Predigt

„Jeder Mensch sei schnell bereit zum Hören, aber langsam im Reden“ (vgl. Jak 1,19). Jawohl, liebe Brüder, ich sage es euch offen […], ich, der ich auf euren Wunsch hin oft zu euch spreche: Wenn ich unter den Zuhörern sitze, ist meine Freude ungetrübt; ungetrübt ist meine Freude, wenn ich zuhöre, nicht aber, wenn ich rede.

Nur dann nämlich genieße ich das Wort in völliger Sicherheit; meine Zufriedenheit wird nicht durch eitlen Ruhm bedroht. Wie sollte man auch den Abgrund des Stolzes fürchten, wenn man auf dem festen Felsen der Wahrheit sitzt? „Lass mich Freude und Wonne vernehmen“, sagt schon der Psalmist, „so werden meine geschlagenen Gebeine frohlocken“ (Ps 50 (51),10 Vulg.). Nie bin ich also fröhlicher, als wenn ich nur zuhöre; unsere Rolle als Zuhörer bewahrt uns in der Haltung der Demut.

Wenn wir jedoch das Wort ergreifen, […] brauchen wir eine gewisse Zurückhaltung; denn selbst wenn ich dem Stolz keinen Raum gebe, habe ich doch Angst davor. Wenn ich dagegen zuhöre, kann mir niemand meine Freude nehmen (vgl. Joh 16,22), denn dafür gibt es keinen Zeugen. Von der Freude, die der Freund des Bräutigams empfindet, sagt der heilige Johannes, dass „er dabeisteht und ihn hört“ (Joh 3,29). Er steht aufrecht, weil er zuhört. Auch der erste Mensch stand aufrecht, weil er auf Gott hörte. Sobald er aber auf die Schlange hörte, kam er zu Fall. Der Freund des Bräutigams also „freut sich über die Stimme des Bräutigams“; was seine Freude ausmacht, ist nicht seine eigene Stimme als Prediger und Prophet, sondern die Stimme des Bräutigams.

Quelle: Evangelizo

Zuletzt geändert: 22 September 2025