außerordentlich lieb und teuer ist. Ist es auch ein Sklave, ich halte ihn nicht für verachtenswert. Denn ich suche an einem Menschen nicht Würde und Ansehen, sondern Tugend. Er sei Gebieter oder Sklave − ich suche nur seine Seele. Ist es auch nur ein einziger, es ist ein Mensch, um dessentwillen der Himmel ausgespannt ist, für den die Sonne scheint, der Mond seine Bahn geht, die Luft ausgegossen ist, die Quellen sprudeln, das Meer sich ausdehnt, die Propheten gesendet sind, das Gesetz gegeben ist. Ich brauche nicht alles aufzuzählen; sage ich nur gleich: für den der eingeborene Sohn Gottes Mensch geworden ist. Mein Herr und Gebieter hat sich für den Menschen hinschlachten lassen, sein Blut vergossen − und ich soll einen Menschen verachten dürfen? […]

Übrigens werde ich nicht aufhören zu reden, wenn auch keiner auf mich hört. Ich hin Arzt − ich biete Arzneien an; ich bin Lehrer − ich habe die Weisung, zu ermahnen. Denn der Herr sagt: „Zum Wächter habe ich dich dem Hause Israel gegeben“ (vgl. Ez 3, 17).

Quelle: Evangelizo

Zuletzt geändert: 26 July 2023