Ludolf von Sachsen

Der Pharisäer im Evangelium prahlte und rechtfertigte sich voller Stolz. Er klagte die anderen an und hielt sich selbst für besser als sie […]. An solchem Verhalten verrät sich der Stolz, den Gott von ferne erkennt (vgl. Ps 137,6 Vulg.), aber nicht verzeiht. Weit davon entfernt, sich anzuklagen, lobt dieser Mensch sich selbst.

Anstatt zu Gott zu beten, verhöhnt er den, den er verehrt. Und wenn er dankt, so nicht für Gottes Gaben, sondern für seine eigenen Verdienste. „Der Zöllner aber bleibt ganz hinten stehen“ – mit dem demütigen Gespür, dass er nicht würdig ist, sich zu nähern – „und will nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben“, aus lauter Scheu, denn er ist sich seiner Unwürdigkeit als Sünder bewusst, und seine Sünde hält ihn davon ab, zum Himmel aufzuschauen. In seinem Reueschmerz „schlägt er sich an die Brust“, wo, wie er weiß, alles Böse seinen Ursprung hat, und erkennt demütig seine Schuld an: Du, der du alles vermagst, „Gott, sei mir Sünder gnädig!“. Diese Selbstanklage, dieses ehrliche Geständnis, erwirkt dem Sünder die Vergebung seiner Schuld. An solchem Verhalten zeigt sich die Demut, der Gott seinen Blick zuwendet und die er anerkennt. […] Was war die Frucht dieser Haltung? Gott vergab dem Zöllner die Schuld, zu der er sich bekannte, und „dieser ging gerechtfertigt nach Hause“. […] Zu Recht wurde er gerechtfertigt, denn der Pharisäer täuschte Gerechtigkeit vor, der Zöllner dagegen besaß sie wirklich. Jener war in seinen eigenen Augen gerecht aufgrund seiner Werke; dieser war es bei Gott aufgrund seines Glaubens. Jener rühmte sich stolz seiner guten Taten; dieser gestand demütig seine Schlechtigkeit. Besser ein demütiger Sünder als ein stolzer Gerechter; denn sobald der Sünder sich erniedrigt, ist er schon kein Sünder mehr; und sobald der Gerechte sich rühmt, hört er auf, gerecht zu sein. Man soll sich also nicht seiner Werke rühmen, sondern demütig auf die Gnade vertrauen.

Quelle: Evangelizo

Zuletzt geändert: 29 March 2025