Das Warten der Seele auf die Ankunft des Herrn Ich weiß nicht, Herr, zu welcher Stunde Du kommen wirst, So wache ich stets und lausche, als Braut von Dir erwählt. Du liebst es, Dich unbemerkt zu nähern. Vom reinen Herzen, Herr, wirst Du auch bald erspäht. Ich erwarte Di....
O funkelnde Gemme, der Sonne lautere Zier, die sich aus dem Herzen des Vaters in dich als sprudelnder Quell (des Lebens) ergoss – sein einziges Wort, durch das er der Erde Urelement, das Eva verdarb, erschuf. Dies Wort hat der Vater in dir zum Menschen geformt; der leuchten....
Ich rufe dich an, Vorläufer, bei Tag und bei Nacht: Hilf mir, o heiliger Täufer, der ich in deiner Person einen Fürsprecher beim Schöpfer gewonnen habe, dass ich der Strafe entrissen werde. Du schönstes Kindlein der Wüste, Vorläufer, und echter Freund des Schöpfers, o Weiser, be....
Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu lehren, sollen sie [die Bischöfe] den Menschen die Frohbotschaft Christi verkünden; das hat den Vorrang unter den hauptsächlichen Aufgaben der Bischöfe. In der Kraft des Geistes sollen sie die Menschen zum Glauben rufen oder im lebendigen Glaube....
Gebenedeiter Jesus, du meine Hoffnung, meine Erwartung, meine Liebe, ich habe dir etwas zu sagen, etwas über dich, ein Wort voller Schmerz und Trübsal. Du bist das Wort, der Einziggezeugte des ungezeugten Vaters, du bist Fleisch geworden für mich, du Wort, hervorgegangen aus dem ....
„Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127(126),1). „Ihr seid Gottes Tempel und der Geist Gottes wohnt in euch“ (vgl. 1 Kor 3,16). Dieses Haus und dieser Tempel Gottes, der erfüllt ist von den Lehren und Gnaden Gottes, diese Wohnung, die ....
„Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus, „wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“ (Joh 6,35). [...] Damit bringt er auf zweifache Weise die ewige Sättigung zum Ausdruck, bei der es keinerlei Mangel mehr gibt. Die Weisheit sag....
Mein Gott, wie gut bist du! Du lädst uns ein zur Freude, und du lädst uns nicht nur ein, sondern legst uns auch so starke und machtvolle Gründe dafür vor, dass wir gar nicht anders können, als in demselben Maß in der Freude zu sein, wie wir dich lieben ... Der Grund....
Du hast die Stimme des Logos gehört, das Wort Gottes. [...] Steh auf und bereite den Grund deiner Seele durch das Gebet. Aus der Tiefe erhebe dich und strebe himmelwärts; bemühe dich, die Tür deines Herzens zu öffnen. Wenn du deine Hände Christus entgegenstreckst, wird dein Tun d....
Wenn ein König hier auf Erden Menschen zu Ruhm, Erfolg, Reichtum, Luxus und Vergnügungen ruft, sehen wir, wie sie sich mit Eifer, Fleiß und Freude auf all das stürzen. Uns aber ruft der Gott und König des Universums – nicht zu jenen gewöhnlichen und vergänglichen Gütern, die wir ....
Andreas war der Erste, der im Herrn seinen Meister erkannte. Er ist der Erstling des Apostelkollegiums. Sein durchdringender Blick hat das Kommen des Herrn wahrgenommen. Er tauschte die Unterweisungen des Johannes gegen die Lehre Christi; er bestätigte die Worte des Täufers. Als ....
Die Erde, die wir vor Augen haben, genügt uns nicht. Sie ist nur ein Anfang, nur Verheißung einer jenseitigen Welt; selbst in ihrer größten Fröhlichkeit, wenn sie sich mit all ihren Blumen bedeckt, wenn sie uns auf die faszinierendste Weise ihre verborgenen Schätze eröffnet, selb....
„Du wirst mich rufen und ich werde dir antworten“ (Ijob 14,15 Vulg.). Wir sagen, dass wir jemandem antworten, wenn wir dessen Handeln mit unserem eigenen Verhalten in Einklang bringen. In dieser Umwandlung kommt der Ruf also vom Herrn und die Antwort vom Menschen, denn vor dem st....
Liebster Vater in Christus, dem süßen Jesus, ich, Katharina, die Magd und Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe Euch in seinem kostbaren Blut mit dem Wunsch, Euch in wahrer und heiliger Geduld gefestigt zu sehen: Denn ohne Geduld können wir Gott nicht gefallen, und nicht im S....
„Euer Andenken wird der Asche gleich sein“ (Ijob 13,12 Vulg.). Alle, deren irdisches Denken dieses Jahrhundert prägt, versuchen in jeder ihrer Taten, der Welt das Andenken an ihre Person zu hinterlassen. Ob Kriegstitel, hoch aufragende Bauwerke oder wortreiche Abhandlungen über d....
„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Dies ist das letzte Gebet unseres Meisters, unseres Vielgeliebten. Möge es auch das unsere sein! Und möge es das nicht nur im letzten Augenblick unseres Lebens sein, sondern in jedem Augenblick: „Mein Vater, ich lege mich ....
[Jesus will sagen:] Hört her, Juden und Heiden, […] hört her, alle Reiche der Erde! Ich hindere euch nicht daran, in dieser Welt zu herrschen, denn „mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Lasst euch also nicht von der törichten Furcht beherrschen, die Herodes ergriff,....
Das Fleisch [d.h. der Mensch] ist kostbar in den Augen Gottes, er bevorzugt es unter all seinen Werken, also ist es nur natürlich, dass er es auch retten will. [...] Wäre es nicht absurd, wenn das, was mit so viel Sorgfalt erschaffen wurde, was der Schöpfer für wertvoller hält al....
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken. Zu deiner Ehre wurde dieses Haus errichtet, in dem du deine pilgernde Kirche versammelst, um ihr darin ein Bild deiner Gegenwart zu zeigen und ihr d....
„Des Schreckens Dröhnen ist immer in seinen Ohren, und wenngleich Friede ist, argwöhnt er immer Nachstellungen“ (Ijob 15,21 Vulg.). Nichts ist dagegen glücklicher als ein einfaches Herz, denn indem es sich anderen gegenüber nur durch Unschuld offenbart, hat es von anderen auch ni....
Wie man sieht, nehmen die Weisungen des Völkerapostels für die Moral und Spiritualität der menschlichen Arbeit eine Schlüsselstellung ein. Sie sind eine wichtige Ergänzung dieses großen, wenn auch diskreten Evangeliums der Arbeit, das wir in Christi Leben und Gleichnissen finden,....
Wie Zachäus, der Zöllner, Erhob ich mich nicht aus den Niederungen dieser Erde Auf den hohen Baum der Weisheit, Zu deiner heiligen Betrachtung. Der Kleinwuchs des Geistigen Nahm nicht zu in mir durch gute Werke, Im Gegenteil, er ging immer weiter zurück, Bis ich zur Mil....
Wir wollen auf die Blinden hören, die besser waren als viele Sehende. Waren sie auch führerlos, konnten sie den Herrn auch nicht sehen, wenn er vor ihnen stand, so bemühten sie sich doch, zu ihm zu kommen. Deshalb riefen sie mit lauter Stimme und schrien umso lauter, je mehr man ....
Meine Kinder und Brüder, kommt, lasst uns Christus, unseren König, anbeten, lasst uns vor ihm niederfallen (vgl. Ps 94,6), lasst uns wieder unsere Erstlinge darbringen und Frucht bringen! […] So haben wir also als einzigen König den König aller Könige, unseren Herrn und Gott, dem....
Um Demut zu erlangen, gibt es keinen direkteren und geeigneteren Weg, als sich selbst in der Wahrheit zu begegnen. Es genügt, nichts zu verstecken, den Geist der Falschheit zu vertreiben und sich selbst zu begegnen, ohne auszuweichen. Wird die Seele, wenn sie sich so im Licht de....
Wenn ich die Drohung betrachte, die zur Zeit des Noach über den Schuldigen hing, so bebe ich, denn auch ich habe mich abscheulicher Sünden schuldig gemacht. [...] Der Schöpfer drohte den damaligen Menschen, denn er wartete auf die Zeit ihrer Umkehr. Auch für uns wird es die letzt....
Vor allem anderen ist es das Evangelium, das mir das Nötige für mein inneres Beten gibt; in ihm finde ich alles, was meine arme, kleine Seele braucht. Ich entdecke darin immer neue Klarheiten, verborgene und geheimnisvolle Bedeutungen. […] Ich begreife und weiß aus Erfahrung, da....
Allmächtiger, heiligster, erhabenster und höchster Gott, heiliger und gerechter Vater, Herr, König des Himmels und der Erde, wir sagen dir Dank um deiner selbst willen, weil du durch deinen heiligen Willen und durch deinen eingeborenen Sohn mit dem Heiligen Geist alles Geis....
Niemand soll sich dessen, was er tut, rühmen, da wir dem Herrn unseren Dienst in schlichter Gerechtigkeit schulden […] Wir müssen, so lange wir leben, stets für unseren Herrn arbeiten. Erkenne also an, dass du ein Diener bist, der zu vielen Diensten verpflichtet ist. Plustere dic....
Die Liebe besteht nicht darin, zu fühlen, dass man liebt, sondern lieben zu wollen. Wenn man lieben will, liebt man; wenn man über alles lieben will, liebt man über alles. Sollte man einer Versuchung erliegen, dann deshalb, weil die Liebe zu schwach ist, nicht weil es sie nicht g....
Dehne deine Liebe auf die ganze Welt aus, wenn du Christus lieben willst, denn die Glieder Christi sind auf der ganzen Welt verbreitet. Wenn du nur einen Teil liebst, bist du getrennt; wenn du getrennt bist, bist du nicht im Leib; wenn du nicht im Leib bist, bist du nicht unter d....
Wir alle, die wir an Christus Jesus glauben, werden als „lebendige Steine“ bezeichnet, nach den Worten der Schrift: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott g....
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“, sagt der Herr (Jes 55,8). Das Verdienstvolle liegt nicht darin, viel zu tun oder viel zu geben, sondern darin, viel anzunehmen, viel zu lieben. Es heißt, dass es seliger sei, zu geben als zu nehmen (vgl. Apg 20,35), und das stimmt auch. ....
Unser Herr kam, um zu suchen, was verloren war … Er lässt einige Schafe im Stall zurück, um dem einen verirrten Schaf nachzugehen … Machen wir es ihm nach; und da unsere Gebete eine Kraft sind, weil sie mit Sicherheit erlangen, worum sie bitten, so lasst uns mit unseren Gebeten a....
Meine Seele, die königliche Prinzessin, Trat – als ich durch sie in die Welt kam – Ein in einen erbitterten Krieg Gegen die Eroberer der Finsternis. Auf den ersten Blick dachte sie bei sich, Sie könne selbst mit Zehntausend – Sie zusammen mit den Sinnen ihres Leibes – D....
Bezüglich der Eucharistie haltet es so: Zunächst in Betreff des Kelches: Wir danken Dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, Deines Knechtes, den Du uns zu erkennen gabst durch Jesus, Deinen Knecht; Dir sei die Ehre in Ewigkeit. Und in Betreff des gebroc....
Wenn das erste und größte Gebot, der Hauptinhalt des Gesetzes und der Propheten (vgl. Mt 22,40) die Liebe ist, dann erkläre ich die Liebe zu den Armen, das Mitempfinden und Mitleiden mit dem Nächsten als die größte Liebe. Durch nichts wird Gott so geehrt wie durch Barmherzigkeit,....
Die Gottesliebe lässt sich nicht lehren. Niemand hat uns gelehrt, uns am Licht zu erfreuen noch das Leben über alles zu schätzen; auch hat uns niemand gelehrt, die zu lieben, die uns auf die Welt gebracht und aufgezogen haben. Ebenso, oder vielmehr mehr erst recht, ist es keine ä....
Aus welchem Grund hätte Christus sterben sollen, wenn er nicht auch einen Grund gehabt hätte, aufzuerstehen? Da Gott nämlich nicht sterben konnte, konnte auch die ewige Weisheit nicht sterben, und was nicht sterben kann, kann auch nicht auferstehen. Er nahm also Fleisch an, das s....
„Seid heilig, denn ich bin heilig“ (Lev 19, 2), sagt uns der Herr. Warum gibt Gott uns solch ein Gebot? Weil wir seine Kinder sind, und wenn der Vater heilig ist, dann müssen es auch die Kinder sein. Nur die Heiligen können das Glück erhoffen, sich der Gegenwart Gottes – der die ....
Gott hat den Menschen nicht erschaffen, damit er verlorengeht, sondern damit er ewig lebt: Dieser Ratschluss bleibt unveränderlich. Sobald er in uns den kleinsten Funken guten Willens aufsprühen sieht oder ihn selbst aus dem harten Stein unseres Herzens aufsprühen lässt, kümmert ....
Während ihr Tag für Tag die Zeit des gegenwärtigen Lebens durchschreitet, solltet ihr danach trachten, durch Tugenden euer [ewiges] Leben zu gewinnen (vgl. Lk 21,19), euch Anrechte auf das Himmelreich zu sichern und unvorstellbare Schätze zu sammeln, die uns verheißen sind. En....
Des winzigen Senfkorns Glaube – Gleichnis des Gottesreichs – ließ ich nicht ein in meine Seele, Um damit Berge der Verderbtheit zu versetzen. Auch ließ ich mich nicht, den Vögeln des Himmels gleich, Nieder auf den Zweigen der Gebote, Dort, wo die reinen Seelen wohnen, Di....
Die Bischöfe empfangen als Nachfolger der Apostel vom Herrn, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, die Sendung, alle Völker zu lehren und das Evangelium jedwedem Geschöpf zu verkündigen. So sollen alle Menschen durch Glaube, Taufe und Erfüllung der Gebote das Heil ....
Mein Herz und mein Leib frohlocken in dir, dem lebendigen Gott, und meine Seele freut sich in dir, meinem wahren Heil. Wann werden meine Augen dich schauen, dich, den Gott aller Götter? Wann wirst du mich erfreuen mit dem Anblick deines honigfließenden Antlitzes, du Gott meines H....
Dank sei Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns würdig gemacht, in unserer übergroßen Mühsal ein wenig Freude von ihm zu empfangen. Ja, wirklich, er hat unser niedergeschlagenes Herz getröstet, indem er unsere Demut vermehrte und unseren Glauben stärkte. Bitten ....
Himmel und Erde und alles, was darin ist, rufen mir von allen Seiten zu, ich solle dich lieben, und ohne Unterlass rufen sie so zu allen Menschen, „sodass sie unentschuldbar sind“ (vgl. Röm 1,20). Doch du wirst tiefer noch „Erbarmen schenken, wem du willst und Gnade erweisen, wem....
Ach, wie groß ist doch unser Elend! Wir sind fern von Gott und es schmerzt uns so wenig, dass wir es noch nicht einmal merken! Ich glaube, der Grund für unsere Lauheit liegt darin, dass man, solange man Gott nicht verkostet hat, nicht weiß, was es bedeutet, hungrig zu sein, und w....
Wenn wir uns fragen, was dieses Maß Weizen eigentlich bedeutet, so sagt es uns der heilige Paulus: „Das Maß des Glaubens, das Gott euch zugeteilt hat“ (vgl. Röm 12,3). Was Christus als das Maß Weizen bezeichnet, nennt Paulus das Maß des Glaubens, um uns zu lehren, dass es keinen ....
Ihn, den die himmlischen Heerscharen verherrlichen, vor dem die Cherubim und die Seraphim erzittern: Feiert ihn, ihr alle, jeder Atemzug und jedes Geschöpf, preist und erhebt ihn in Ewigkeit. Entzünde die Lampe meiner Seele, lass leuchten die Fackel meines Geistes, Erlöser, auf ....
„Der Gottlose ist stolz alle Tage seines Lebens“ (Ijob 15,20 Vulg.). Auch die Auserwählten sind manchmal in ihren Gedanken und sogar in ihren Werken nicht vor Stolz gefeit. Aber weil sie die Auserwählten sind, können sie nicht jeden Tag den Hochmütigen spielen, denn bevor ihr Leb....
Meiner Meinung nach wollten die beiden Brüder Jakobus und Johannes, als sie nach den ersten Plätzen, den höchsten Ämtern und größten Ehren strebten, Macht über die anderen bekommen. Deshalb widersetzt sich Jesus ihrem Anspruch, legt ihre geheimen Gedanken bloß und sagt zu ihnen: ....
Als der herrliche Mann Polykarp hörte, man habe ihn verlangt, blieb er vollkommen ruhig. Er wollte sogar in seiner Stadtwohnung bleiben. Aber die meisten von den Brüdern rieten ihm, sich zu verbergen. So zog er sich denn auf ein kleines Landgut zurück, das nahe bei Smyrna lag. Do....
Liest man die heiligen Schriften, so befindet man sich auf einer geistlichen Blumenwiese und in einem Paradies der Wonnen, das weit anziehender ist als das Paradies von einst. Dieses Paradies hat Gott nicht auf Erden angelegt, sondern in den Seelen der Glaubenden. Er hat es weder....
Die Weisheit spricht: „Er wandelt die Lippen der Wahrhaftigen und nimmt den Alten die Lehrweisheit“ (Iiob 12,20 Vulg.). […] Diese Worte lassen sich unmittelbar auf jene Juden anwenden, die vor der Menschwerdung des Herrn wahrhaftig waren, da sie an sein Kommen glaubten und es ank....
Wachsame Nüchternheit hilft dem Menschen mehr als äußere Werke. […] Wie sollte jemand ernsthaft die körperlichen Leidenschaften beherrschen können – Trägheit, Zorn, Völlerei – ohne Sanftmut zu erlangen? Wenn sie mit Unterscheidung geübt wird, folgt alles andere nach: die Loslösun....
Habe ich dich nicht gelehrt, dass Almosen mit dem Herzen, mit Worten und mit Werken gegeben werden müssen? Wenn du die Not des Armen siehst, bist du verpflichtet, mit deinem Herzen mitzufühlen. In diesem Punkt gibt es für dich keine Entschuldigung. Wenn du ins Krankenhaus gehst ....
Unser Erlöser hat den Tod auf sich genommen, damit wir keine Angst vor dem Sterben haben müssen. Er offenbarte seine Auferstehung, damit wir volles Vertrauen haben können, dass auch wir auferstehen werden. Deshalb wollte er, dass dieser Tod nicht länger als drei Tage dauerte: Ein....
Gott sieht dich ganz persönlich an, wer auch immer du bist. Er „ruft dich bei deinem Namen“ (Joh 10,3). Er sieht dich und versteht dich, da er dich erschaffen hat. Er weiß, was in dir ist: alle deine besonderen Gefühle und Gedanken, deine Neigungen und Vorlieben, deine Stärke und....
Im ewigen Schweigen des innergöttlichen Lebens wurde der Ratschluss der Erlösung gefasst. In der Verborgenheit des stillen Gemachs von Nazareth kam die Kraft des Heiligen Geistes über die einsam betende Jungfrau und bewirkte die Menschwerdung des Erlösers. Um die schweigend beten....
[Die heilige Katharina hörte, wie Gott zu ihr sprach:] Es ist wohl wahr, dass der Teufel niemals schläft, sondern euch nachlässige Menschen dazu anleiten will zu schlafen, wenn ihr Verdienste sammeln könntet. Doch sein Wachen kann der vollkommenen Seele nichts anhaben, denn er ka....
Bevor der Freund kommt, Der meine Seele zurückfordert, Der Himmlische unter himmlischen Wesen, Der mich in den Himmel führen soll; Er, dein Freund, von Natur aus gut, Den ich hasste aus Liebe zum Bösen; [Bevor also dieser Freund kommt,] Komme ich zur Schwelle des Lichtes....
Diese Anfänger mit ihrer feurigen und großmütigen Seele, voll großer Sehnsüchte, […] sind in die Nachfolge Jesus eingetreten; sie sind seine Apostel und stehen am Beginn seines öffentlichen Lebens. Sie haben ihren Meister viele Stunden lang in stillem Gebet versunken und ganz dav....
Die Worte unseres Herrn Jesus Christus, die wir im Evangelium lesen, geben uns zu verstehen, dass es nur eine geheimnisvolle Sache gibt, nach der wir streben sollen, während wir uns inmitten der mannigfachen Verpflichtungen dieses Lebens abmühen. Wir streben danach, denn wir sind....
Von Jerusalem, unserem Paradies, Stieg ich, wie der schuldige Adam, Hinab ins niederträchtige Jericho Und fiel in die Hände der Räuber. Sie beraubten mich des Lichtes; Sie bedeckten meine Seele mit Wunden der Sünde; Weder gingen sie weg noch ließen sie mich halbtot lieg....
„Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6). In diesem „darf nicht trennen" ist die wesentliche Größe der Ehe und zugleich die ethische Festigkeit der Familie enthalten. Heute bitten wir um diese Größe und Würde für alle Eheleute in der Welt, wir bi....
Die Demut ist die Meisterin aller Tugenden, sie ist das unerschütterliche Fundament des himmlischen Gebäudes, die eigentliche, herrliche Gabe des Erlösers. Durch sie wird derjenige ohne Gefahr der Überhebung alle Wunder wirken können, die der Herr getan hat, der versucht, immer d....
Unsere Zeit hat zugleich etwas Dramatisches und Faszinierendes an sich. Während die Menschen einerseits dem materiellen Erfolg nachzulaufen und immer mehr im konsumistischen Materialismus zu versinken scheinen, zeigt sich auf der anderen Seite die ängstliche Suche nach Sinn, das ....
„Einen andern Grund kann niemand legen, als der gelegt ist, welcher ist Christus Jesus (1 Kor 3,11). Er allein ist es, „welchen der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36). „der Abglanz des Vaters und das Ebenbild seines Wesens“ (Hebr 1, 3: Splendor gloriae, der ....
Gott, Du bist das Glück in Dir selbst und brauchst keine Geschöpfe zu diesem Glück, denn Du bist in Dir selbst die Fülle der Liebe. Doch aus Deiner unergründlichen Barmherzigkeit berufst Du Geschöpfe ins Dasein, lässt sie an Deinem ewigen Glück und Deinem immerwährenden inneren g....
Es ist leichter, sich aufzuregen, als zu ertragen; leichter, einem Kind zu drohen, als es zu überzeugen. Ich würde sogar sagen, dass unsere Ungeduld und unser Stolz sich leichter damit tun, Querköpfe zu bestrafen, als sie mit Festigkeit zu lenken und mit Sanftmut zu ertragen. Ich....
„Ja, wenn ich auch unwissend war, wird meine Unwissenheit mit mir sein“ (Ijob 19,4 Vulg). Das Kennzeichen der Häretiker ist es, sich mit der eitlen Arroganz ihrer Wissenschaft aufzublasen, oft über die Einfachkeit eines rechten Glaubens zu spotten und das Leben der Demütigen als ....
Gott selbst ist die vollkommene Gerechtigkeit. All seine Werke sind gerecht, denn sie sind von Ewigkeit her durch seine große Macht, Weisheit und Güte geordnet. Wie er alles zum Besten geregelt hat, so ist er auch immer am Werk und führt alles zu seinem Ziel. [...] Die Barmherzig....
Als die römischen Soldaten Jesus gegeißelt, mit Dornen gekrönt und mit einem Spottmantel umkleidet hatten, führten sie ihn zu Pilatus zurück. Dieser hartgesottene Militär war offenbar erschüttert von diesem zerstörten, zerschlagenen Menschen. Er stellte ihn mitleidheischend vor d....
„Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Messias sei“ (Mt 16,2). Weshalb verbot er es ihnen? Damit erst alle Ärgernisse beseitigt, der Kreuzestod vollendet, alle seine Leiden vorüber und nichts mehr übrig wäre, was den Glauben des Volkes an ihn erschüttern und t....
Die Liebe findet sich nicht damit ab, nicht sehen zu können, was sie liebt. Haben nicht alle Heiligen das, was sie erreichten, als gering erachtet, solange sie nicht Gott selbst sahen? [...] So wagt Mose zu sagen: „Wenn ich also Gnade in deinen Augen gefunden habe, so zeige mir d....
Zur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche „das allumfassende Sakrament des Heils“ sein. So müht sie sich gemäß dem innersten Anspruch ihrer eigenen Katholizität und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters (vgl. Mk 16,15), das Evangelium allen Menschen zu verkünden. De....
Die Jungfrau Maria war gehorsam, da sie sprach: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Eva jedoch, die ungehorsam war, hatte nicht gehorcht, als sie noch Jungfrau war. [...] Wie Eva durch ihren Ungehorsam für sich und das ganze Menschengeschl....
Der Herr nennt seine Jünger „Licht der Welt“ (Mt 5,14), weil sie von ihm, dem wahren und ewigen Licht, erleuchtet (vgl. Joh 1,9), ihrerseits ein Licht in der Finsternis geworden sind. Da er selbst „die Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20) ist, kann der Herr auch seine Jünger „Lich....
Erinnere dich an das Wort: „Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade“ (Jak 4,6). Bewahre auch das folgende Wort des Herrn in deinem Gedächtnis: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Mt 23,1....
Das wesentliche Mittel, um auf dem Weg, der in den Himmel führt, zu bleiben, ist die Treue, mit der wir den Bewegungen der Gnade, die Gott uns geben möchte, folgen und sie nutzen. Alle Heiligen verdanken ihre Glückseligkeit einzig und allein der Treue, mit der sie der Führung des....
Die Tatsache, Mann oder Frau zu sein, führt hier zu keinerlei Einschränkung, ebensowenig wie, nach den bekannten Worten des Apostels, jenes Heilswirken des Geistes im Menschen dadurch eingeschränkt wird, dass einer „Jude oder Grieche, Sklave oder Freier“ ist: „Denn ihr alle seid ....
Mein Jesus, stärke die Kraft meiner Seele, damit der Feind keinen Gewinn hat. Ohne Dich bin ich lauter Schwachheit. Was bin ich ohne Deine Gnade, wenn nicht der Abgrund meines eigenen Elends. Das Elend ist mein Eigentum. O Wunde der Barmherzigkeit, Herz Jesu, verbirg mich in....
Die Kirche lebt ein authentisches Leben, wenn sie das Erbarmen bekennt und verkündet – das am meisten überraschende Attribut des Schöpfers und des Erlösers – und wenn sie die Menschen zu den Quellen des Erbarmens des Heilandes führt, welche sie hütet und aus denen sie austeilt. G....
Siehe, wegen des leiblichen Todes werden wir bis zum Ende der Welt im Staub verharren, doch er [unser Erlöser] erstand am dritten Tag, befreit von der Todesdürre, in seiner frischen Lebendigkeit, um uns durch die Erneuerung seines eigenen Fleisches die Macht seiner Gottheit zu ze....
Bei der Verkündigung des Evangeliums haben wir gehört, wie Jesus unseren Glauben lobt, wenn er mit Demut verbunden ist. Als er versprach, zu kommen und den Diener des Hauptmannes zu heilen, antwortete dieser: „Herr, ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst; sprich nur e....
Wenn der Herr uns im Evangelium sagt: „Wenn einer mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst“ (Mt 16,24 Vulg.), dann meinen wir, er fordere von uns etwas Schwieriges und wir denken, er würde uns ein schweres Joch aufladen. Doch wenn er, der befiehlt, uns hilft, zu erfüllen, wa....
O dreimal seliges Holz, auf dem Christus, der König und Herr, ausgespannt war, Holz, durch das der besiegt wurde, der Adam vom Holz aus getäuscht hatte; er tappte in die Falle jenes Gottes, der mit seinem sterblichen Leib auf dich genagelt war: Unseren Seelen gewährt er den Fr....
„Der Jünger steht nicht über seinem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein“ (Lk 6,40). Versuchen wir nicht, vollkommener als Jesus zu sein; versuchen wir nicht, die Tugenden besser zu üben als er; glauben wir nicht, dass wir etwas besser tun könnte....
Eine heilige und süße Medizin für die Seele ist es, ihre Nichtigkeit anzuerkennen, immer zu sehen, dass die Sünde allein von ihr selbst und alles andere von Gott kommt. Wenn sie sich kennt und Gott kennt, dann kennt sie auch seine Güte ihr gegenüber; und indem sie ihn erkennt, li....
„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Man könnte sich fragen, von welchen Armen die Wahrheit hier sprechen wollte. Als sie sagte: „Selig, die arm sind“, hatte sie nichts angefügt über die Art der Armen, die hier zu verstehen sei. Es könnte al....
Die einzelne Menschenseele ein Tempel Gottes – das eröffnet uns einen ganz neuen großen Ausblick. Das Gebetsleben Jesu sollte der Schlüssel zum Verständnis des Gebetes der Kirche sein. Wir sahen: Christus hat an dem öffentlichen und verordneten Gottesdienst seines Volkes (d. h. a....
Wenn der Mensch sich vom äußeren Getriebe in die verborgene Kammer seines Herzens zurückgezogen, die Tür vor den Scharen lärmender Eitelkeiten verschlossen hat [...]; wenn es in ihm keine Unruhe und keine Unordnung mehr gibt; nichts, was an ihm zerrt, nichts was ihn quält [...], ....
„Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe“ (Ps 103(104),33). Was wird der Psalmist wohl besingen? Alles, was Gott ist, wird er besingen. Besingen wir die Herrlichkeit des Herrn, solange wir leben. Unser gegenwärtiges Leben ist nur ein Hoffen; unser künftiges Leben wird die Ewi....
Zum Sonntag gehört die Eucharistie. Am Ostermorgen haben zuerst die Frauen, dann die Jünger den Auferstandenen sehen dürfen. So wussten sie von da an, dass nun der erste Wochentag, der Sonntag, sein Tag ist, der Tag Christi. Der Tag des Schöpfungsbeginns wird zum Tag der Erneueru....
Johannes schreibt: „Wir haben gesehen, und wir sind Zeugen“ (vgl. 1 Joh 1,2). Wie sehen die Menschen? Sie sehen im Licht der Sonne, das heißt im irdischen Licht. Johannes hat im Licht der Sonne den offenbarten Gott gesehen. Wie aber kann der im Licht der Sonne gesehen werden, der....
Von nun an liebe ich nur dich allein, dir allein folge ich, dich allein suche ich, dir allein bin ich zu dienen bereit, weil du allein gerechte Herrschaft ausübst. Unter deiner Macht will ich stehen. Befiehl du, ich bitte dich, und trage mir auf, was du willst, aber heile und öff....
Versuchungen sollen dich nicht erschrecken. Durch sie will Gott deine Seele prüfen und stärken; gleichzeitig gibt er dir die Kraft, sie zu überwinden. Bisher war dein Leben wie das eines Kindes; nun will der Herr dich wie einen Erwachsenen behandeln. Die Prüfungen eines Erwachsen....
Wer aus ganzem Herzen und ohne Verstellung so sehr Herr seiner selbst ist, dass er nichts anderes sucht, als verachtet zu werden, bedeutungslos zu sein und in Erniedrigung zu leben, der scheint mir die höchste Stufe erklommen zu haben. […] Solange ihr nicht so weit gekommen seid,....
Warum ist Maria so rein? Weil sie den Sohn Gottes in ihrem Leib beherbergen sollte. Wäre sie nicht reiner gewesen als die Engel, dann hätte das WORT nicht so, wie es sich ziemt, in ihr Wohnung nehmen können. Er wäre nicht mit Freude gekommen; er hätte die kostbaren Gaben nicht mi....
Dem schlechten Diener war ich gleich, Der für die anvertrauten Talente nichts gewann; Ja, übertroffen hab ich ihn sogar, Denn ich verlor die Gabe der Gnade. Nicht verdoppelt hab ich Dein Talent, Noch vervierfacht die zwei, noch verzehnfacht die fünf, Sodass ich gänzlich ....
In dieser Welt, das heißt in der Kirche, die als ganze Christus nachfolgt, spricht er zu allen: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst“. Denn dieser Auftrag richtet sich nicht nur an die Jungfrauen, unter Ausschluss verheirateter Frauen; an die Witwen, unter Ausschlu....
Du Prophet und Sohn eines Propheten (vgl. Lk 1,67), Täufer des Herrn: Du warst „die Stimme, die in der Wüste verkündete: Kehrt um“ (vgl. Mt 3,2) und hast Herodes wegen seiner gottlosen Ausschweifungen gerügt. So eiltest du denn auch hin, um denen, die im Totenreich gefangen gehal....
Ein hohes Gut für das menschliche Leben ist die Gesundheit des Körpers. Doch das Beseligende liegt nicht darin, dass man die Definition von Gesundheit kennt, sondern darin, dass man sich im Leben ihrer erfreut. […] So drängt sich uns die Einsicht auf, dass der Herr Jesus nicht je....
Lass uns wie Josua in den Krieg ziehen, lass uns die bedeutendste Stadt dieser Welt – die Bosheit – erstürmen und die stolzen Mauern der Sünde einreißen! Schaust du dich um, welcher Weg einzuschlagen und welches Schlachtfeld zu wählen ist? – Sicher werden dich meine Worte überras....
Gehen wir alle Zeitalter durch, und wir werden erkennen, dass der Herr von Generation zu Generation allen, die sich zu ihm bekehren wollten, die Möglichkeit zur Umkehr bot. Noach predigte Buße, und wer auf ihn hörte, wurde gerettet. Jona kündigte den Einwohnern Ninives die drohen....
Kehren wir noch einmal zum Letzten Abendmahl zurück. Das Neue, das da geschah, lag in der neuen Tiefe des alten Segensgebetes Israels, das nun zum Wort der Verwandlung wird und uns die Teilhabe an der „Stunde“ Christi (vgl. Joh 13,1) schenkt. Nicht das Paschamahl zu wiederholen, ....
Fange das Wasser Christi auf, das den Erlöser preist. Sammle das Wasser, das aus verschiedenen Quellen kommt, das Wasser, das die Wolken der Propheten regnen lassen. Wer in sich selbst das Wasser der Berge sammelt oder es aus den Brunnen schöpft, der fängt an, es auch selbst wie ....
Die erste Stufe des himmlischen Gesanges ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten, und um uns darin zu unterweisen, sandte Gott Vater uns seinen Sohn. Wer nämlich diese Stufe nicht kennt, kann nicht in den himmlischen Chor eintreten, denn er hat weder die Kenntnis davon noch die Zi....
Wenn durch die Kräfte der Seele die Wollust des Fleisches zerstört wird, bilden sich in ihm bald Seufzer nach der himmlischen Heimat, wie durch die Biene in ihrem Stock die Wabe mit dem Honig aufgebaut wird. […] Die Kräfte der Seele sind sehr stark, weil sie durch diese Gott kenn....
Bei Tagesanbruch wurde ich eingeladen, Gleich zu Beginn, bei meinem Eintritt in die Welt, Um im Weinberg der Gebote zu arbeiten, Für einen Denar, der dein Bildnis trägt. Was mich betrifft, so hörte ich zwar auf den, der einlud, ging aber lediglich in den Weinberg hinein u....
[Die heilige Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] Ach, meine vielgeliebte Tochter, schau nur, wie schändlich es ist, dass die Menschen so erbärmlich nach den Gütern dieser Welt gieren und nicht einmal den Hinweisen des natürlichen Lichtes folgen, um das höchste und ewige Gut ....
Die notwendigen Brüche für die Kirche und für den Christen, die notwendigen Brüche mit der Welt, um die Welt zu retten, und die notwendigen Brüche, damit die Kirche in Bewegung bleibt: Diese Brüche müssen an der richtige Stelle geschehen, dort, wo es sein muss, aber sie sind grun....
So wie die Teilung des Meeres durch den Stab des Mose und das Herabkommen des Manna vom Himmel nur Bilder und Symbole für die Wahrheit waren und nichts anderes – das Meer für die Taufe und das Manna für den Erlöser – so sind auch die Dinge, von denen wir sprechen, Symbole und Zei....
Jesus gefällt es, sich den einfachen Seelen zu schenken; bemühen wir uns, diese schöne Tugend zu erlangen und messen wir ihr großen Wert bei. Jesus hat gesagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen“ (Mt 18,3). Doch eh....
Darum gewähren sich Mann und Frau, die im Ehebund nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch (vgl. Mt 19,6), in inniger Verbundenheit der Personen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst und erfahren und vollziehen dadurch immer mehr und voller das eigentliche W....
Als nun die Jungfrau der Jungfrauen von ihrem Gott und Sohn, dem König der Könige, unter den Jubelrufen der Engel und dem Frohlocken der Erzengel in den Himmel geleitet wurde, da erfüllte sich die Prophezeiung Davids an seinen Herrn: „Die Königin steht zu deiner Rechten in golden....
Wir bilden einen einzigen Leib durch unsere Gemeinschaft im Glauben, durch die eine von Gott gegebene Disziplin und durch das Band einer gemeinsamen Hoffnung. Wir treten zu einem Bund zusammen und halten gemeinschaftliche Versammlungen ab, um – gleichsam ein Heer bildend – Gott m....
Seinem ursprünglichen Plan gemäß schuf Gott Mann und Frau nach seinem Bild. Die Heilige Schrift sagt: „Als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Es ist daher wichtig, diese große Wahrheit im Buch Genesis zu entdecken: Jenes Abbild seiner selbst, ....
Als Christus die Welt mit Gott versöhnte, brauchte er natürlich keinerlei Versöhnung für sich selbst. Für welche persönlichen Sünden hätte er denn Gott Genugtuung leisten sollen, da er doch keine einzige begangen hatte? Als nun die Juden die gesetzlich vorgeschriebene Zahlung der....
Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach es, reichte es seinen Jüngern und sagte: „Das ist mein Leib für euch“. Ebenso nahm er den Kelch und sagte: „Nehmt und trinkt, das ist mein Blut“ (vgl. 1 Kor 11,23-25). Wenn er also....
Als der heilige Laurentius sah, wie Bischof Sixtus zum Martyrium geführt wurde, brach er in Tränen aus, aber nicht über dessen Leidenstod, sondern weil er selbst zurückbleiben musste. Deshalb rief er ihm nach: „Wo gehst du hin, Vater, ohne deinen Sohn? Wohin eilst du, heiliger Pr....
Die Begegnung mit dem Christentum veranlasste [Edith Stein] nicht dazu, ihren jüdischen Wurzeln abzuschwören, sondern bewirkte, diese in ihrer ganzen Fülle wiederzuentdecken. [...] In Wirklichkeit vollzog sich ihr Weg christlicher Vervollkommnung nicht nur im Zeichen der menschli....
Unser Herr Jesus Christus ist Mensch geworden, doch die meisten haben ihn nicht erkannt. Da er die unbekannte Wahrheit lehren wollte, sammelte er seine Jünger um sich und fragte sie: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ (Mt 16,13). Nicht aus Ehrsucht fragte er, sonde....
Du hast die Stimme der kanaanäischen Frau gehört, du hast ihr gewährt, was sie erbat; ich rufe ebenso wie sie, schenke denn auch mir, was ich erflehe. Wenn du mich den letzten der Hunde nennst, höre ich sofort deine Stimme, um auf deinen Ruf hin herbeizueilen, o Hirte, ....
Damit sich nun die Apostel eine solch unerschütterliche und heilbringende Standhaftigkeit von ganzem Herzen zu eigen machten und nicht vor der Schwere des zu tragenden Kreuzes zurückschreckten; damit sie sich nicht des Todes Christi schämten und an seiner Geduld Anstoß nähmen, mi....
Lieber Bruder, ich hause hier an einem entlegenen Ort in Kalabrien, weit weg von jeder menschlichen Zivilisation. Ich bin hier zusammen mit meinen Ordensbrüdern, unter ihnen einige hochgebildete Leute. Sie halten heilige und unablässige Wache, da sie auf die Rückkehr ihres Herrn ....
Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit drückt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung aus, sondern enthält zusammenfassend den Kern des Mysteriums der Kirche. Mit Freude erfährt sie unaufhörlich, dass sich auf vielfältige Weise die Verheißung erfüllt: „Seid gewi....
„Lass mir auf einer Schale den Kopf des Täufers Johannes herbringen.“ […] Gott sieht es – und lässt es geschehen; er schleudert keinen Blitz vom Himmel, um dieses unverschämte Weib zu zerschmettern. Er befiehlt der Erde nicht, sich zu öffnen und die Teilnehmer an diesem schändlic....
Der Logos, das Wort Gottes, ist ein für alle Mal dem Fleisch nach geboren. Weil er aber die Menschen so sehr liebt, möchte er immer wieder dem Geist nach geboren werden für alle, die sich danach sehnen. Er wird ein kleines Kind und nimmt – zusammen mit den Tugenden – in ihnen Ges....
Die Lebensentscheidung des Menschen wird mit dem Tod endgültig – dieses sein Leben steht vor dem Richter. Sein Entscheid, der im Lauf des ganzen Lebens Gestalt gefunden hat, kann verschiedene Formen haben. Es kann Menschen geben, die in sich den Willen zur Wahrheit und die Bereit....
Nicht habe ich verkauft, was schnell verdirbt, Als ich den Schatz im Acker fand. Mein Feind hat ihn geraubt, Zum Tausche gab er mir, was ich entbehren kann. Dich, meinen Herrn und Himmelsschatz, Fleh ich aus ganzem Herzen an: Gib mir die Weisheit, meinen Schatz im Himmel....
„Es ist Gegenstand des Glaubens, dass die Kirche […] unzerstörbar heilig ist. Denn Christus, der Sohn Gottes, der mit dem Vater und dem Geist als ‚allein Heiliger‘ gepriesen wird, hat die Kirche als seine Braut geliebt, indem er sich selbst für sie hingab, um sie zu heiligen, und....
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). [...] Das ist für dich, Marta, ein beruhigendes Wort. Du bist in deinem Dienst gesegnet und wirst als Belohnung die Ruhe erhalten, nach der du verlangst. Jetzt bist du mit tausend Sorgen b....
Die Wunder, die unser Herr Jesus Christus vollbrachte, sind wahrhaft göttliche Werke. Sie befähigen den menschlichen Verstand, Gott zu erkennen, ausgehend von dem, was sichtbar ist. Denn unsere Augen können ihn selbst aufgrund seiner Natur nicht sehen. Dazu kommt noch, dass die W....
In der Kirche leben nicht nur Schafe und fliegen nicht nur reine Vögel. Der Weizen wird auf das Feld gesät, und „inmitten prächtiger Kulturen wuchern Kletten und Dornen, auch wilder Hafer“ (Vergil, Georgika). Was soll der Bauer tun? Wird er das Unkraut ausreißen? Aber dann wäre d....
„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ [...] Im Schoß der Jungfrau hat die Weisheit Gottes es unternommen, sich einen Leib wie den unseren als Wohnung zu bauen [...]; ohne Mitwirkung eines Mannes nahm sie aus dem Leib der Jungfrau das Fleisch, das zu unserer E....
Da wir heute das Fest eines Märtyrers feiern, meine Brüder, sollten wir uns von der Geduld, die er an den Tag legte, anrühren lassen. Denn wenn wir uns mit Hilfe des Herrn bemühen, diese Tugend zu bewahren, werden wir gewiss die Palme des Martyriums erlangen, auch wenn die Kirche....
„Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen“ (Mt 13,3). Woher kam er denn, er, der überall gegenwärtig ist und das ganze Universum erfüllt? Auf welche Weise kam er? Nicht auf sinnlich-körperliche Weise, sondern durch eine Verfügung seiner Vorsehung, die uns Menschen galt: Er kam zu un....
[Die heilige Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] „Ich bin der Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Ihr seid die Reben“ (vgl. Joh 15,1.5). Das ist die Wahrheit. Ich bin wirklich der Winzer, denn alles, was ist, kam und kommt von mir. Meine Macht ist unfassbar, und mit mei....
Die Heimkehr der Seele ist ihre Bekehrung zum [göttlichen] Wort, damit es sie neu forme und ihm gleichgestalte. Worin? In der Liebe […]. Eine solche Gleichgestaltung vermählt die Seele mit dem Wort, dem Logos. Sie ist ihm schon von Natur aus ähnlich, und sie wird ihm ganz ähnl....
„Wohin führst du deine Herde zum Weiden“, o guter Hirt, der du sie zur Gänze auf deinen Schultern trägst? Denn das menschliche Geschlecht im Ganzen ist ein einziges Schaf, das du auf deine Schultern genommen hast. Zeige mir den Ort deiner Weide, lasse mich um die Wasser deiner Er....
Während eines Mahles steht Jesus vom Tisch auf, zieht sein Gewand aus und nimmt Knechtsgestalt an, wie diese Worte belegen: „Er umgürtete sich mit einem Leinentuch“, um nicht nackt zu sein und um die Füße seiner Jünger mit seinem eigenen Tuch abtrocknen zu können (vgl. Joh 13,2-5....
Liebe Brüder, betrachtet das große Mysterium der Harmonie und der Verschiedenheit der beiden Gesetze und der beiden Völker. Das alte Volk feierte das Pascha nicht im vollen Licht, sondern im Schatten dessen, was kommen sollte (vgl. Kol 2,17), und fünfzig Tage nach dem Paschafest ....
Meine Kinder, so groß ist das göttliche Charisma der Demut! Unter den Heiligen hat niemand Gott ohne diese grundlegende Eigenschaft gefallen können. Bekleidet auch ihr euch (vgl. 1 Petr 5,5) mit ihr, meine Brüder. […] Lasst uns in Demut reden, in Demut arbeiten, in Demut lese....
Der Herr lehrte uns, dass niemand Gott kennen kann, wenn Gott ihn nicht belehrt; anders gesagt: Wir können Gott nicht ohne Gottes Hilfe erkennen. Es ist aber der Wille des Vaters, dass wir ihn erkennen. […] Der Sohn dient vom Anfang bis zum Ende dem Vater, und ohne ihn kann niema....
Als eine Gnade nach einer Gnade wurde den Menschen nach der Taufe die Reue geschenkt. Die Reue ist in der Tat eine zweite Geburt, die von Gott ausgeht. Was wir als Unterpfand durch die Taufe erhalten haben, das empfangen wir als volles Geschenk durch die Reue. Reue ist die Pforte....
Trotz meiner Kleinheit verspüre ich das Bedürfnis und den Wunsch, für dich, Jesus, alle heroischen Werke zu vollbringen. Ich möchte die Welt durcheilen, deinen Namen verkündigen und dein glorreiches Kreuz auf heidnischem Boden aufstellen, aber, o mein Viel-Geliebter, eine einzige....
Mächtig stürmen die Wogen, und es tobt der Sturm; aber das macht nichts! Ich fürchte nicht, unterzugehen; denn ich stehe auf einem Felsen. Mag das Meer auch wüten – es wird diesen Felsen nicht zerbrechen. Mag die Flut auch steigen – sie kann das Boot Jesu nicht verschlingen. Ich ....
Liebster Sohn in Christus, dem süßen Jesus, ich, Katharina, Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe Euch in seinem kostbaren Blut mit dem Wunsch, Euch als wahren Ritter zu sehen, der bereit ist, sein Leben für den gekreuzigten Jesus hinzugeben. Ihr seid auf da....
Während in jener dunklen und von Unruhen erfüllten Zeit die Landwirtschaft, das ehrbare Handwerk, das Studium der schönen Künste – der profanen wie der sakralen – wenig geschätzt und von fast allen schändlich vernachlässigt wurden, erstand in den Klöstern des heiligen Benedikt ei....
Der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien. Das Zeugnis des christlichen Lebens ist die erste und unersetzbare Form der Mission. Christus, dessen Sendung wir fortsetzen, ist der „....
Jesus Christus, von seinen Feinden aufs Schlimmste verachtet und verhöhnt, bemühte sich noch mehr darum, ihnen Gutes zu tun. [...] Er durchwandert Städte und Dörfer und geht in die Synagogen: so lehrt er uns, wie wir auf Verleumdungen nicht mit Verleumdung antworten sollen, sonde....
Sobald Christus durch sein eigenes Fleisch in uns eingetreten ist, werden wir vollständig auferstehen. Es ist unvorstellbar, ja unmöglich, dass er, der das Leben selbst ist, diejenigen, in die er eintritt, nicht lebendig macht. Wie man ein glühendes Holzscheit mit einen Haufen St....
„Wenn er die Wasser zurückhält, so verdorrt alles, und wenn er sie loslässt, so verwüsten sie das Land“ (Ijob 12,15 Vulg.). Unter Wasser verstehen wir die Kunst der Predigt, denn es steht geschrieben: „Tiefe Wasser sind die Worte aus dem Mund eines [weisen] Mannes, und ein überst....
Die Sünde Adams hatte sich auf das ganze Menschengeschlecht übertragen, ja, auf alle seine Kinder. [...] Es ist also notwendig, dass die Gerechtigkeit Christi ebenfalls auf das ganze Menschengeschlecht übertragen wird. Wie Adam durch die Sünde seinen Nachkommen das Leben genommen....
„Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten“ (Mt 9, 13). Barmherzig sein, sein Herz allen Leiden zuwenden, denen des Leibes und mehr noch denen der Seele, denn die Krankheiten der Seele sind ....
Die Schriftgelehrten sagten: „Er lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?“ Und was ist die Antwort des Herrn? Missbilligte er eine solche Redeweise? Wäre er nicht Gott gleich, hätte er sagen müssen: „Warum unterstellt ihr mir eine solche Anmaßung?“ [...] Doch ....
Thomas stieß diesen erhabenen Schrei aus: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Dieses Glaubensbekenntnis, das größer war als der vorausgehende Unglaube, hätte nicht kraftvoller klingen können: Der gesamte Inhalt des Glaubens ist in diesem kurzen Ausruf enthalten. Welch ....
„Meine Kinder, was auch immer euch widerfährt, denkt daran, dass ich immer bei euch bin. Denkt daran, dass ich – ob sichtbar oder unsichtbar, ob scheinbar handelnd oder scheinbar schlafend und euch vergessend – immer wache, dass ich überall und allmächtig bin. Habt niemals Angst,....
„Wer den Herrn wirklich liebt, wer wirklich danach trachtet, am kommenden Königreich [Gottes] teilzuhaben, wer wirklich seine Sünden bereut, wer wirklich der ewigen Strafe und des ewigen Gerichtes eingedenk ist, wer wirklich von der Furcht vor seinem Ende beseelt ist, der wird ke....
Christus betritt das Haus, in dem sich das Mädchen befindet, fasst es an der Hand und sagt zu ihm: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ [...] Liebe Jugendliche, die Welt braucht eure persönliche Antwort auf die lebenspendenden Worte unseres Herrn: „Ich sage dir, steh auf!“ Wir sehe....
Petrus sollte die Schlüssel der Kirche, oder besser gesagt, die Schlüssel des Himmels, erhalten, und ihm sollten viele Menschen anvertraut werden. Denn was hat der Herr zu ihm gesagt? „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden löse....
Jesus sagte nicht bloß: „Ich will es – werde rein!“ Zusätzlich „streckte er seine Hand aus und berührte ihn“. Das verdient Beachtung. Wenn er ihn doch durch einen Willensakt und ein Wort heilte – warum berührte er ihn dann noch mit der Hand? Wie mir scheint, nur aus dem einen Gru....
„Er kennt den Betrügenden und den Betrogenen. Er führt die Ratgeber zu einem törichten Ende und die Richter in Erstarrung.“ (vgl. Hiob 12,16 Vlg) Wenn jeder Mensch, der seinen Nächsten zu trügen versucht, ungerecht ist und wenn die Wahrheit zu den Ungerechten sagt: „Ich kenne euc....
Das Laster äfft die Tugend nach, und das Unkraut bemüht sich, als Weizen durchzugehen: Das Aussehen ist ähnlich, aber der Geschmack kann einen Kenner nicht täuschen. Auch der Teufel verkleidet sich als einen Engel des Lichts, nicht um dorthin zurückzukehren, wo er früher war (den....
Die Süße des seligen Lebens wird in der Lesung gesucht, in der Betrachtung gefunden, im Gebet erfleht und in der Beschauung verkostet. Deshalb sagt der Herr selbst: „Sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet“ (Mt 7,7). Sucht im Lesen, und ihr werdet finden....
Zacharias verstummt und verliert die Sprache bis zur Geburt Johannes, des Vorläufers des Herrn, der ihm die Sprache zurückgibt. Was bedeutet das Schweigen des Zacharias anderes, als dass die Prophetengabe verloren gegangen und vor der Verkündigung Christi gleichsam verborgen und ....
Auch wir befinden uns auf einem See und werden weder vom Wind noch vom Sturm geschont. Die täglichen Versuchungen dieser Welt überfluten beinahe unser Boot. Woher aber kommt das, wenn nicht davon, dass Jesus schläft? Wenn Jesus nicht in dir schlafen würde, würden dich die Stürme ....
Macht euch keine Sorgen! Bedenkt Folgendes: Euer Gott liebt euch mehr als ihr selbst euch lieben könnt; was habt ihr also zu befürchten? „Der Herr sorgt für mich“ (Ps 39,18 Vulg.), wiederholte David, und dieser Gedanke tröstete ihn. Sagt auch ihr: „Ich überlasse mich deinen Arme....
„Deine Augen“, sagt der Bräutigam [im Hohenlied der Liebe] „sind wie Tauben“ (Hld 1,15). […] Das Lob, das man den Augen [der Braut] macht, besagt, dass sie wie Tauben seien. Das scheint mir Folgendes zu bedeuten: Wenn die Pupillen klar sind, können Menschen ihr eigenes Gesich....
In der zweiten Bitte (des „Vaterunser“) drückt die reine Seele den Wunsch aus, das Reich ihres Vaters möge bald anbrechen. Sie kann damit zunächst das Reich meinen, das Christus jeden Tag in den Seelen der Heiligen herbeiführt. Das geschieht, wenn der Teufel samt seinen Lastern....
Nachdem der heilige Augustinus Gott an vielen Orten gesucht hatte, fand er ihn schließlich in seinem eigenen Inneren. Meint ihr, es sei für eine Seele, die leicht zerstreut ist, nebensächlich, diese Wahrheit zu begreifen und zu erkennen, dass sie nicht in den Himmel aufsteigen mu....
Wer wissen möchte, ob Gott in ihm wohnt, von dem es heißt: „Wunderbar ist Gott in seinen Heiligen“ (Ps 67, 36 Vulg.), der unterziehe das Innere seines Herzens einer aufrichtigen Erforschung und frage sich eindringlich, mit welcher Demut er dem Stolz widersteht, mit welcher Mensch....
Liebster Vater, vielleicht sagen Sie: Ich liebe die Nächstenliebe sehr, aber wie kann ich wissen, ob ich sie habe? Darauf möchte ich Ihnen antworten: Wenn die Seele die Bedingungen, die wir der Nächstenliebe zuerkennen, in sich vorfindet. Diese lassen sich in zwei Hauptbedingung....
Das Wesentliche in diesem Leben, das, was ihm Sinn und Freude gibt und ohne das es uns leer erscheinen würde, ist die Hingabe unserer selbst an Gott in Jesus Christus. Das bedeutet: in der Welt sein, in der Welt verborgen sein als eine Parzelle der Menschheit, mit allen Fasern hi....
Jesus Christus sagt, dass wir uns hüten sollen, mit jemandem Umgang zu pflegen, der in Worten und Taten hinterlistig ist. Denn nichts, meine Brüder, ist unwürdiger für einen Christen, der doch ein treuer Nachahmer seines Gottes sein sollte – und dieser ist ja die Rechtschaffenhei....
Ich, der ich doppelt getroffen wurde von den tödlichen Pfeilen des Bösen, ich schreie wie ein Kranker: „Gib mir das Heilmittel für die tiefe Wunde meiner Seele!“ Entferne von den Augen meines Geistes den Staub der Laster, der inneren wie der äußeren, damit ich einst im Hi....
Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Er zeigt seine Geduld; er entfaltet noch nicht seine Allmacht. Verzichte auch du […] auf Provokation, verstärke nicht das Unbehagen derer, die Unruhe stiften. Bist ....
„Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein“ (vgl. Mt 5,19). Wir müssen nicht bloß auf unseren eigenen Nutzen bedacht sein, sondern auch auf den der anderen. Auch der Lohn wird ja nicht der gleiche sein für den, der nur sich selber auf dem rechten Wege hält, wie für ....
An allen Straßenecken gibt es kleine Kriege, so wie es an allen Ecken der Welt große Kriege gibt. An allen Ecken unseres Lebens können wir Krieg oder Frieden schaffen. Und gerade zum Kriegführen fühlen wir uns gefährlicherweise geschaffen. Sehr schnell wird unser Nachbar zum F....
Eine der Seligpreisungen, die der Mund unseres Erlösers verkündet, macht uns diese Wahrheit offenbar: „Selig, die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen“ (vgl. Mt 5,5). Wir haben kein anderes Mittel, um unser Land zu besitzen, das heißt das widerspenstige Land unseres Le....
Es ist zu bedenken, dass es keine Berufung gibt, die nicht ihren Ärger, ihre Bitterkeit und ihre Widerwärtigkeiten hat, und darüber hinaus, dass jeder – bis auf jene, die völlig dem Willen Gottes ergeben sind – gerne seinen Stand mit dem eines anderen tauschen möchte: Jene, die B....
Ich wünschte, ich hätte eine so laute Stimme, dass ich die Sünder der ganzen Welt auffordern könnte, die Jungfrau Maria zu lieben. Da dies jedoch nicht in meiner Macht liegt, bat ich meinen guten Schutzengel, diesen Dienst für mich zu übernehmen. – Arme, kleine Mama, wie sehr sie....
An einem Freitag, da der Tag sich schon zum Abend neigte, wurde sie beim Anblick des Bildes des Gekreuzigten tief zerknirscht und sagte zum Herrn: „O mein süßester Liebhaber, wie vieles und wie Schmerzliches hast du für mein Heil an dem heutigen Tag gelitten, und ich Ungetreueste....
Wir sehen, dass Gott, unser Schöpfer, solch große Sehnsüchte in uns hineingelegt hat, dass nichts Geschaffenes in der Lage ist, uns zufriedenstellen zu können. Hält man einer Seele alle Reichtümer und alle Schätze der Welt vor Augen, so wird nichts davon ihr Verlangen stillen kön....
Als der unsichtbare Gott sich gnädig dem Menschen zuwenden wollte und ihm in sichtbarer Gestalt erschien, als der Ewige eine irdische Sprache und der Unwandelbare vergängliche Worte benutzte, als er sagte: „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14) […], fügte er dem Namen, der seine Substa....
„O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ (Röm 11,33-34). Du schenkst Erbarmen, Herr, wem du willst,....
Gott hatte den Menschen geschaffen als sein Abbild, ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26); er hatte den Menschen für würdig erachtet, ihn [den Schöpfer] selbst zu erkennen; er hatte ihn durch die Gabe des Verstandes über alle Tiere gestellt, ihn in den Genuss der unvergleichlichen Freuden ....
Wenn du dich anschickst, zum Tisch des himmlischen Festmahls zu gehen, „prüfe dich selbst“, nach dem Rat des Apostels (vgl. 1 Kor 11,28). Prüfe sorgfältig, was du glaubst, wenn du hinzutrittst. […] Wisse zunächst, was du über die wahre Natur dieses Sakraments der Eucharistie glau....
„Johannes der Täufer verkündete: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (vgl. Mt 3,1). […] Selig ist Johannes, der wollte, dass die Umkehr vor dem Gericht stattfindet; dass die Sünder nicht gerichtet, sondern belohnt werden; dass die Gottlosen in das Reich eingehen und nicht de....
„Die Erbarmungen des Herrn will ich ewig besingen“ (Ps 88(89),2). In diesen österlichen Worten der Kirche klingen – in der Fülle ihres prophetischen Gehaltes – die Worte Marias nach, die sie bei der Begegnung mit Elisabet, der Frau des Zacharias, gesprochen hatte: „Er erbarmt sic....
Es scheint, dass die unaussprechliche Liebe Gottes für die Gebrechlichkeit und das Elend des Menschen vorgesorgt hat; denn da der Mensch stets bereit und geneigt war, seinen Schöpfer zu beleidigen, hat Gott ihm, um ihn zu retten, ein Heilmittel gegen seine Gebrechen verschafft. D....
Der Mensch war geschaffen worden, um seinem Schöpfer zu dienen. Was wäre denn in der Tat gerechter, als dem zu dienen, der euch ins Leben gerufen hat und ohne den ihr nicht bestehen könnt? Und was wäre denn beglückender, als ihm zu dienen? Denn ihm zu dienen bedeutet herrschen. D....
Vierzig Jahre lang war Klara auf der Rennbahn der höchsten Armut gelaufen (vgl. 1 Kor 9,24). Siehe, da näherte sie sich dem Siegespreis der himmlischen Berufung […]. Schon eilte die göttliche Vorsehung, ihr Vorhaben mit Klara zu erfüllen; es eilte Christus, die arme Pilgerin in d....
O liebster Vater! Welches Herz könnte so hart, so eigensinnig sein, dass es sich nicht erweichen ließe, wenn es die Liebe betrachtet, die ihm die göttliche Güte entgegenbringt? Liebt, ja, liebt und denkt daran, dass Ihr schon geliebt worden seid, bevor Ihr geliebt wurdet. Denn Go....
Als er, der auf die Erde herabgestiegen war – er allein weiß, wie, – sie wieder verließ – wie, weiß er allein –, da führte er die, die er liebte, auf einen Berg […], um ihr Haupt und ihren Geist zu erheben. […] Der Herr breitete seine Arme aus wie Schwingen, wie ein Adler, der li....
Schöpfer und Herr, wir beten Dich an, Du, Weltall, preise den Herrn in Demut vertieft. Dem Schöpfer danke jeder, wie er nur kann, Preis Seinem Erbarmen, das Er grenzenlos gibt. Singe, du Erde, im grünen Kleid, Und du, Meer, mit deinen Wogen ein Lied, Als Dank für Gottes ....
„Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“, sprach Gott (Gen 1,26). Ein einfaches Gebot hatte die anderen Wesen der Schöpfung hervorgebracht: „Es werde Licht“ (Gen 1,3) oder „Es werde ein Firmament“ (vgl. Gen 1,6). Dieses Mal jedoch sprach Gott nicht etwa: „Es soll....
Gewähre mir, barmherziger Gott, dass ich das, was du gutheißt, voll Eifer begehre, mit Klugheit suche, in Wahrheit erkenne und zur Vollendung bringe zum Lob und Ruhm deines Namens. Bring Ordnung in mein Leben und lass mich in allem deinen Willen erfüllen. Lass mich alles so tun,....
Gib die Güter dieser Welt preis und empfange die ewigen Güter. Gib die Erde preis und empfange den Himmel. Aber wem soll man denn geben? […] Höre auf die Heilige Schrift, die dir sagt, wie du dem Herrn selbst leihen sollst: „Wer Erbarmen hat mit dem Elenden, leiht dem Herrn“ (Spr....
Die Einfachheit ist eine Haltung der Seele, die jede List ausschließt und sie immun macht gegen Böswilligkeit. Die Abwesenheit von Arglist ist ein freudiger Zustand der Seele, frei von allen Hintergedanken. Das erste Vorrecht der Kindheit ist eine Einfachheit, die frei ist von je....
O Unsere Liebe Frau, du bist die Mutter der Rechtfertigung und der Gerechtfertigten, der Versöhnung und der Versöhnten, der Rettung und der Geretteten. Du bist die glückliche Sicherheit und sichere Zuflucht! Die Mutter Gottes ist unsere Mutter, die Mutter unserer einzigen Ursache....
Das Werk der Heiligung der Kirche und der Seelen ordnet man dem Heiligen Geist zu, denn es ist vorrangig ein Werk der Liebe; der Heilige Geist aber ist der Liebeshauch zwischen dem Vater und dem Sohn. Um die Fleischwerdung des göttlichen Lebens zu wirken, kommt Gottes Geist a....
Ich bin dein, für dich geboren, was begehrst du, Herr, von mir? Höchste Majestät, Ewige Weisheit, Güte, Wohltat meiner Seele; höchster Gott, ein Wesen, Güte, sieh an die große Unwürdigkeit, dass heute die Liebe so zu dir singt: Was begehrst du von mir? Ich bin dein, de....
Nachdem Jesus mit Petrus über die Liebe [die er haben sollte] gesprochen hat, sagt er ihm das Martyrium, das ihm bestimmt ist, voraus. Damit zeigt er ihm das ganze Vertrauen, das er in ihn [Petrus] setzt. Um uns ein Beispiel der Liebe zu geben und uns zu lehren, wie wir ihn a....
Du, der du erhöht beim Vater bist und bei uns, […] du hast uns das Licht deiner makellosen Herrlichkeit gezeigt. Gib es mir, ja, auch jetzt wieder, damit es mich nicht mehr verlässt! Gib, dass ich dich, o [ewiges] Wort, immer in diesem Licht betrachte, um deine unzugängliche ....
Barmherziger Gott, höre das Gebet, das ich für dein Volk spreche. Mein Amt verpflichtet mich dazu, mein Herz drängt mich dazu und die Erwägung deiner Güte bringt mich dazu. Du weißt, liebster Herr, wie sehr ich sie liebe, wie mein Herz ihnen zugewandt ist und wie sie meine Zärtli....
Die Weisheit ist Weisheit der Liebe. Sie steht im Dienst Gottes, der die Liebe ist. Allein die Liebe ist das Gut, das sich selbst verströmt. Sie muss sich ausbreiten und findet ihre Freude darin, sich zu geben. Ihre Freude entspricht dem Maß und der Qualität des Gebens. Weil sie ....
Am Ende unserer Gebete sagen wir: „Durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn“ und nicht: „durch den Heiligen Geist“. Diese Praxis der ganzen Weltkirche besteht nicht ohne Grund. Sie hat ihre Ursache in dem Geheimnis, dass der Mensch Jesus Christus der Mittler zwischen Gott....
Die Kirche ist durch ein so starkes Band gegenseitiger Liebe verbunden, dass sie in der Pluralität ihrer Mitglieder eins ist und auf geheimnisvolle Weise in jedem ganz ist. Wenn daher die ganze Weltkirche mit Recht als die eine und einzigartige Braut Christi dargestellt wird, gla....
Wenn du den wahren Gott erkennst, wie er ist, wirst du einen unsterblichen Leib und zugleich eine unzerstörbare Seele haben, und du wirst das himmlische Königreich besitzen. Da du während deines Erdenlebens den himmlischen König erkannt hast, wirst du ein Vertrauter Gottes und Mi....
Wenn das sinnliche Vergnügen Betrübnis, das heißt Seelenqual hervorruft (denn beides ist ein und dasselbe), dann verursacht das Vergnügen der Seele natürlich auch Betrübnis, nämlich die Qual der Sinne. Wer das Leben sucht, das er erhofft, das Leben unseres Gottes und Retters Jesu....
„Hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit. […] Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit“ (Ps 24, 7.10). Diese Verse lassen sich wunderbar auf die Himmelfahrt unseres Herrn anwenden, der von den....
In der göttlichen Macht liegt die Vollendung der Heiligkeit, die den inneren Geist des Menschen, der sich mit Gott verbindet, von allen Seiten schützt. Daher bewirkt auch die Aushauchung, die aus ihr kommt, dass ihn, sobald er im Überdruss zu erlahmen beginnt, die mystischen Gabe....
Ich bitte Euch: Bleibt ruhig und ergebt Euch in alles. Jesus ist mit Euch und freut sich über Euch. Ich höre nie auf, das göttliche Herz Euretwegen zu belästigen, damit er Euch mit noch mehr Gnaden überschütte, um Euch im guten Kampf zu unterstützen und für Euch zu kämpfen. Zweif....
„Der Lügner erhebt sich gegen mich; er widerspricht mir ins Gesicht“ (Ijob 16,8 Vulg.). Selbst in Zeiten, da die Kirche sich im Frieden befindet, ist sie der Lüge ausgesetzt. Denn zahlreich sind in ihrer Mitte diejenigen, die der Verheißung der Ewigkeit nicht mehr treu sind und s....
In der Vollkommenheit der Liebe gegründet, wird man sich zu einem noch ausgezeichneterem und höherem Grad emporschwingen, nämlich zur Furcht aus Liebe. Diese entspringt weder der Angst vor Strafe noch dem Verlangen nach Belohnung, sondern der Größe der Liebe selbst. Sie ist diese....
[Worte Gottes an die heilige Katharina:] Schaut nicht zurück, wendet euch nicht ab vom Pflug aus Furcht vor den Geschöpfen oder vor Bedrängnissen: Gerade in der Bedrängnis sollt ihr fröhlich sein. Die Welt hat ihr Vergnügen daran, euch auf tausenderlei Weisen Unrecht zu tun; seid....
Aus einer Lektüre der Schrift geht außerdem klar hervor, dass das Angebot des Evangeliums nicht nur in einer persönlichen Beziehung zu Gott besteht. [...] Das Angebot ist das Reich Gottes (vgl. Lk 4,43); es geht darum, Gott zu lieben, der in der Welt herrscht. In dem Maß, in dem ....
Was bin ich, mein Gott, Liebe meines Herzens? Ach, ach, wie unähnlich dir. Sieh, ich bin wie ein ganz kleiner Tropfen deiner Güte, und du bist das Meer allen Glückes. Ja, o Liebe, du Liebe, öffne, öffne über mir, die ich so bin, das Innerste deiner gütigen Liebe. Als gütiger ....
„Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Diese Erklärung Jesu aus seinen Abschiedsreden folgt unmittelbar auf seine Worte über die engen Bande, die ihn von nun an mit den Aposteln verbinden: „Ich ....
Friede, das ist die Einfachheit des Geistes und seine Heiterkeit, Seelenruhe, Liebe, die alles zusammenhält. Der Friede, das ist Ordnung und Harmonie, die unser ganzes Sein erfasst; Friede, das ist die immerwährende Freude, die aus einem guten Gewissenszeugnis kommt; das ist der ....
Angesichts des bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000, [schien es mir,] dass die europäischen Christen aus der Betrachtung und der Anrufung mancher Heiliger, die auf ihre Weise besonders repräsentativ für ihre Geschichte sind, geistlichen Nutzen ziehen könnten. Die Chris....
Dieses also ist das Wesen der Vollkommenheit, dass wir immer und überall dem himmlischen Vater zu gefallen suchen, damit er dadurch verherrlicht werde, damit sein Reich in uns gefestigt und sein Wille in uns erfüllt werde. […] Das Ergebnis solch innerer Gesinnung ist, dass wir „a....
Diejenigen, die Gott schauen, haben Teil am Leben, denn die Herrlichkeit Gottes macht lebendig. Das ist der Grund, weshalb der Unfassbare, Unbegreifliche und Unsichtbare sich den Menschen sichtbar, begreifbar und fassbar darbietet: um die lebendig zu machen, die ihn fassen und sc....
Die höchste Güte zeigt sich in vielfältigen Weisen, und Christus hat gesagt: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Joh 14,2). Wer könnte die Vielfalt der Mittel, Besuche, Gaben und Gnaden Gottes beschreiben – nicht nur in den Geschöpfen, sondern auch in einer einzigen ....
Nicht eher nämlich zogen sie aus bis an die Grenzen der Erde, allen die frohe Botschaft zu bringen und den himmlischen Frieden den Menschen zu verkünden, als unser Herr von den Toten auferstanden war und sie alle die Kraft des Heiligen Geistes empfangen hatten, der über sie kam (....
O guter Meister, Jesus Christus, ich war ohne jede Hilfe, ich habe um nichts gebeten; ja, ich dachte nicht einmal daran, zu bitten –, da hat dein Licht meine Nacht erhellt. [...] Du hast die Last, die mich niederdrückte, von mir genommen; du hast die zurückgeschlagen, die über mi....
Dies ist der katholische Glaube: Wir verehren den einen Gott in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit, ohne Vermischung der Personen und ohne Trennung der Wesenheit. Denn eine andere ist die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes; eine andere die des Hei....
Jesus sprach: „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11). Es ist klar, dass der Titel „Hirte“ Christus gebührt. Denn wie ein Hirt seine Herde auf die Weide führt, so erquickt Christus die Gläubigen durch geistliche Nahrung: seinen eigenen Leib und sein eigenes Blut. Um sich vom schlech....
Durch den Heiligen Geist wurde er von einer jungfräulichen Mutter geboren, und durch denselben Geist macht er seine allreine Kirche fruchtbar, damit durch die Geburt in der Taufe eine unzählbare Schar Kinder von Gott gezeugt werde. Von ihnen heißt es, dass sie „nicht aus dem Blut....
Die Seele im menschlichen Leib soll vom Anfang ihres Wirkens bis zu dessen Ende die sieben gleichbleibenden Gaben des Heiligen Geistes mit Eifer verehren. Zu Beginn ihres Tuns soll sie sich an die Weisheit wenden, und am Ende soll sie die Furcht des Herrn haben. In die Mitte soll....
Christus hat einst gesagt: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (Joh 6,53). Aber sie hörten diese Worte nicht in geistlicher Weise und gingen empört weg, weil sie dachten, dass der Herr sie zu einem gewö....
Der Sohn Gottes hat die menschliche Natur so innig mit sich verbunden, dass nicht nur in jenem Menschen, der „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15) ist, sondern auch in all seinen Heiligen ein und derselbe Christus lebt. Wie das Haupt nicht von den Gliedern getrennt w....
Wo begegnet ihr der Freude der Liebe? In der Eucharistie, in der heiligen Kommunion. Jesus hat sich selbst zum „Brot des Lebens“ gemacht, um uns das Leben zu geben. Tag und Nacht ist er da. Wenn ihr wirklich in der Liebe wachsen wollt, kommt immer wieder zur Eucharistie, kommt zu....
Christus ist das „Brot des Lebens“ für die, die an ihn glauben: An Christus zu glauben bedeutet, das Brot des Lebens zu essen, Christus in sich zu besitzen, das ewige Leben zu besitzen. […] „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus, „Eure Väter haben das Manna in der Wüste geges....
Die Juden aßen das Paschalamm stehend, mit Schuhen an den Füßen, den Stab in der Hand, hastig (vgl. Ex 12,11). Um wie viel größer muss deine Wachsamkeit sein! Sie waren im Begriff, ins Gelobte Land aufzubrechen und verhielten sich daher wie Reisende; du aber bist auf dem Weg zum ....
Als der Herr nach seiner Auferstehung bei verschlossenen Türen in die Mitte der Jünger trat (vgl. Joh 20,19), glaubten sie nicht, dass er in seinen wirklichen Leib zurückgekehrt war. Vielmehr nahmen sie an, dass nur seine Seele in einer körperlichen Gestalt zurückgekommen sei, ve....
Christus steigt in ein Boot: War nicht er es, der den Meeresboden freilegte, nachdem er seine Wassermassen geteilt hatte, damit das Volk Israel trockenen Fußes wie durch ein Tal hindurchziehen konnte? (vgl. Ex 14,29). War nicht er es, der die Wellen des Meeres unter den Füßen des....
Das Universum zu lenken ist wahrhaftig ein größeres Wunder, als fünftausend Menschen mit fünf Broten zu sättigen, und doch staunt niemand darüber, während man bei einem kleineren Wunder in Verzückung gerät, weil es nicht alltäglich ist. Denn wer erhält auch heute noch das Univers....
