Lasst uns die Liebe Christi, unseres Erlösers, betrachten, der „die Seinen liebte bis zur Vollendung“ (vgl. Joh 13,1); so sehr, dass er um ihres Heiles willen freiwillig einen schmerzhaften Tod erlitt und damit den höchsten Grad an Liebe offenbarte, den es geben kann. Denn er selbst sagte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13).
Ja, das ist in der Tat die größte Liebe, die je ein Mensch erwiesen hat. Und doch zeigte unser Erlöser eine noch größere, denn er erwies seine Liebe sowohl seinen Freunden als auch seinen Feinden. Welch ein Unterschied zwischen dieser treuen Liebe und anderen Formen falscher, unbeständiger Liebe, die man in unserer armen Welt findet! […] Wer kann sicher sein, dass er im Unglück noch viele seiner Freunde behält, wenn selbst unser Erlöser nach seiner Festnahme allein dastand, verlassen von den Seinen? Wenn du gehen musst, wer will dann mit dir gehen? Selbst wenn du König wärst: Würde dein Reich dich nicht alleine gehen lassen, um dich sogleich zu vergessen? Würde nicht sogar deine Familie dich gehen lassen wie eine arme verlassene Seele, die nicht weiß, wohin sie sich wenden soll? Lasst uns also lernen, immer so zu lieben, wie wir lieben sollten: Gott über alles und alles andere um seinetwillen. Denn jede Liebe, die sich nicht auf dieses Ziel – das heißt auf den Willen Gottes – ausrichtet, ist eine völlig unnütze und unfruchtbare Liebe. Jede Liebe, die wir irgendeinem geschaffenen Wesen entgegenbringen, die unsere Liebe zu Gott schwächt, ist zu verabscheuen und ein Hindernis auf unserem Weg in den Himmel. […] So lasst uns also, da unser Herr uns um unseres Heiles willen so sehr geliebt hat, eifrig um seine Gnade flehen, damit wir nicht im Vergleich zu seiner großen Liebe als überaus undankbar befunden werden.