Hl. Petrus Damiani

Wenn du auf dem Weg der wahren Religion richtig, mit Unterscheidung und fruchtbar voranschreiten willst, musst du streng und unnachgiebig mit dir selbst, anderen gegenüber aber immer fröhlich und offen sein. Bemühe dich in deinem Herzen, auf den höchsten Pfaden der Rechtschaffenheit zu wandeln, dich aber gleichzeitig in Güte den Schwachen zuzuneigen.

Kurz gesagt, du musst vor dem Urteil deines Gewissens die Strenge der Gerechtigkeit so abmildern, dass du dich den Sündern gegenüber nicht als unerbittlich erweist, sondern zur Vergebung und Nachsicht bereit. […]

Halte deine eigene Sünde für gefährlich und todbringend; die Sünde der anderen aber nenne Gebrechlichkeit der menschlichen Natur. Die Verfehlung, von dem du glaubst, dass sie bei dir selbst einer strengen Züchtigung bedarf, erachte bei anderen für so gering, dass sie nur einen kleinen Rutenstreich verdient. Sei nicht gerechter als der Gerechte: Fürchte dich davor zu sündigen, aber zögere nicht, dem Sünder zu vergeben. Wahre Gerechtigkeit lässt die Seelen der Brüder nicht in die Falle der Verzweiflung stürzen. […] Sehr gefährlich ist das Feuer, das, indem es Büsche verzehrt, mit seiner Flammenglut auch das Haus in Brand zu setzen droht. Nein, wer gerne die Fehler anderer genau untersucht, wird selbst nicht der Sünde entkommen. Wenn auch der Eifer für die Gerechtigkeit ihn antreibt, so wird er doch früher oder später in die Falle der Verleumdung tappen.

Freilich, wenn unser eigenes Leben uns nicht so prächtig vorkäme, würde uns das Leben der anderen nicht so hässlich erscheinen. Und wenn wir, wie es sein sollte, uns selbst gegenüber strenge Richter wären, würden die Fehler der anderen in uns nicht so unnachsichtige Kritiker finden.

Quelle: Evangelizo

Zuletzt geändert: 26 August 2025