Herr, achte auf mich und erbarme dich meiner, Herr mein Gott, du Licht der Blinden und Stärke der Starken: Habe acht auf meine Seele und erhöre die Stimme des Rufenden aus der Tiefe (vgl. Ps 129(130),1). Denn wenn dein Ohr nicht auch in die Tiefe sich neigte, wohin sollen wir dan....
Wir preisen dich, du Vater allen Lichtes, dich Christus, Gottes Wort, des Vaters Glanz, du Licht vom Lichte, du des Lichtes Quell; dich, Feuergeist, Atem des Sohnes und des Vaters. Heilige Dreifaltigkeit, ungeteiltes Licht, du zerstreust die Finsternis, um eine helle Wel....
Wer bist Du, süßes Licht, das mich erfüllt Und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet? Du leitest mich gleich einer Mutter Hand, Und ließest Du mich los, so wüßte keinen Schritt ich mehr zu gehen. Du bist der Raum, der rund mein Sein umschließt und in sich birgt, Aus Dir entla....
O unaussprechliche und süßeste Liebe! Wie süß ist doch die Vereinigung, die du mit dem Menschen eingegangen bist! Du hast uns deine unaussprechliche Liebe durch zahllose Gnaden und Wohltaten gezeigt, die du deinen Geschöpfen erwiesen hast, vor allem durch das Geschenk der Menschw....
Zeige mir, o Gott, Deine Barmherzigkeit, Nach Jesu Gefühl und Herzensempfinden. Mögen meine Seufzer, Tränen und Bitten, Mein reuiges Herz, Gehör bei Dir finden. Allmächtiger, allzeit barmherziger Gott, Nicht zu erschöpfen ist, Herr, Dein Erbarmen. Wie ein Meer dehnt sich....
Du bist auferstanden von den Toten, du, das Leben aller, und ein Engel des Lichts rief den Frauen zu: „Hört auf zu weinen, bringt den Aposteln die frohe Botschaft, singt aus voller Kehle das Lied: Er ist auferstanden, Christus der Herr, der als Gott die Menschheit erlösen wollte!....
Dieser Tag, den der Herr gemacht hat (vgl. Ps 117(118),24), ergreift alles; er enthält alles, er umfängt alles, Himmel, Erde und Hölle! [...] Wer sonst könnte dieser himmlische Tag sein, wenn nicht Christus, von dem der Psalmist sagt: „Ein Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut e....
Ich höre von der Auferstehung und frage mich, wie diese Auferstehung sein wird. Ich glaube nämlich, dass ich dazu bestimmt bin, aufzuerstehen, aber ich will, dass man mir sagt, welches Wesen ich dann sein werde. Ich muss wissen, ob ich in einem anderen Leib auferstehen werde, vie....
„Maria“, ich kenne dich bei deinem Namen; lerne du mich durch den Glauben kennen. „Da wandte sie sich ihm zu und sagte: Rabbuni!, das heißt: Meister“, lehre mich, dich zu suchen, lehre mich, dich zu berühren. „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vat....
Das Evangelium berichtet: „Plötzlich kam ihnen Jesus entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße“ (Mt 28,9). Sie umfassten ihn, damit sich das Wort erfülle: „Ich packte ihn, ließ ihn nicht mehr los“ (Hld 3,4). Die F....
Wann wollte sich der Herr offenbaren? „Beim Brechen des Brotes“ (Lk 24,35). Wir können sicher sein: Wenn wir das Brot teilen, erkennen wir den Herrn. Er wollte sich nur in diesem Moment erkennen lassen, und zwar unseretwegen, die wir ihn nicht im Fleisch sehen und doch sein Fleis....
Höre Adam, und freue dich mit Eva, denn der, der euch einst beraubte und durch seine Täuschung gefangen nahm, wurde am Kreuz Christi entmachtet. Heute hast du, o Christus, durch deine Macht die Herrschaft des Todes beseitigt, und durch deine Auferstehung, du Geber des Lebens, ha....
„O Furchterregendes Wunder! Wie kann das Grab dich festhalten, mein Kind, dich, den die Grenzen der Erde nicht fassen können?“, fragte die Jungfrau Maria. „Das Licht meiner Augen verdunkelt sich, ich weiß nicht wie; o Sonne ohne Untergang, ich kann sehen, wie du unter der Erde ve....
Dieser Tod, von dem die Menschheit getroffen wurde, weil sie von der Frucht des Baumes aß, ist heute durch das Kreuz entmachtet worden: Denn der Fluch, den unser ganzes Geschlecht von unserer Ahnfrau geerbt hatte, wurde ausgelöscht durch den Spross der reinsten Muttergottes, derj....
Ich muss euch ein Wort darüber sagen, was mit dem Begriff „Heiliges Messopfer“ gemeint ist. Ihr wisst, dass das heilige Messopfer das gleiche ist wie das Kreuzesopfer, das einmal auf dem Kalvarienberg dargebracht wurde. Der Unterschied besteht nur darin, dass, als Jesus Christus ....
Seht, wie mitfühlend Christus mit Judas umging –, mit einem Menschen, der so viel Liebe empfangen hatte und doch seinen eigenen Meister verriet, diesen Meister, der heiliges Stillschweigen bewahrte und ihn nicht vor den anderen Jüngern bloßstellte! Jesus hätte ja ohne weiteres of....
Das ewge Wort vom Himmel hoch ging aus und blieb beim Vater doch und kam nach Gottes Rettungsplan am Abend seines Lebens an. Zum Tod vom eignen Freunde gar verraten an der Feinde Schar, gab er zuvor zum Lebensmahl sich selber seiner Jünger Zahl. In zwei Gestalten lieb....
Der Herr sagte zu Gertrud: „Wenn es dich erfreut, so wende auch jene Salbe an, welche die fromme Frau aus einem Alabastergefäß, das sie zerbrach, über mein Haupt goss, so dass ‚das ganze Haus vom Wohlgeruch erfüllt wurde‘ (Joh 12,3); und dies wirst du tun aus Liebe zur Wahrheit. ....
Nun sind wir also in der heiligen und großen Woche der Vollendung des Leidens Christi angekommen, und wiederum hören wir, wie, wie oft, wann und wie tief sich der Herr der Herrlichkeit (1 Kor 2,8), unser Gott und Schöpfer, für uns erniedrigt hat. Wahrlich, wir werden ganz erleuch....
Alles, was du lehrst, o Herr, könnte als zu schwierig, zu drückend erscheinen, wenn du von einer anderen Tribüne aus sprächest. Da du, der „Herr und Meister“ (Joh 13,14), uns aber mehr durch das Beispiel als durch das Wort belehrst –, wie könnten wir, die Diener und Schüler, es w....
Lasst uns die Liebe Christi, unseres Erlösers, betrachten, der „die Seinen liebte bis zur Vollendung“ (vgl. Joh 13,1); so sehr, dass er um ihres Heiles willen freiwillig einen schmerzhaften Tod erlitt und damit den höchsten Grad an Liebe offenbarte, den es geben kann. Denn er sel....
„Euer Vater Abraham jubelte, weil er meinen Tag sehen sollte; er sah ihn und freute sich.“ Abraham sah den Tag des Herrn, als er die drei Engel, die die heiligste Dreifaltigkeit darstellen, bei sich empfing: drei Gäste, die er wie einen einzigen ansprach (vgl. Gen 18,2-3). [...] ....
„Ich weiß, dass ihr Kinder Abrahams seid“ (vgl. Joh 8,37). […] Man könnte noch eine andere, auf dem griechischen Text basierende, Übersetzung geben: „Ich weiß, dass ihr aus dem Geschlecht“ oder wörtlich: „aus dem Samen Abrahams seid.“ Um diese Übersetzung zu verdeutlichen, betrac....
Josef war – der natürlichen Verpflichtung eines Familienoberhauptes entsprechend – der rechtmäßige Hüter, Verwalter und Verteidiger des göttlichen Haushalts, dem er vorstand. Diese Aufgaben und Pflichten erfüllte er während seines ganzen irdischen Lebens. Mit uneingeschränkter un....
„Niemand hat Gott je gesehen“, schreibt der heilige Johannes, um jener Wahrheit besonderen Nachdruck zu verleihen, dass „er, der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, Kunde gebracht hat“ (vgl. Joh 1, 18). [...] In Christus geoffenbart, erlaubt uns die Wahrheit über....
Jesus Christus sagte eines Tages: „Ich werde alles an mich ziehen, wenn ich von der Erde erhöht bin“ (vgl. Joh 12,32). […] Diejenigen, die in der Wüste die eherne Schlange ansahen, wurden geheilt, ebenso werden diejenigen, welche mich mit Glauben und Liebe anschauen, trotz ihr....
„Wenn er einreißt, baut keiner wieder auf; wen er einschließt, dem wird nicht mehr geöffnet“ (Ijob 12,14). Der allmächtige Gott reißt das Herz des Menschen ein, wenn er es verlässt; er baut es auf, wenn er es erfüllt. Gott reißt nämlich die Seele des Menschen nicht im harten Kam....
„Das Laubhüttenfest der Juden war nahe. Da sagten seine Brüder zu ihm: Geh von hier fort, und zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger die Werke sehen, die du vollbringst. [...] Jesus sagte zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht gekommen, für euch aber ist immer die rechte Zeit“ (Jo....
„Denn siehe, mein Zeuge ist im Himmel, und mein Vertrauter ist in der Höhe“ (vgl. Ijob 16,20 Vulg.). Als der Sohn auf Erden wandelte, hatte er einen Zeugen im Himmel. Denn der Vater ist der Zeuge des Sohnes, der im Evangelium sagt: „Auch der Vater selbst, der mich gesandt hat, ha....
Zunächst soll die Lehre von Gott als Fundament in eure Seele gelegt werden. Es ist ein Gott. Er allein ist ungezeugt, ohne Anfang, unwandelbar, unveränderlich. Weder hat ihn ein anderer gezeugt, noch tritt er an einen anderen das Leben ab. Nicht fing er in der Zeit an, zu leben, ....
Die Zahl vierzig, liebe Brüder, hat symbolischen Wert, der mit dem Geheimnis unserer Erlösung zusammenhängt. Als nämlich in der Frühzeit die Schlechtigkeit der Menschen sich über die Erde ausgebreitet hatte, ließ Gott vierzig Tage lang Wasser vom Himmel fallen und überflutete die....
„Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden“ (vgl. Joel 3,5; Röm 10,13). Ich selber rufe ihn nicht nur an, sondern glaube vor allem an seine Größe. Nicht um seiner Geschenke willen verharre ich in meinem Flehen, sondern weil er das wahre Leben ist und i....
[Die heilige Caterina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] Öffne das Auge deines Geistes, und du wirst die Blinden und die Törichten sehen, die Unvollkommenen und ebenso die Vollkommenen, die Mir in Wahrheit nachfolgen. Dann wirst du dich betrüben wegen der Verdammung der Törichten, un....
Wir stellen fest, dass der Pharisäer den Zöllner ziemlich leichtfertig für einen Dieb hielt, weil dieser die Steuern einnahm. Ohne es wirklich zu wissen, sagte er, dass der Zöllner mehr verlange, als er soll, und seine Autorität nur dazu benutze, Unrecht zu tun. Dennoch ging dies....
Nicht zweifelhaft, sondern sicher ist mein Bewusstsein, dass ich dich liebe, o Herr. Mit deinem Worte hast du mein Herz getroffen, und ich habe dich geliebt. Was aber liebe ich, wenn ich dich liebe? Nicht körperliche Wohlgestalt noch zeitliche Anmut, nicht den Glanz des Li....
In diesem Sinn hat die Neuzeit die Hoffnung auf die zu errichtende vollkommene Welt entwickelt, die durch die Erkenntnisse der Wissenschaft und einer wissenschaftlich fundierten Politik machbar geworden schien. So wurde die biblische Hoffnung auf das Reich Gottes abgelöst durch d....
Wir haben gesehen, dass Christus den Gesetzen des Mose gehorchte; das heißt, dass Gott, der Gesetzgeber, sich als Mensch seinen eigenen Gesetzen unterwarf. So lehrt uns der hl. Paulus [...]: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz....
Als der Fels dich fragte, wie oft er seinem Bruder vergeben müsse, da sagtest du nicht: „Siebenmal“, sondern „Vierhundertneunzigmal*“! In dieser Zahl sind die Jahre unseres irdischen Lebens enthalten, die sieben Abschnitte unseres vergänglichen Lebens: Solange wir in die....
Du bist näher herangetreten, hast das Taufbecken gesehen und beim Becken auch den Bischof. Und sicherlich ist der gleiche Gedanke in deine Seele gefallen, der auch den Syrer Naaman beschlichen hatte. Denn auch wenn er rein wurde, so hatte er doch zuerst gezweifelt. [...] Ich fürc....
Das Geheimnis unserer Auferstehung ist groß und äußerst schwer auszuforschen. Es wird in vielen Texten der Schrift angekündigt, vor allem aber bei Ezechiel...: „Der Geist des Herrn versetzte mich mitten in die Ebene. Sie war voll von menschlichen Gebeinen...; sie waren ganz ausge....
Christus, Herr aller Dinge, erlöse uns von all diesen Übeln, von den Leidenschaften, die uns zerstören, und von den Gedanken, die aus den Leidenschaften entstehen. Um deinetwillen wurden wir erschaffen, damit wir uns an den Köstlichkeiten, die du uns bereitet hast, erfreue....
Der Weinstock ist ein Symbol für uns, das Volk Gottes. Denn es wurzelt am ewigen Weinstock (vgl. Joh 15,5) und erhebt sich über die Erde. Der Weinstock wuchert üppig auf kargem Boden. Bald sprosst und blüht er, bald kleidet er sich in Grün; wenn er groß geworden ist und seine aus....
„Noch ein klein wenig, und der Sünder wird gewiss nicht mehr da sein, und du wirst seinen Ort suchen und gewiss nicht finden. Aber die Sanftmütigen werden das Land erben und sich an der Fülle des Friedens erfreuen“ (Ps 37(36), 10-11 LXX). […] Der ganze Psalm ist eine wunderbare ....
In den „Wallfahrtspsalmen“ sehnt sich der Psalmist nach Jerusalem und sagt, dass er hinaufsteigen möchte. Wohin will er hinaufsteigen? Will er die Sonne erreichen, den Mond, die Sterne? Weit gefehlt! Im Himmel befindet sich das ewige Jerusalem, wo die Engel wohnen, unsere Mitbewo....
(Die hl. Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:) Du bittest darum, Mich, die höchste Wahrheit, erkennen und lieben zu können. Der Weg, auf dem du zur vollkommenen Erkenntnis gelangst und Mich, das ewige Leben, genießen kannst, ist folgender: Vergiss niemals die Selbsterkenntnis.....
So oft, wie meine Brust atmet, so oft, wie mein Herz schlägt, so oft, wie das Blut in meinem Körper pulsiert, so viele tausend Male will ich Deine Barmherzigkeit rühmen, o Heiligste Dreifaltigkeit. Ich möchte mich ganz in Deine Barmherzigkeit umwandeln, um so ein lebendiges Ab....
Auf dem Berg Tabor hat Jesus seinen Jüngern eine wunderbare göttliche Offenbarung zuteil werden lassen, gleichsam einen Vorgeschmack auf das Himmelreich. Es ist genau so, als hätte er zu ihnen gesagt: „Damit die Verzögerung nicht Unglauben in euch hervorruft, wahrlich, ich sage e....
Der Herr sagt: „Liebt eure Feinde“. In der Tat liebt jener seinen Feind wahrhaftig, der nicht Schmerz empfindet über das Unrecht, das der andere ihm antut, sondern um der Liebe Gottes willen innerlich brennt wegen der Sünde, die der andere seiner Seele antut. Und er möge ihm in W....
Warum, meine Brüder, hat die Kirche die heilige Fastenzeit eingeführt? Es ist, werdet ihr mir sagen, um uns darauf vorzubereiten, die heilige Osterzeit würdig zu begehen. Betrachten wir die Frage etwas genauer. Um eine gute Beichte abzulegen, die uns mit Gott versöhnen kann, müs....
Ihr seid genau am Vorabend jenes Tages hierhergekommen, an dem die Kirche das Fest der Kathedra Petri in Rom feiert. […] Seht den Lehrstuhl, von dem aus der erste Papst das Wort an die ersten Christen richtete, so wie ich in diesem Moment. Hier ermahnte er sie zur Wachsamkeit geg....
Wenn Jona eine Vorabbildung des Herrn ist und durch seinen drei Tage und drei Nächte dauernden Aufenthalt im Bauch des Wals hinweist auf die Passion des Retters, dann muss sein Gebet auch das Gebet des Herrn zum Ausdruck bringen. „Ich bin aus deiner Nähe verstoßen. Wie kann ic....
Das Gebet ist ein Sprössling der Sanftmut und der Freiheit von Zorn. Gebet ist das Aufblühen von Freude und Dankbarkeit. Das Gebet ist ein Gegengift gegen Traurigkeit und Entmutigung. […] Wenn du beten willst, wie es recht ist, dann betrübe keine Seele; sonst läufst d....
Mehr an den Nächsten und dessen Interessen, an dessen Befriedigung und Freude denken, als an sich selbst, das ist das sicherste Zeichen wahrer Liebe; denn das zu tun, und zwar nicht nur nicht einmal, sondern zehnmal, ja immer und überall und gegen alle ohne Unterschied, das heißt....
Wenn du nach deiner Taufe angegriffen wirst vom Verfolger, dem Versucher des Lichts: dann bietet sich dir die Gelegenheit, einen Sieg zu erringen. Er wird dich mit Sicherheit angreifen. Denn getäuscht von dessen menschlicher Erscheinung, legte er sich mit dem Wort, meinem Gott, a....
Wenn auch jede Zeit dazu geeignet ist, die Tugend der Nächstenliebe zu üben, meine Brüder, so mahnen uns doch die jetzigen Tage ganz besonders dazu. Alle, die das Osterfest des Herrn in der Heiligkeit des Geistes und des Leibes begehen wollen, müssen sich vor allem um dieses Gnad....
Nach der dem vorgeschriebenen Fasten geweihten Zeit kommt die gereinigte und erschöpfte Seele zur Taufe. Sie taucht ein in das Wasser des Heiligen Geistes und kommt so wieder zu Kräften. Alles, was durch das Feuer der Leidenschaften verdorrt war, ersteht durch den himmlischen Tau....
Um den Wert unserer Seele zu erkennen, brauchen wir uns nur vor Augen zu halten, was Jesus Christus für sie getan hat. Wer von uns, meine Brüder, wird jemals verstehen können, wie sehr der gute Gott unsere Seele wertschätzt, da er alles getan hat, was einem Gott nur möglich war, ....
Diese starke Zeit des Kirchenjahres ist geprägt von der biblischen Botschaft, welche man in einem Wort zusammenfassen kann: „Bekehrt Euch“… Die suggestive Zeremonie des Aschenkreuzes bewegt unseren Geist hin zur ewigen Wirklichkeit, die niemals vergeht, hin zu Gott, der der Anfan....
Ich kann dein Licht nicht schauen: es leuchtet zu hell für mein Auge. Und doch – alles was ich sehe, kann ich dank deines Lichts deutlich erkennen, so wie unser gebrechliches Auge dank der Sonne alles sieht, auf was es schaut, ohne freilich die Sonne selbst anschauen zu können. ....
Gott ist überall und in allem, und ohne ihn können wir nicht existieren. Ich habe nie auch nur einen Augenblick lang an der Existenz Gottes gezweifelt, aber ich weiß, dass manche Menschen das tun. Wenn man nicht an Gott glaubt, kann man anderen helfen, indem man Werke der Liebe v....
Es gibt zwei Dinge, die Gott allein zustehen: die Würde, die Beichte entgegenzunehmen und dass man von ihm die Vergebung erwartet. Gott allein kommt es nämlich zu, Sünden zu vergeben; deshalb muss man sie auch nur ihm allein bekennen. Der Allmächtige und Allerhöchste aber nahm s....
Jesus brach das Brot. Hätte er das Brot nicht gebrochen, wie hätten dann die Krümlein bis auf uns kommen können? Aber er brach das Brot und verteilte es. „Er hat es verteilt und den Armen gegeben“ (Ps 111(112), 9 Vulg.). Aus Gnade hat er es gebrochen, um den Zorn des Vaters und s....
Wie wünschenswert wäre es doch, meine Brüder, wenn man von jedem von uns das sagen könnte, was das Evangelium über diesen Stummen sagt, den Jesus heilte, nämlich dass er richtig gut reden konnte. Ach, meine Brüder, könnte man uns nicht vielmehr das Gegenteil vorwerfen, dass wir f....
„Von dort zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück“ (Mt 15,21). Als das Wort Gottes Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14), ist es vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen (Joh 16,28). „Er war Gott gleich“, verließ das Land des Vaters, „en....
„Wer ist es, der mit mir streitet? Er soll vortreten!“ (Ijob 13,19 Vulg.). Ein Heiliger muss mit Gottes Beistand so gut auf sich achtgeben in seinen Handlungen, dass man äußerlich keinen Grund zur Anklage gegen ihn findet; und innerlich sei er in seinen Gedanken so wachsam und um....
Wir haben die zehn von Mose gegebenen Gebote… und alles, was die Lektüre der heiligen Bücher uns nahelegt. Darunter das, was uns Jesaja übermittelt hat: „Wascht euch, reinigt euch! Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterd....
O wahrer Gott und mein Herr! Für eine Seele, die in deiner Abwesenheit lebt und von Vereinsamung betroffen ist, für sie ist es ein großer Trost zu wissen, dass du überall bist. Aber wozu ist es gut, Herr, wenn die Macht der Liebe und die Heftigkeit dieses Schmerzes größer werden,....
Es ist schön zu lesen, was von der Schwiegermutter des heiligen Petrus im Evangelium berichtet wird. Die gute Frau, die an hohem Fieber erkrankt war, hörte, dass unser Herr in Kapharnaum war, dass er große Wunder tat, die Kranken heilte, aus den Besessenen die Dämonen austrieb un....
„Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Das Wort Erbarmen hat einen angenehmen Klang, liebe Brüder. Wenn das Wort schon angenehm ist, um wie viel mehr dann das, was es meint?... Wenn wir alle Barmherzigkeit wollen, dann lasst sie uns doch hier auf Erde....
Dem heiligen Bund der Patriarchen gemäß hast du am achten Tag die Beschneidung empfangen, um das unbeschnittene Herz des Menschen zu beschneiden durch deinen Geist. Du, der Gesetzgeber, bist dem Gesetz gemäß in den Tempel eingezogen, um dort dargebracht zu werden; dich, ....
Zur selben Zeit stieg ihre Zahl durch den Eintritt eines weiteren rechtschaffenen Mannes auf acht. Da rief der selige Franziskus alle zu sich, und nachdem er lange zu ihnen vom Reich Gottes, von der Verachtung der Welt, der Verleugnung des eigenen Willens und der Unterwerfung des....
Die Wahrheit, dass der Mensch durch die Arbeit am Wirken Gottes, seines Schöpfers, teilnimmt, hat besonders eindringlich Jesus Christus ins Licht gerückt – Jesus, über den viele seiner ersten Zuhörer in Nazaret staunten und sagten: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine We....
„Als Jesus in das Haus des Synagogenvorstehers kam und die Flötenspieler und die Menge der klagenden Leute sah, sagte er: Geht hinaus! Das Mädchen ist nicht gestorben, es schläft nur. Da lachten sie ihn aus.“ Jesus lehrt uns auf diese Weise, den Tod nicht zu fürchten; denn der To....
Die wahre und einzige Vollkommenheit besteht nicht darin, diese oder jene Art von Leben zu führen, sondern den Willen Gottes zu tun; sie besteht darin, sein Leben in der Weise zu führen, die Gott für uns will und wo er uns will, und es so zu führen, wie er selbst es geführt hätte....
„In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war.“ Dieser Geist konnte die Gegenwart des Herrn nicht ertragen; es handelte sich dabei um jenen unreinen Geist, der alle Menschen zum Götzendienst verführt hatte. […] „Was für ein Einklang herrscht zwischen ....
Hütet euch stets davor, eure Beschäftigungen in geistliche Unruhe oder Sorgen zu verwandeln! Und wenn euer Schiff auch auf hohen Wellen dahinsegelt und ihr in die Stürme zahlreicher Schwierigkeiten geratet, richtet euren Blick doch immer nach oben und sagt zu unserem Herrn: O Got....
Die ganze Kirche ist apostolisch in dem Sinn, dass sie durch die Nachfolger des hl. Petrus und der Apostel in Lebens- und Glaubensgemeinschaft mit ihrem Ursprung bleibt. Die ganze Kirche ist apostolisch auch in dem Sinn, dass sie in die ganze Welt „gesandt“ ist. Alle Glieder der ....
Zu Recht, geliebte Brüder, ist die Bekehrung des „Lehrers der Heiden“ (1 Tim 2,7) ein Fest, das alle Völker heute voll Freude feiern. Denn wahrhaft zahlreich sind die Schösslinge, die aus dieser Wurzel hervorgingen. Nach seiner eigenen Bekehrung wurde Paulus zum Werkzeug für die ....
„Hört! Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen“. Die Szene ist hochaktuell. Auch heute noch wirft der Sämann in vollem Schwung seine Saatkörner aus. Das Werk der Erlösung geht weiter, und der Herr will dabei unsere Mitwirkung. Er möchte, dass wir Christen seiner Liebe alle Wege der....
„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Dies ist das letzte Gebet unseres Meisters, unseres Geliebten … Möge es auch das unsere sein … Und möge es nicht nur das Gebet unseres letzten Augenblicks sein, sondern das Gebet all unserer Augenblicke: „Mein Vater, ic....
„Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben.“ Weil man sagte, er treibe die Dämonen mit Hilfe von Beelzebul, dem Anführer der Dämonen, aus, wollte Jesus mit diesem Wort zeigen, dass sein Reich unteilbar und ewig ist. In diesem Sinn antwortete er auch späte....
[Diese Gemeinschaften sollen offen sein für] Menschen in Jesus Christus sein, deren Beruf nur darin besteht, ausschließlich Gott zu gehören, für ihn verfügbar zu sein, um seinen Willen zu erfüllen und das Evangelium in Kirche und Welt zu leben. Menschen, deren Beruf es ist, al....
Als Jesus in diese Welt kam, liebte er sie so sehr, dass er sein Leben für sie gab. Er kam, um unseren Hunger nach Gott zu stillen. Und wie machte er das? Er verwandelte sich selbst in das Brot des Lebens. Er machte sich klein, zerbrechlich und wehrlos für uns. Die Brotkrumen sin....
Die seligen Apostel […] sahen als erste Christus am Kreuz hängen, beweinten seinen Tod und erstarrten geradezu angesichts des Wunders seiner Auferstehung. Bald aber – von Liebe ergriffen durch diese Offenbarung seiner Macht – zögerten sie nicht mehr, ihr Blut zu vergießen, um die....
Deshalb also kommt der körperlose, unverwesliche und immaterielle Logos Gottes in unsere Heimat, obschon er auch vorher uns nicht ferne stand. Denn kein Teil der Schöpfung ist von ihm leer gelassen; vielmehr hat er alles in allem erfüllt, indes er selbst bei seinem Vater blieb. A....
Wie – Gott ist immer am Werk? Arbeitet er etwa auch am Sabbat? Aber gewiss, denn andernfalls würde der Himmel vergehen, das Licht der Sonne würde verlöschen, die Erde hätte keinen Bestand mehr, die Früchte keinen Saft, das Leben der Menschen ginge zugrunde –, wenn die Kraft, die ....
Wenn ein Mensch sich aus dem äußeren Trubel in das Geheimnis seines Herzens zurückgezogen hat, wenn er seine Tür vor der lärmenden Menge der Eitelkeiten verschlossen und seine inneren Schätze prüfend umrundet hat, wenn er in seinem Inneren nichts Unruhiges oder Ungeordnetes mehr ....
„Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott“ (Jes 61,10). […] Die Ankunft, die Gegenwart des Herrn, von der der Prophet in diesem Vers spricht, ist der Kuss, den die Braut im Hohelied ersehnt, wenn sie sagt: „Mit Küssen seines Mundes ....
Andreas hatte das Wort des Mose verstanden: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören“ (Dtn 18,15). Jetzt hört er Johannes den Täufer ausrufen: „Seht, das Lamm Gottes“ (Joh 1,29). Sobal....
Selbst wenn ein ganzes Volk sündigt, wird die Liebe Gottes zu den Menschen nicht besiegt. Das Volk machte ein goldenes Kalb, doch Gott fiel nicht ab von seiner Menschenliebe. Die Menschen verleugneten Gott, doch Gott verleugnete nicht sich selbst. „Dieses sind deine Götter, Israe....
Können wir einen Menschen, der innerlich zu schwach ist für alles Gute, nicht emporheben wie den Gelähmten im Evangelium, und ihm das Dach der Schrift abdecken, um ihn dann hinabzulassen vor die Füße des Herrn? Ihr versteht wohl: Ein solcher Mensch ist ein geistlich Gelähmter.....
„Als Jesus von dem Berg herabstieg, folgten ihm viele Menschen. Da kam ein Aussätziger, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“ (Mt 8,1–2). Groß waren die Zurückhaltung und der Glaube dessen, der sich Jesus auf diese Weise nä....
Das höchste Gut ist das Gebet, der vertraute Umgang mit Gott. […] Das Gebet ist das Licht der Seele, verleiht wahre Gotteserkenntnis, schafft Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Durch das Gebet erhebt sich die Seele zum Himmel und umfängt Gott in unaussprechlicher Umarmung. Wi....
„Lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Die ganze Größe, Kraft und Weisheit des Wortes Gottes: Das ist es, was der Apostel mit diesen Worten denen zeigt, die Christus suchen, der das Wort, die Kraft und die Weisheit Got....
Der heutige Mensch ist unterwegs zur volleren Entwicklung seiner Persönlichkeit und zu einer immer tieferen Einsicht und Durchsetzung seiner Rechte. Da es aber der Kirche anvertraut ist, das Geheimnis Gottes, des letzten Zieles der Menschen, offenkundig zu machen, erschließt sie ....
Dieser Hl. Geist stieg bei der Taufe des Herrn herab, damit die Würde des Getauften nicht verborgen bleibe. Johannes sagt nämlich: „Doch der, welcher mich sandte, mit Wasser zu taufen, sprach zu mir: derjenige, von welchem du siehst, dass der Geist auf ihn herabsteigt und auf ihm....
Gott wollte nicht nur auf die Erde hinabsteigen, sondern auch gesehen werden; er wollte nicht nur geboren, sondern auch erkannt werden. Weil Gott also auf diese Weise sichtbar geworden ist, wird der heutige Tag festlich begangen; es ist der strahlende Tag der Erscheinung. Heute s....
Jesus, Du Freund des einsamen Herzens, Du bist meine Rast, Du bist mir Friede, Du bist meine ewige Rettung, Du bist die Beruhigung im Kampf und im Meer der Verzweiflung. Du bist der helle Strahl, der den Weg meines Lebens erhellt. Du bist alles für die einsame Seele. Du ....
Nachdem Andreas bei Jesus geblieben war und viel von ihm gelernt hatte, behielt er diesen Schatz nicht für sich: Er eilte zu seinem Bruder, um ihn teilhaben zu lassen an den Gütern, die er empfangen hatte. […] Bemerkenswert, wie gefügig und gehorsam Petrus von Anfang an war […], ....
Nun da das Wort Mensch geworden ist und die Schwächen des Fleisches sich zu eigen gemacht hat, so berühren diese den Leib nicht mehr wegen des in ihm befindlichen Wortes. Vielmehr sind sie von ihm aufgezehrt worden, und nunmehr bleiben die Menschen nicht mehr gemäß der ihnen eige....
Du, die Stimme des [göttlichen] Wortes, nimm nun unsere Stimmen an, o Täufer, und erlöse dein Volk von Leidenschaften, Gefährdungen, zahllosen Bedrängnissen und ewiger Strafe. Du, Seliger, zeigst stets mit dem Finger auf das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt: Fl....
Jeder sterbliche Atemzug ehrt deine Niederkunft, o Allreine, und die Schar der Engel feiert das unbegreifliche Geheimnis deiner Entbindung, wie du den Schöpfer des Universums in deinem Schoß empfangen und geboren hast: Wahrlich gewaltig, wundersam, außergewöhnlich und ganz verblü....
Was soll ich über dieses Geheimnis sagen? Ich sehe einen Arbeiter, eine Futterkrippe, ein Kind, Windeln, die Geburt aus einer Jungfrau, der es an allem Nötigsten fehlt, alle Anzeichen von Bedürftigkeit, die ganze Last der Armut. Habt ihr jemals bei solchem Mangel irgendetwas von ....
Wie aber kann das kleine menschliche Auge den Gott schauen, den die Welt nicht fassen kann? Doch die Macht der Liebe fragt nicht, was sein wird, was sein soll, was sein kann. Die Liebe kennt […] kein Maß. Die Liebe ist trostlos ob des Unmöglichen; von Schwierigkeiten lässt sie si....
Simeon wusste, dass uns niemand aus dem Gefängnis des Leibes mit der Hoffnung auf das zukünftige Leben herausführen kann, wenn nicht der, den er in seinen Armen hielt. Deshalb sagte er zu ihm: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden; denn solan....
Der heimtückische König Herodes schickt, da er sich von den Weisen getäuscht sah, seine Häscher nach Bethlehem und Umgebung mit dem Auftrag, alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren zu töten. […] Nichts aber hast du erreicht, du grausamer und anmaßender Barbar: Märtyrer kannst d....
Der Herr selbst ist gekommen, ein Lehrer der Liebe, erfüllt von Liebe. […] Denkt mit mir nach, Brüder, über das Wesen dieser beiden Gebote. Sie sollten euch wohlbekannt sein und nicht nur dann in den Sinn kommen, wenn wir sie in Erinnerung rufen, sondern nie aus unseren Herzen ve....
Wieder knien wir […] an der Krippe. […] Am nächsten beim neugeborenen Heiland sehen wir den hl. Stephanus. Was hat dem ersten Blutzeugen des Gekreuzigten diesen Ehrenplatz verschafft? Er hat in jugendlicher Begeisterung vollbracht, was der Herr bei seinem Eintritt in die Welt spr....
Ich muss mit Christus begraben werden, mit ihm auferstehen, mit ihm den Himmel erben und Kind Gottes werden. Das ist für uns das große Geheimnis, das ist für uns der menschgewordene Gott, der für uns arm geworden ist. Er ist gekommen, um das Fleisch aufzurichten, sein Ebenbild....
Herausragend unter den Heiligen ist Maria, die Mutter des Herrn, Spiegel aller Heiligkeit. Im Lukasevangelium sehen wir sie in einem Liebesdienst an ihrer Kusine Elisabeth, bei der sie „etwa drei Monate“ bleibt (1,56), um ihr in der Endphase ihrer Schwangerschaft beizustehen. „Ma....
Was für ein Wunder! Der Bote wird eher geboren als derjenige, der ihn ins Leben ruft. Johannes ist wohl die Stimme, aber Jesus ist der Logos, das Wort Gottes (vgl. Mt 3,3; Joh 1,1). […] Das Wort entsteht zuerst im Geist, dann regt es die Stimme an, es auszusprechen; die Stimme ge....
Während ihres irdischen Lebens hat sie [Maria] stets in größter Verborgenheit gelebt. Deshalb wird sie vom Heiligen Geist und von der Kirche genannt: Alma Mater, „verborgene, stille Mutter“. Ihre Demut war so tief, dass sie auf Erden kein innigeres und beharrlicheres Verlangen ha....
Es ist unmöglich, allein zu glauben. Der Glaube ist nicht bloß eine individuelle Option, die im Innersten des Glaubenden geschieht, er ist keine isolierte Beziehung zwischen dem „Ich“ des Gläubigen und dem göttlichen „Du“, zwischen dem autonomen Subjekt und Gott. Der Glaube öffne....
Gott, nach dem Sündenfall hast Du den Menschen nicht vernichtet, vielmehr hast Du ihm in Deiner göttlichen Barmherzigkeit verziehen und ihm alle Gnade geschenkt. Durch Deine Barmherzigkeit bist Du zu uns herabgestiegen, um uns aus unserer Not zu erheben. Gott steigt herab zur....
Die Mutter Johannes des Täufers ist eine alte, unfruchtbare Frau, die Mutter Christi ein junges Mädchen im Glanz ihrer Jugend. Johannes ist die Frucht der Unfruchtbarkeit, Christus die Frucht der Jungfräulichkeit. […] Der eine wird durch die Botschaft eines Engels angekündigt; au....
„Da erschien ein Engel des Herrn dem Josef im Traum“ (vgl. Mt 2,19). Lasst uns hoffen und wiederum hoffen … Du lässt uns nicht in der Dunkelheit, wenn wir das Licht brauchen … Wir mögen uns im Dunkeln befinden, wir mögen lange und manchmal schmerzhaft darin bleiben, aber dann die....
O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten – die Welt umspannst du von einem Ende zum andern, in Kraft und Milde ordnest du alles: o komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht! O Adonai, Herr und Führer des Hauses Israel – im flammenden Dornbusch bist ....
Was stellt Fasten anderes dar als Wesen und Abbild des Himmels? Fasten ist die Stärkung der Seele und die Nahrung des Geistes. Fasten ist das Leben der Engel, der Tod der Sünde, die Vernichtung der Fehler, die Arznei zum Heil, die Wurzel der Gnade und das Fundament der Keuschheit....
