Die Schriftgelehrten sagten: „Er lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?“ Und was ist die Antwort des Herrn? Missbilligte er eine solche Redeweise? Wäre er nicht Gott gleich, hätte er sagen müssen: „Warum unterstellt ihr mir eine solche Anmaßung?“ [...] Doch er sagt nichts dergleichen; ganz im Gegenteil: Er bestätigt diese Aussage seiner Feinde.
Für sich selbst Zeugnis abzulegen ist verdächtig; die Wahrheit wird am besten durch andere bezeugt, und zwar nicht nur durch Freunde, sondern noch gewichtiger durch Feinde. […] Unser Meister ließ seine Macht durch seine Freunde bezeugen, als er zum Aussätzigen sagte: „Ich will es – werde rein“ (Mk 1,41), und zum Hauptmann: „Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemand gefunden“ (Mt 8,10). Nun aber lässt er seine Feinde Zeugnis geben. […]
Hier gibt es noch ein weiteres Zeugnis für die Göttlichkeit Jesu Christi, nämlich für seine Ebenbürtigkeit mit dem Vater: Nur Gott allein kann Sünden vergeben, und nur Gott allein kann die geheimen Gedanken der Herzen ergründen. Es steht ja geschrieben: „Jesus erkannte sofort, was sie dachten, und sagte zu ihnen: ‚Was für Gedanken habt ihr im Herzen?‘" Der Prophet schreibt: „Du allein kennst die Herzen“ (2Chr 6,30); „Gott, der du auf Herz und Nieren prüfst" (Ps 7,10). […]; „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz" (1Sam 16,7). Gleichzeitig gibt Christus einen weiteren Beweis seiner Sanftmut, wenn er fragt: „Warum habt ihr so böse Gedanken im Herzen?“ […]. „Was erscheint euch leichter: Einen kranken Körper zu heilen oder einer Seele die Sünden zu vergeben? Die Seele steht höher; ihre Krankheiten sind schwerer zu heilen. Doch weil diese Heilung unsichtbar ist, werde ich vor euren Augen eine sichtbare, wenn auch weniger bedeutsame Heilung vollziehen.“ […] Jesus lässt also den Gelähmten aufstehen und schickt ihn nach Hause. […] Er will ihm gleichsam sagen: „Durch das, was dir geschehen ist, hätte ich gern diese Leute geheilt, die bei guter Gesundheit zu sein scheinen, in Wirklichkeit aber an der Seele krank sind. Da sie aber nicht wollen, so geh nach Hause. Zumindest dort wird deine Heilung Früchte tragen.“