Die einzelne Menschenseele ein Tempel Gottes – das eröffnet uns einen ganz neuen großen Ausblick. Das Gebetsleben Jesu sollte der Schlüssel zum Verständnis des Gebetes der Kirche sein. Wir sahen: Christus hat an dem öffentlichen und verordneten Gottesdienst seines Volkes (d. h. an dem, was man als „Liturgie“ zu bezeichnen pflegt) teilgenommen […] eben damit hat er die Liturgie des Alten Bundes in die des Neuen Bundes überführt.
Aber Jesus hat nicht nur am öffentlichen und verordneten Gottesdienst teilgenommen. Vielleicht noch häufiger als davon berichten die Evangelien von einsamem Gebet in der Stille der Nacht, auf freier Bergeshöhe, in der menschenfernen Wüste. Vierzig Tage und Nächte des Gebets gingen der öffentlichen Wirksamkeit Jesu, voraus. Ehe er seine zwölf Apostel auswählte und entsandte, zog er sich zum Gebet in die Bergeseinsamkeit zurück. Durch seine Ölbergstunde bereitete er sich auf den Gang nach Golgotha vor. Was er in dieser schwersten Stunde seines Lebens zum Vater emporrief, ist uns in einigen kurzen Worten offenbart worden. Worte, die uns als Leitsterne gegeben sind für unsere Ölbergstunden. „Vater, wenn du willst, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Sie sind wie ein Blitz, der für einen Augenblick das innerste Seelenleben Jesu vor uns aufleuchten lässt, das unergründliche Geheimnis seines gottmenschlichen Seins und seiner Zwiesprache mit dem Vater. Sicherlich war diese Zwiesprache eine lebenslange, niemals unterbrochene.