Mittwoch, 7. September : Leo XIII.

Die Besitzlosen aber belehrt die Kirche, dass Armut in den Augen der ewigen Wahrheit nicht die geringste Schande ist, und dass Handarbeit zum Erwerb des Unterhaltes durchaus keine Unehre bereitet. Christus der Herr hat dies durch Tat und Beispiel bekräftigt, er, der um unseretwillen „arm geworden, da er reich war“ (2 Kor 8,9), und der, obwohl Sohn Gottes und Gott selbst, dennoch für den Sohn des Zimmermanns gehalten werden, ja einen großen Teil seines Lebens mit körperlicher Arbeit zubringen wollte. „Ist dies nicht der Zimmermann, der Sohn Mariä?“ (Mk 6,3). Wer dies göttlich hohe Beispiel ernst betrachtet, der wird leichter verstehen, dass die wahre Würde und Größe des Menschen in sittlichen Eigenschaften, das heißt in der Tugend beruht, dass die Tugend aber ein Gut sei, welches allen gleich zugänglich ist, dem Niedersten wie dem Höchsten, dem Reichen wie dem Armen, und dass durchaus nichts anderes als Tugend und Verdienst des Himmels teilhaftig macht. Ja gegen die Hilflosen und Unglücklichen dieser Welt tritt Gottes Liebe gewissermaßen noch mehr an den Tag: Jesus Christus preist die Armen selig (vgl. Mt 5,3); er ladet alle, die mit Mühe und Kummer beladen, liebevoll zu sich, um sie zu trösten (vgl. Mt 11,28); die Niedrigsten und Verfolgten umfasst er mit ganz besonderem Wohlwollen. Diese Wahrheiten sind wahrlich imstande, in den Begüterten. und Hochstehenden jeden Übermut niederzuhalten und in den Armen den Kleinmut aufzurichten; sie müssen den Reichen Entgegenkommen gegen die Armen einflößen und die Armen selbst zur Bescheidenheit stimmen. So wird die soziale Kluft zwischen den beiden Klassen unschwer verringert und hüben und drüben freundliche, versöhnliche Gesinnung geweckt.

Zuletzt geändert: 7 September 2022