Gott hat den Menschen frei erschaffen […], damit er freiwillig und ohne Zwang auf seine Anrufe reagieren kann. Tatsächlich gibt es bei Gott keine Gewaltanwendung, doch lädt er uns ohne Unterlass ein, Gutes zu tun. Er hat dem Menschen die Entscheidungsfähigkeit eingeschaffen, wie er es mit den Engeln getan hat. […] Und das nicht nur im Bereich seiner Handlungen, sondern auch im Bereich des Glaubens hat der Herr die Freiheit […] des Menschen gewahrt. So sagt er: „Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen“ (Mt 9,29). Er zeigt damit, dass der Glaube dem Menschen selbst zu eigen ist, da er auf seiner persönlichen Entscheidung beruht. Er sagt auch: „Alles kann, wer glaubt“ (Mk 9,23), und an anderer Stelle: „Geh! Es soll geschehen, wie du geglaubt hast“ (Mt 8,13). All diese Texte zeigen, dass der Mensch selbst sein Schicksal bestimmt, je nachdem, ob er sich entscheidet zu glauben oder nicht. Deshalb: „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen“ (Joh 3,36). […] Man könnte also sagen, es wäre besser gewesen, Gott hätte die Engel nicht mit der Fähigkeit zur Gesetzesübertretung erschaffen. Auch hätte er die Menschen nicht erschaffen sollen, da sie ihm gegenüber doch so bald undankbar werden würden. Dies war in der Tat das Risiko, das mit ihrer vernünftigen, zur Prüfung und Beurteilung fähigen Natur verbunden war. Er hätte sie den Wesen ohne Vernunft und ohne eigenes Lebensprinzip gleichgestalten sollen. […] Doch in diesem Fall hätte das Gute keine Anziehungskraft für die Menschen, ihre Gemeinschaft mit Gott hätte keinen Wert in ihren Augen. Das Gute würde nicht das geringste Verlangen in ihnen wecken, da sie es besäßen, ohne danach gesucht zu haben […]. Das Gute wäre ihnen angeboren, selbstverständlich. […] Wenn der Mensch von Natur aus gut wäre und nicht durch Willensentscheidung […], dann würde er nicht mehr erkennen, dass das Gute schön ist, er könnte sich nicht daran erfreuen. Welche Freude am Guten könnten diejenigen haben, die es nicht kennen? Welchen Ruhm diejenigen, die sich nicht angestrengt haben? Welche Krone diejenigen, die nicht gekämpft haben, um sie zu erlangen? […] Im Gegenteil: Je mehr unser Lohn die Frucht eines Kampfes ist, umso wertvoller wird er sein; je wertvoller er ist, umso mehr werden wir ihn schätzen.