O mein Gott Der Blick in die Zukunft erfüllt mich mit Bangen. Doch weshalb soll ich mich in die Zukunft vertiefen? Mir ist nur die gegenwärtige Weile teuer, da Zukunft in mein Herz kaum noch einkehren wird. Die Zeit, die verstrich, ist nicht in meiner Macht, um zu änder....
Wer dem Herrn näherkommen und des ewigen Lebens würdig sein will, wer Christi Wohnstatt werden und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden will, um die Früchte dieses Geistes zu bringen […], muss zunächst fest an den Herrn glauben und sich dann vorbehaltlos seinen Geboten unterstel....
Will und wünscht sich jemand, dass es ihm gut geht? Dann soll er sich vom Hochmut fernhalten und durch rückhaltlosen Gehorsam die höchste Demut zurückgewinnen: Jubel und Freude werden über seinem Haupt sein (vgl. Jes 35,10). In der Tat, was wird nicht alles aus dieser guten Wurze....
„Seht her, der Herr [sein Name] kommt aus der Ferne“, sagt der Prophet (Jes 30,27). Wer könnte das bezweifeln? Es musste am Anfang etwas Großes geschehen, damit die Majestät Gottes aus solcher Ferne in eine so unwürdige Wohnstätte hinabstieg. Ja, es war in der Tat etwas Großes: s....
„Du wirst mich rufen und ich werde dir antworten“ (vgl. Ijob 14,15 Vulg.). […] Mit Recht fügt Ijob hinzu: „Nach dem Werk deiner Hände wirst du deine rechte Hand ausstrecken.“ […] Das menschliche Geschöpf trägt nämlich, eben weil es Geschöpf ist, die Möglichkeit in sich, unter sic....
Vor dem Morgengrauen komme ich zu dir, der du dich in deinem Mitleid unbeirrbar selbst entäußert hast, zugunsten des gefallenen Menschen, und der du dich unerschütterlich bis zur Passion hinabgebeugt hast, o Wort Gottes: Gewähre mir Frieden, Freund des Menschen. Du bist, o Sel....
Christus war voller Eifer für sein Werk und wollte Arbeiter aussenden […]; er sandte also Schnitter aus. „Denn hier hat das Sprichwort recht: Einer sät, und ein anderer erntet. Ich habe euch gesandt, zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr ern....
Am Tag der unbefleckten Empfängnis der Heiligen Jungfrau habe ich beschlossen, mich Gott, der immer in mir ist und in dem ich bin und lebe, so vollkommen zu überlassen, dass ich mich überhaupt nicht mehr mit meinem Verhalten beschäftige, weder äußerlich noch innerlich. Ich ruhe s....
Lasst uns fest am Bollwerk stehen; stützen wir uns mit all unserer Kraft auf den unerschütterlichen Felsen, der Christus ist, gemäß dem Schriftwort: „Er stellte meine Füße auf den Fels, machte fest meine Schritte“ (Ps 40(39),3). So gefestigt und gestärkt, wollen wir in die Betrac....
Da die Eucharistie die Gedächtnisfeier des Pascha des Herrn ist und wir „durch unsere Teilnahme am Altar … mit aller Gnade und allem Segen des Himmels“ erfüllt werden (MR, Römisches Hochgebet 96), ist die Eucharistie auch die Vorwegnahme der himmlischen Herrlichkeit. Beim Letzten....
Der Himmel, die Luft, die Erde und das Meer sind mit Herrlichkeit bekleidet, und der ganze Kosmos verdankt seinen Namen seiner großartigen Harmonie. Wir schätzen diese Schönheit der Dinge natürlich instinktiv, aber die Worte, die dies ausdrücken sind stets geringer als das, was u....
Das Himmelreich ist weit durch die Weite einer grenzenlosen Liebe. Auch wenn es Menschen „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9) umfasst, so fühlt sich doch niemand darin eingeengt; im Gegenteil, es dehnt sich aus in dem Maß, wie die Herrlichke....
Meine Brüder, zögern wir nicht, uns zu Gott zu bekehren. […] Wenn Gott euch heute seine Gnade anbietet, warum nutzt ihr sie nicht? Sagt ihr aber, es eile ja nicht und ihr hättet ja noch Zeit, argumentiert ihr da nicht wie Narren? Bedenkt, wozu ihr fähig seid, wenn ihr krank s....
Um euch, meine Brüder, die Macht des Gebets zu zeigen und die Gnaden, die es euch vom Himmel herabzieht, sage ich euch, dass alle Gerechten nur durch das Gebet die Freude hatten, durchzuhalten. Das Gebet ist für unsere Seele das, was der Regen für die Erde ist. Ihr könnt ein L....
„In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Selig, wer durch ihn lebt, durch ihn bewegt wird und in wem er das Leben ist. Ihr werdet mich fragen, woher ich wissen konnte, dass er anwesend ist, da doch die Spuren seines Kommens nicht wahrnehmbar sind. Weil das Ew....
Die erste Eigenschaft, die bei Andreas [dem Bruder des Simon Petrus] auffällt, ist der Name: Es ist kein hebräischer Name, wie man es sich eigentlich erwarten würde, sondern ein griechischer Name; das ist ein nicht unbedeutendes Zeichen einer gewissen kulturellen Aufgeschlossenhe....
Möchtest du so leben, dass du niemals in die Irre gehst? Wer wollte das nicht? […] Wir alle wollen Leben und Wahrheit. Aber wie kommen wir dahin? Welchem Weg sollen wir folgen? Gewiss, wir sind noch nicht am Ziel der Reise, aber wir sehen es schon […], wir atmen schon das Leben u....
Ein Verständnis für diesen eucharistischen Charakter des Gebetes war schon dem Alten Bunde erschlossen: das Wundergebilde des Bundeszeltes, und später des Salomonischen Tempels, wie er nach göttlichen Weisungen errichtet war, wurde als Abbild der ganzen Schöpfung betrachtet, die ....
Wie göttlich gut bist du, mein Gott. Hättest du zuerst die Reichen gerufen, dann hätten es die Armen nicht gewagt, sich dir zu nähern; sie hätten geglaubt, ihrer Armut wegen abseits stehenbleiben zu müssen; sie hätten aus der Ferne zu dir hingeschaut und es den Reichen überlassen....
Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. Darum muss dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als eines gegründet ....
In seiner Antwort an die Sadduzäer, die die Auferstehung leugneten und auf diese Weise Gott verachteten und das Gesetz verhöhnten, verkündete unser Herr und Meister die Auferstehung und offenbarte ihnen Gott. Er sagte zu ihnen: „Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in ....
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken. Zu deiner Ehre wurde dieses Haus errichtet, in dem du deine pilgernde Kirche versammelst, um ihr darin ein Bild deiner Gegenwart zu zeigen und ihr d....
Zweierlei Liebe also hat die beiden Staaten gegründet, und zwar den Weltstaat die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe, den himmlischen Staat die bis zur Verachtung seiner selbst gehende Gottesliebe. Kurz gesagt: der eine rühmt sich in sich selbst, der andere im Herr....
Des Vaters Wort, der eingeborene Sohn Gottes, die Sonne der Gerechtigkeit (Mal 3,2), ist der große Händler, der uns den Preis unserer Erlösung gebracht hat. Es ist ein überaus kostbarer Handel, den man nicht hoch genug einschätzen kann, bei dem ein König, nämlich der Sohn des höc....
Höre, o Seele, wie groß deine Würde ist. So groß ist deine Einfachheit, dass nichts die Wohnung deines Geistes bewohnen, nichts darin verweilen kann, außer der Reinheit und Einfachheit der ewigen Dreifaltigkeit. Höre die Worte deines Bräutigams: „Mein Vater und ich werden zu ihr ....
Wir wollen auf die Blinden hören, die besser waren als viele Sehende. Waren sie auch führerlos, konnten sie den Herrn auch nicht sehen, wenn er vor ihnen stand, so bemühten sie sich doch, zu ihm zu kommen. Deshalb riefen sie mit lauter Stimme und schrien umso lauter, je mehr man ....
Da der ewige Hohepriester Christus Jesus auch durch die Laien sein Zeugnis und seinen Dienst fortsetzen will, macht er sie durch seinen Geist lebendig und treibt sie unaufhörlich an zu jedem guten und vollkommenen Werk. Denen nämlich, die er mit seinem Leben und seiner Sendung....
„Arme und Gebeugte sollen deinen Namen rühmen, Herr“ (vgl. Ps 74(73),21). Denn welche Armut wäre größer oder heiliger als die eines Menschen, der weiß, dass er mittellos und ohne jegliche Kraft ist, und der von der Großzügigkeit anderer die Hilfe erbittet, die er täglich braucht;....
Jener herrliche König, der von Engeln umgeben ist und wie der Vater auf dem Thron sitzt, wird seine Diener nicht verachten. Damit die Auserwählten nicht mit den Feinden vermengt werden, „wird er seine Engel unter dem lauten Schalle der Posaune aussenden, und sie werden seine Ause....
Der wahre Christus, der eingeborene Sohn Gottes, wird nicht mehr von der Erde kommen. Wenn einer in der Wüste auftritt, um Gaukelspiele zu zeigen, dann gehe nicht hinaus! „Wenn man sagt: ,Sieh, hier ist Christus; sieh, dort ist er!‘ dann glaube es nicht!“ (Mt 24,23). Schaue nicht....
Liebste Brüder und Herren der Erde in Christus, dem sanftmütigen Jesus, ich, Katharina, Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe euch in seinem kostbaren Blut mit dem Wunsch, dass ihr für alle Wohltaten, die ihr von Gott empfangen habt, dankbar seid, damit sie die Quelle der göt....
Du bist ein unnützer Sklave: Du sollst mit all deinen Kräften, mit aller Sorgfalt und allem erdenklichen Eifer nicht nur das tun, was er gebietet, sondern auch alles was er dir rät, wie geringfügig es auch sein mag, alles was er dir nahelegt, wie wenig es auch in deinen Augen zu ....
„Jetzt aber hat mich mein Schmerz ganz niedergedrückt, alle meine Glieder sind zu nichts geworden“ (Ijob 16,8 Vulg.). Die heilige Kirche wird von ihrem Schmerz niedergedrückt, wenn sie verdorbene Menschen in ihrer Bosheit aufsteigen sieht. Und da das Aufsteigen der Verdorbenen au....
O unwandelbar beständige Liebe, kühn und unüberwindlich, deine Klugheit soll mich lehren, mit unbesiegbarer Standhaftigkeit Jesus zu lieben und ihm mit unbesiegter Beharrlichkeit zu dienen. Und da du mich aufweckst, mich in Bewegung bringst, will ich immer bereit sein, falls mein....
Seine Hoffnung und sein Vertrauen auf vergängliche Dinge setzen zu wollen, das ist, als wolle man Fundamente in fließendes Wasser legen. Alles geht vorüber; Gott allein bleibt. Wer sich am Vergänglichen festmacht, der löst sich vom Bleibenden. Wer kann denn, wenn er von den Wirbe....
Bedenke, Mensch, wer dich mit seinen Gaben überhäuft hat. Gehe in dich. Erinnere dich daran, wer du bist, welchen Auftrag du zu erfüllen hast, wer ihn dir gegeben hat, aus welchem Grunde du vielen anderen vorgezogen wurdest. Du bist Diener des gütigen Gottes; du trägst Verantwort....
Mein Herr Jesus, du bist bei uns „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), nicht nur in der heiligen Eucharistie, sondern auch durch deine Gnade … Deine Gnade ist in der Kirche, sie ist und lebt in jeder gläubigen Seele … Die Kirche ist deine Braut, die gläubige Seele ist auc....
Ich stieg gerne (mit jungen Leuten) auf einen der Türme der Kathedrale von Burgos und ließ sie den Dachfirst aus der Nähe betrachten, ein wahres Spitzengewebe aus Stein, das Ergebnis geduldiger und kostspieliger Arbeit. Im Lauf dieser Gespräche wies ich darauf hin, dass man diese....
Wenn du also […] irgendwelche Tugenden besitzt oder gute Werke getan hast, ja, weil du solche Tugenden hast: fahre fort damit, mach Fortschritte darin, kämpfe darin bis zum Tode beherzt den Kampf Christi, damit dir, wenn der letzte Tag, das Ende deines Lebens, gekommen ist, als P....
Der Menschen hat nichts so sehr mit Gott gemeinsam wie seine Fähigkeit, Gutes zu tun. Und selbst wenn wir dazu nur in ganz beschränktem Maß fähig sind, sollten wir zumindest alles tun, was wir können. Gott hat den Menschen erschaffen und ihn nach seinem Fall wieder aufgerichtet. ....
„Des Todes Erstgeborener möge die Schönheit seiner Haut verschlingen und seine Arme fressen“ (vgl. Ijob 18,13 Vulg.). Die Schönheit der Haut bezeichnet den zeitlichen Ruhm, der äußerlich begehrt wird und sich wie ein glänzender Schein auf die Haut legt. Was das Wort von den Armen....
Gott hat nach seinem ursprünglichen Plan alle Güter in Fülle geschaffen und das Bauwerk der Tugenden so eingerichtet, dass keine Lücke darin zu finden ist. Er kämpft bis zum Ende gegen seine Feinde, deren Herz voll Hochmut ist; die versuchen, hinaufzusteigen, bevor sie eine Leite....
Indem der „Sabbat“, der von Gott gesegnete und für heilig erklärte siebte Tag, das gesamte Schöpfungswerk einschließt, steht er in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Werk des sechsten Tages, an dem Gott den Menschen „als sein Abbild“ schuf (vgl. Gen 1,26). Dieser unmittelbarste Z....
„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Ijob 19,25 Vulg.). Ijob sagt nicht Schöpfer, sondern Erlöser: Er weist eindeutig auf den hin, der, nachdem er alles erschaffen hatte, uns aus unserer Gefangenschaft erlösen wollte, der in der Menschwerdung unter uns erschienen ist und uns durch....
Denn wie die christliche Gemeinschaft unter den Erdenpilgern uns näher zu Christus bringt, so verbindet auch die Gemeinschaft mit den Heiligen uns mit Christus, von dem als Quelle und Haupt jegliche Gnade und das Leben des Gottesvolkes selbst ausgehen. […] Auf vornehmste Weise wi....
Der Herr erzählt dann das Gleichnis vom Sauerteig. „Wie der Sauerteig seine unsichtbare Kraft an die ganze Teigmasse weitergibt, so wird die Kraft des Evangeliums durch den Dienst meiner Apostel die ganze Welt verwandeln […] Sagt mir nicht: ‚Was können wir tun, wir zwölf elenden ....
Es gab eine Zeit, da ich nicht war, und du hast mich erschaffen. Ich hatte nicht darum gebeten, und du hast mich gemacht. Ich war noch nicht ans Licht gekommen, da hast du mich gesehen. Ich war noch nicht auf der Welt, da hast du dich meiner erbarmt. Ich hatte nicht nach dir ....
Was ist mit dem „Gesetz des Herrn“ gemeint? Der 118. [119.] Psalm […] ist ganz erfüllt vom Verlangen, das Gesetz zu erkennen und sich von ihm durchs Leben leiten zu lassen. Der Psalmist mag wohl dabei an das Gesetz des Alten Bundes gedacht haben. Seine Kenntnis verlangte ja tatsä....
Unser Herr Jesus hat Hirten und Lehrer für die ganze Welt eingesetzt und „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1). Er hat ihnen aufgetragen, wie Fackeln zu leuchten und zu erleuchten, nicht nur im Land der Juden […], sondern überall unter der Sonne, also den Menschen auf d....
Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihr....
Der Friede besteht nicht darin, dass kein Krieg ist; er lässt sich auch nicht bloß durch das Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte sichern; er entspringt ferner nicht dem Machtgebot eines Starken; er heißt vielmehr mit Recht und eigentlich ein „Werk der Gerechtigkeit“ (Jes 32,17....
Um die Rolle der Diener, die Jesus an die Spitze seines Volkes gestellt hat, zu verdeutlichen, spricht der Herr folgende Worte, die im Evangelium überliefert sind (vgl. Mt 24,45–46): „Wer ist nun der treue und kluge Verwalter, den der Herr einsetzen wird, damit er seinem Gesinde ....
Ihr seht, meine Töchter, welche Treue ihr Gott schuldet. Die Ausübung eurer Berufung besteht darin, dass ihr euch oft der Gegenwart Gottes erinnert. Um euch dies zu erleichtern, nutzt die Signale, die das Schlagen der Uhr euch gibt, um dann einen Akt der Anbetung zu vollziehen. E....
Wer sich am Sonntag abrackert, weil er denkt, dadurch mehr Geld zu verdienen oder noch produktiver zu sein, der liegt falsch! Können zwei oder drei Francs jemals den Schaden ersetzen, den er sich selbst zufügt, wenn er das Gebot des lieben Gottes bricht? Ihr glaubt, dass alles vo....
Wie dem Denar das Bild des Kaisers, so ist unserer Seele das Bild der heiligsten Dreifaltigkeit eingeprägt, wie es im Psalm heißt: „Das Licht deines Angesichtes, Herr, ist uns eingeprägt“ (vgl. Ps 4,7 Vulg.). […] Herr, das Licht deines Angesichtes, das heißt das Licht deiner Gnad....
Es wurden junge Katechumenen ergriffen; Revokatus und seine Mitsklavin Felizitas, Saturninus und Sekundulus, unter ihnen auch Vibia Perpetua von vornehmer Geburt, fein erzogen und ehrbar verehelicht. Sie hatte einen Vater, eine Mutter, zwei Brüder von denen einer ebenfalls Katech....
Unser liebreichster Erlöser versichert uns an verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift, dass er sich um uns sorgt und ohne Unterlass über uns wacht, dass er uns trägt und uns immer tragen wird: in seinem Schoß, in seinem Herzen, in seinem Innersten. Und er begnügt sich nicht da....
Es hatte den Anschein, als ehrten Kain und Abel Gott auf gleiche Weise. In Wirklichkeit jedoch brachten sie ihre Opfergaben mit ganz unterschiedlichen inneren Einstellungen dar. Die Opfergabe des Älteren war nur scheinbar eine solche, die des Jüngeren hingegen war Ausdruck seiner....
Dieser Lukas war unzertrennlich von Paulus und dessen Mitarbeiter im Evangelium, wie er selbst in aller Bescheidenheit kundtut. Nachdem sich nämlich Barnabas und Johannes, mit Beinamen Markus, von Paulus getrennt und nach Cypern eingeschifft hatten, „kamen wir nach Troas“ (vgl. A....
Wenn die Welt, die Gott sucht, wüsste! Wenn die Gelehrten, die Gott in intellektueller Erkenntnis und vergeblichen Diskussionen suchen, wüssten! Wenn die Menschen wüssten, wo Gott zu finden ist! Wie viele Kriege würden verhindert, wie viel Frieden gäbe es auf der Welt, wie viele ....
Langmütig also war Gott, als der Mensch fehlte, und sah jenen Sieg voraus, den das Wort für ihn davontragen würde. Denn da die Kraft in der Schwachheit vollendet wurde (vgl. 2 Kor 12,9), zeigte es die Güte Gottes und seine allgewaltige Kraft. Wie er nämlich geduldig hinnahm, ....
Wenn du also […] irgendwelche Tugenden besitzt oder gute Werke getan hast, ja, weil du solche Tugenden hast: fahre fort damit, mach Fortschritte darin, kämpfe darin bis zum Tode beherzt den Kampf Christi, damit dir, wenn der letzte Tag, das Ende deines Lebens, gekommen ist, als P....
Jesus sprach zur Menge. Einige, die ihn nicht verstanden, diskutierten miteinander, und eine Frau rief: „Selig, die deine Mutter war und dich geboren hat“. Eine Frau, die das ruft – großartig so etwas! Das Volk, wenn es authentisch ist, hat Tiefgang! In diesem Moment wird Jesus s....
Es liegt am Licht der wahren Erkenntnis, wenn man ohne Irrtum das Gute vom Bösen unterscheiden kann. […] Wer im [geistlichen] Kampf steht, muss sein Denken in beständiger Ruhe bewahren. So nämlich kann der Geist die Anregungen, die ihn durchziehen, unterscheiden, und er wird die ....
„Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!“ Dem geistlichem Verständnis nach ist mit diesem Freund Christus gem....
Der Apostel beweist, dass wir Kinder Gottes sind, durch die Tatsache, dass wir den Heiligen Geist in uns haben (vgl. Gal 4,6). Niemals, so sagt er, würden wir es wagen zu sprechen: „Vater unser im Himmel …“, ohne das Bewusstsein, dass der Heilige Geist in uns wohnt und mit der ma....
Ja, meine Brüder, wenn wir den lieben Gott wirklich lieben würden, dann wäre es uns eine Freude und ein Glück, etwas Zeit damit zu verbringen, ihn anzubeten, ihn um Gnade und Vergebung zu bitten: Wir würden diese Momente als die schönsten unseres Lebens ansehen. Ach, wie süß und ....
Ich habe mich entfernt, o Menschenfreund, ich weilte in der Wüste, ich verbarg mich vor dir, mein guter Meister, versunken in der Nacht weltlicher Sorgen, wo ich so manchen Biss und manche Wunde erlitt, von dort steige ich wieder auf mit verwundeter Seele, und ich schreie ....
Gott schuf den Menschen. Er formte seinen Leib aus der Materie, die er geschaffen hatte, und belebte ihn mit seinem eigenen Atem, was die Schrift mit „lebendes Wesen“ und „Abbild Gottes“ umschreibt. […] Er wies dem Menschen seinen Platz auf der Erde zu, damit er über die sichtbar....
„Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse! Sie verwüsten die Weinberge, unsre blühenden Reben“ (Hld 2,15). Können wir die Tiefe dieses Gedankens recht durchdringen? Welches Wunder göttlicher Größe ist darin enthalten, welche Überlegenheit der Macht Gottes wird uns in diesem Text ....
„Er vermehrt die Völker und tilgt sie aus; und er stellt sie wieder her, nachdem er sie dahingerafft hat“ (vgl. Ijob 12,23 Vulg.). Sicherlich kann man das so verstehen, dass der Herr die Völker vermehrt und sie austilgt, insofern jeden Tag Menschen geboren werden, die zum Sterben....
Der Heiland hat einen Teil des hohenpriesterlichen Gebetes, das er selbst bei seinem Opfer gebetet hat, seiner Braut zur Vollendung im Laufe der Zeiten hinterlassen. Wenn auch sein Gebet von unendlicher Wirksamkeit ist, so will er doch, dass wir unser Gebet mit dem seinigen verei....
Du Aufheiterung meines Geistes, du Lob meines Herzens und meines Mundes, mein Jesus, dir werde ich folgen, wohin immer du gehst. Weil du mein Herz dir erworben und als dein Eigentum in Besitz genommen hast, so kannst du mir in Ewigkeit nicht mehr weggenommen werden. […] „Das s....
Wenn jemand für würdig befunden wurde, die Liebe Gottes zu kosten, vergisst er ihrer Süße wegen gewöhnlich alles andere. Denn sobald er diese Liebe einmal gekostet hat, erscheinen ihm alle sichtbaren Dinge uninteressant. Seine Seele nähert sich fröhlich der schönen Menschenliebe,....
Von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt ist das Leben des fleischgewordenen Wortes von der Anbetung und dem Dienst der Engel umgeben. […] Ihr Lobgesang bei der Geburt Christi – „Ehre sei Gott …“ (Lk 2,14) – klingt im Lobpreis der Kirche weiter. Sie beschützen Jesus im Kindesalt....
Die Türen stehen jedem Menschen offen, der sich aufrichtig und von ganzem Herzen Gott zuwendet; und der Vater nimmt ein Kind, das wirklich bereut, mit Freude auf. Welches ist das Zeichen wahrer Reue? Nicht mehr in alte Verfehlungen zurückzufallen und die Sünden, die dich in Todes....
„Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Mt 23,12). […] Ahmen wir den Herrn nach, der vom Himmel bis in die tiefste Erniedrigung herabstieg, und im Gegenzug vom letzten Platz zu einer Höhe erhoben wurde, die seiner würdig war.....
Dass die Engel existieren, bezeugen viele Seiten der Heiligen Schrift […] Man muss wissen, dass das Wort „Engel“ eine Bezeichnung für dessen Aufgabe, nicht für dessen Natur ist. Die seligen Geister in der Heimat des Himmels sind immer Geister, aber sie können nicht immer „Engel“ ....
Was Wunder auch, wenn der Herr in dieser Welt nur dann erscheint, wenn er will? Selbst bei der Auferstehung ist ein Gottschauen nur denen möglich, die reinen Herzens sind: darum „selig, die reinen Herzens sind; denn sie nur werden Gott schauen“ (vgl. Mt 5,8). Wie viele hatte der ....
Wie lautet der „Klang des Lobes“, den man hören lassen soll? Doch sicher so: „Er hat meiner Seele Leben gegeben“ (vgl. Ps 65(66),8–9 Vulg.). Denn er hat der Predigt der Apostel und dem Bekenntnis der Märtyrer Festigkeit und Ausdauer im Bekenntnis des Glaubens verliehen, und die K....
Er, die Frucht einer einzigen, heiligen Jungfrau, ist der Ruhm und die Ehre aller anderen heiligen Jungfrauen; denn sie selbst sind, wie Maria, Mütter Christi, wenn sie den Willen seines Vaters tun. Die Ehre und das Glück Mariens, die Mutter Jesu Christi zu sein, leuchten vor all....
„Niemand zündet ein Licht an und deckt es mit einem Gefäß zu“. Mit diesen Worten fordert Jesus seine Jünger auf, ein untadeliges Leben zu führen, und rät ihnen, ständig über sich selbst zu wachen, da sie, wie Wettkämpfer in der Arena, zum Schauspiel für die ganze Welt geworden se....
Diese Menschen waren bereit zu arbeiten, aber „niemand hatte sie angeworben“ (vgl. Mt 20,7); sie waren fleißig, aber untätig, aus Mangel an Arbeit und einem Arbeitgeber. Dann kam jemand und warb sie an, ein Wort setzte sie in Bewegung, und in ihrem Eifer vergaßen sie, vorher den ....
Und wenn der Same verdorrt, so geschieht dies nicht wegen der Hitze; und wenn die Worte ersticken, so sind nicht die Dornen daran schuld, sondern diejenigen, welche die Dornen wachsen lassen. Wenn du nur willst, so kannst du ja dieses verderbliche Gewächs hindern und den Reichtum....
In der Geschichte der Kirche gab es seit den frühesten Zeiten – neben den Männern – zahlreiche Frauen, in denen die Antwort der Braut auf die erlösende Liebe des Bräutigams ihre volle Ausdruckskraft erlangte. Als erste sehen wir jene Frauen, die Christus persönlich begegnet und i....
Weshalb hat Jesus Matthäus nicht zugleich mit Petrus und Johannes und den übrigen Aposteln berufen? Weil die Berufung der Apostel immer erst dann erfolgte, wenn der Herr wusste, sie würden seinem Ruf auch wirklich Folge leisten. So rief er auch Matthäus erst dann, als er ihn bere....
„Ich werde auch nicht einen Weisen unter euch finden“ (vgl. Ijob 17,10 Vulg). Warum sollte man denn einerseits zur Weisheit aufrufen und andererseits wünschen, keinen (unter Ijobs Freunden) als weise zu befinden, wenn nicht deshalb, weil Menschen, die von der Selbstherrlichkeit i....
Im Evangelium begegnen uns drei Tote, die vom Herrn sichtbar zum Leben auferweckt wurden, Tausende jedoch unsichtbar. […] Die Tochter des Synagogenvorstehers (vgl. Mk 5,22f.), der Sohn der Witwe von Naïm (vgl. Lk 7,11–15) und Lazarus (vgl. Joh 11) […] stellen symbolisch drei Arte....
„Herr, mein Diener liegt gelähmt zu Hause und hat große Schmerzen. Auch wenn er ein Sklave ist, so ist doch der, den dieses Übel heimsucht, ein Mensch. Schau nicht auf die Niedrigkeit des Sklaven, sondern vielmehr auf die Größe des Übels“; so in etwa sprach der heidnische Hauptma....
Die Kirche muss es daher in jedem geschichtlichen Zeitalter, aber besonders in unserem als eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachten, das Geheimnis des Erbarmens, das uns in Christus aufstrahlt, zu verkünden und ins Leben hineinzutragen. Dieses Geheimnis ist nicht nur für die Ki....
Brüder, der heilige Apostel Jakobus wendet sich an eifrige Hörer des Wortes Gottes, wenn er spricht: „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst“ (Jak 1,22). Nicht den Urheber des Wortes würdet ihr täuschen, nicht den, der es euch verkündigt....
Es gibt zwei Arten von Martyrium: das offenkundige und das geheime; das sichtbare und das verborgene; das eine im Fleisch, das andere im Herzen. […] Das Martyrium des Herzens übertrifft die Qualen des Fleisches. So hat auch die glorreiche Jungfrau in dieser Art von Leiden triu....
Er ist für unsere Sünden wahrhaft gekreuzigt worden. Willst du es leugnen, so belehrt dich der Ort, den du siehst, dieser hl. Golgatha, auf dem wir jetzt um dessentwillen versammelt sind, der auf ihm gekreuzigt worden war. Mit dem Kreuzesholze ist nunmehr fast der ganze Erdkreis ....
Weh denen, die ihren Reichtum horten! Weh denen, die ihre Ehre von den Menschen empfangen wollen! Weh denen, die sich bei den Reichen einschleichen, anstatt Ehre und Reichtum von Gott zu ersehnen, danach zu verlangen, mit ihm vereint zu sein und nichts anderes, denn nichtig ....
Das Gebet Christi in Getsemani ist die Begegnung des menschlichen Willens Jesu Christi mit dem ewigen göttlichen Willen. […] Der Sohn wurde Mensch, damit diese Begegnung seines menschlichen Willens mit dem Willen des Vaters stattfinden konnte. Er wurde Mensch, damit diese Begegnu....
Jesus: „Erinnert euch an den Mut, mit dem ich sogar inmitten meiner Feinde, während sie meinen Tod planten, die Lehre der Wahrheit mit lauter Stimme ihnen ins Gesicht verkündete, und zwar genau diese Wahrheiten, von denen ich wusste, dass sie ihnen am meisten verhasst und unerträ....
Richtet euer ganzes Verhalten nach dem Verhalten Gottes aus: Achtet einander und betrachtet euren Nächsten nicht mit den Augen des Fleisches, sondern bewahrt untereinander beständige Nächstenliebe in Christus Jesus. Duldet unter euch keinerlei Spaltung, vielmehr soll eure Einh....
Das dritte Gebot des Dekalogs betont die Heiligkeit des Sabbat. „Der siebte Tag ist Sabbat, Ruhetag, heilig für den Herrn“ (Ex 31,15). Die Heilige Schrift gedenkt in diesem Zusammenhang der Schöpfungstat: „In sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, wa....
„Der Name der Jungfrau“, sagt der Evangelist, „war Maria“ (Lk 1,27). […] Er heißt übersetzt: Stern des Meeres und eignet sich sehr wohl für die Jungfrau-Mutter. Sehr zutreffend nämlich ist sie einem Stern vergleichbar. Wie der Stern ohne Einbuße seiner selbst seinen Strahl aussen....
„Fahr hinaus [wo der See tief ist]“, das heißt in die offene See der Auseinandersetzungen. Gibt es eine Tiefe, die vergleichbar ist mit der „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ (vgl. Röm 11,33), der Verkündigung seiner göttlichen Sohnschaft? […....
Können wir nicht mit Fug und Recht sagen, dass die Wüste der grenzenlose Tempel Gottes ist? Denn wer in der Stille wohnt, der muss sich doch gewiss an abgelegenen Orten erfreuen. Dort hat sich Gott oft seinen Heiligen offenbart; im Schutze der Einsamkeit hat er sich herabgelassen....
Die Taufe, dieses Bad der Heiligkeit, wäscht zwar den Schmutz unserer Sünde ab, hebt aber die Zwiespältigkeit unseres Wollens nicht auf und hindert die bösen Geister nicht daran, gegen uns anzukämpfen und uns weiterhin zu täuschen. […] Die Gnade Gottes aber hat ihren Sitz in der ....
Unser Retter ist in seiner Menschwerdung wirklich Christus oder Messias geworden und bleibt auf ewig wahrer König und wahrer Priester. Er selbst ist sowohl das eine als auch das andere, denn der Erlöser darf in keiner Weise geschmälert werden. Hört, wie er sagt, dass er zum König....
Heiligster und seligster Vater in Christus, dem sanftmütigen Jesus, Euer unwürdiges und armseliges Töchterlein Katharina ermutigt Euch im kostbaren Blut Jesu mit dem Wunsch, Euch ohne jede sklavische Furcht zu sehen. Denn wer furchtsam ist, der verliert alle Kraft heiliger Vorsät....
Was kann das Geschöpf ohne seinen Schöpfer wissen? Darüber, was es an Erkenntnis empfangen hat, wird es Rechenschaft ablegen müssen, und zwar über sein Tun und Lassen, nach Gerechtigkeit und Recht. Ob Hacke, Sense, Sichel oder Säge, Axt, Stock, Lanze, Dolch, Bogen, Speer oder son....
Niemand soll sich dessen, was er tut, rühmen, da wir dem Herrn unseren Dienst in schlichter Gerechtigkeit schulden […] Wir müssen, so lange wir leben, stets für unseren Herrn arbeiten. Erkenne also an, dass du ein Diener bist, der zu vielen Diensten verpflichtet ist. Plustere dic....
Wenn ihr aber gesättigt seid, dankt so: Wir danken Dir, Heiliger Vater, für Deinen heiligen Namen, dessen Wohnung Du in unseren Herzen bereitet hast, und für die Erkenntnis und den Glauben und die Unsterblichkeit, die Du uns zu erkennen gabst durch Jesus, Deinen Knecht; Dir sei d....
Ein hohes Gut für das menschliche Leben ist die Gesundheit des Körpers. Doch das Beseligende liegt nicht darin, dass man weiß, was Gesundheit ist, sondern dass man sich im Leben derselben erfreut. […] so drängt sich uns die Einsicht auf, dass der Herr [Jesus] nicht jene seligprei....
Ich weiß nicht, welcher ehrenvollen Auszeichnung des heiligen, seligen Johannes des Täufers, dessen Fest wir heute feiern, ich den Vorzug geben soll: seiner wundersamen Geburt oder seinem noch wundersameren Tod. Seine Geburt brachte eine Prophezeiung mit sich (vgl. Lk 1,76f.), se....
Es gibt zwei Wege der Lehre und der Macht, nämlich den des Lichtes und den der Finsternis Der Unterschied zwischen den beiden Wegen aber ist groß. Auf dem einen sind nämlich aufgestellt lichttragende Engel Gottes, auf dem anderen aber Engel des Teufels. […] Der Weg des Lichtes....
Ich muss seinen Namen bezeugen: Jesus ist „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (vgl. Mt 16,16). Er offenbart den unsichtbaren Gott, er ist der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,15.17). Er ist der Lehrer der Menschheit und ihr Erlöser. Er w....
Die Demut ist eine geheime Kraft, die die Heiligen empfangen, wenn sie die ganze mühevolle Übung ihres Lebens gut durchlaufen haben. Diese Kraft wird nämlich nur denen gegeben, die die Tugend durch die Kraft der Gnade zur Vollendung bringen. […] Es ist die gleiche Kraft, die die ....
Die Liebe ist letztlich der Maßstab für den Wert all unserer Handlungen, selbst der gewöhnlichsten. So bezeichnet der hl. Benedikt die Gottesliebe als allererstes „Werkzeug“: „Vor allem: Gott, den Herrn, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“. Ebenso sag....
Der Ruhm aller Apostel ist so untrennbar miteinander verbunden, durch so viele Gnaden zusammengeschweißt, dass uns am Fest eines von ihnen die gemeinsame Größe aller vor unser geistiges Auge tritt. Sie teilen sich in der Tat die gleiche Autorität als oberste Richter, haben den gl....
Somit ist in jeder Hinsicht klar, dass das Gleichnis erzählt wurde, sowohl für jene, welche in früher Jugend, als auch für jene, welche im hohen Alter und spät erst sich der Tugend zuwenden; für jene, damit sie nicht etwa voll Hochmut die verachten, welche um die elfte Stunde kom....
„Wir haben alles verlassen“ (Mt 19,27). – Was meint er mit „alles“? Die äußeren und die inneren Dinge; das, was wir besaßen und sogar den Willen, etwas zu besitzen; so ist uns absolut nichts geblieben. […] Deinetwegen haben wir alles verlassen und sind arm geworden. Doch weil du ....
Ich sage Dank dem Spender der Gnade, von dem, wie unser Glaube sagt, jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk fließt, weil er Dich in solchem Maß mit den Tugendzeichen geziert und Dir die Auszeichnung solcher Vollkommenheit verliehen hat, dass Du als liebende Nachahmerin des....
Das Evangelium stellt uns den großen Glauben, die Geduld, die Ausdauer und die Demut der Kanaanäerin vor Augen. […] Diese Frau war mit einer wahrhaft seltenen Geduld ausgestattet. Auf ihre erste Bitte hin antwortet der Herr mit keinem Wort. Trotzdem hört sie nicht einen Augenblic....
Gott selbst nämlich ist die Quelle und der Ursprung von allem; und weil wir in ihm, wie geschrieben steht, leben und uns bewegen und sind (vgl. Apg 17,28), haben wir von ihm auch jegliche Liebe empfangen, mit der wir unsere Kinder lieben. Denn die ganze Welt und das ganze Mensche....
