Das Gebet vereint die Seele mit Gott. Obwohl unsere Seele ihrer Natur nach immer Gott ähnlich ist, da sie durch die Gnade wiederhergestellt wurde, ist sie ihm doch oft unähnlich durch die Sünde. In diesem Fall bezeugt das Gebet, dass die Seele nach dem streben soll, was der Wille Gottes ist; es tröstet das Gewissen und macht uns bereit, Gnade zu empfangen.
So lehrt Gott uns, mit festem Vertrauen zu beten, dass wir empfangen werden, worum wir beten; denn er schaut uns liebevoll an und möchte uns in sein heilsames Wollen und Wirken einbeziehen. Er regt uns also an, um das zu beten, was er tun möchte […]; er scheint uns sagen zu wollen: „Was könnte mir besser gefallen, als dass ihr mich innig, mit Weisheit und Beharrlichkeit bittet, meine Heilspläne auszuführen?“ Durch das Gebet wird also die Seele in Übereinstimmung mit Gott herbeigeführt. […]
Wenn der Herr sich aber, gnädig und liebenswürdig wie er ist, unserer Seele offenbart, dann ist er selbst die Erfüllung all unserer Wünsche. In solchen Momenten wissen wir nicht mehr, worum wir sonst noch bitten könnten. Unser ganzes Verlangen und unsere ganze Kraft sind nur darauf gerichtet, den Herrn zu betrachten. Dies ist ein erhabenes, ein unauslotbares Gebet, wie mir scheint. Unser Beten besteht dann nur noch darin, durch Betrachtung und Kontemplation mit ihm eins zu werden, zu dem wir beten: in wunderbarer Freude und ehrfürchtiger Scheu, in so großer Süßigkeit und Wonne, dass wir in solchen Augenblicken nur noch so beten können, wie er uns führt. Ich weiß: Je mehr sich Gott der Seele offenbart, desto mehr dürstet sie nach ihm, dank seiner Gnade. Wenn wir ihn jedoch nicht wahrnehmen, dann verspüren wir in unserer Schwachheit und Unfähigkeit das dringende Bedürfnis, zu Jesus zu beten.