Hl. Theresia vom Kinde Jesu

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“, sagt der Herr (Jes 55,8). Das Verdienstvolle liegt nicht darin, viel zu tun oder viel zu geben, sondern darin, viel anzunehmen, viel zu lieben. Es heißt, dass es seliger sei, zu geben als zu nehmen (vgl. Apg 20,35), und das stimmt auch. Wenn aber Jesus selbst die Seligkeit des Gebens für sich in Anspruch nehmen will, wäre es nicht schön, ‚nein‘ zu sagen.

Lassen wir ihn alles nehmen und geben, was er will. Die Vollkommenheit besteht darin, seinen Willen zu tun; und die Seele, die sich ihm ganz ausliefert, wird von Jesus selbst „seine Mutter, seine Schwester“ und seine ganze Familie genannt (vgl. Mt 12,50). Und an anderer Stelle sagt er: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Wie leicht ist es doch, Jesus zu gefallen und sein Herz zu entzücken; man braucht ihn nur zu lieben, ohne auf sich selbst zu achten, ohne die eigenen Fehler einer allzu kritischen Prüfung zu unterziehen.

Deine Therese schwebt im Augenblick nicht über den Wolken; Jesus aber lehrt sie, aus allem, was sie in sich vorfindet, dem Guten wie dem Schlechten, Nutzen zu ziehen. Er lehrt sie, an der Börse der Liebe zu spielen; oder vielmehr: Er spielt für sie, ohne ihr zu sagen, wie er das macht; denn das ist seine Sache und nicht die von Therese; ihre Sache ist es, sich hinzugeben, sich auszuliefern, ohne irgendetwas für sich zurückzubehalten, nicht einmal die Freude, zu wissen, wie viel die Börse ihr einbringt. […]

Die Seelenführer ermutigen allerdings dazu, Fortschritte auf dem Weg der Vollkommenheit zu machen durch sehr viele tugendhafte Handlungen; und sie haben Recht damit. Aber mein Seelenführer Jesus lehrt mich nicht, meine Handlungen zu zählen; er lehrt mich, alles aus Liebe zu tun, ihm nichts zu verweigern, glücklich zu sein, wenn er mir eine Gelegenheit gibt, ihm zu beweisen, dass ich ihn liebe. Das alles aber geschieht ganz im Frieden, indem ich mich ihm überlasse. Jesus ist es, der alles tut; ich tue nichts.

Quelle: Evangelizo

Zuletzt geändert: 8 November 2024