Als der Herr Jesus mit seinen Eltern aus dem Tempel und aus Jerusalem nach Nazareth zurückgekehrt war, blieb er dort bei ihnen bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr „und war ihnen gehorsam“ (Lk 2,51). In der Heiligen Schrift steht nichts über sein Tun während dieser ganzen Zeit, was recht erstaunlich anmutet.
[…] Schau aber aufmerksam hin, dann kannst du deutlich erkennen, dass er, obwohl er nichts tat, doch Wunder wirkte. Jede einzelne seiner Taten gibt nämlich Zeugnis von seinem Geheimnis. Und wie er mit Vollmacht handelte, so schwieg er auch mit Vollmacht und blieb mit Vollmacht im Hintergrund und im Verborgenen. Der höchste Meister, der uns später die Wege des Lebens lehren sollte, begann schon in seiner Jugend, mit Vollmacht zu wirken, und zwar auf eine erstaunliche, unbekannte und unerhörte Weise, indem er vor den Augen der Menschen unbedeutend und unwissend zu sein schien und in Niedrigkeit lebte. […]
An dieser Lebensweise hielt er mehr und mehr fest; denn er wollte ja von allen als niedrig und unbedeutend angesehen werden. Das hatte schon der Prophet angekündigt, der in seinem Namen sprach: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch“ (Ps 21(22),7). Du siehst also, was er tat, indem er nichts tat. Er machte sich verächtlich […]. Glaubst du, das sei eine Kleinigkeit? Gewiss, nicht er hatte das nötig, sondern wir. Ich kenne nichts Schwierigeres oder Größeres. Ich glaube, wer von ganzem Herzen und ohne Heuchelei so sehr Herr seiner selbst ist, dass er nichts anderes anstrebt, als verachtet zu werden, nichts zu gelten und in größter Niedrigkeit zu leben, der hat die höchste Stufe erklommen. Und das ist ein weit größerer Sieg als die Eroberung einer Stadt […].