Die Zölibatären sind ein winziger Teil der Menschheit, der zugunsten der gesamten Menschheit auf das Selbstverständlichste verzichtet, um sich von Gott ergreifen zu lassen, und zwar ungeteilt, denn „der Verheiratete ist geteilt“ (vgl. 1 Kor 7,33), sagt der heilige Paulus. Und wen....
Der Herr hat gesagt: „Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten“ (Mt 9,13). Daher ist es keinem Christen erlaubt, irgendjemanden zu hassen: Niemand kann gerettet werden, außer durch die Vergebung der Sünden, und was diejenigen betrifft, die von der Weisheit di....
Richtet euer ganzes Verhalten nach dem Verhalten Gottes aus: Achtet einander und betrachtet euren Nächsten nicht mit den Augen des Fleisches, sondern bewahrt untereinander beständige Nächstenliebe in Christus Jesus. Duldet unter euch keinerlei Spaltung, vielmehr soll eure Einh....
Lasst uns durch eifrige Huldigung die Königin des Himmels ehren, die Mutter des Lebens, die Quelle der Barmherzigkeit, die von Wonne überströmt und sich auf ihren Geliebten stützt, und preisen wir sie, wie unzulänglich unser Lob auch sein mag. […] Über alle Bäume des Paradiese....
Welcher Mensch könnte sich durch sein eigenes Blut erlösen, hat doch Christus sein Blut vergossen zur Erlösung aller? Gibt es einen einzigen Menschen, dessen Blut mit dem Blut Christi gleichgesetzt werden kann […], der – und nur er allein – durch sein Blut die Welt mit Gott versö....
Wie gut bist, du, mein Gott, dass du uns so oft zusprichst: „Ruft mich um Hilfe an; ich werde zu euch kommen! Ruft mich an, ich werde euch erhören!“ […] Rufen wir Gott in der Versuchung um Hilfe an! Versuchen wir nicht, in der Versuchung und in den Schwierigkeiten nur mit unse....
Unser lieber Erlöser hat gesagt: „Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort!, und er wird wegrücken“ (Mt 17,20). Ja mein geliebter Vater, ich glaube, dass dies die Wahrheit ist; denn wenn die gläubige ....
„Ihr alle werdet umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt!“ (vgl. Lk 13,3), sagt unser Herr. Das ist ein sehr strenges Gesetz. Jesus verdeutlicht, welche Art von Anstrengung er verlangt: „Dem Himmelreich wird Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich“ (vgl. Mt 11,12). Alle....
Das Beispiel des heiligen Laurentius macht uns Mut, auch unser Leben hinzugeben; es entfacht unseren Glauben und weckt unsere Frömmigkeit. Uns soll aber nicht das Feuer des Scheiterhaufens verzehren, sondern das Feuer eines lebendigen Glaubens. Nicht unser Leib wird um der Sache ....
Unaussprechlich ist die Geburt einer Empfängnis ohne Samen, makellos ist die Entbindung einer Mutter ohne Gemahl, denn die Geburt Gottes erneuert die Natur: Darum verherrlichen dich – dem rechten Glauben gemäß – alle Generationen, du Mutter und Braut Gottes. O mein Christus, ....
Als in den letzten Tagen das Wort Gottes, in Fleisch gekleidet, von Maria geboren wurde und sich in dieser Welt zeigte, war das, was man von ihm sah, verschieden von dem, was der Verstand in ihm erkennen konnte. Sein Fleisch war für alle offensichtlich, aber die Kenntnis seiner G....
Glauben musst du, dass dieser eingeborene Sohn Gottes um unserer Sünden willen vom Himmel auf die Erde herabgekommen ist, indem er diese menschliche Natur mit ihren Leiden, um uns ähnlich zu sein, angenommen hat, aus der hl. Jungfrau und dem Heiligen Geist geboren worden ist. Nic....
„Er wurde vor ihren Augen verwandelt“ (Mt 17,2). Drücke dich wie weiches Wachs auf diese Gestalt, um das Bild Christi einzuprägen, von dem es heißt: „sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie der Schnee“ (Mt 17,2 Vulg.). In diesem Abschnitt müssen....
Johannes war der Vorläufer Christi; er war es durch seine Geburt, seine Predigt, seine Taufe und durch seinen Tod. […] Kann man eine einzige Tugend finden, eine einzige Ausdrucksform der Heiligkeit, die der Vorläufer nicht im höchsten Maße besessen hätte? Wer von den Einsiedlern ....
Brüder, erinnert euch an den Patriarchen Josef […] von dem Josef, der Mann Marias, nicht nur den Namen, sondern auch Keuschheit, Unschuld und Gnade erbte. Der erste empfing vom Himmel die Gabe der Traumdeutung (Gen 40–41); der zweite hatte nicht nur die Erkenntnis der Geheimnisse....
Zwar werden wir gemahnt, dass es dem Menschen nichts nützt, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst jedoch ins Verderben bringt (vgl. Lk 9,25); dennoch darf die Erwartung der neuen Erde die Sorge für die Gestaltung dieser Erde nicht abschwächen, auf der uns der wachsende Leib....
Wenn also jemand die Schriften aufmerksam liest, so wird er in ihnen das Wort von Christus und die Vorbilder des Neuen Bundes finden. Das ist der im Acker, d. h. in dieser Welt, verborgene Schatz. Denn „der Acker ist die Welt“ (Mt 13,38). Der in den Schriften verborgene Schatz ab....
Denn Gott, der Herr und Schöpfer des Weltalls, der alles gemacht und mit Ordnung eingerichtet hat, war nicht allein menschenfreundlich, sondern auch langmütig. Er war zwar immer ein solcher und ist es und wird es sein, milde und gut, leidenschaftslos und wahrhaft, und er ist alle....
Die Gnade Gottes ist ein Same, der nicht erstickt, aber auch nicht zu sehr herausgestellt werden darf. Wir müssen ihn in unseren Herzen nähren und dürfen ihn menschlichen Blicken nicht zu sehr aussetzen. Es gibt zwei Arten von Gnaden, die zwar unscheinbar sind, doch von denen ....
Unter allen Gnadengaben, die der freigebige Spender alles Guten Franziskus verliehen hat, ragt eine besonders heraus: dass er durch die Liebe zur allerhöchsten Armut den Reichtum der Einfachheit erlangen durfte. Der Heilige bedachte sehr gut, dass diese Tugend dem Sohn Gottes bes....
Als wahrer Gott wußtest du um Lazarus’ Tod und sagtest ihn deinen Jüngern voraus. […] Vom Fleische umgrenzt, kommst du, der Unbegrenzte, nach Bethanien, Herr, wie ein Mensch beweinst du den Lazarus, und als Gott erweckst durch deinen Willen du den vier Tage Toten. Mach mich rein,....
Und wenn der Same verdorrt, so geschieht dies nicht wegen der Hitze; und wenn die Worte ersticken, so sind nicht die Dornen daran schuld, sondern diejenigen, welche die Dornen wachsen lassen. Wenn du nur willst, so kannst du ja dieses verderbliche Gewächs hindern und den Reichtum....
Wenn ein Baum, der gefällt worden ist, noch treibt, soll dann der Mensch, wenn er gefällt ist, nicht leben? Wenn das Getreide geerntet ist, harrt es der Scheune. Der Mensch aber soll, wenn er von dieser Welt abgeerntet ist, nicht der Scheune harren? Die Zweige der Weinstöcke und ....
Der Sämann sät. Der Sämann ging aus, um zu säen, und einiges fiel auf den Weg, anderes auf den Felsen, anderes in die Dornen, anderes auf das gute Land. Drei Teile gingen verloren, ein Teil ward erhalten − und der Sämann ließ nicht ab, sein Feld zu bebauen. Weil ein Teil erhalten....
„Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen“ (Mk 10,37). Wie kommt es nun, dass unser Evangelist erzählt, ihre Mutter sei hinzugetreten? Es wird eben beides geschehen sein. Sie werden ihre Mutter zugezogen haben, um ihrer Bitte mehr Nachdruck ....
Hierauf wurdet ihr zum heiligen Bad der göttlichen Taufe geführt, wie Christus vom Kreuz weg zu dem in der Nähe gelegenen Grabe gebracht wurde. Und jeder einzelne wurde gefragt, ob er an den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes glaube. Jeder legte das heilsame....
Wenn jemand Weizenmehl knetet, aber keinen Sauerteig dazutut, so mag er noch so sehr sich abmühen, es umwenden und verarbeiten, die Masse bleibt doch ungesäuert und zum Essen unbrauchbar. Kommt aber der Sauerteig hinzu, so zieht er die ganze Mehlmasse an sich und durchsäuert sie ....
„Jesus sprach zu ihr: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Es ist in diesen Worten etwas, was wir zwar kurz, aber d....
Noch sehen wir nicht, dass die Worte aus dem Buch Genesis, „am siebten Tag ruhte Gott, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“, sich an jenem siebten Tag der Schöpfung erfüllt hätten, und wir sehen es bis heute nicht. Wir sehen, dass Gott immer am Werk ist. Es gibt keinen S....
„Groß bist du, o Herr, und überaus preiswürdig; groß ist deine Stärke, und deiner Weisheit ist kein Ziel gesetzt“ (vgl. Ps 145(144),3; 147(146),5). Und dich will loben ein Mensch, ein winziger Teil deiner Schöpfung, ein Mensch, der schwer trägt an der Bürde seiner Sterblichkeit, ....
Ich bete Dich an, Schöpfer und Herr, verborgen im Allerheiligsten Sakrament. Ich preise Dich für alle Werke Deiner Hände, in denen mir so viel Weisheit, Güte und Barmherzigkeit offenbar wird. O Herr, Du hast auf diese Erde so viel Schönes gesät, die mir von Deiner Herrlichkeit be....
„Auch ich könnte ähnliches reden wie ihr; und o wäre doch eure Seele an der Stelle meiner Seele! So wollte auch ich euch mit Gerede trösten und mein Haupt über euch schütteln und euch mit meinem Munde stärken und meine Lippen bewegen, als hätte ich Mitleid mit euch“ (Ijob 16,4–6 ....
„Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet“ (Mt 10,22). Diejenigen, so sagt uns der Erlöser der Welt, die kämpfen und bis zu ihrem Lebensende standhaft bleiben, ohne besiegt zu werden, oder die, nachdem sie gefallen sind, wieder aufstehen und standhaft bleiben, di....
Zur gleichen Zeit trat ein anderer frommer Mann in den Orden ein, und die gesegnete Jüngerschar des Gottesmannes stieg auf sieben an. Da rief der gute Vater alle seine Söhne zu sich, sprach zu ihnen gar vieles über das Reich Gottes, die Verachtung der Welt, die Verleugnung des Ei....
Wenn man die heutige Welt oberflächlich betrachtet, ist man nicht wenig betroffen von den negativen Tatsachen, die zum Pessimismus führen können. Aber dieses Gefühl ist nicht gerechtfertigt: wir glauben an Gott, den Vater und Herrn, an seine Güte und Barmherzigkeit. Unmittelbar v....
Wenn Jesus sagt: „Selig sind die Armen im Geiste!“, so bringt er damit ganz deutlich zum Ausdruck, dass jenen das Himmelreich zuteil werden soll, die mehr die Demut ihrer Gesinnung als der Mangel an Mitteln empfiehlt. Es kann aber nicht bestritten werden, dass die Tugend der Demu....
„Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er schon gestorben ist, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit.“ Was heißt das? „Wer an mich glaubt, wird, auch wenn er schon gestorben ist“, wie Lazarus gestorben ist, „leben“, weil er nicht ein Gott der ....
Als nun der selige Franziskus dort über fünfzig Tage lang krank darniederlag, ertrug er es nicht, tagsüber das Tageslicht und in der Nacht das Licht des Feuers zu sehen, sondern blieb im Haus und in jener kleinen Zelle stets im Dunkeln. […] Als der selige Franziskus daher eines N....
Denn wenn einer einen anderen liebt und ihm wohltut, so erweist er ihm seine Liebe und Wohltaten gemäß seiner Veranlagung und seiner Eigenschaften. Und so teilt dir auch dein Bräutigam, der in dir ist, wie er ist, seine Gnaden mit. Er, der Allmächtige, bereichert und liebt dic....
O ewige Barmherzigkeit, du deckst die Fehler deiner Geschöpfe zu. Es überrascht mich nicht, dass du zu denen, die aus der Todsünde zu dir zurückkehren, sagst: „Ich denke nicht mehr an deine Sünden“ (Jes 43,25). O Barmherzigkeit, die aus deiner Gottheit, ewiger Vater, hervorgeh....
„Steh auf […], so komm doch!“ (Hld 2,10). Es genügt nicht, dass du von deinem Fall aufstehst, spricht der Bräutigam. Geh voran und mache Fortschritte im Guten bis zum Ende deines Tugendlaufes. Das lehrt uns die Geschichte vom Gelähmten. Das göttliche Wort begnügt sich nicht damit....
Obwohl in Gerechtigkeit von Gott begründet, hat der Mensch unter dem Einfluss des Bösen gleich von Anfang der Geschichte an durch Auflehnung gegen Gott und den Willen, sein Ziel außerhalb Gottes zu erreichen, seine Freiheit missbraucht. „Obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihn n....
In des Lebens fruchtbarer Wildnis, O süßester Jesus mein, Bewahre die Seelen vor Spaltung, Du Born der Barmherzigkeit. Möge das Licht Deiner Strahlen, O süßer Seelenhirte, Mit Deiner Barmherzigkeit die Welt verändern, Um in dieser Gnade Dir, Jesus, zu dienen. Ich sol....
Sehr bekannt und geradezu sprichwörtlich ist sodann die Szene des ungläubigen Thomas, die sich acht Tage nach Ostern abspielte. Im ersten Moment hatte er nicht geglaubt, dass in seiner Abwesenheit Jesus erschienen war, und hatte gesagt: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seine....
Der Heiland ist auf dem Kreuzweg nicht allein, und es sind nicht nur Widersacher um Ihn, die Ihn bedrängen, sondern auch Menschen, die Ihm beistehen: als Urbild der Kreuzesnachfolger aller Zeiten die Gottesmutter; als Typus derer, die ein ihnen auferlegtes Leid hinnehmen und sein....
Ich habe gesehen, wie der Herr im Evangelium Wunder vollbringt, und dadurch bestärkt, konnte ich mein zaghaftes Wort kräftigen. Ich habe gesehen, wie der Hauptmann sich dem Herrn zu Füßen wirft; ich habe gesehen, wie die Völker ihre Erstlingsfrüchte Christus darbringen. Das Kreuz....
Zur menschlichen Existenz gehört das Leiden ebenso wie das Tun. Es folgt zum einen aus unserer Endlichkeit, zum anderen aus der Masse der Schuld, die sich in der Geschichte angehäuft hat und auch in der Gegenwart unaufhaltsam wächst. Natürlich muss man alles tun, um Leid zu mi....
Aber, um mit den alten Beispielen [der Verfolgung im Alten Testament] aufzuhören, wollen wir nun auf die Kämpfer der neuesten Zeit kommen; wir wollen die hervorstechendsten Beispiele unseres Zeitalters herausgreifen. Wegen Eifersucht und Neid haben die größten und gerechtesten Mä....
So ist das, was wir tun, nicht unser Werk? Aber gewiss! Wir sind es ja, die die Handlungen vollbringen, nur müssen wir wissen, dass unsere Werke nur dann gut sind, wenn wir sie, durch die Gnade angeregt, im Glauben und in der Liebe Christi verrichten. Wir sind die Zweige, Chri....
Ich [bin] gekommen, euch auf dem Weg des Evangeliums zu ermutigen, einem gewiss schmalen Weg, aber dem zuverlässigen, königlichen Weg, der von Generationen von Christen erprobt, von den Heiligen und Seligen […] gelehrt wurde, dem Weg, auf dem zu gehen, wie ihr alle, auch eure Brü....
Hab keine falsche Scheu vor dem, der dir etwas Schlechtes über seinen Nächsten sagt, sondern antworte ihm vielmehr: „Hör auf, Bruder! Ich selbst falle täglich in noch größere Verfehlungen; wie könnte ich daher diesen verurteilen?“ Auf diese Weise wirst du einen doppelten Gewinn e....
„Er enthüllt die Tiefen der Finsternis und bringt die Schatten des Todes ans Licht“ (vgl. Ijob 12,22 Vulg.). Wenn der Gläubige den geheimnisvollen Sinn der dunklen Prophetenworte erfasst, was tut er dann? Enthüllt er dann nicht die Tiefen der Finsternis? Deshalb sagt die Wahrheit....
„Der Herr hat mich schon im Mutterleib berufen; als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt“ (Jes 49,1). Heute feiern wir die Geburt Johannes’ des Täufers. Die Worte des Propheten Jesaja passen gut zu dieser bedeutenden Person aus der Bibel, die zwischen ....
Während sie einst nachsann, nach welchem Ratschluss wohl die einen sich so reicher geistlicher Tröstungen im Dienste Gottes erfreuen, während die anderen so trocken bleiben, erhielt sie von Gott folgende Antwort: „Das Herz, von Gott erschaffen, um Wonnen zu umschließen, gleicht e....
Selbstverständlich kann kein Hindernis die Erfüllung des Willens Gottes vereiteln, es geht also nicht darum, dem Gelingen seiner Absichten Erfolg zu wünschen, sondern wir bitten darum, dass sein Wille in allen Menschen geschehe. Hinter dem Bild von Fleisch und Geist sind wir s....
Es gibt mehr als einen, der nicht fasten kann, andere, die so beschäftigt sind, dass sie es kaum schaffen, ihr Morgen- und Abendgebet zu verrichten; wie können dann diese gerettet werden, da wir doch beten sollen ohne Unterlass und gute Werke verrichten müssen, um das Himmelreich....
Wer immer durch die Liebe zum göttlichen Bild und Gleichnis gelangt ist, erfreut sich von da an am Guten, weil er selbst daran Gefallen findet. Er umfasst mit gleicher Liebe Geduld und Sanftmut. Die Verfehlungen der Sünder erregen nicht mehr seinen Zorn, er fleht vielmehr um Verz....
„Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt“ (Jak 2,10). Welches ist dieses einzige Gebot, wenn nicht die wahre Liebe, die vollkommene Nächstenliebe? Von ihr sagt auch der Apostel Paulus: „Denn das ganze Gesetz ist in dem....
[Jesus spricht:] Habt Mitgefühl füreinander; seht, wie ich Mitgefühl habe für euch, wie ich leide, wie ich mich erbarme, wie ich Anteil nehme an allen Schmerzen, wie ich mit diesem seufze, mit jenem weine … Ich fühle mit ihrer Trauer, ihren Krankheiten, ihren Sorgen, ihrem Hunger....
Das göttliche Herz Jesu, das von Liebe zu uns Sündern brennt […], gibt uns zur Mutter und Beschützerin seine eigene Mutter: die gnadenvollste, die liebevollste, das heilige Wesen über allen Engeln und Heiligen, jene, der er nichts verweigern kann, da sie seine unvergleichlich wür....
Barmherzigstes Herz Jesu, sei gegrüßt, Lebendige Quelle aller Gnaden. Einzige Zufluchtsstätte, die uns schützt, Du suchst uns mit Hoffnung zu laben. Barmherzigstes Gottesherz, sei gegrüßt, Unergründlicher Born der Liebe. Für uns Sünder aus Dir Leben sprießt, Dem Brunnen,....
Und alle Brüder sollen sich hüten, zu verleumden und sich in Wortgezänk einzulassen (vgl. 2 Tim 2,14); vielmehr sollen sie bemüht sein, Schweigen zu bewahren, wann immer ihnen Gott die Gnade geben wird. Auch sollen sie nicht untereinander oder mit anderen herumstreiten, sondern b....
Wenn ich das Evangelium lese und darin Zeugnisse aus dem Gesetz oder den Propheten finde, betrachte ich nur Christus. Mit Mose oder den Propheten habe ich mich nur in der Absicht befasst, zu verstehen, was sie über Christus sagen. Denn letzten Endes, wenn ich in den Lichtglanz Ch....
O meine liebsten Söhne, deren Duft mir süßer ist als alle Wohlgerüche, hört meine Warnung: Solange ihr noch Zeit habt, zwischen Gut und Böse zu wählen, betet euren Gott mit aufrichtiger Hingabe an. Noch einmal sage ich: O ihr meine süßesten Söhne, die ihr aufsteigt wie die Morgen....
Es gibt nichts Schöneres als eine reine Seele … Wenn man dies begreifen würde, könnte man die Reinheit nie verlieren. […] Eine reine Seele gleicht einer schönen Perle. Solange sie in einer Muschel auf dem Meeresboden verborgen liegt, kommt es niemandem in den Sinn, sie zu bewunde....
Und daran will ich erkennen, ob du den Herrn und mich, seinen und deinen Knecht, liebst, wenn du Folgendes tust, nämlich: Es darf keinen Bruder auf der Welt geben, mag er auch gesündigt haben, soviel er nur sündigen konnte, der deine Augen gesehen hat und dann von dir fortgehen m....
Die ewige Wahrheit ließ sich herab, die Bitte meines sehnlichen Wunsches zu beantworten. Sie sagte zu mir: Meine Tochter, die Vorsehung wird niemals diejenigen enttäuschen, die sie empfangen wollen, das heißt, die vollkommen auf mich hoffen. Diese rufen mich in Wahrheit an, nicht....
Beachte wohl, wie es sich mit dem Mysterium Christi verhält! Aus dem Schoß der Jungfrau ist er geboren, Diener und Herr zugleich; Diener, um ein Werk zu vollbringen, Herr, um Befehle zu erteilen, um Gott ein Königreich im menschlichen Herzen einzurichten. Er hat eine doppelte Her....
Die sakramentale Vergegenwärtigung des durch die Auferstehung vollendeten Opfers Christi in der heiligen Messe beinhaltet eine ganz besondere Gegenwartsweise, die – um die Worte von Paul VI. aufzugreifen – „‚wirklich‘ genannt wird, nicht im ausschließlichen Sinn, als ob die ander....
Die Schrift und die Überlieferung lehren und preisen stets die Grundwahrheit: „Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“ (1. Vatikanisches K.: DS 3025). Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen „nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit....
Warum, Mensch, bist du in deinen eigenen Augen so gering, wenn du doch in den Augen Gottes so kostbar bist? Warum entehrst du dich selbst, wenn Gott dich so geehrt hat? Warum suchst du zu ergründen, wie und woraus du geschaffen wurdest, und vernachlässigst es, herauszufinden, zu ....
Die heilige Kirche weiß die Kraft ihrer Disziplin zu wahren, indem sie sie mit Milde mäßigt; zuweilen verschont sie die Bösen nicht, indem sie sie zu verschonen scheint; zuweilen geschieht es umgekehrt, dass sie sie verschont, indem sie sie nicht zu verschonen scheint. Aber wir w....
Alle drei sind Gott, denn die Dreifaltigkeit ist ein einziger Gott. Sie ist es, die dem Universum das Sein verliehen hat, sie ist es, die alle Dinge erschaffen hat, sie ist es, die zu unserem Heil dem Fleische nach den Logos und Sohn des Vaters in die Welt gesandt hat, untrennbar....
„Verkünden will ich dir, hör mir zu! Was ich geschaut, will ich erzählen“ (Ijob 15,17). Zur Eigenart des Hochmütigen gehört es, niemals ein – wenn auch noch so geringes – Empfinden von Rechtschaffenheit zu haben, ohne es in den Dienst des Stolzes zu verbiegen. Er erhebt sich kraf....
„Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle“ (Mt 21,13). Dies zeigt uns, welch unendlichen Respekt wir vor jeder Kirche oder Kapelle haben, mit welcher Sammlung und Ehrfurcht wir uns dort aufhalten sollten. […] Das Wort des Herrn lehrt uns....
Um das beständige Andenken an Gott zu bewahren, soll euch diese Gebetsformel unaufhörlich begleiten: „O Gott, komm mir zu Hilfe; Herr, eile mir zu helfen!“ Nicht ohne Grund wurde dieser kurze Vers aus der gesamten Heiligen Schrift in besonderer Weise ausgewählt. In ihm sind alle ....
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und dich mit der ganzen Schöpfung zu rühmen. Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, un....
Wenn aber die Moral des Christentums ganz zur Geltung kommt, wird man auch nicht bei versöhnlicher Stimmung stehenbleiben; es wird wahre brüderliche Liebe beide Teile verbinden. Sie werden dann in dem Bewusstsein leben, dass ein gemeinsamer Vater im Himmel alle Menschen geschaffe....
„Keiner erkennt Gott – nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,11). Der Geist, der Gott offenbart, lässt uns Christus, sein lebendiges Wort erkennen; er spricht aber nicht von sich. Er, der „durch die Propheten gesprochen hat“, lässt uns das Wort des Vaters vernehmen. Ihn selbst aber höre....
Während im Evangelium gelesen wurde, wie der Herr seinen Jüngern durch Anhauchen den Heiligen Geist erteilte, bat sie [Gertrud] ihn mit inniger Andacht, er möge auch ihr seinen lieblich strömenden Geist erteilen. Der Herr antwortete: „Wenn du verlangst, den Heiligen Geist zu empf....
[„Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch!“ (Hld 2,10)] Die göttliche Natur zieht die menschliche Seele hin zur Teilhabe an ihr, übersteigt diese jedoch immerfort durch ihre Erhabenheit im Guten. Die Seele wächst stetig durch die Teilhabe an dem, der sie überragt, un....
Ahmen wir die Apostel nach, so werden wir ihnen in nichts nachstehen! Denn nicht ihre Wundertaten haben sie zu Aposteln gemacht, sondern die Heiligkeit ihres Lebens. Daran erkennt man einen Jünger Christi. Dieses Erkennungszeichen hat der Herr selbst uns in aller Klarheit gegeben....
In seinem Hohepriesterlichen Gebet vor der Passion äußert Jesus Christus für seine Apostel und für alle, die an ihr Wort glauben, nur die eine Bitte: Sie sollen eins sein mit ihm, wie er und der Vater eins sind (vgl. Joh 17,21), damit sie seine Herrlichkeit sehen (vgl. Joh 17,24)....
Die Kirche ist nur eine, die sich durch ihre ständig wachsende Fruchtbarkeit immer weiter ausbreitet, ebenso wie die Sonne zwar viele Strahlen hat, aber nur eine Lichtquelle, und wie der Baum sich zwar in viele Äste verzweigt, aber nur einen Stamm hat, der auf fester Wurzel gegrü....
O ewiger Gott, o Licht über jedem Licht, von dem jedes andere Licht ausgeht! O Feuer über jedem Feuer, denn Du allein bist das Feuer, das brennt und sich nicht verzehrt; Du verbrennst jede Sünde und Eigenliebe, die Du in der Seele finden solltest. Doch Du verbrennst sie nicht auf....
Wie erlangen wir den Frieden? Den vollkommenen Frieden gibt es nur im Himmel … Hier auf Erden müssen wir immer den Krieg gegen den Teufel, gegen unsere verdorbene Natur, gegen bestimmte Menschen … aushalten. Andererseits aber sollen wir doch auch schon hier auf Erden im Fried....
Auf der Suche nach Gott, dem Ursprung unserer Heiligkeit, können wir kein besseres Vorbild finden als Christus Jesus selbst. „Aber“, werden Sie sogleich sagen, „wie kann Christus dabei unser Vorbild sein? Wie hat er denn Gott suchen können, wenn er doch selber Gott war?“ Es ist w....
Meine Brüder, nichts ist tröstlicher für uns als die Verheißungen, die Jesus Christus uns im Evangelium gibt, wenn er uns sagt, dass alles, was wir von seinem Vater in seinem Namen erbitten, dieser uns geben wird (vgl. Joh 16,23). Aber damit nicht genug, meine Brüder, er erlaubt ....
[Die heilige Hildegard schaut in einer Vision, wie Laster und Tugenden sich miteinander unterhalten:] – Die Worte der Welttrauer: „Wehe, dass ich erschaffen worden bin! Wehe, dass ich lebe! Wer wird mir helfen? Wer wird mich befreien? Wenn Gott mich kennen würde, würde ich nic....
Als er, der auf die Erde herabgestiegen war – er allein weiß, wie, – sie wieder verließ – wie, weiß er allein –, da führte er die, die er liebte, auf einen Berg […], um ihr Haupt und ihren Geist zu erheben. […] Der Herr breitete seine Arme aus wie Schwingen, wie ein Adler, der li....
Da über den Geist im allgemeinen die göttlichen Schriften vieles und verschiedenes geschrieben haben, und da Gefahr besteht, dass man, nicht wissend, von welchem Geiste die einzelne Schriftstelle spricht, durch Unwissenheit in Verwirrung kommt, so ist es am Platze, jetzt festzust....
Wenn wir merken, dass die Gnade Gottes uns nicht mehr so stärkt, dass sie schwächer wird in uns und uns beinahe verlässt, dann müssen wir uns davor hüten, mutlos zu werden. Diese Schwächung und dieser Entzug bedeuten immer noch dieselbe Gnade, und zwar in der Form, wie sie für un....
„Durch die Hilfe des Heiligen Geistes“ geschieht es, dass die Kirche „wächst“. Der Heilige Geist ist die Seele der Kirche. Er ist es, der den Gläubigen den tiefen Sinn der Lehre Jesu und seines Geheimnisses erklärt. Er ist derjenige, der heute wie in den Anfängen der Kirche in al....
„Gott ist Geist“ sagt der Herr zur samaritanischen Frau […]. Da Gott unsichtbar, unbegreiflich und unendlich ist, muss Gott weder auf einem Berg noch in einem Tempel angebetet werden (vgl. Joh 4,21–24). „Gott ist Geist“ und ein Geist kann nicht eingegrenzt oder in der Hand gehalt....
„Selig, die um meinetwillen von den Menschen gehasst und verfolgt werden“ (vgl. Lk 6,22). Ja selig sind sie, denn wenn sie mich nachahmen, werden sie als wahre Bräute auch an meinem Schicksal teilhaben, sie werden das Schicksal ihres Bräutigams voll und ganz teilen … Selig, denn ....
Wie es einen bitteren und bösen Eifer gibt, der von Gott trennt und zur Hölle führt, so gibt es den guten Eifer, der von den Sünden trennt, zu Gott und zum ewigen Leben führt. Diesen Eifer sollen also die Mönche mit glühender Liebe in die Tat umsetzen, das bedeutet: Si....
Der Name des Vaters lässt uns, sobald wir ihn aussprechen, auch an den Sohn denken; ebenso wie wir sogleich an den Vater denken, wenn wir den Sohn nennen. Wenn es nämlich einen Vater gibt, so versteht man ihn notwendigerweise als den Vater eines Sohnes; und wenn es einen Sohn gib....
Unsere Heiligkeit ist wesentlich übernatürlicher Art. Alle Anstrengungen der Natur zusammengenommen können keine übernatürliche Handlung hervorbringen, nichts, das in irgendeinem Verhältnis steht zu unserem Ziel, der seligen Schau der anbetungswürdigen Dreifaltigkeit. […] Aber Go....
Wir hätten mehr Frieden, wenn wir uns nicht mit fremden Worten und Taten, die uns nichts angehen, abgäben. Kann einer lang im Frieden leben, wenn er sich in fremde Sorgen mengt? Wenn er äußere Ablenkung sucht? Wenn er sich nur wenig und selten zu sich sammelt? Selig die Schlichte....
[…] das schauende Leben ist ein himmlisches Leben […] [Dank der Liebeseinheit mit Gott] wächst der Mensch über seine Geschaffenheit hinaus und findet und kostet den Reichtum und die Wonne, die Gott selber ist, und die Gott ohne Unterlaß ausgießt in der Verborgenheit des Geistes, ....
Hören wir ihn selbst: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Wenn du die Wahrheit suchst, halte den Weg ein; denn der Weg ist zugleich die Wahrheit. Er ist es, wohin du gehst, er ist es, worauf du gehst; nicht durch ein anderes gehst du zu einem andern, nicht d....
Der Herr Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt hättet, hättet ihr auch meinen Vater erkannt; doch von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“ Philippus sagt zu ihm: „Herr, ze....
„O seliges Licht, Dreifaltigkeit und Ureinheit!“ Gott ist ewige Glückseligkeit, unsterbliches Leben, nie schwindendes Licht. Gott ist Liebe: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Aus freiem Willen will Gott die Herrlichkeit seines glückseligen Lebens mitteilen. Darin besteht der „gnädi....
Gedenkt der Wunder, die er an uns in der Vergangenheit getan hat (vgl. Ps 105(104),5) und die er heute noch vollbringt. […] Meine geliebten Brüder, geben wir ihm für das, was er an uns getan hat, noch mehr zurück, ja, geben wir ihm das, was wir ihm schuldig sind. Was will er denn....
Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle ....
Die heiligen Lehrer bezeichnen es [das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit] als Wesenskern des Neuen Testamentes, das heißt als das größte aller Geheimnisse, ist es doch die Grundlage und Krone aller. Und zur Erkenntnis und Betrachtung dieses Geheimnisses sind im Himmel ....
Ein Hirte im eigentlich Sinne ist, wer fähig ist, die verlorenen vernunftbegabten Schafe durch Arglosigkeit, eigenen Eifer und Gebet zu suchen und aufzurichten. Ein Steuermann ist, wer von Gott und durch eigene Anstrengungen geistige Kraft erhielt und es vermag, das Schiff nicht ....
[Die heilige Katharina hörte Gott zu ihr sagen:] Und niemand kann zum ewigen Leben gelangen, wenn er nicht gehorsam ist. Denn das ewige Leben, das durch den Ungehorsam Adams verschlossen worden war, wurde erst durch den Schlüssel des Gehorsams wieder aufgesperrt. Als Ich sah, ....
Dank, Dank sei Dir, ewiger Vater, dass Du mich, Dein Geschöpf, nicht verachtet hast. Du hast Dein Antlitz nicht von mir abgewendet und meine Wünsche nicht verschmäht. Du, Licht, hast meine Finsternis nicht verachtet; Du, Leben, hast Dich nicht davon abhalten lassen, dass ich tot ....
Meine Brüder, wenn wir alles betrachten, was Gott gemacht hat: den Himmel und die Erde, die schöne Ordnung, die in diesem weiten Universum herrscht; all das kündet von einer unendlichen Macht, die alles geschaffen hat, von einer bewunderungswürdigen Weisheit, die alles lenkt, von....
Unser Erlöser hat beim Letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner gelieb....
In seiner Menschlichkeit brachte unser Herr diesen Gedanken zum Ausdruck, als er betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39), um uns wie auch sonst ein Beispiel zur Nachahmung zu geben. Und....
Den Auftrag, das Evangelium zu verkünden, gab der Herr seinen Aposteln. Von ihnen lernten wir die Wahrheit, d. h. die Lehre des Sohnes Gottes. Zu ihnen hat auch der Herr gesprochen: „Wer euch hört, hört mich, wer euch verachtet, verachtet mich und den, der mich gesandt hat“ (vgl.....
Auf die Frage: „Was ist Gott?“ hat bisher noch kein Lehrer eine rechte Erklärung geben können, denn Gott ist über alles Denken und über jeden Verstand erhaben. Und doch kann ein Mensch, der sich eifrig und beharrlich um die Erkenntnis Gottes bemüht, dahin gelangen – wenn auch nur....
Zwei Jünger waren zusammen auf dem Weg. Sie glaubten nicht, und doch sprachen sie vom Herrn. Plötzlich erschien er ihnen, aber in einer Gestalt, in der sie ihn nicht erkennen konnten. […] Sie laden ihn ein, mit in ihre Unterkunft zu kommen, so wie man es mit Reisenden macht. […] ....
Bitten wir den Logos, das Wort Gottes: Sei deinen kleinen Kindern gnädig, Meister, Vater, Führer Israels, Sohn und Vater, einer und zwei zugleich, Herr! Lass uns, da wir deine Gebote befolgen, die volle Ähnlichkeit des [ursprünglichen] Abbildes erreichen (vgl. Gen 1,26); dass wir....
Es besteht kein Zweifel, dass unter den verschiedenen Aspekten der Eucharistie jener des Gastmahles am meisten ins Auge fällt. Die Eucharistie entstand im Kontext des Paschamahles am Abend des Gründonnerstages. Daher ist ihrer Struktur die Bedeutung der Tischgemeinschaft eingesch....
Über alles gießt der Vater durch seinen Sohn und den Heiligen Geist seine himmlischen Gaben aus. Das ewige Leben aber hat er in seiner Menschenfreundlichkeit uns Menschen untrüglich verheißen. Glauben müssen wir an die Möglichkeit, dass es uns gegeben wird. Glauben müssen wir; de....
Die Liebe ist es, die Gott dazu bewegte, uns aus sich selbst, das heißt aus seiner unendlichen Weisheit, zu ziehen, damit wir glücklich seien und an seiner höchsten Glückseligkeit teilhaben. Als der Mensch durch die Sünde die Gnade verloren hatte, vereinte und verknüpfte dieses B....
Mein Herr und Gott, Du hast mich einen langen, dunklen Weg geführt, Steinig und hart. Oft wollten meine Kräfte mir versagen, Fast hofft’ ich nimmer, je das Licht zu seh’n. Doch als im tiefsten Schmerz mein Herz erstarrte, Da ging ein klarer, milder Stern mir auf. Er führte....
Geistliche Kindschaft, die in einer sorgsam bewahrten Armut besteht, war auch für Nikodemus, diesen angesehenen Mann unter den Juden, durchaus erreichbar. Er konnte sie sich zu eigen machen, ohne dabei auf etwas verzichten zu müssen, was sein Rang und die Ausübung seines Amtes er....
