Das Martyrium der Jungfrau Maria wird uns sowohl in der Weissagung Simeons als auch in der Leidensgeschichte des Herrn nahegebracht. „Dieser wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“, sagte der Greis über das Kind Jesus; an Maria gerichtet fügte er hinzu: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,34-35).
Ja wirklich, selige Mutter, ein Schwert durchdrang deine Seele, und nur durch sie hindurch durchdrang es auch das Fleisch deines Sohnes. Denn als dein Jesus – der Jesus aller, aber besonders dein Jesus – den Geist aufgegeben hatte, konnte die grausame Lanze seine Seele nicht mehr erreichen. Zwar verschonte sie seinen Leib nicht – nicht einmal im Tod – und öffnete seine Seite, doch konnte sie ihm keinen Schmerz mehr zufügen. Aber deine Seele durchdrang sie: In jenem Augenblick war die seine nicht mehr da, aber die deine konnte sich in keiner Weise von ihm trennen. […]
Vielleicht wird jemand sagen: „Wusste sie nicht im Voraus, dass er sterben musste?“ Ja, ohne Zweifel! „Hoffte sie nicht, dass er bald wieder auferstehen werde?“ Ja, mit aller Zuversicht! „Und trotzdem hat sie gelitten, als er gekreuzigt wurde?“ Aber ja, und wie sehr! Wer bist du denn, Bruder, und woher hast du deine Weisheit, dass du dich über das Mitleiden Mariens mehr wunderst als über das Leiden ihres Sohnes? Er konnte dem Leibe nach sterben, und ihr Herz hätte nicht mit ihm sterben sollen? Jenes bewirkte die Liebe, die niemand übertreffen kann; aber auch dieses bewirkte die Liebe, die zweitgrößte nach jener.