Wenn das erste und größte Gebot, der Hauptinhalt des Gesetzes und der Propheten (vgl. Mt 22,40) die Liebe ist, dann erkläre ich die Liebe zu den Armen, das Mitempfinden und Mitleiden mit dem Nächsten als die größte Liebe. Durch nichts wird Gott so geehrt wie durch Barmherzigkeit, denn nichts ist ihm ähnlicher als sie, da „Barmherzigkeit und Wahrheit vor seinem Antlitz einherschreiten“ (vgl.
Ps 88(89),15 LXX), und ihm Erbarmen lieber ist als Verurteilung (vgl. Joh 8,11). Nichts zieht das Wohlwollen des menschenfreundlichen Gottes (vgl. Weis 1,6) so sehr an, wie das Wohlwollen gegenüber den Menschen; sein Lohn ist gerecht, denn er wägt und misst die erwiesene Barmherzigkeit. Wir müssen unser Herz allen Armen öffnen, gleichviel aus welchen Gründen sie in Not sind; denn das Gebot verlangt: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15). Da auch wir Menschen sind, müssen wir unseren Mitmenschen mit Wohlwollen begegnen.