Gottes Barmherzigkeit ewig lobsingen, Will ich vor allen Völkern. Sie ist die größte Eigenschaft Gottes. Für uns ist sie bleibendes Wunder. Aus Gottes Dreifaltigkeit springst du hervor, Doch aus nur einem liebenden Schoß. Des Herrn Barmherzigkeit in einer Seele Wird erst....
Glaubst du an die Auferstehung, dann stehst du auf einem Felsen. […] „Christus ist nun aber von den Toten auferweckt worden, der Erstling der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20). „Er ist dem Kephas, dann den Elfen erschienen“ (1 Kor 15,5). Willst du nicht einem Zeugen glauben, gut, d....
Zum Mahl des Lammes schreiten wir mit weißen Kleidern angetan, Christus, dem Sieger, singen wir, der uns durchs Rote Meer geführt. Am Kreuze gab er seinen Leib für alle Welt zum Opfer hin; und wer von seinem Blute trinkt, wird eins mit ihm und lebt mit ihm. Am Pascha....
Wo aber finden wir die Worte Jesu, jene Worte, die für uns zu „Quellen des ewigen Lebens werden sollen“ (Joh 4,14)? Zunächst im Evangelium! Dort lauschen wir dem Heiland selbst, dem menschgewordenen Wort. Er offenbart uns das Unaussprechliche in menschlichen Lauten, stellt uns da....
Der wahrhaftig Liebende kennt fast keine andere Freude als die an dem, was er liebt. So achtet der glorreiche hl. Paulus alle Dinge […] und Kehricht im Vergleich zu seinem Erlöser (Phil 3,8). Und die Braut des Hoheliedes gehört ganz und einzig ihrem Geliebten: „Mein Geliebter ist....
Freue dich, Jerusalem! Haltet Freudenfeste ihr alle, die ihr Jesus liebt! Denn er ist auferstanden. Freuet euch alle, die ihr ehedem getrauert habt […]! Der, welcher […] an dieser Stelle misshandelt worden ist, ist wieder auferstanden. Die Predigt vom Kreuz hat gewiss Betrübnis e....
Das Bild der Emmausjünger eignet sich gut dafür, einem Jahr Orientierung zu geben, in dem die Kirche sich in besonderer Weise bemühen wird, das Geheimnis der heiligen Eucharistie zu leben. Auf den Straßen unserer Fragen und unserer Unruhe, zuweilen unserer tiefen Enttäuschungen, ....
Lasst uns in Freudenrufe ausbrechen, Brüder, heute wie gestern. Wenn auch das Dunkel der Nacht unser Freudenfest unterbrochen hat, so ist der heilige Tag doch noch nicht zu Ende: Die Finsternis des Abends scheidet zwar die Tage voneinander, doch das Licht, das die Freude am Herrn....
Alle Nachtwachen, die zu Ehren des Herrn begangen werden, finden Gottes Gefallen und seine Zustimmung, aber diese Nachtwache steht über allen anderen. Deshalb trägt diese Nacht auch eine besondere Bezeichnung: „Nachtwache des Herrn“. Wir lesen ja: „Als eine Nacht des Wachens zur ....
Gottes Liebe zu uns ist viel größer als die Liebe eines Vaters. Das beweisen die Worte des Erlösers im Evangelium: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16)....
Wie groß ist die Liebe, wie groß ist die Güte Jesu Christi, dass er den Vorabend des Tages, an dem man ihn umbringen sollte, dazu ausersah, ein Sakrament einzusetzen, durch das er in unserer Mitte bleiben würde, um unser Vater, unser Tröster und unser ganzes Glück zu sein! Wir kö....
Soll ich dich davon überzeugen, dass Jesus freiwillig in sein Leiden gegangen ist? Die übrigen Menschen, welche unfreiwillig sterben, wissen ihren Tod nicht voraus. Jesus aber hat sein Leiden vorausgesagt mit den Worten: „Siehe, des Menschen Sohn wird ausgeliefert zur Kreuzigung“....
Judas hatte klar ausgedrückt, dass er Reue empfand: „Ich habe gesündigt, ich habe einen unschuldigen Menschen ausgeliefert“ (vgl. Mt 27,4). Der Dämon, der diese Worte gehört hatte, erkannte, dass Judas auf dem Weg der Besserung war und erschrak über diese Verwandlung. Dann überle....
Eine kunstvolle und harmonische Mischung aus zahlreichen verschiedenen Aromen, von denen jedes seinen eigenen Duft hat, bildet eine wohlriechende Essenz, deren Zusammensetzung den Namen Narde trägt. Dieser Name leitet sich von einem der duftenden Kräuter ab, die bei ihrer Herstel....
Am heiligen Palmsonntag […] sagte Gertrud zum Herrn: „Lehre mich, o Liebreichster, wie ich dir, dem Herrn, meinem Gott, der um meines Heiles willen zum Leiden kommt, heute würdig und wohlgefällig entgegengehen kann.“ Der Herr antwortete: „Bereite mir ein Lasttier, auf das ich mic....
Es steht geschrieben: „So sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören“ (Röm 12,5). Denn Christus führt uns zur Einheit zusammen durch Bande der Liebe: „Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein....
Glauben musst du auch an den einen und einzigen Sohn Gottes, unsern Herrn Jesus Christus, Gott, erzeugt aus Gott, Leben, erzeugt aus dem Leben, Licht, erzeugt aus dem Lichte. Ähnlich ist er in allem dem Erzeuger. Nicht in der Zeit hat er das Sein erhalten, sondern vor aller Ewigk....
Wo hat denn diese Begegnung (zwischen Abraham und seinen drei Besuchern) stattgefunden? „Bei den Eichen von Mamre“, was so viel wie „Vision“ oder auch „Hellsichtigkeit“ bedeutet. Seht ihr, an welchem Ort der Herr eine Begegnung veranlassen kann? Der klare, durchdringende Blick Ab....
Wenn du unseren ehrwürdigen, hochheiligen Glauben kennen gelernt hast, musst du auch dich selbst kennen lernen. Als Mensch hast du zwei Naturen, bist aus Seele und Leib zusammengesetzt. Ein und derselbe Gott ist, wie vor kurzem bemerkt, der Schöpfer der Seele und des Leibes. Dein....
Willst du wissen, welche Kraft im Blute Christi verborgen ist? Schau, wo es zu fließen begann und wo seine Quelle ist: Es fließt herab vom Kreuz, aus der Seite des Herrn. Als Jesus, wie das Evangelium sagt, schon tot war, aber noch am Kreuz hing, kam ein Soldat herbei, „stieß mit....
Christus ist derjenige, der „wusste, was im Menschen ist“ (vgl. Joh 2,25), im Mann und in der Frau. Er kennt die Würde des Menschen, seinen Wert in den Augen Gottes. Er selbst, der Erlöser, ist die endgültige Bestätigung dieses Wertes. Alles, was er sagt und tut, findet im Osterm....
Der Herr sagt nur dieses eine Wort: „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43), wie ein Herr, der seinen Diener ruft. Und was geschieht? Der Diener kam heraus, um seinem Herrn zu gehorchen. Er kam heraus ohne zu zögern. So etwas hatte der Hades nicht erwartet, der Tod lehnte sich nicht ....
Sei gegrüßt, du edles, herrliches und unberührtes Mädchen! Schülerin der Keuschheit, Mutterboden der Heiligkeit, o Freude Gottes! Denn durch himmlischen Einguss in dich geschah es, Dass das himmlische Wort in dir Fleisch annahm! Strahlende Lilie, auf die Gott schaute vor a....
Nach Jesus zu suchen, ist meistens von großem Wert; denn es bedeutet dasselbe wie die Suche nach dem Wort, der Wahrheit und der Weisheit. Ihr werdet jedoch einwenden, dass der Ausdruck „Jesus suchen“ manchmal Leute betrifft, die ihm schaden wollen. Zum Beispiel: „Sie suchten ihn,....
Hochwürdigster und liebster Vater in Christus, dem süßen Jesus! Ich, Katharina, Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe Ihnen in seinem kostbaren Blut mit dem Wunsch, Sie mögen die süße Wahrheit aufrichtig lieben. […] In diesem Blut erkennen wir die Wahrheit im Lic....
Gehorsam ist eine Tugend, die den Menschen mit Gott vereint, indem sie ihn dem göttlichen Willen unterwirft, der von Gott selbst oder von seinen Repräsentanten kundgetan wird. Es wurde sogar gesagt, dass diese Tugend fast schon theologal ist. Tatsächlich ist sie mit der Tugend de....
Der Mensch bedarf ständig der göttlichen Hilfe: Das kann mühelos aufgezeigt werden. Die menschliche Gebrechlichkeit kann von sich aus und ohne die Hilfe Gottes nichts, was das Heil betrifft, erreichen. […] Immer wieder kommt es vor, dass wir ein nützliches Ziel verfolgen; unserem....
Auch über die Arbeit des Zimmermanns im Haus von Nazaret breitet sich dieselbe Atmosphäre des Schweigens aus, die alles, was sich auf die Gestalt des Josef bezieht, begleitet. Es ist jedoch ein Schweigen, das auf besondere Weise das innere Profil dieser Gestalt freilegt. Die Evan....
Dies ist die Seele, die arm ist im Geist. Sie erkennt ihre Wunden. Sie erkennt auch die Dunkelheit der Leidenschaften, von denen sie umgeben ist. Sie trachtet beständig nach der Erlösung, die vom Herrn kommt. Sie trägt die Mühen und ergötzt sich an keinem der Güter dieser Welt. S....
Da ist […] der Pharisäer, ein Mensch, überzeugt von seiner Wichtigkeit, von sich selbst ganz eingenommen; sein „Ich“ klingt aus jedem seiner Worte und drückt seiner Haltung den Stempel auf. […] Der Pharisäer hat das „doppelte Herz“ (Ps 11,3), von dem der Psalmist spricht. Seine V....
Wir wissen nicht genug darüber, was Gott sich von unserem Herzen wünscht. Wir haben noch nicht genug von Jesus im Evangelium gelernt, dass Gott das Herz, das er geschaffen hat, nicht zurückweist, sondern dass Gott unser Herz verändern will und kann; dass Gott will, dass wir ihn „....
Ein Christ, der heiligen Gebrauch vom Gebet und von den Sakramenten macht, ist für den Teufel so furchtbar wie ein Dragoner – mit funkelnden Augen auf seinem Schlachtross, mit Panzer, Säbel und Pistolen bewaffnet –, vor seinem unbewaffneten Feind: Seine bloße Gegenwart lässt ihn ....
„Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen“ (vgl. Mt 5,17). […] In jener Zeit machte der Herr tatsächlich von seiner Macht Gebrauch, um in seiner Person alle Mysterien zu erfüllen, die das Gesetz über ihn angekündigt hatte. Denn in seiner Passion....
Mitgefühl einerseits und Urteilen nach Recht und Gesetz andererseits sind, wenn sie in ein und derselben Seele leben, wie ein Mensch, der Gott und Götzenbilder in demselben Haus anbetet. Mitgefühl ist das Gegenteil vom Urteilen nach Recht und Gesetz. Das Urteilen nach Recht und G(....)
Warum wurde Elija zu einer Zeit, da die ganze Welt von Hungersnot heimgesucht war, zu einer Witwe gesandt? Zwei Frauen werden auf einzigartige Weise begnadet: Zu einer Jungfrau kommt ein Engel, zu einer Witwe ein Prophet; dort Gabriel, hier Elija. Die bedeutendsten unter den Engeln und Propheten sind es, die dazu ausgewählt werden. Aber nicht die Witwenschaft an sich ist es, die Lob verdient, sondern nur, wenn sie mit Tugenden verbunden ist. In der Geschichte mangelt es nicht an Witwen; eine jedoch, die durch ihr großes Beispiel ermutigt, hebt sich von den anderen ab. […] Gott ist für Gastfreundschaft besonders empfänglich: Im Evangelium verspricht er ewigen Lohn für ein Glas frisches Wasser (vgl. Mt 10,42), hier die unendliche Fülle seiner Reichtümer für eine Handvoll Mehl und ein wenig Öl. […] Wie können wir uns für Herren über die Früchte der Erde halten, wenn die Erde selbst doch eine immerwährende Gabe ist? […] Wir verdrehen den Sinn des universellen Gebotes zu unserem Vorteil: „Alle Bäume mit samenhaltigen Früchten sollen euch zur Nahrung dienen, wie auch allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt“ (vgl. Gen 1,29–30). Wenn wir Vorräte horten, wird uns das nur Leere und Not einbringen. Wie können wir denn auf die Verheißung hoffen, wenn wir den Willen Gottes nicht befolgen? Das Gebot der Gastfreundschaft zu halten und unseren Gästen Ehre zu erweisen ist heilsam: Sind wir nicht selber Gäste hier auf Erden? Wie vollkommen ist doch diese Witwe! Heimgesucht von einer großen Hungersnot, hatte sie doch nicht aufgehört, Gott zu verehren. Sie behielt ihre Vorräte nicht für sich, sondern teilte sie mit ihrem Sohn. Das ist ein schönes Beispiel mütterlicher Zärtlichkeit, aber ein noch schöneres Beispiel des Glaubens. Sie hätte ihrem Sohn niemanden vorziehen müssen, und was tut sie? Sie stellt den Propheten Gottes sogar über ihr eigenes Leben. Glaubt mir, sie hat nicht nur ein wenig Nahrung, sondern ihren ganzen Lebensunterhalt gegeben. Sie behielt nichts für sich zurück. So wie ihre Gastfreundschaft sie zu einer völligen Hingabe führte, so führte ihr Glaube sie zu einem totalen Vertrauen. Quelle: Evangelizo
Wenn uns die Heilige Schrift über die lebenspendende Wirklichkeit belehrt, dann spricht sie zu uns durch ein Wort, das von Gott selbst ausgeht: „Mich hat es [das Volk] verlassen, den Quell des lebendigen Wassers“ (Jer 2,13), oder mit den Worten des Erlösers an die samaritische Frau: „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (Joh 4,10), oder: „Wer Durst hat, komme zu mir und trinke“, denn: „Wer an mich glaubt, aus dessen Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (vgl. Joh 7,37.39). In all diesen Fällen wird die göttliche Natur als lebendiges Wasser bezeichnet. Das untrügliche Zeugnis des Wortes belegt, dass die Braut [aus dem Hohenlied (Hld 4,15)] ein Brunnen lebendigen Wassers ist, dessen Strom vom Libanon herabfließt. Gibt es ein größeres Paradox? Denn während alle Brunnen stehendes Wasser enthalten, trägt einzig die Braut fließendes Wasser in sich, und zwar so, dass sie sowohl die Tiefe des Brunnens als auch die Beweglichkeit des Flusses in sich vereint. Wer könnte die durch diesen Vergleich angedeuteten Wunder angemessen ausdrücken? Es scheint, dass sie [die Braut] sich gar nicht höher erheben kann, weil sie in allem der Schönheit des Urbildes gleicht. Sie ahmt auf vollkommene Weise mit ihrem Hervorsprudeln das Hervorsprudeln, mit ihrem Leben das Leben und mit ihrem Wasser das Wasser nach. Lebendig ist das Wort Gottes, lebendig ist auch die Seele, die das Wort empfangen hat. Dieses Wasser entspringt aus Gott, wie die Quelle sagt: „Von Gott bin ich ausgegangen und gekommen“ (Joh 8,42). Und sie selbst [die Quelle] enthält das, was im Brunnen der Seele fließt, die dadurch zu einem Auffangbecken dieses lebendigen Wassers wird, das fließt oder besser gesagt herabrieselt vom Libanon (vgl. Hld 4,15). Quelle: Evangelizo
„Aber der Mensch, wenn er tot ist, entblößt und aufgezehrt – ich frage, wo ist er dann wohl?“ (vgl. Ijob 14,10). Gibt es denn gar keinen Menschen ohne Sünde? Nur einen einzigen, nämlich den, der in diese Welt gekommen ist, ohne in Sünde geboren zu werden. Und wie wir alle in den Fesseln der Sünde liegen, so sterben wir alle an dem Verlust der Gerechtigkeit: Des Gewandes der Unschuld, mit dem wir einst im Paradies bekleidet wurden, werden wir entblößt, und durch den Tod des Leibes, der die Folge davon ist, werden wir auch aufgezehrt. […] Das ist die Nacktheit seines sündigen Sohnes, die der Vater bedecken wollte, als er am Tag seiner Heimkehr sagte: „Holt schnell das erste [das beste] Gewand herbei!“ (vgl. Lk 15,22). Ja, das erste Kleid ist das Gewand der Unschuld, jener Unschuld, die der Mensch zu seinem Glück am Tag seiner Erschaffung erhielt, und die er zu seinem Unglück, von der Schlange verführt, verlor. Gegen diese Nacktheit sagt die Schrift auch: „Selig, wer wach bleibt und sein Gewand anbehält, damit er nicht nackt gehen muss“ (Offb 16,15). Wir behalten unsere Kleider an, wenn wir in unserem Geist die Gebote der Unschuld bewahren: Mag auch ein Fehler uns nackt vor den Richter treten lassen, so kehren wir zu der verlorenen Unschuld zurück, und die Buße gibt uns unsere Kleider wieder. Quelle: Evangelizo
„Ich bin der wahre Weinstock“, sagt Jesus (Joh 15,1). […] Um diesen Weinstock herum werden Gräben ausgehoben, das heißt hinterlistige Fallen gegraben. Wenn man einen Komplott schmiedet, um jemanden in eine Falle zu locken, so ist das, als würde man ihm eine Grube graben. Deshalb klagt der Psalmist: „Sie haben mir eine Grube gegraben“ (Ps 57(56),7). […] Hier ein Beispiel für solche Fallen: „Sie brachten eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war“ zu Jesus und sagten: „Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du?“ (vgl. Joh 8,3–5). […] Und ein weiteres Beispiel: „Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder nicht?“ (Mt 22,17). Doch sie mussten feststellen, dass diese Fallen dem Weinstock nicht schadeten; im Gegenteil, „sie haben mir eine Grube gegraben; doch fielen sie selbst hinein“ (Ps 57(56),7). […] Daraufhin haben sie weiter gegraben und gebohrt: Nicht nur Hände und Füße (vgl. Ps 22(21),17), sondern sie durchbohrten mit einer Lanze seine Seite (vgl. Joh 19,34) und öffneten das Innere dieses heiligsten Herzens, das bereits durch die Lanze der Liebe verwundet worden war. Im Hohenlied seiner Liebe sagt der Bräutigam: „Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester, meine Braut“ (Hld 4,9 Vulg.). Herr Jesus, dein Herz wurde durch Liebe verwundet von deiner Braut, deiner Freundin, deiner Schwester. Warum mussten es auch noch deine Feinde verwunden? Was tut ihr, ihr Feinde? […] Wusstet ihr nicht, dass dieses bereits zerschlagene Herz des Herrn Jesus schon tot, schon geöffnet ist und von keinem weiteren Schmerz mehr getroffen werden kann? Das Herz des Bräutigams, des Herrn Jesus, hat bereits die Wunde der Liebe, den Tod der Liebe empfangen. Welcher andere Tod könnte ihm noch etwas anhaben? […] Auch die Märtyrer lachen, wenn man sie bedroht, sie freuen sich, wenn man sie schlägt, und sie triumphieren, wenn man sie tötet. Warum das so ist? Weil sie in ihrem Herzen bereits aus Liebe gestorben sind, weil sie „für die Sünde tot sind“ (Röm 6,2) und für die Welt. […] Das Herz Jesu wurde also für uns verwundet und getötet […]; der leibliche Tod triumphierte wohl einen Augenblick lang, um dann aber für immer besiegt zu werden. Er wurde vernichtet, als Christus von den Toten auferstand, denn „der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 6,9). Quelle: Evangelizo
„Du hast ihn für eine kurze Zeit stark gemacht, damit er in ein ewiges Leben übergehe“ (vgl. Ijob 14,20 Vulg.). Für kurze Zeit wurde der Mensch stark gemacht, denn für eine bestimmte Zeitspanne erhielt er die Kraft, in dieser Welt zu leben, um dann in ein ewiges Leben einzugehen, wo seinem Leben kein Ende mehr gesetzt wird. Aber in dieser kurzen Zeitspanne, für die er stark gemacht wurde, entscheidet er, ob er in der Ewigkeit entweder immerwährende Freuden oder Qualen finden wird, ohne ihnen jemals entrinnen zu können. Und weil er eben nur für eine kurze Zeitspanne gestärkt wurde, fügt Ijob sogleich die treffenden Worte hinzu: „Du wirst sein Angesicht verändern und ihn wegschicken.“ Das Angesicht des Menschen wird verändert, wenn seine Schönheit durch den Tod zerstört wird. Weggeschickt wird er ebenfalls, denn er wird gezwungen, von den Gütern, die er sich mit freiem Willen erworben hat, gegen seinen Willen in die Welt der Ewigkeit hinüberzugehen; und wenn er dort angekommen ist: Was wird dann aus diesen Gütern, nachdem er sie zurückgelassen hat? Was wird aus diesen Gütern, über die er mit so viel Mühe zum Herrn und Besitzer geworden ist? Er weiß es nicht. Daher heißt es weiter: „Sind seine Kinder in Ehren, er weiß es nicht; sind sie verachtet, er merkt es nicht“ (vgl. Ijob 14,21 Vulg.). Wenn nämlich die, die noch leben, nicht wissen, wo sich die Seelen der Toten befinden, so wissen auch die Toten nicht, wie das irdische Leben derer verläuft, die sie überleben; denn das Leben des Geistes ist weit entfernt vom Leben des Fleisches. Und wie das Körperliche und das Geistige gegensätzlich in ihrer Natur sind, so sind sie auch in ihrer Erkenntnis grundverschieden. Diese Unterscheidung gilt jedoch nicht für die heiligen Seelen; denn wenn sie in sich selbst den strahlenden Glanz des allmächtigen Gottes sehen, kann man doch nicht meinen, dass außerhalb von ihnen etwas existieren könnte, von dem sie nichts wissen. Quelle: Evangelizo
Wenn Schmerz meine Seele befällt, Der Horizont sich verdunkelt zur Nacht, Das Herz zerrissen, von Marter und Pein – Bist Du, gekreuzigter Herr, meine Macht. Wenn die Seele vom Leiden umnachtet, Ihre Kraft anstrengt und kämpft ohne Ruh’ Das Herz in bitterer Marter zerbricht – Gekreuzigter Jesus – Hoffnung bist Du! So schwinden die Stunden tagein, tagaus, Die Seele in Fluten der Bitternis, Das Herz zerfließt in Strömen von Tränen, Gekreuzigter Jesus – Du bist mein Licht! Wenn Bitterkeit den Kelchrand übersteigt, In Verschwörung alles feindselig mir trotzt, Die Seele Weilen des Ölbergs erfährt – Gekreuzigter Heiland – bist Du mir Schutz. Wenn die Seele selbst sich nicht schuldig fühlt, Und doch die Zulassung Gottes bejaht, Kann das Herz Verdruss mit Liebe lohnen. Gekreuzigter – wandle Ohnmacht in Macht. Quelle: Evangelizo
„Nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“ Du sagst es uns deutlich, mein Herr Jesus: Alle Menschen bilden eine große Familie. Alle sind Brüder und Gott ist der gemeinsame Vater. Alle müssen füreinander solche Gedanken, Worte und Werke haben, wie ein guter Vater es sich von seinen Kindern untereinander wünscht. Die Liebe, von der der beste aller Väter möchte, dass sie unter seinen Kindern herrsche, ist genau die Liebe, die wir allen Menschen schulden, jedem Menschen, ohne Ausnahme. Und Jesus, unser Vorbild, gibt uns ein Beispiel dafür: Gott selbst ist es, der auf die Erde kommt, um uns in menschlicher Gestalt zu zeigen, wie er möchte, dass jeder Mensch die anderen Menschen liebt. Was tut Jesus? Er lebt vierunddreißig Jahre und vergießt unter grausamsten Qualen sein Blut für die Heiligung und das Heil aller Menschen. Nicht nur für alle im Allgemeinen, sondern für jeden einzelnen, sodass es keinen Menschen gibt, von dem man nicht sagen muss: Für diesen Menschen ist Jesus gestorben, um ihn zu retten und heilig zu machen. Nach dem Gebot der brüderlichen Liebe folgt hier das Beispiel, wie Jesus es gegeben hat. Wie der heilige Paulus sagt: „Denn um einen teuren Preis ist euer Bruder erkauft worden“ (vgl. 1 Kor 6,20). Jeder Mensch ist unser wahrer Bruder in Gott, und jeder Mensch wurde von Jesus so sehr geliebt und hoch geschätzt, dass er für ihn gestorben ist. Jeder Mensch muss uns als Bruder erscheinen, und zwar als ein Bruder, der wie mit einem Mantel vom Blut Jesu bedeckt ist. Quelle: Evangelizo
O unaussprechliche Liebe! Oh süße Liebe! O ewiges Feuer! Du bist das Feuer, das immer brennt! O höchste und ewige Dreifaltigkeit, du bist die Redlichkeit ohne Makel, die Einfachheit ohne Schatten, die Aufrichtigkeit ohne irgendeine Verstellung. Wende den Blick deiner Barmherzigkeit auf deine Geschöpfe. Ich verstehe, dass die Barmherzigkeit dir zu eigen ist, und wohin ich mich auch wende, finde ich nur deine Barmherzigkeit. Darum eile ich zu dir, ich schreie vor deiner Barmherzigkeit: O Gott, hab Erbarmen mit der Welt! O ewiger Vater, du willst, dass wir dir nach deinem Willen dienen, und du selbst bestimmst die Wege deiner Diener. Daraus lernen wir, dass wir den inneren Zustand eines Geschöpfes in keiner Weise nach seinen äußeren Werken beurteilen können, sondern dass wir uns auf deinen Willen verlassen müssen, vor allem in Bezug auf deine Diener, die mit diesem Willen vereint und in ihn umgewandelt sind. Daher ist der Christ glücklich, der in deinem Licht die unendlich vielfältigen Wege und Werke deiner Diener betrachtet: Welche Pfade auch immer sie einschlagen, sie laufen doch alle auf dem feurigen Pfad deiner Liebe, sonst würden sie nicht wirklich deiner Wahrheit folgen. […] O ewige Gottheit! Wie wahr ist es, dass dir die Barmherzigkeit zu eigen ist! […] Hast du nicht heute aus Barmherzigkeit mich Elende wissen lassen, dass wir die Absichten eines vernunftbegabten Geschöpfes in keiner Weise beurteilen können? Denn unendlich vielfältig sind die Wege, die du ihnen nach deinem Wohlgefallen bahnst, wie du es mir es an meinem eigenen Beispiel gezeigt hat. Dank sei dir, o mein Gott! Quelle: Evangelizo
Gott, der alles erschaffen hat, hat den Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis gemacht (vgl. Gen 1,26) und in ihm die höheren und niederen Geschöpfe eingezeichnet. Und Er hat ihn so geliebt, dass Er ihn für jenen Ort bestimmte, aus dem der Engel bei seinem Sturz geschleudert worden war, und ihn in den Ruhm und die Ehre einsetzte, die jener mit seiner Seligkeit verloren hatte. Das zeigt auch diese Schau, die du siehst. Denn dass du […] im Geheimnis Gottes ein schönes, wundervolles Bild wie die Gestalt eines Menschen siehst, das bedeutet: In der Kraft der unvergänglichen Gottheit ist die Liebe des himmlischen Vaters von auserlesener Schönheit und wunderbar in ihren geheimnisvollen Gaben. Sie hat Menschengestalt. Denn als der Sohn Gottes Fleisch annahm, erlöste Er durch den Dienst der Liebe den verlorenen Menschen. Daher ist dessen Angesicht von so großer Schönheit und Klarheit, dass du leichter in die Sonne blicken könntest als auf es. Denn die Fülle der Liebe liegt in dem so mächtig strahlenden Leuchten Seiner Gaben, dass sie jede Einsicht menschlichen Wissens, mit dem es in der Seele die verschiedenen Dinge erkennen kann, so übertrifft, dass man sie mit seinen Sinnen keineswegs erfassen kann. Quelle: Evangelizo
Das Gebot des Erlösers selbst fordert uns zur Ähnlichkeit mit dem Vater auf: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Auf den unteren Stufen [des geistlichen Lebens] wird die Liebe zum Guten zuweilen unterbrochen, wenn Lauheit, Selbstzufriedenheit oder Vergnügungen den Eifer der Seele lockern und sie die Furcht vor der Hölle oder das Verlangen nach dem zukünftigen Glück für eine Weile aus den Augen verliert. Dennoch sind sie wie Stufen in der Entwicklung, ein Lernprozess. Nachdem wir am Anfang das Laster aus Furcht vor Strafe oder aus Hoffnung auf Belohnung gemieden haben, wird es uns nicht gelingen, auf diese Weise zur Ebene der Liebe zu gelangen: „Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet. Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1 Joh 4,18–19). Kein anderer Weg kann uns zur wahren Vollkommenheit führen: Wie Gott uns zuerst geliebt hat, auf nichts anderes achtend als auf unser Heil, so sollen wir ihn einzig und allein um seiner Liebe willen lieben. Lasst uns also mit ganzem Eifer von der Furcht zur Hoffnung aufsteigen, von der Hoffnung zur Gottesliebe und zur Tugendliebe. Wir wollen wachsen in der Hinneigung zum Guten um seiner selbst willen und unerschütterlich daran festhalten, soweit es der menschlichen Natur möglich ist. Quelle: Evangelizo
Welcher Art auch immer die Beleidigungen sein mögen, mit denen der Mönch beschimpft wird, so bewahre er doch den Frieden, und zwar nicht nur auf seinen Lippen, sondern auch im Grunde seines Herzens. Wenn er sich auch nur im Geringsten aufgebracht fühlt, hülle er sich in absolutes Schweigen und befolge genau, was der Psalmist sagt: „Ich erschrak und redete nicht“ (Ps 76,5 LXX); „Ich sagte: Wachen will ich über meine Wege, um nicht mit meiner Zunge zu sündigen. Meinem Mund stellte ich eine Wache hin, als sich der Sünder gegen mich aufstellte. Stumm wurde ich und erniedrigt, und ich schwieg selbst über gute Dinge“ (vgl. Ps 38,2–3 LXX). Er soll nicht dabei verweilen, das gegenwärtige Übel zu bedenken; seine Lippen sollen nicht laut werden lassen, was ihm sein augenblicklicher Zorn eingibt oder was ihm sein erregtes Herz vorschreibt. Vielmehr soll er in seinem Geiste die Freundlichkeit und Liebe vergangener Zeiten aufleben lassen; oder er richte seinen Blick in die Zukunft, um dort im Geiste schon den wie früher wiederhergestellten Frieden zu sehen; in dem Augenblick, in dem er sich innerlich aufgebracht fühlt, möge er diesen Frieden betrachten in dem Gedanken, dass er bald wieder einkehren wird. Während er sich für die Süße der baldigen Eintracht bereithält, wird er die Bitterkeit des gegenwärtigen Streites nicht spüren und lieber eine Antwort geben, für die er sich weder selbst anklagen noch von seinem Bruder getadelt werden muss, wenn die Freundschaft wiederhergestellt sein wird. Auf diese Weise erfüllt er das Wort des Propheten: „Im Aufgewühltsein des Zornes gedenke der Barmherzigkeit“ (vgl. Hab 3,2 LXX). Quelle: Evangelizo
Der Grund, weshalb wir unsere Zuflucht zum Gebet nehmen sollten, ist der, dass sich dadurch alles zu unserem Vorteil wendet. Der liebe Gott will unser Glück und er weiß, dass wir es nur durch das Gebet erlangen können. Außerdem, meine Brüder, welche größere Ehre kann es für ein geringes Geschöpf wie uns geben, dass Gott sich gern ihm herablässt und sich mit ihm so vertraut unterhält, wie ein Freund mit seinem Freund. Seht ihr, wie gütig er ist, wenn er uns erlaubt, ihm unseren Kummer und unsere Sorgen mitzuteilen? Und dieser gute Heiland beeilt sich, uns zu trösten, uns in den Prüfungen zu unterstützen, oder, um es besser zu sagen: Er leidet für uns. Sagt mir, meine Brüder, würde es nicht bedeuten, unser Heil und unser Glück auf Erden aufzugeben, wenn wir nicht beten? Denn ohne das Gebet können wir nur unglücklich sein, mit dem Gebet aber sind wir sicher, alles zu erhalten, was wir für Zeit und Ewigkeit brauchen, wie wir sehen werden. Ich sage erstens, meine Brüder, dass dem Gebet alles verheißen ist, und zweitens, dass das Gebet alles erlangt, wenn es gut verrichtet ist: Das ist eine Wahrheit, die Jesus Christus uns fast auf jeder Seite der Heiligen Schrift wiederholt. Die Verheißung, die Jesus Christus und gibt, ist eindeutig: „Bittet“, sagt er, „dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Alles, was ihr im Gebet erbittet, werdet ihr erhalten, wenn ihr glaubt“ (vgl. Mt 7,7; 21,22). Jesus Christus begnügt sich nicht damit, uns zu sagen, dass ein gut verrichtetes Gebet alles erlangt. Um uns noch tiefer davon zu überzeugen, versichert er uns mit einem Eid: „Amen, amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“ (Joh 16,23). Nach den Worten Jesu Christi selbst scheint es mir unmöglich, meine Brüder, an der Macht des Gebetes zu zweifeln.
Du bist Christ durch und für die Liebe; durch nichts anderes und für nichts anderes. […] Liebe ist mehr als das Notwendige, um existieren zu können, mehr als das, was zum Leben notwendig ist, mehr als das, was zum Handeln notwendig ist; Liebe ist unser Leben, das zum ewigen Leben wird. Wenn wir von der Liebe lassen, lassen wir von unserem Leben. Eine Handlung ohne Liebe ist ein plötzlicher Tod, ein Akt der Liebe ist eine augenblickliche Auferstehung. Liebe kannst du nicht machen: Du empfängst sie. Unvollkommene Liebe ist ein unvollständig empfangenes Geschenk; vollkommene Liebe ist ein vollständig empfangenes Geschenk. Liebe ist so kostenlos, wie sie notwendig ist. Du gewinnst sie nicht wie einen Wettbewerb. Du gewinnst sie, indem du sie ersehnst, um sie bittest, sie empfängst und sie weitergibst. Liebe kann man nicht erlernen, man lernt sie nach und nach kennen, indem man Christus kennenlernt. Es ist der Glaube an Christus, der uns zur Liebe fähig macht; es ist das Leben Christi, das uns die Liebe offenbart; es ist das Leben Christi, das uns zeigt, wie wir die Liebe ersehnen, erbitten und empfangen sollen. Es ist der Geist Christi, der uns lebendig macht in der der Liebe, wirksam durch Liebe, fruchtbar in der Liebe. Alles kann der Liebe dienlich sein, Ohne sie ist alles unfruchtbar, vor allem wir selbst.
Wenn wir von allen Menschen verlassen und vom Teufel versucht werden; wenn Gott sich verhüllt und vor uns verbirgt; wenn wir alle möglichen Schmerzen des Leibes und der Seele erleiden – dann lasst uns Gott Dank sagen, dann wollen wir „uns freuen und jauchzen“ (vgl. Lk 6,23), denn dann gehen wir Hand in Hand mit Jesus […]. Wenn wir Tag und Nacht beten; wenn wir in Dunkelheit, Schmerz und bitterem Leid sind; wenn wir für Anliegen beten, für die man beten muss, und wir werden nicht erhört; wenn das Böse, das moralisch Böse, die Sünde weiterhin aus uns heraus- und in uns hineinströmt – dann lasst uns Gott Dank sagen, dann wollen wir „uns freuen und jauchzen“, denn dann gehen wir Hand in Hand mit Jesus […]. Wenn wir von allen verachtet werden als die Geringsten unter den Menschen; wenn man buchstäblich und im übertragenen Sinn Steine nach uns wirft; wenn Unbekannte uns verspotten und Leute, die uns kennen, ihr Spiel mit uns treiben und uns verschmähen; wenn wir verleumdet und verachtet werden – dann lasst uns Gott von ganzem Herzen danken, dann wollen wir „uns freuen und jauchzen“, denn dann gehen wir Hand in Hand mit Jesus […]. Wenn man uns verspottet und auf der Straße beschimpft; wenn man uns im Vorbeigehen lächerlich macht und spöttische oder grobe Worte sagt – dann lasst uns Gott Dank sagen mit tiefer Dankbarkeit und Freude; dann wollen wir „uns freuen und jauchzen“, denn dann gehen wir Hand in Hand mit Jesus.
Stelle Dein Denken vor den Spiegel der Ewigkeit, stelle Deine Seele in den Abglanz der Herrlichkeit, stelle Dein Herz vor das Bild der göttlichen Wesenheit, und forme Deine ganze Person durch die Beschauung in das Bild seiner Gottheit um, damit Du empfindest, was seine Freunde empfinden, wenn sie die verborgene Süße verkosten, die Gott selbst von Anbeginn für die aufbewahrt hat, die ihn lieben. Beachte nichts von dem, was in dieser trügerischen, unruhigen Welt ihre blinden Liebhaber umgarnt. Liebe jenen mit ganzer Hingabe, der sich um Deiner Liebe willen ganz hingeschenkt hat. Seine Schönheit bewundern Sonne und Mond, seine Belohnungen sind unvergleichlich kostbar und in ihrer Größe ohne Grenzen. Ihn meine ich, den Sohn des Allerhöchsten, den die Jungfrau gebar und nach dessen Geburt sie Jungfrau blieb.
