Die Jungfrau Maria war gehorsam, da sie sprach: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Eva jedoch, die ungehorsam war, hatte nicht gehorcht, als sie noch Jungfrau war. […] Wie Eva durch ihren Ungehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht zur Ursache des Todes geworden war, so wurde Maria, die den für sie vorbestimmten Mann hatte und dennoch Jungfrau war, durch ihren Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht zur Ursache des Heils.
[…] Denn das, was gebunden ist, kann nur gelöst werden, wenn man die Schlingen des Knotens in umgekehrter Richtung zurückführt; so wird eine erste Knüpfung durch eine zweite gelöst, wobei die zweite die erste ersetzt.
Deshalb sagte der Herr, dass die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein werden (vgl. Mt 19,30). Auch der Prophet bestätigt das, wenn er sagt: „An die Stelle deiner Väter treten einst deine Söhne“ (Ps 44(45),17). Denn dadurch, dass der Herr „der Erstgeborene der Toten“ wurde und die Altväter in seinen Schoß aufnahm, gebar er sie wieder neu zum Leben Gottes, indem er selbst zum „Ursprung der Lebenden“ (vgl. Kol 1,18) wurde, wie Adam zum Ursprung der Sterbenden geworden war. Das ist auch der Grund, weshalb Lukas seine Ahnenreihe mit dem Herrn beginnt und sie von ihm bis zu Adam zurückführt (vgl. Lk 3,23f.); so weist er darauf hin, dass es nicht die Väter waren, die dem Herrn das Leben gaben, sondern, dass er jene im Evangelium des Lebens wiedergeboren hat. So wurde auch Evas Knoten des Ungehorsams durch den Gehorsam Mariens gelöst, denn was die Jungfrau Eva durch ihren Unglauben gebunden hatte, löste die Jungfrau Maria durch ihren Glauben.