O wahrer Gott und mein Herr! Für eine Seele, die in deiner Abwesenheit lebt und von Vereinsamung betroffen ist, für sie ist es ein großer Trost zu wissen, dass du überall bist. Aber wozu ist es gut, Herr, wenn die Macht der Liebe und die Heftigkeit dieses Schmerzes größer werden, und wenn das Herz unruhig wird in einem Maß, dass wir diese Wahrheit nicht mehr fassen noch verstehen können? Die Seele weiß nur, dass sie von dir getrennt ist und lässt keinerlei Arznei an sich heran.
Und wirklich, das Herz, das so sehr liebt, erträgt keinen anderen Rat und keinerlei Tröstungen als Den selbst, der ihr diese Wunde zugefügt hat. Von ihm allein erwartet sie die Genesung von ihrem Leiden. Wenn du willst, Herr, heilst du die Wunde, die du geschlagen hast, sofort wieder. O mein Vielgeliebter, mit wie viel Mitgefühl, Sanftheit, Güte und Zärtlichkeit, mit wie vielen Liebesbezeugungen heilst du die Wunden, die deine Liebespfeile verursacht haben. O mein Gott, du bist die Erholung von aller Mühsal. Wie aussichtslos wäre es, wenn man mit menschlichen Mitteln die heilen wollte, die das göttliche Feuer erfasst hat? Wer kann wissen, wie tief diese Wunde ist, woher sie rührt und wie man eine solche Qual lindern kann? Wie recht hat die Gattin im Hohelied der Liebe, wenn sie sagt: „Der Geliebte ist mein und ich bin sein“ (Hld 2,16). Es kann doch die Liebe, die ich fühle, nicht von der Erbärmlichkeit meiner Liebe herrühren. Und doch, mein Geliebter, wie erbärmlich meine Liebe auch sein mag, wie kann es sein, dass sie alles Geschaffene hinter sich lässt, um ihren Schöpfer zu erreichen?