Glauben Sie fest daran, dass es auf der Welt niemanden gibt, weder Freund noch Bruder, weder Vater noch Mutter, weder Ehegatte noch Verlobter, der Sie mehr liebt als dein Gott dich liebt. Die göttliche Gnade ist dieser kostbare Schatz, dieser unerschöpfliche Schatz, von dem der Weise spricht, der uns, sobald wir davon Gebrauch machen, zu Teilhabern an der Freundschaft mit Gott macht (vgl. Weish 7,14). Vor diesem Gott waren wir nur mickrige Geschöpfe, arme Diener; und siehe da, nun werden wir zu Freunden, zu liebsten Freunden unseres Schöpfers selbst. Damit wir mehr Zutrauen zu ihm haben, hat er sich selbst entäußert (vgl. Phil 2,7), er hat sich sozusagen erniedrigt bis zur Menschwerdung, um vertraulich mit den Menschen sprechen zu können (vgl. Bar 3,38). Doch nicht genug damit: Er wurde ein Kind; er wurde arm; er ließ sich sogar vor einem ganzen Volk durch ein Gerichtsurteil töten, an einem Kreuz. Mehr noch, er ging so weit, selbst die Gestalt des Brotes anzunehmen, um sich zu unserem täglichen Begleiter zu machen und sich in inniger Einheit mit jedem von uns zu verbinden. So sagt er: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56). Kurzum, es scheint, als ob er niemanden außer Ihnen liebt, so sehr liebt er Sie. Er ist es also, den Sie lieben müssen und keinen anderen. Von ihm können und sollen Sie sagen: „Der Geliebte ist mein, und ich bin sein“ (Hld 2,16); mein Gott hat sich vorbehaltlos hingegeben, und vorbehaltlos gebe ich mich ihm hin; ich wurde von ihm erwählt als Objekt seiner Zärtlichkeit; und er, ausgezeichnet unter Tausenden, unter allen, er ist weiß und rot (vgl. Hld 5,10), so liebenswert und so liebevoll, er ist der Erwählte meines Herzens, der einzige, den ich lieben will.
Was immer die Seele auf allen Stufen ihrer inneren Entwicklung tut, ist stets nur ein Mitwirken. Sie ist nicht allein. Gott wirkt in ihr und mit ihr, er ist immer die erste Ursache ihres Fortschrittes. Wohl gilt es am Anfang, da die Seele noch in Sünden und üblen Gewohnheiten verstrickt ist, durch heißen Kampf und mit Aufgebot aller Kräfte die Hindernisse zu beseitigen, die sich der Vereinigung mit Gott entgegenstellen. In dieser Zeit fordert Gott eine lebendige, immer bereite Mitwirkung der Seele, der dies durch die Stimme des Gewissens deutlich und unablässig zum Bewusstsein kommt. Gott gewährt ihr häufig fühlbare Gnaden, um sie zu erheben und zu ermutigen. Die Seele jedoch befindet sich in einem Zustand, in welchem Trost und Verlassenheit, Licht und innere Schwierigkeiten wechseln. Sie fällt und steht wieder auf – sie müht sich ab und ruht wieder aus, sie hält erschöpft inne und strebt dann wieder ungestüm voran. In dem Maße aber, als die Seele voranschreitet und die Hindernisse schwinden, wird ihr Innenleben ruhiger, regelmäßiger, einheitlicher. Das Wirken Gottes macht sich stärker fühlbar und kann sich freier entfalten, weil die Seele keinen Widerstand mehr entgegensetzt und sich williger von der Gnade lenken lässt. Nun schreitet sie rasch voran auf dem Weg der Vollkommenheit. […] Der Heiland hat uns sehr klar diese Grundwahrheit gelehrt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5). […] Sich einbilden, dass Christus die ganze Arbeit auf sich nehmen werde, wäre eine gefährliche Täuschung; aber glauben, wir könnten irgend etwas ohne ihn tun, wäre ein nicht minder gefährlicher Irrtum. Wir müssen ganz und gar davon überzeugt sein, dass unsere Werke nur deswegen Wert haben, weil wir mit Christus vereinigt sind.
Für alle, die sich zu Christus bekennen, ziemt es sich besonders, in die menschliche Gesellschaft Licht und Liebe zu tragen, wie Sauerteig in der Masse zu wirken. Dies wird um so mehr der Fall sein, je enger sich das Herz eines jeden an Gott bindet. Denn es wird gewiss kein Friede in der menschlichen Gesellschaft herrschen, wenn er nicht zuerst im Herzen jedes einzelnen Wohnung nimmt, wenn nicht jeder in sich die gottgewollte Ordnung wahrt. […] Es handelt sich hier um eine so hohe und so bedeutende Aufgabe, dass ein Mensch – sei er auch höchsten Lobes würdig und vom besten Willen beseelt – sie nie erfüllen könnte, wenn er sich nur auf seine eigene Kraft verließe. Dass die menschliche Gesellschaft soweit als möglich ein Abbild des Gottesreiches werde, dazu braucht es dringend der Hilfe des göttlichen Geistes. […] In seinem bitteren Leiden und Sterben [hat Christus] […] unsere Schuld, den Quell der Zwietracht, des Elends und der Ungerechtigkeiten, getilgt […] „Er selbst ist ja unser Friede […] und so kam er, euch, den Fernen wie auch den Nahen, den Frieden kundzutun“ (Eph 2,14–17). Auch in der heiligen Liturgie dieser Ostertage hören wir dieselbe Botschaft: „Nach seiner Auferstehung stand unser Herr Jesus inmitten seiner Jünger und sprach: ‚Der Friede sei mit euch, alleluja‘: Da freuten sich die Jünger, weil sie den Herrn sahen“ (Resp. ad Mat., Freitag in der Osterwoche). Christus selbst hat uns ja den Frieden geschenkt und zum Vermächtnis gegeben: „Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Diesen Frieden, den der göttliche Erlöser uns gebracht hat, müssen wir von ihm in eindringlichem Gebet erbitten. Christus möge von den menschlichen Herzen entfernen, was immer den Frieden gefährden kann; er möge alle zu Zeugen der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der brüderlichen Liebe machen. Er möge auch den Geist der Regierenden erleuchten […] Endlich möge Christus selbst den Willen aller Menschen entzünden, dass sie die Schranken zerbrechen, die die einen von den andern trennen; dass sie die Bande gegenseitiger Liebe festigen, einander besser verstehen; dass sie schließlich allen verzeihen, die ihnen Unrecht getan haben. So werden unter Gottes Führung und Schutz alle Völker sich brüderlich umarmen, und so wird stets in ihnen der ersehnte Friede herrschen.
Die Apostel, die dem Andenken Jesu treu blieben, freuten sich zusammen mit den neu zum Glauben gekommenen, weil sie in Jesus nicht nur den Hirten ihrer Seelen, sondern mehr noch den obersten Hirten gefunden hatten. Als die Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen, wollte Jesus andere „Hirten nach seinem Herzen“ (vgl. Jer 3,15) auswählen und berufen. Er tat dies aus freier Entscheidung, damit sie seine eigene Mission in der ganzen Welt bis zum Ende der Zeit fortführen. Sie sollen seine Gesandten, seine Boten, seine Apostel sein. Sie sollen nur in seinem Namen Hirten sein, zum Wohl der Herde und in der Kraft seines Geistes, dem sie treu bleiben müssen. Petrus, der erste unter ihnen, wird nach dem dreifachen Bekenntnis seiner Liebe zu Jesus zum Hirten seiner Schafe und Lämmer bestellt (vgl. Joh 21,15). Dann alle Apostel und nach ihnen noch andere, alle in demselben Geist. Und sie alle sollen durch alle Zeiten hindurch die ihnen anvertraute Herde des Herrn leiten, nicht als Beherrscher, sondern als Vorbilder für die Herde (vgl. 1 Petr 5,3), in völliger Selbstlosigkeit und mit dem ganzen Eifer ihres Herzens. Nur so können sie eines Tages ihren verdienten Lohn erhalten, wenn der oberste Hirte wiederkommt.
Um deine reiche Barmherzigkeit bitte ich dich, allmächtiger, barmherziger, milder, treuer und gütiger Vater. Du bist über alles Böse hoch erhaben. Mit deiner dir eigenen Güte, durch die Liebe deiner vor allen auserwählten Mutter, der Jungfrau Maria, unserer glorreichen Patronin, […] sieh heute mit dem Blick deiner Barmherzigkeit und Liebe auf mich dürres Zweiglein. Wehe, wehe, ich habe die Zeit meiner Einpfropfung, in der ich in diesen heiligen Orden eingepflanzt wurde, nicht beachtet, sondern habe die ganze Zeit meines Lebens in großer Unfruchtbarkeit vergehen lassen. Lass mich in dir wieder ganz zu Kräften kommen, in der geheiligten Wahrheit wieder aufblühen, dass ich ein echtes Mitglied des heiligen Ordens werde und ein wahrhaft geistliches Leben führe. Und lass mich dir, meinem liebenden Freund, die Frucht jeglicher Tugend und Heiligkeit bringen, so dass ich zur Zeit der Weinlese, das heißt, an meinem Sterbetag, in aller Vollkommenheit des geistlichen Lebens völlig gereift und vollendet vor dich hintrete. Amen.
„Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (vgl. Mt 5,48). Warum soll unsere Vollkommenheit, unsere Heiligkeit, die göttliche Heiligkeit nachahmen, die so unendlich weit von unserer menschlichen Schwachheit entfernt ist? Und ist es uns denn überhaupt möglich, das Geheimnis dieses göttlichen Lebens zu erkennen? Die Antwort auf diese doppelte Frage finden wir in folgenden Worten: Wir müssen unserem himmlischen Vater ähnlich sein, weil wir seine Adoptivkinder sind. Und um die Vollkommenheit dieses Vaters zu erkennen, brauchen wir nur zu Jesus Christus zu gehen. Der heilige Johannes sagt uns: „Niemand hat Gott je gesehen“ (Joh 1,18). Müssen wir also die Hoffnung aufgeben, ihn jemals kennenzulernen? Nein, denn der Jünger fügt sogleich die leuchtende Wahrheit hinzu: „Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ Begeistert von derselben Offenbarung Gottes, ruft der heilige Paulus aus: „Gott wohnt in unzugänglichem Licht“ (vgl. 1 Tim 6,16). Doch er, „der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kor 4,6). […] Christus ist Gott, der sich uns in menschlicher Gestalt zugänglichgemacht hat. Nach dem letzten Abendmahl sagte Philippus zu Jesus: „Herr, zeig uns den Vater“ (Joh 14,8). Und unser Herr antwortete mit einem feierlichen Wort, das gleichsam den Schlüssel zum Mysterium enthält: „Philippus, wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (vgl. Joh 14,9). In Jesus Christus ist also alles eine Offenbarung Gottes. […] Zu Jesu Füßen lernen wir die Vollkommenheiten Gottes kennen; indem wir seine Worte und Taten, sein Leiden und Sterben betrachten, dringen wir in die Geheimnisse der unendlichen Barmherzigkeit ein.
[Die hl. Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (vgl. Joh 14,6; 8,12). Und an anderer Stelle sagt meine Wahrheit auch noch, dass keiner zu mir kommen kann, außer durch ihn. Und so ist es wirklich. Wenn du dich recht erinnerst, ist es genau das, was ich dir sagte und darlegte, als ich dir den Weg aufzeigen wollte. Wenn er also sagt, dass er der Weg ist, so ist das die Wahrheit selbst, und ich zeigte dir, dass dieser Weg als Brücke geformt ist. Er hat auch gesagt, dass er die Wahrheit ist: Was könnte realer sein, da er doch mit mir, der Wahrheit, eins ist? Wer ihr folgt, geht also auf dem Weg der Wahrheit und des Lebens. Wer dieser Wahrheit folgt, empfängt das Leben der Gnade und kann nicht verhungern: denn die Wahrheit wird seine Speise sein. Er kann auch nicht mehr in der Finsternis fallen, denn er ist das Licht, rein von aller Falschheit. Außerdem ist er es, der durch die Wahrheit die Lüge entlarvt und vernichtet hat, durch die der Teufel Eva verführt hat. Diese Lüge war es, durch die der Weg zum Himmel versperrt worden war; die Wahrheit jedoch hat diesen Weg wiederhergestellt und mit ihrem Blut befestigt. Jene, die auf diesem Weg wandeln, sind also die Kinder der Wahrheit, denn sie folgen der Wahrheit. Sie schreiten durch die Türe der Wahrheit, und werden endlich in mir vereint mit dem, der der Weg und die Tür ist, mein Sohn: ewige Wahrheit, Ozean des Friedens.
Der Ausdruck: „Ich preise Dich“, bedeutet […] „Ich danke Dir“, sagt Jesus, „dass Du dies den Weisen und Einsichtigen verborgen hast“ (vgl. Mt 11,25). Aber wie? Du freust dich über ihr Verderben, und darüber, dass sie diese Dinge nicht kennen? Durchaus nicht; wohl aber ist das der beste Weg zum Heil, dass diejenigen, die meine Worte verschmähen und sie nicht annehmen wollen, auch nicht durch Zwang dazu gebracht werden. Nachdem sie eben trotz meiner Einladung nicht besser wurden, sondern den Herrn verließen und verachteten, so sollten sie durch ihre Verwerfung zum Verlangen nach diesen Dingen gebracht werden. Auf diese Weise mussten dann auch diejenigen eifrig werden, die auf ihn achteten. Denn dass seine Worte ihnen geoffenbart wurden, war gewiss ein Grund zur Freude; dass sie dagegen den anderen verborgen blieben, musste nicht zur Freude, sondern zur Trauer stimmen. Dem entsprechend handelte auch der Herr; er weinte über die Städte. Also nicht über die Blindheit der einen freute er sich, sondern weil die anderen erkannten, was die Weisen nicht einsehen wollten. In ähnlichem Sinne sagt auch Paulus: „Ich danke Gott, dass ihr Sklaven der Sünde wart und doch von Herzen geachtet habt auf die Art der Lehre, die ihr empfangen habt“ (vgl. Röm 6,17).[…] Unter den Weisen versteht hier der Herr die Schriftgelehrten und Pharisäer. Dies sagt er, um seine Jünger zu ermutigen, und um zu zeigen, welche Auszeichnung den Fischern zuteilwurde, während jene alle zusammen dessen verlustig gingen. Mit der Bezeichnung „Weiser“ meint er aber nicht die wahre und lobenswerte Weisheit, sondern jene, die sie durch eigene Tüchtigkeit erworben zu haben schienen. Deshalb sagte er auch nicht: Du hast es den Toren enthüllt, sondern den Kindern, das heißt den Ungebildeten und Einfältigen. […] Ebenso weist er uns durch all dies an, die Torheit zu fliehen, um die Einfalt dagegen uns zu bemühen. Deshalb sagte auch Paulus mit noch mehr Nachdruck dasselbe mit den Worten: „Wenn einer unter euch weise zu sein scheint in dieser Welt, so werde er zum Tor, damit er weise werde“ (vgl. 1 Kor 3,18).
Nicht die Wissenschaft erlöst den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe. Das gilt zunächst im rein innerweltlichen Bereich. Wenn jemand in seinem Leben die große Liebe erfährt, ist dies ein Augenblick der „Erlösung“, die seinem Leben einen neuen Sinn gibt. Aber er wird bald auch erkennen, dass die ihm geschenkte Liebe allein die Frage seines Lebens nicht löst. Sie bleibt angefochten. Sie kann durch den Tod zerstört werden. Er braucht die unbedingte Liebe. Er braucht jene Gewissheit, die ihn sagen läßt: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,38–39). Wenn es diese unbedingte Liebe gibt mit ihrer unbedingten Gewissheit, dann – erst dann – ist der Mensch „erlöst“, was immer ihm auch im einzelnen zustoßen mag. Das ist gemeint, wenn wir sagen: Jesus Christus hat uns „erlöst“. Durch ihn sind wir Gottes gewiß geworden – eines Gottes, der nicht eine ferne „Erstursache“ der Welt darstellt, denn sein eingeborener Sohn ist Mensch geworden, und von ihm kann jeder sagen: „Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2, 20).
Die heiligen Lehrer bezeichnen es [das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit] als Wesenskern des Neuen Testamentes, das heißt als das größte aller Geheimnisse, ist es doch die Grundlage und Krone aller. Und zur Erkenntnis und Betrachtung dieses Geheimnisses sind im Himmel die Engel, auf Erden die Menschen erschaffen worden. […] Um es klarer zu verkünden, stieg Gott selbst aus dem Reich der Engel zu den Menschen herab […] Dazu hatte der Apostel [Paulus] schon längst gemahnt mit den Worten: Denn aus ihm, durch ihn und in ihm ist alles; ihm sei Ehre in Ewigkeit (vgl. Röm 11,36). Damit deutet er einerseits die Dreiheit der Personen an und betont anderseits die Einheit der Natur […] Der heilige Augustinus sagt bei der Erklärung dieses Zeugnisses: „Nicht ohne Unterscheidung darf man das Wort (des Apostels) verstehen: Aus ihm und durch ihn und in ihm. Er sagt vielmehr ‚aus ihm‘ in Bezug auf den Vater, ‚durch ihn‘ in Bezug auf den Sohn, ‚in ihm‘ in Bezug auf den Heiligen Geist.“ In sehr zutreffender Weise pflegt die Kirche jene Werke der Gottheit, in denen sich besonders die Macht kundgibt, dem Vater; jene, in denen die Weisheit aufleuchtet, dem Sohn; jene, in denen die Liebe vorherrscht, dem Heiligen Geiste zuzueignen. Keineswegs als wären nicht alle Vollkommenheiten und nicht alle äußeren Werke den drei göttlichen Personen gemeinsam; denn „das Wirken der Dreieinigkeit ist ungeteilt, wie das Wesen der Dreieinigkeit ungeteilt ist“ (hl. Augustinus) […] wohl aber werden die Werke auf Grund einer gewissen Gleichartigkeit und beinahe einer Verwandtschaft, die zwischen den Werken und den Eigenschaften der Personen besteht, der einen Person eher als der anderen zugeschrieben oder, wie man sagt, zugeeignet. […] Auf diese Weise ist der Vater, welcher „der Ursprung der ganzen Gottheit“ (hl. Augustinus) ist, zugleich die bewirkende Ursache aller Geschöpfe, der Menschwerdung des Wortes und der Heiligung der Seelen. Aus ihm ist alles; ‚aus ihm‘ sagt der Apostel in Bezug auf den Vater. Der Sohn seinerseits, Wort und Abbild Gottes, ist die vorbildliche Ursache, der alle Dinge in ihrer Gestalt und Schönheit, ihrer Ordnung und Harmonie nachgebildet sind; für uns ist er der Weg, die Wahrheit und das Leben, der Versöhner des Menschen mit Gott. Durch ihn ist alles, ‚durch ihn‘ sagt der Apostel in Bezug auf den Sohn. Der Heilige Geist aber ist die Endursache aller Dinge deshalb, weil, genauso wie am Ziel der Wille und im Allgemeinen alles zur Ruhe kommt, der Heilige Geist, der die göttliche Güte ist und die gegenseitige Liebe zwischen Vater und Sohn, jenes geheimnisvolle Wirken zum ewigen Heil der Menschen durch seinen wirksamen und innigen Antrieb zu Ende und zur Vollendung führt. In ihm ist alles, ‚in ihm‘ sagt der Apostel in Bezug auf den Heiligen Geist.
Deine göttliche Allmacht, Weisheit und Güte, mein Gott, meine beglückende Liebe, segne mich, und bewirke, dass ich ganz bereitwillig zu dir komme, dass ich mich selbst wahrhaft verleugne (vgl. Mt 16,24) und dir von tiefstem Herzen, mit Geist und Seele in vollkommener Weise nachfolge. […] „Hört auf mich, die Furcht des Herrn will ich euch lehren“ (Ps 34,12). Ja, Jesus, guter Hirt, lass mich deine Stimme hören und erkennen vor allen, was mich hindert, zu dir zu kommen. Trage mich auf deinem Arm. Lass mich, dein durch deinen Geist trächtig gewordenes Schaf, in deinem Schoß ruhen. Dort lehre mich, wie ich dich fürchten soll. Dort zeige mir, wie stark ich dich lieben soll. Dort unterweise mich, auf welche Weise ich dir folgen soll. […] „Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen“ (Ps 91,1). Du nimmst meine Seele auf und bist meine Zuflucht in bösen Tagen, in allen Versuchungen überschatte mich mit deinen Schwingen. Umgib mich mit dem Schild deiner Wahrheit. Sei du selbst bei mir in jeder Bedrängnis, du meine Hoffnung. Vor jeder Gefahr des Leibes und der Seele verteidige und beschütze mich alle Zeit. […] Amen.
Die Apostel und die Jünger des Herrn waren wie Kinder ohne Vater und wie Soldaten ohne Hauptmann. Ganz verschreckt, wie sie waren, hatten sie sich in ein Haus zurückgezogen. Da erschien der Heiland unter ihnen, um sie in ihrer Betrübnis zu trösten, und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch. Er wollte ihnen gleichsam sagen: Warum seid ihr so furchtsam und betrübt? Wenn es der Zweifel ist, dass nicht eintrifft, was ich euch von meiner Auferstehung gesagt habe, dann Pax vobis; bleibt in Frieden, es werde Friede in euch, denn ich bin auferstanden. Seht meine Hände, berührt meine Wunden; ich bin es doch selbst. Fürchtet euch nicht mehr; Friede sei mit euch. […] Es ist, als wollte er ihnen sagen: Was habt ihr? Ich sehe wohl, dass ihr ganz verschreckt und furchtsam seid; aber dazu habt ihr von jetzt an keinerlei Ursache mehr, denn ich habe den Frieden erworben, den ich euch schenke. Den schuldet mir mein Vater nicht nur, weil ich sein Sohn bin, sondern auch, weil ich ihn erkauft habe um den Preis meines Blutes und dieser Wunden, die ich euch zeige. Seid nun nicht mehr feige und furchtsam, denn der Krieg ist beendet. Ihr hattet einigen Grund zur Furcht in den vergangenen Tagen, als ihr saht, dass ich gegeißelt wurde (oder wenigstens davon sprechen hörtet, denn alle haben mich verlassen außer einem von euch, der mir treu blieb). Ihr habt also gewusst, dass ich geschlagen wurde, mit Dornen gekrönt, zerschlagen vom Kopf bis zu den Füßen (Jes 1,6; 53,5), ans Kreuz geschlagen; dass ich viel Schmach, Verlassenheit und Schimpf ertragen habe […]. Jetzt aber fürchtet euch nicht mehr; der Friede sei in euren Herzen. Ich bin ja Sieger geblieben und habe alle meine Feinde zu Boden geschlagen: Ich habe den Teufel überwunden, die Welt und das Fleisch. […] Bis zur Stunde habe ich euch verschiedene Male meinen Frieden entboten, jetzt aber zeige ich euch, wie ich ihn für euch erworben habe. […] Der Friede ist alles, was ich meinen Liebsten gebe; deshalb Pax vobis und allen, die an mich glauben.
„Nehmet und esset“, sagt Jesus, „das ist mein Leib, der für viele geopfert wird.“ Wie kommt es nun aber, dass die Apostel bei diesen Worten nicht erschraken? Weil er ihnen schon oft in der Zeit vorher große Dinge geweissagt hatte. […] Lasst uns also Gott vertrauen und nie widersprechen, auch wenn seine Worte unserer Vernunft und dem Augenschein zu widersprechen scheinen; sein Wort muss uns auf alle Fälle mehr gelten als Vernunft und Sinne. Das muss auch unser Grundsatz bei den Geheimnissen sein. Wir dürfen nicht bloß auf das schauen, was vor uns liegt, sondern müssen uns an seine Worte halten. Sein Wort ist untrüglich, unsere Sinne sind der Täuschung leicht unterworfen. Jenes ist immer wahr, diese irren sich gar oft. Da er nun spricht: „Das ist mein Leib“, so wollen wir uns fügen, wollen glauben und ihn mit den Augen des Geistes betrachten. […] Wie viele gibt es, die wünschen: Könnte ich doch den Herrn von Gestalt sehen, sein Gesicht, seine Kleider, seine Schuhe! Wohlan, du siehst ihn, berührst ihn, genießt ihn. Du willst bloß das Gewand sehen, er aber gibt dir sich selbst, nicht allein zu sehen, sondern sogar zu berühren, zu essen und lässt sich in dein Inneres aufnehmen. Es trete somit niemand voll Überdruß, voll Gleichgültigkeit hinzu, alle vielmehr voll Feuer, voll Glut und Begeisterung.
So wie die Teilung des Meeres durch den Stab des Mose und das Herabkommen des Manna vom Himmel nur Bilder und Symbole für die Wahrheit waren und nichts anderes – das Meer für die Taufe und das Manna für den Erlöser – so sind auch die Dinge, von denen wir sprechen, Symbole und Zeichen jener transzendenten und unbeschreiblich herrlichen Wirklichkeiten, in dem Maße, wie das Ungeschaffene von Natur aus das Geschaffene übersteigt. Denn dieses Manna, das „Brot und Speise der Engel“ genannt wird, von dem die Menschen damals in der Wüste aßen, nahm ein Ende und verschwand, und alle, ja all jene, die davon aßen, sind gestorben: denn dieses Manna hatte keinen Anteil am wahren Leben, während das Fleisch meines Meisters, das göttlich und von Leben erfüllt ist, allen, die davon essen, Anteil am Leben gibt und sie unsterblich macht. […] Er begann damit, dass er mich vom Verderben und Tod befreite, indem er mich auf spürbare und bewusste Weise völlig frei machte, und – o Geheimnis, Ehrfurcht gebietender als alle anderen – er machte aus mir einen neuen Himmel und errichtete seine Wohnung in mir, er der Schöpfer aller Dinge; eine Gunst, derer niemand unter den Heiligen früherer Zeiten für würdig befunden wurde. Einst sprach er nämlich durch den göttlichen Geist und wirkte durch diesen seine Wunder, aber nie und nimmer vereinigte sich Gott wesenhaft mit einer Person bevor Christus, mein Gott, Mensch wurde: Er ist es, der, indem er einen Leib annahm, seinen göttlichen Geist schenkte und sich durch ihn mit allen Gläubigen wesenhaft vereint; und er verbindet sie untereinander zu einer untrennbaren Einheit.
Da also der gute Jesus sah, wie sehr wir der Hilfe bedürfen, suchte er ein bewundernswertes Mittel, durch das er uns seine bis zum Äußersten gehende Liebe bezeugte, und stellte in seinem und seiner Brüder Namen die Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute, Herr.“ […] Er wusste, dass unsere Liebe durch den Anblick seiner Liebe geweckt werden musste, und zwar nicht nur einmal, sondern täglich. Aus diesem Grund hat er sich wohl entschlossen, bei uns zu bleiben. […] Mir ist aufgefallen, dass er in dieser einen Bitte zweimal das gleiche spricht: Zuerst sagt er: „täglich“ und dann: „heute“. Er stellt dies auch seinem Vater vor Augen. Es ist, als wolle er ihm sagen: Da er ihn uns nun einmal geschenkt hat, um für uns zu sterben, und er bereits „uns“ gehört, möge er ihn uns bis zum Ende der Welt nicht mehr nehmen und erlauben, dass er uns täglich diene. […] Wenn ich darüber nachdenke, warum der Herr nach dem Wort „täglich“ noch einmal sagt: „heute“, er soll täglich unser sein, kommt es mir vor, als sage er dies, weil wir ihn bereits hier auf Erden besitzen und ihn auch im Himmel besitzen werden, wenn wir uns seine Gesellschaft gut zunutze machen. […] Das Wort „heute“ scheint mir zu bedeuten: für einen Tag, das heißt, solange die Welt besteht, nicht länger. Und das ist wirklich nur ein Tag! […] Weil es also nur ein Tag ist, bittet der Sohn den Vater, diesen Tag in unserem Dienst verbringen zu dürfen. Denn da Seine Majestät uns den Sohn ganz aus eigenem Willen geschenkt und ihn in die Welt gesandt hat, will dieser uns nun aus eigenem Willen nicht mehr verlassen, sondern hier bei uns bleiben, zur größeren Seligkeit seiner Freunde und zur Pein seiner Feinde. So bittet er den Vater jetzt wiederum nur für „heute“; denn Seine Majestät hat uns dieses allerheiligste Brot für immer gegeben; er hat uns, wie gesagt, diese Nahrung und dieses Manna der Menschheit geschenkt, und wir finden es, sooft wir wollen. Wir werden nicht Hungers sterben, es sei denn durch eigene Schuld; sooft die Seele nämlich nach Nahrung verlangt, wird sie im Allerheiligsten Sakrament Erquickung und Trost finden.
Sie haben darum gebeten, drei Monate allein mit Jesus verbringen zu dürfen (in Exerzitien), das passt gut zu Ihnen. Wenn aber während dieser Zeit der Hunger nach Jesus in den Herzen derer, die zu seinem Volk gehören, größer ist als Ihr Hunger, dürfen Sie nicht die ganze Zeit mit Jesus allein bleiben. Sie sollten Jesus erlauben, Sie in Brot für all diejenigen zu verwandeln, mit denen Sie in Kontakt sind. Lassen Sie zu, dass die Menschen Sie „verschlingen“; durch Wort und Gegenwart verkünden Sie Jesus. […] Selbst Gott konnte keine größere Liebe anbieten, als sich selbst zu schenken als Brot des Lebens – um gebrochen zu werden, um gegessen zu werden, damit Sie und ich essen und leben können, damit wir essen und so unseren Hunger nach Liebe stillen können. Und doch schien er noch nicht zufrieden zu sein, denn auch er hungerte nach Liebe. Also wurde er zum Hungrigen, zum Durstigen, zum Nackten, zum Obdachlosen und hat nicht aufgehört, zu rufen: „Ich war hungrig, ich war nackt, ich war obdachlos. Das habt ihr mir getan“ (vgl. Mt 25,40). Das Brot des Lebens und der Hungernde, aber eine einzige Liebe: nur Jesus.
Deinem Heiland, deinem Lehrer, deinem Hirten und Ernährer, Sion, stimm ein Loblied an! Preis nach Kräften seine Würde, da kein Lobspruch, keine Zierde seinem Ruhm genügen kann. Dieses Brot sollst du erheben, welches lebt und gibt das Leben, das man heut’ den Christen weist. Dieses Brot, mit dem im Saale Christus bei dem Abendmahle die zwölf Jünger hat gespeist. Laut soll unser Lob erschallen und das Herz in Freude wallen, denn der Tag hat sich genaht […] Neuer König, neue Zeiten, neue Ostern, neue Freuden, neues Opfer allzumal! Vor der Wahrheit muss das Zeichen, vor dem Licht der Schatten weichen, hell erglänzt des Tages Strahl. Was von Christus dort geschehen, sollen wir fortan begehen, seiner eingedenk zu sein. Treu dem heiligen Befehle wandeln wir zum Heil der Seele in sein Opfer Brot und Wein. […] Blut ist Trank, und Fleisch ist Speise, doch der Herr bleibt gleicherweise ungeteilt in beider Bild. Wer ihm nahet voll Verlangen, darf ihn unversehrt empfangen, ungemindert, wunderbar. Einer kommt, und tausend kommen, doch so viele ihn genommen, er bleibt immer, der er war. […] Seht das Brot, die Engelspeise! Auf des Lebens Pilgerreise nehmt es nach der Kinder Weise, nicht den Hunden werft es hin! Lang im Bild war‘s vorbereitet: Isaak, der zum Opfer schreitet; Osterlamm, zum Mahl bereitet; Manna nach der Väter Sinn. Guter Hirt, du wahre Speise, Jesus, gnädig dich erweise! Nähre uns auf deinen Auen, lass uns deine Wonnen schauen in des Lebens ewigem Reich! Du, der alles weiß und leitet, uns im Tal des Todes weidet, lass an deinem Tisch uns weilen, deine Herrlichkeit uns teilen. Deinen Seligen mach uns gleich!
In Glaube, Hoffnung und Liebe Grüße ich Dich, Du Engelsbrot. Preis sei Dir – aus Seelentiefe, Obwohl ich nur Elend bin und Not. Sei gegrüßt, Du Unsichtbarer, Mein Herz brennt in Liebe zu Dir. Trotz Hüllen schaue ich klarer In Liebe – wie Heilige. Ich grüße Dich, o Gotteslamm, Täglich kommst Du in mein Verlies. Du hebst mich aus der Sünde Schlamm, Und hilfst mir ein ins Paradies.
Nach seiner Auferstehung erschien der Herr seinen Jüngern und grüßte sie mit den Worten: „Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36). Das ist wirklich der Friede, dieser Gruß, der heilt, denn das Wort „salutatio“ – Gruß – kommt von „salus“ – Heil. Was könnten wir Besseres erhoffen? Der Mensch empfängt den Gruß (salutatio) von dem, der das Heil (salus) in Person ist, denn unser Heil ist Christus. Ja, er ist unser Heil, er, der für uns verwundet und ans Holz genagelt wurde, dann vom Holz abgenommen und ins Grab gelegt wurde. Doch aus dem Grab ist er erstanden; seine Wunden sind geheilt, behalten aber ihre Narben. Es ist hilfreich für seine Jünger, dass seine Narben bleiben, damit die Wunden ihres Herzens geheilt werden. Was für Wunden? Die Wunden ihres Unglaubens. Er erschien vor ihren Augen mit einem echten Leib und sie „meinten, einen Geist zu sehen“. Das ist keine leichte Wunde in ihrem Herzen. […] Doch was sagt der Herr Jesus? „Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen?“ (Lk 24,38). Es ist gut für den Menschen, dass nicht sein Denken sich im Herzen erhebt, sondern dass sein Herz sich erhebt, nämlich dorthin, wo der Apostel Paulus die Herzen der Gläubigen verwurzeln wollte, zu denen er sagte: „Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,1–4). Und was ist das für eine Herrlichkeit? Die Herrlichkeit der Auferstehung. […] Wir aber glauben den Worten dieser Jünger, ohne dass sie uns den auferstandenen Leib des Erlösers gezeigt hätten. […] Doch damals erschien dieses Ereignis unglaublich. Der Erlöser hat sie also nicht nur durch das Sehen zum Glauben geführt, sondern auch durch das Berühren, sodass mittels der Sinne der Glaube in ihr Herz hinabsteigen und in der ganzen Welt denen verkündet werden konnte, die weder gesehen noch berührt hatten, aber doch ohne zu zögern glauben sollten (vgl. Joh 20,29).
In aller Stürme Toben Bist Du, Herr, uns’re Kraft. Dich, starker Gott, wir loben, Der stets uns Hilfe schafft. Fest drum stehen wir, Dir vertrauen wir. Wenn auch die Erde bebt, Das Meer sich hoch erhebt. Wenn seine Wasser schwellen, Der Berge Feste wankt, Wird Freude uns erhellen, Die Gottesstadt Dir dankt. In ihr weilest Du, Wahrst ihr heil’ge Ruh. Es schützt ein starker Strom Den hehren Gottesdom. Im Wahn die Völker toben, Es stürzt der Staaten Macht. Er hat die Stimm’ erhoben, Die Erde bebt und kracht. Doch mit uns ist Gott Herr, Gott Sabaoth, Du bist uns Heil und Licht, Drum fürchten wir uns nicht. Kommt alle her, zu sehen Die Wunder Seiner Kraft: Die Kriege all vergehen, Des Bogens Sehn’ erschlafft. Wirft in Feuersglut Schild’ und Waffengut. Der Herr, Gott Sabaoth, Hilft uns aus aller Not.
In einem Augenblick vermehrte der Herr ein wenig Brot. Was Menschen in zehn Monaten Arbeit schaffen, schafften seine zehn Finger in einem Moment. […] Doch nicht an seinem Können hat er das Wunder bemessen, sondern am Hunger derjenigen, die dort versammelt waren. Wenn das Wunder an seinem Können bemessen worden wäre, dann hätte man es unmöglich bewerten können; gemessen am Hunger dieser Tausenden von Menschen, ging das Wunder noch um zwölf Körbe darüber hinaus. Bei Handwerkern ist das Können geringer als die Wünsche der Kunden; sie vermögen nicht alles zu tun, was man von ihnen verlangt; die Werke Gottes dagegen übertreffen jeden Wunsch. […] Gesättigt in der Wüste, wie einst die Israeliten nach dem Gebet des Moses, riefen sie: „Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (Joh 6,14). Damit spielten sie auf die Worte des Mose an: „Einen Propheten […] wird dir der Herr, dein Gott, erstehen lassen“, nicht irgendeinen, sondern „einen Propheten wie mich“ (vgl. Dtn 18,15), der euch in der Wüste mit Brot sättigen wird. Wie ich, ist er auf dem Meer gegangen, er ist in der erleuchteten Wolke erschienen (vgl. Mt 17,5), er hat sein Volk befreit. […] Er übergab Maria an Johannes, so wie Mose seine Herde an Josua übergab. […] Aber das Brot des Mose war noch nicht vollkommen; es wurde nur den Israeliten gegeben. Um anzudeuten, dass seine Gabe der des Mose überlegen und die Berufung der Völker noch vollkommener ist, sagte unser Herr: „Wer von diesem Brot isst, das ich geben werde, wird in Ewigkeit leben“, denn „das Brot Gottes ist vom Himmel herabgekommen“ und wird der ganzen Welt gegeben (vgl. Joh 6,51).
Gott hat den Menschen frei erschaffen […], damit er freiwillig und ohne Zwang auf seine Anrufe reagieren kann. Tatsächlich gibt es bei Gott keine Gewaltanwendung, doch lädt er uns ohne Unterlass ein, Gutes zu tun. Er hat dem Menschen die Entscheidungsfähigkeit eingeschaffen, wie er es mit den Engeln getan hat. […] Und das nicht nur im Bereich seiner Handlungen, sondern auch im Bereich des Glaubens hat der Herr die Freiheit […] des Menschen gewahrt. So sagt er: „Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen“ (Mt 9,29). Er zeigt damit, dass der Glaube dem Menschen selbst zu eigen ist, da er auf seiner persönlichen Entscheidung beruht. Er sagt auch: „Alles kann, wer glaubt“ (Mk 9,23), und an anderer Stelle: „Geh! Es soll geschehen, wie du geglaubt hast“ (Mt 8,13). All diese Texte zeigen, dass der Mensch selbst sein Schicksal bestimmt, je nachdem, ob er sich entscheidet zu glauben oder nicht. Deshalb: „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen“ (Joh 3,36). […] Man könnte also sagen, es wäre besser gewesen, Gott hätte die Engel nicht mit der Fähigkeit zur Gesetzesübertretung erschaffen. Auch hätte er die Menschen nicht erschaffen sollen, da sie ihm gegenüber doch so bald undankbar werden würden. Dies war in der Tat das Risiko, das mit ihrer vernünftigen, zur Prüfung und Beurteilung fähigen Natur verbunden war. Er hätte sie den Wesen ohne Vernunft und ohne eigenes Lebensprinzip gleichgestalten sollen. […] Doch in diesem Fall hätte das Gute keine Anziehungskraft für die Menschen, ihre Gemeinschaft mit Gott hätte keinen Wert in ihren Augen. Das Gute würde nicht das geringste Verlangen in ihnen wecken, da sie es besäßen, ohne danach gesucht zu haben […]. Das Gute wäre ihnen angeboren, selbstverständlich. […] Wenn der Mensch von Natur aus gut wäre und nicht durch Willensentscheidung […], dann würde er nicht mehr erkennen, dass das Gute schön ist, er könnte sich nicht daran erfreuen. Welche Freude am Guten könnten diejenigen haben, die es nicht kennen? Welchen Ruhm diejenigen, die sich nicht angestrengt haben? Welche Krone diejenigen, die nicht gekämpft haben, um sie zu erlangen? […] Im Gegenteil: Je mehr unser Lohn die Frucht eines Kampfes ist, umso wertvoller wird er sein; je wertvoller er ist, umso mehr werden wir ihn schätzen.
Was sagt uns also das Kreuz Christi, welches in einem bestimmten Sinn das letzte Wort seiner Botschaft und Mission als Messias ist? Und doch ist es nicht das letzte Wort des Bundes Gottes. Dieses wird im Morgengrauen jenes Tages gesprochen, an dem zunächst die Frauen und dann die Apostel zum Grab des gekreuzigten Herrn kommen, es leer vorfinden und zum ersten Mal vernehmen: „Er ist auferstanden!“ Sie werden es weitersagen und Zeugen des Auferstandenen sein. Dennoch ist auch in dieser Verherrlichung des Sohnes Gottes das Kreuz weiterhin gegenwärtig, welches - durch das gesamte messianische Zeugnis des Menschen-Sohnes, der an ihm den Tod erlitten hat − unaufhörlich vom göttlichen Vater spricht, der seiner ewigen Liebe zum Menschen unverbrüchlich treu bleibt, der „die Welt so sehr geliebt hat“ − und somit den Menschen in ihr − , „dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). An den gekreuzigten Sohn glauben, heißt „den Vater sehen“ (vgl. Joh 14,9), heißt glauben, dass die Liebe in der Welt gegenwärtig ist und dass sie mächtiger ist als jedwedes Übel, in das der Mensch, die Menschheit, die Welt verstrickt sind. An diese Liebe glauben, heißt, an das Erbarmen glauben. Dieses ist ja die unerlässliche Dimension der Liebe, ist sozusagen ihr zweiter Name und zugleich die spezifische Art, wie sie sich zeigt und vollzieht angesichts der Wirklichkeit des Übels in der Welt, das den Menschen trifft und bedrängt, sich auch in sein Herz einschleicht und ihn „ins Verderben der Hölle stürzen kann“ (Mt 10,28).
Mein Herr und Gott, Du hast mich einen langen, dunklen Weg geführt, Steinig und hart. Oft wollten meine Kräfte mir versagen, Fast hofft’ ich nimmer, je das Licht zu seh’n. Doch als im tiefsten Schmerz mein Herz erstarrte, Da ging ein klarer, milder Stern mir auf. Er führte mich getreu – ich folgt’ ihm, Zagend erst, dann immer sich’rer. So stand ich endlich an dem Tor der Kirche. Es tat sich auf – ich bat um Einlass. Aus Deines Priesters Mund grüßt mich Dein Segenswort. Im Inneren reiht sich Stern auf Stern. Rote Blütensterne weisen mir den Weg zu Dir. Sie harren Dein zur Heil’gen Nacht. Doch Deine Güte Lässt sie mir leuchten auf dem Weg zu Dir. Sie führen mich voran. Das Geheimnis, das ich im Herzen tief verbergen musste, Nun darf ich laut es künden: Ich glaube – ich bekenne! Der Priester geleitet mich die Stufen zum Altar hinauf: Ich neige die Stirn – Das heil’ge Wasser fließt mir übers Haupt. Ist’s möglich Herr, dass einer neu geboren wird, Der schon des Lebens Mitte überschritten? Du hast’s gesagt, und mir ward’s Wirklichkeit. Eines langen Lebens Last an Schuld und Leiden Fiel von mir. Aufrecht empfang’ ich den weißen Mantel, Den sie mir um die Schultern legen, Der Reinheit lichtes Bild. Ich trag’ in meiner Hand die Kerze. Ihre Flamme kündet, Dass in mir Dein heil’ges Leben glüht. Mein Herz ist nun zur Krippe worden, Die Deiner harrt. Nicht lange! Maria, Deine und auch meine Mutter Hat ihren Namen mir gegeben. Um Mitternacht legt sie ihr neugebor’nes Kind Mir in das Herz. O keines Menschen Herz vermag’s zu fassen, Was denen Du bereitet, die Dich lieben. Nun hab’ ich Dich und lass Dich nimmermehr. Wo immer meines Lebens Straße geht, Bist Du bei mir, Nichts kann von Deiner Liebe je mich scheiden.
Gott, du Vater aller Gläubigen, durch deine Gnade mehrst du auf dem ganzen Erdenrund die Kinder deiner Verheißung. Durch das österliche Sakrament der Taufe erfüllst du den Eid, den du Abraham geschworen hast, und machst ihn zum Vater aller Völker. Gib allen, die du zu deinem Volk berufen hast, die Gnade, diesem Ruf zu folgen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Gott, deine uralten Wunder leuchten noch in unseren Tagen. Was einst dein mächtiger Arm an einem Volk getan hat, das tust du jetzt an allen Völkern: Einst hast du Israel aus der Knechtschaft des Pharao befreit und durch die Fluten des Roten Meeres geführt; nun aber führst du alle Völker durch das Wasser der Taufe zur Freiheit. Gib, dass alle Menschen Kinder Abrahams werden und zur Würde des auserwählten Volkes gelangen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. […] Gott, unser Vater, du mehrst die Zahl deiner Kinder und rufst aus allen Völkern Menschen in deine Kirche. Beschütze gütig die Täuflinge, damit sie den Quell der Weisheit niemals verlassen und auf deinen Wegen gehen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Gott, du unwandelbare Kraft, du ewiges Licht, schau gütig auf deine Kirche und wirke durch sie das Heil der Menschen. So erfahre die Welt, was du von Ewigkeit her bestimmt hast: Was alt ist, wird neu, was dunkel ist, wird licht, was tot war, steht auf zum Leben, und alles wird wieder heil in dem, der der Ursprung von allem ist, in unserem Herrn Jesus Christus, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Jesus überantwortet ihnen [den furchtsamen und erstaunten Jüngern] die Gabe, „die Sünden zu vergeben“, eine Gabe, die den Wunden an seinen Händen, seinen Füßen und vor allem seiner durchstoßenen Seite entspringt. Daraus ergießt sich eine Welle des Erbarmens auf die ganze Menschheit. Wir erleben diesen Augenblick erneut mir großer geistiger Intensität. Auch uns zeigt der Herr heute seine glorreichen Wunden und sein Herz, die unerschöpfliche Quelle von Licht und Wahrheit, Liebe und Vergebung. Das Herz Christi! Sein „Heiliges Herz“ hat den Menschen alles gegeben: Erlösung, Heil, Heiligung. […] Durch das Geheimnis dieses verwundeten Herzens hört der erquickende Strom der barmherzigen Liebe Gottes nicht auf, sich auch über die Männer und Frauen unseres Zeitalters zu ergießen. Wer sich nach echtem und dauerhaftem Glück sehnt, kann nur hierin dessen Geheimnis finden. „Jesus, ich vertraue auf Dich.“ Dieses Gebet, das vielen Gläubigen sehr am Herzen liegt, bringt gut die Einstellung zum Ausdruck, mit der auch wir uns vertrauensvoll in deine Hände, o Herr, unser einziger Erlöser, überlassen wollen. Du bist erfüllt von der brennenden Sehnsucht, geliebt zu werden, und wer sich auf die Gefühle deines Herzens einstellt, wird lernen, zum Erbauer der neuen Zivilisation der Liebe zu werden. Ein einfacher Akt der Selbsthingabe reicht aus, um die Barrieren der Dunkelheit und Traurigkeit, des Zweifels und der Verzweiflung niederzureißen. Die Strahlen der göttlichen Barmherzigkeit schenken in besonderer Weise all jenen wieder Hoffnung, die sich von der Last der Sünde erdrückt fühlen.
Der Heiland ist auf dem Kreuzweg nicht allein, und es sind nicht nur Widersacher um Ihn, die Ihn bedrängen, sondern auch Menschen, die Ihm beistehen: als Urbild der Kreuzesnachfolger aller Zeiten die Gottesmutter; als Typus derer, die ein ihnen auferlegtes Leid hinnehmen und seinen Segen erfahren, indem sie es tragen, Simon von Kyrene; als Vertreterin der Liebenden, die es drängt, dem Herrn zu dienen, Veronika. Jeder, der in der Folge der Zeiten ein schweres Schicksal im Gedanken an den leidenden Heiland geduldig trug oder freiwillige Sühneleistungen auf sich nahm, hat damit etwas von der gewaltigen Schuldenlast der Menschheit getilgt und dem Herrn Seine Last tragen helfen; vielmehr: Christus, das Haupt, leistet Sühne in diesen Gliedern Seines mystischen Leibes, die sich Ihm mit Leib und Seele für Sein Erlösungswerk zur Verfügung stellen. Wir dürfen annehmen, dass der Ausblick auf die Getreuen, die Ihm auf Seinem Leidensweg folgen würden, den Heiland in der Ölbergnacht gestärkt hat. Und die Kraft dieser Kreuzträger kommt Ihm nach jedem Fall zu Hilfe. Die Gerechten des Alten Bundes sind es, die Ihn das Stück Weges vom ersten bis zum zweiten Fall begleiten. Die Jünger und Jüngerinnen, die sich während Seines Erdenslebens um Ihn scharten, sind die Helfer auf der zweiten Wegstrecke. Die Kreuzesliebhaber, die Er erweckt hat und immer aufs Neue erwecken wird in der wechselvollen Geschichte der streitenden Kirche, das sind Seine Bundesgenossen in der Endzeit. Dazu sind auch wir berufen.
Was symbolisiert das Meer, wenn nicht die gegenwärtige Welt, die von den turbulenten Wellen des Geschäftslebens und den Wirbelstürmen eines verfallenen Lebens geschlagen wird? Und was bedeutet das feste Ufer, wenn nicht gar die Unvergänglichkeit der ewigen Ruhe? Die Jünger arbeiten daher auf dem See, da sie noch in den Wellen des sterblichen Lebens gefangen sind, aber unser Erlöser steht nach seiner Auferstehung am Ufer, da er den Zustand des zerbrechlichen Fleisches bereits überwunden hat. Es ist, als wolle er diese Dinge nutzen, um seinen Jüngern vom Geheimnis seiner Auferstehung zu erzählen und ihnen zu sagen: „Ich erscheine euch nicht mehr auf dem Meer (vgl. Mt 14,25), denn ich bin nicht mehr unter euch in der Erregung der Wellen.“ In diesem Sinne sagte er an anderer Stelle nach seiner Auferstehung zu denselben Jüngern: „Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war“ (Lk 24,44). Er sagte das nicht, weil er nicht mehr bei ihnen war – sein Körper war anwesend und erschien ihnen –, aber […] sein unsterbliches Fleisch war weit entfernt von ihren sterblichen Körpern: Er sagte, er sei nicht mehr unter ihnen war, obwohl er in ihrer Mitte stand. In der Schriftstelle, die wir heute lesen, gibt er ihnen durch den Ort dasselbe zu verstehen: während seine Jünger noch mit dem Boot fahren, zeigt er sich nunmehr am festen Ufer stehend.
„Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst“ (Lk 24,39). Es gibt, denke ich, vier Gründe, warum der Herr den Aposteln seine Seite, seine Hände und seine Füße zeigt. Erstens, um zu beweisen, dass er wahrhaft auferstanden ist, und um uns jeden Anlass zum Zweifel zu nehmen. Zweitens, damit die „Taube“, d. h. die Kirche oder die gläubige Seele, ihr Nest in diesen Wunden wie „versteckt an der Steilwand“ (Hld 2,14) bauen kann und dort Schutz findet vor dem lauernden Habicht. Drittens, um unseren Herzen die Wundmale seiner Passion wie Kennzeichen einzuprägen. Viertens, um uns zu warnen und zu bitten, Mitleid mit ihm zu haben und ihn nicht erneut mit den Nägeln unserer Sünden zu durchbohren. Er zeigt uns seine Hände und Füße: „Seht“, sagt er, „dies sind die Hände, die euch geformt haben (vgl. Ps 119(118),73); seht, wie sie von Nägeln durchbohrt sind. Dies ist mein Herz, in dem ihr, die Gläubigen, ihr, meine Kirche, geboren wurdet, so wie Eva aus der Seite Adams geboren wurde; seht, wie die Lanze es geöffnet hat, damit euch das Tor zum Paradies, das der Cherub mit dem lodernden Flammenschwert verschlossen hielt, geöffnet werde. Das Blut, das aus meiner Seite geflossen ist, hat diesen Engel entfernt, hat sein Schwert stumpf gemacht; das Wasser hat das Feuer gelöscht (vgl. Joh 19,34). […] Hört aufmerksam zu, nehmt diese Worte auf, und der Friede wird mit euch sein.“
Der wahrhaftig Liebende kennt fast keine andere Freude als die an dem, was er liebt. So achtet der glorreiche hl. Paulus alle Dinge […] und Kehricht im Vergleich zu seinem Erlöser (Phil 3,8). Und die Braut des Hoheliedes gehört ganz und einzig ihrem Geliebten: „Mein Geliebter ist ganz mein und ich bin ganz sein […] habt ihr den nicht gesehen, den meine Seele liebt?“ (Hld 2,16; 3,3). Als die große Liebende, Magdalena, die Engel beim Grab traf und diese nach Art der Engel, das will heißen, auf eine sehr liebe Weise zu ihr redeten, um sie in ihrem Kummer zu beruhigen, fand die in Tränen Aufgelöste kein Gefallen, weder an ihren gütigen Worten, noch an dem Glanz ihrer Gewänder, noch an der himmlischen Anmut ihrer Bewegungen, noch an der überaus liebenswürdigen Schönheit ihres Antlitzes. Sie sagte nur, in Tränen aufgelöst: „Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben“ (Joh 20,11–16). Sie wendet sich um und sieht ihren geliebten Erlöser, aber in der Gestalt eines Gärtners. Das kann ihr Herz nicht befriedigen, denn es ist so erfüllt von der Liebe zum Tod ihres Meisters, dass sie keine Blumen will und keinen Gärtner. In ihrem Herzen trägt sie das Kreuz, die Nägel, die Dornen, sie sucht den Gekreuzigten. Ach mein lieber Gärtner, spricht sie, wenn du vielleicht meinen geliebten toten Herrn wie eine geknickte, verwelkte Lilie zwischen deine Blumen verpflanzt hast, so sage es mir schnell und ich will ihn holen. Aber kaum ruft er sie bei ihrem Namen, da vergeht sie vor Freude und ruft laut aus: „O Gott, mein Meister!“ […] Um diesen über alles Geliebten noch besser zu verherrlichen, sucht die Seele fort und fort sein Antlitz (Ps 27,8; 105,4), d. h. sie merkt mit einer immer sorgsameren und eifrigeren Aufmerksamkeit auf alle Einzelheiten der Schönheit und Vollkommenheit, die in ihm sind. Ständig schreitet sie voran in diesem lieben Suchen nach Beweggründen, die sie unaufhörlich drängen könnten, ihr Wohlgefallen mehr und mehr in der unbegreiflichen Güte zu finden, die sie liebt.
Du wurdest bei Tagesanbruch beweint Von den Frauen, die duftende Salben brachten. Lass auch mein Herz heiße Tränen vergießen Ob deiner glühenden Liebe. Und dank der frohen Botschaft des Engels, Der von der Höhe des Felsens her rief (vgl. Mt 28,2), Lass mich den Klang der letzten Trompete hören, Die die Auferstehung kundtut. Aus dem neuen, jungfräulichen Grab Bist du erstanden mit deinem aus der Jungfrau geborenen Leib; Bist für uns zur Erstlingsfrucht geworden Und der Erstgeborene der Toten. Und mich, den der Feind gebunden hat Mit dem Übel der leiblichen Sünde, Befreie mich doch gnädig aufs Neue, Wie du es an den Seelen getan hast, die im Gefängnis waren (vgl. 1 Petr 3,19). Du hast dich im Garten Maria Magdalena gezeigt, Aber du hast ihr, die noch von Evas Geschlecht war, Nicht erlaubt, sich zu nähern. Zeige dich auch mir am achten Tage, Am Tag der großen und letzten Morgendämmerung; Und dann erlaube meiner unwürdigen Seele, Sich dir zu nähern.
Die tiefste Ursache dieser Fruchtbarkeit des Wortes Gottes ist die Tatsache, dass Christus immer lebt, dass er immer der ewige Gott ist, der erlöst und belebt. […] Was nun von der Person des Herrn gilt, das gilt in entsprechender Weise auch von seinem Wort. Und für uns ist seine Wirkkraft nicht geringer als zu jener Zeit. Christus lebt im Herzen des Gerechten; unter der unfehlbaren Leitung dieses inneren Lehrmeisters dringt die Seele […] in die göttliche Klarheit ein; Christus teilt ihr seinen Geist mit, der da der erste Urheber der Heiligen Schrift ist, und so „durchdringt sie alles, selbst die Tiefen der Gottheit“ (1 Kor 2,10). Sie betrachtet die Wunder, die Gott für die Menschen gewirkt, ermisst im Glauben die göttlichen Ausmaße des Geheimnisses Christi; während die Herrlichkeiten dieses wunderbaren Schauspiels sie erleuchten, wird sie von ihm erfasst, angezogen, entzückt, erhoben, hingerissen und umgestaltet. Sie erfährt an sich, was die Jünger auf dem Wege nach Emmaus erlebten, da der Herr selbst sich würdigte, ihnen die Schrift auszulegen: „Brannte nicht unser Herz in uns, da er auf dem Wege mit uns redete und uns die Schrift erklärte“ (Lk 24,32)? Kann es da wundernehmen, wenn die Seele, bezaubert und überwunden von diesem Worte des Lebens, das da eindringt bis ins Innerste, gleich den Jüngern bittet: „Herr, bleibe bei mir (vgl. Lk 24,29)! Verlass mich nicht, o Herr, du unvergängliches Licht, fleckenlose Wahrheit! Du einzig wahres Leben meiner Seele!“ Der Heilige Geist aber kommt diesen Bitten liebender Sehnsucht zuvor, indem er selbst in der Seele jene „unaussprechlichen Seufzer“ (Röm 8,26) weckt, die das wahre Gebet sind, ein gewaltiges Sehnen, Gott zu besitzen und nur mehr zu leben zur Verherrlichung des Vaters und seines Sohnes Jesus Christus. Nun ergreift die in lebendiger Verbindung mit Gott groß und brennend gewordene Liebe alle Fähigkeiten der Seele, macht sie stark und großmütig zur vollkommenen Erfüllung des göttlichen Willens und zu völliger Hingabe an den Herrn nach seinem Wohlgefallen.
Es gibt „eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen“, sagt Salomo (Koh 3,4). Die Traurigkeit ist vergangen, die Zeit der Freude ist gekommen, die wahre Freude, die der Auferstehung Christi entspringt. […] Für dich stieg er siegreich aus dem Reich des Todes empor, er zerbrach die ehernen Tore, zerschlug die eisernen Riegel (vgl. Ps 107(106),16), er nahm die Festungen der Unterwelt ein, zermalmte die Köpfe des Drachens. Deine Feinde hat er niedergemetzelt, den Fürsten der Hölle in der Grube gefesselt. Er hat den Tod getötet und den Urheber des Todes in Ketten gelegt. […] Dann führte er die Seinen aus der Finsternis und sprengte ihre Fesseln. Er versammelte um sich die Seelen aller Gerechten, die im Licht seines Angesichts wandeln und in seinem Namen frohlocken. Sie, die wegen ihrer Ungerechtigkeit erniedrigt worden waren, wurden in seiner Gerechtigkeit erhöht. Bei seinem Gang durch die Unterwelt war der Herr Jesus allein, wie David in seinem Namen sang: „Ich aber [bin allein und] entkomme“ (vgl. Ps 141(140),10). War er auch allein bei seinem Eintritt, so war er doch keineswegs allein bei seinem Aufstieg, denn er führte eine unzählbare Schar von Heiligen mit sich. Er fiel in die Erde und starb, so dass er reiche Frucht brachte (vgl. Joh 12,24). Er ließ sich wie ein Samenkorn ausstreuen, um als Ernte das Menschengeschlecht zu erlangen. […] Ja, nachdem im Taufquell die Sünde in uns gestorben sind, werden wir durch das Bad der Wiedergeburt in Christus neu geboren, damit wir für ihn leben, der für alle gestorben ist. So sagt auch der Apostel: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen“ (vgl. Gal 3,27). Ein einziges Korn bringt also zahlreiche Frucht hervor. […] Weiter sagt der Apostel von ihm: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu“ (Phil 2,9–10). Ja, die Unterwelt beugt vor ihm das Knie aus Furcht, die Erde wegen ihrer Erlösung, der Himmel vor Freude.
Vater, das Haupt Deines Sohnes Jesus, vor dem die Erzengel erbeben, wird mit einem Rohr geschlagen. Sein Antlitz, in welches zu blicken der Engel Verlangen ist (vgl. 1 Petr 1,12), wird angespien und durch Ohrfeigen verletzt. Man reißt ihm den Bart aus, schlägt ihn mit Fäusten, zieht ihn an den Haaren. Und du, mildreichster Gott, verbirgst dich, ziehst dich zurück und ziehst es vor, dass einer, dein Einziger, bespuckt und geohrfeigt wird, als dass das ganze Volk zugrunde geht (vgl. Joh 11,50). Dir sei der Lobpreis, Dir die Ehre, denn aus Spucke, Ohrfeigen und Faustschlägen hast du das Gegengift gewonnen, welches das Gift der alten Schlange aus unseren Seelen vertreibt. […] „Seine Hände sind Rollen aus Gold, mit Steinen aus Tarschisch besetzt“, singt die Braut im Hohelied (5,14). Diese Hände wurden von Nägeln durchbohrt. Vor seinen Füßen bot sich der See dar, so dass er auf ihm gehen konnte. Diese Füße wurden ans Kreuz genagelt. Sein Gesicht, das der Sonne im Zenit gleicht, bedeckte sich mit Todesblässe. Seine geliebten Augen, denen kein Geschöpf verborgen blieb, wurden im Tod geschlossen. „Schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz“ (Klg 1,12). In all dem kam ihm nur der Vater zu Hilfe, dessen Händen er seinen Geist anvertraute, indem er sprach: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Und mit diesen Worten neigte er sein Haupt – er, der „keinen Ort [hatte], wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20) – und hauchte seinen Geist aus. […] Lasst uns beten, geliebte Brüder, und den Herrn Jesus Christus, der dem Blinden und dem Tobias das Augenlicht geschenkt hat, eindringlich und andächtig bitten, die Augen unserer Seelen durch den Glauben an seine Menschwerdung und durch die Bitterkeit seines Leidens zu erleuchten, damit wir die Gnade erlangen, denselben Sohn Gottes, das Licht vom Licht, im Glanz der Heiligen und in der Klarheit der Engel zu schauen. Möge er uns zu Hilfe kommen, der mit dem Vater und dem Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Seid gehorsam bis zum Tod, nach dem Beispiel des Lammes ohne Fehl und Makel, das seinem Vater gehorchte bis zum schmachvollen Tod am Kreuz. Denkt daran, dass er der Weg und die Regel ist, der ihr folgen sollt. Habt ihn beständig vor den Augen eures Geistes. Seht, wie gehorsam er ist, dieser Logos, das Wort Gottes. Er weigert sich nicht, die Last der Leiden zu tragen, mit denen sein Vater ihn betraut hat; im Gegenteil: Er geht, beseelt von großem Verlangen, darauf zu. Ist es nicht das, was er beim letzten Abendmahl am Gründonnerstag bekundet, wenn er sagt: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen“ (Lk 22,15)? Mit dem „Essen des Paschamahles“ meint er die Erfüllung des Willens und Wunsches des Vaters. Da ihm keine Zeit mehr bleibt (er sah sich schon am Ende seines Weges, da er seinen Leib für uns opfern sollte), jubelt er, frohlockt und spricht voll Freude: „Ich habe mich sehr danach gesehnt“. Das ist das Pascha, vom dem er sprach; jenes, in dem er sich selbst als Speise gab, in dem er seinen eigenen Leib opferte, um dem Vater zu gehorchen. Jesus hatte mit seinen Jüngern sehr wohl andere Paschafeste gefeiert, keines aber war diesem gleich, o unaussprechliche, süße und brennende Liebe! Du denkst nicht an deine Schmerzen, nicht an deinen schändlichen Tod; hättest du daran gedacht, wärest du nicht so freudig bewegt gewesen, du hättest es nicht als Paschafest bezeichnet. Der Logos sieht, dass er selbst es ist, der auserwählt wurde, er selbst, der unsere ganze Menschheit als Braut empfing. Er wurde gebeten, uns sein eigenes Blut zu geben, damit Gottes Wille in uns geschehe, damit es sein Blut sei, das uns heiligt. Dies ist das süße Paschafest, das dieses fehlerlose Lamm annimmt (vgl. Ex 12,5). Und mit großer Liebe und großer Sehnsucht erfüllt es den Willen des Vaters, hält sich ganz und gar an seinen Plan. Welch süße, unaussprechliche Liebe! […] Deshalb bitte ich euch, meine Lieben: Fürchtet nichts, was immer es auch sein möge, und setzt euer ganzes Vertrauen auf das Blut des gekreuzigten Christus. […] Verbannt alle sklavische Furcht aus eurem Geist. Ihr werdet mit dem heiligen Paulus sprechen […]: „Durch Christus den Gekreuzigten vermag ich alles, denn er lebt in mir durch Sehnsucht und Liebe, und er gibt mir Kraft“ (vgl. Phil 4,13; Gal 2,20). Liebt, liebt, liebt! Durch sein Blut hat das sanfte Lamm eure Seele zu einem unerschütterlichen Felsen gemacht.
[„Judas reute seine Tat […]. Er brachte den Hohepriestern und den Ältesten die dreißig Silberstücke zurück und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe euch einen unschuldigen Menschen ausgeliefert. Sie antworteten: Was geht das uns an? Das ist deine Sache. Da warf er die Silberstücke in den Tempel; dann ging er weg und erhängte sich“ (vgl. Mt 27,3–5). Die heilige Katharina hörte Gott zu ihr sagen:] Die Sünde, die in dieser und der kommenden Welt nicht vergeben werden kann, ist die Sünde eines Menschen, der meine Barmherzigkeit missachtet und keine Vergebung will. Deshalb halte ich sie für die schwerste Sünde, und deshalb hat die Verzweiflung des Judas mich selbst mehr betrübt und war für meinen Sohn schmerzhafter als sein Verrat. Die Menschen werden also verdammt werden für dieses Fehlurteil, das sie glauben lässt, ihre Sünde sei größer als meine Barmherzigkeit. […] Sie werden für ihr Unrecht verurteilt, wenn sie ihr Schicksal mehr beklagen als das Vergehen, das sie gegen mich begangen haben. Denn darin begehen sie Unrecht, dass sie mir nicht geben, was mir gehört, und sich selber nicht geben, was ihnen gehört. Mir schulden sie Liebe, Reue über ihre Sünden und Bußfertigkeit; sie sollten sie mir wegen ihrer Vergehen anbieten, aber sie tun das Gegenteil. Sie empfinden Liebe und Mitgefühl nur für sich selber, da sie nichts anderes tun, als über die Strafe zu jammern, die sie erwartet. Du siehst also, dass sie Unrecht begehen, und deshalb werden sie eine doppelte Bestrafung erleiden, weil sie meine Barmherzigkeit missachtet haben.
Petrus verleugnete Jesus ein erstes Mal und weinte nicht, weil der Herr ihn nicht angeblickt hatte. Er verleugnete ihn ein zweites Mal und weinte nicht, weil ihn der Herr immer noch nicht angeblickt hatte. Er verleugnete ihn ein drittes Mal – da blickte Jesus ihn an, und Petrus weinte bitterlich (vgl. Lk 22,62). Blick uns an, Herr Jesus, damit wir über unsere Sünde weinen können! Dies zeigt, dass sogar der Sündenfall von Heiligen nützlich sein kann. Die Verleugnung des Petrus hat mir nicht geschadet, im Gegenteil, aus seiner Reue habe ich einen Gewinn gezogen: Ich habe daraus gelernt, mich vor Untreue in der Nachfolge zu hüten. […] Petrus weinte also, und zwar bitterlich. Er weinte, um sein Versagen mit Tränen abzuwaschen. Löscht auch ihr, wenn ihr Vergebung erlangen wollt, euer Versagen durch Tränen aus! Sogleich, im selben Augenblick, schaut Christus euch an. Wenn ihr zu Fall kommt, wird er, der Zeuge deines verborgenen Lebens, euch anblicken, um euch zu ermahnen und euch dazu zu bringen, euren Fehler zu bekennen. Macht es dann wie Petrus, der an anderer Stelle dreimal sagt: „Herr, du weißt, dass ich dich liebe“ (Joh 21,15). Dreimal hat er verleugnet, dreimal hat er bekannt. Aber verleugnet hat er in der Nacht, und er bekennt am hellen Tag. Dies alles ist geschrieben, damit wir einsehen, dass sich niemand rühmen soll. Wenn Petrus gefallen ist, weil er gesagt hatte: „Und wenn alle an dir Anstoß nehmen – ich niemals“ (Mt 26,33), wer hätte da noch das Recht, sich auf sich selbst zu verlassen? […] Von wo soll ich dich zurückrufen, Petrus, damit du mich die Gedanken lehrst, die dich bewegten, als du weintest? Vom Himmel, wo du schon Platz genommen hast inmitten der Engelchöre, oder noch vom Grab? Denn der Tod, von dem der Herr erstanden ist, schreckt dich nicht ab, wenn du an der Reihe bist. Lehre uns, wozu dir deine Tränen gedient haben. Aber du hast es ja recht schnell gelehrt: Denn nachdem du gefallen bist und geweint hast, haben deine Tränen dazu geführt, dass du erwählt wurdest, andere zu führen, du, der du anfangs nicht wusstest, wie du dich selbst führen solltest.
Nachdem sie die Füße des Herrn gesalbt hatte, wischte diese Frau sie nicht mit einem Tuch ab, sondern mit ihrem eigenen Haar, um so dem Herrn mehr Ehre zu erweisen. […] Wie ein Dürstender, der Wasser aus einer Quelle trinkt, die in Kaskaden herabfließt, so trank diese heilige Frau an der Quelle der Heiligkeit eine Gnade voller Köstlichkeit, um ihren Glaubensdurst zu löschen. Aber im allegorischen oder mystischen Sinn war diese Frau ein Vorausbild der Kirche, die Christus ihre volle und restlose Glaubenshingabe darbrachte. […] Zwölf Unzen machen ein Pfund aus. Dies also ist das Maß des Duftöls, das die Kirche besitzt, die wie ein kostbares Duftöl die Lehre der zwölf Apostel empfangen hat. In der Tat, was könnte wertvoller sein als die Lehre der Apostel, die den Glauben an Christus und die Herrlichkeit des Himmelreichs umfasst? Mehr noch: Es wird berichtet, dass das ganze Haus vom Duft dieses Öls erfüllt wurde, weil die ganze Welt von der Lehre der Apostel erfüllt worden ist. „Ihre Botschaft“, so steht es geschrieben, „geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde“ (Ps 19(18),5). […] Im Hohelied lesen wir jenes Wort, das Salomo der Kirche in den Mund legt: „Dein Name ist hingegossenes Salböl“ (vgl. 1,3). Nicht ohne Grund wird der Name des Herrn „hingegossenes Salböl“ genannt. Wie ihr wisst, behält ein Duftöl, solange es verschlossen in seinem Gefäß aufbewahrt wird, seine Duftkraft für sich; sobald es aber ausgegossen oder verschüttet wird, verbreitet es seinen Wohlgeruch. Ebenso wurde unser Herr und Erlöser, während er mit dem Vater im Himmel herrschte, von der Welt nicht beachtet, er war hienieden unbekannt. Als er sich aber zu unserem Heil herabließ, vom Himmel herabzusteigen, um einen menschlichen Leib anzunehmen, da goss er die Süße und den Wohlgeruch seines Namens in die Welt aus.
Um uns die Tiefe seiner erbarmenden Liebe zu erschließen und sie verspüren zu lassen, hat Jesus, der Quell aller Barmherzigkeit, auch um uns in unserem Elend geweint, und nicht nur einmal, sondern mehrmals. Zuerst über Lazarus (Joh 11,35), dann über die Stadt Jerusalem (Lk 19,41); und schließlich am Kreuz, als aus seinen lieben Augen Tränen strömten zur Sühne aller Sünden (Hebr 5,7). […] O du hartes Herz […] Bedenke, dass dein Arzt weint, und „klage in bitterem Leid um den Einziggeborenen“ (Jer 6,26) […]. Jesus hatte Lazarus auferweckt, das Salböl war über seinem Haupt ausgegossen worden, sein Ruf hatte sich im Volk wie Wohlgeruch verbreitet. Und da er selbst vorherwusste, dass die Menge ihm entgegengehen würde, bestieg er einen jungen Esel, um unter dem Beifall der herbeiströmenden Scharen, die Zweige abrissen und ihre Kleider auf dem Weg ausbreiteten, ein Beispiel bewundernswerter Demut zu geben. Nicht einmal der Jubel der Volksmenge ließ ihn das Erbarmen vergessen: Er selbst begann zu klagen über die Zerstörung der Stadt Jerusalem. Steh nun auf, Magd des Erlösers, um wie eine der Töchter Jerusalems den König Salomo in seiner Hoheit zu sehen, womit ihn seine Mutter, die Synagoge, ehrte – denn sie ist das geheimnisvolle Vorausbild der Kirche, die erst geboren werden sollte. Begleite den Herrn des Himmels und der Erde, der auf einem Esel sitzt. Begleite ihn fortwährend gleichsam mit Öl- und Palmenzweigen, indem du Werke der Barmherzigkeit (pietas) vollbringst und durch rechtes Handeln den Sieg erringst.
Einmal sagte unser guter Herr zu mir: „Alles wird gut enden“; ein andermal sagte er: „Du wirst es selber sehen: Alles wird gut“. Aus diesen beiden Worten erkannte meine Seele […]: Er möchte uns wissen lassen, dass er seine Aufmerksamkeit nicht nur edlen und großen Dingen zuwendet, sondern auch solchen, die demütig, klein, gering, einfach sind. Das meint er, wenn er sagt: „Alles, was auch immer es sei, wird gut enden.“ Er möchte, dass wir erkennen: Auch das Allerkleinste wird nicht vergessen. Und er möchte, dass wir erkennen: Vieles, was geschieht, ist in unseren Augen so böse und verursacht so viel Schlimmes, dass es uns unmöglich erscheint, es könnte je ein gutes Ende finden. Und so machen wir uns Sorgen und trauern derart, dass wir in der seligen Betrachtung Gottes keinen Frieden mehr finden, wie wir es doch sollten. Denn hier auf Erden ist unsere Art zu Denken so blind, so flach, so simpel, dass wir die erhabene und wunderbare Weisheit, Macht und Güte der seligen Dreifaltigkeit nicht erkennen können […] Es ist so, als sagte Gott: „Achtet jetzt darauf, dass ihr mir glaubt und vertraut, und am Ende werdet ihr alles in der Wahrheit und damit in der Fülle der Freude erkennen.“ […] Soweit ich es sehe, gibt es ein Werk, das die Heilige Dreifaltigkeit am letzten Tag vollbringen wird. Wann und wie dieses Werk vollbracht wird, weiß keines der Christus untergeordneten Geschöpfe und wird es auch nicht wissen, bevor es vollendet ist. […] Wenn Gott uns wissen lassen möchte, dass er dieses Werk vollbringen wird, dann deshalb, damit wir gelassener und friedvoller in der Liebe sind; damit wir aufhören, auf alle möglichen Stürme zu starren, die uns daran hindern, uns wirklich an ihm zu erfreuen. Das ist das große Werk, das unser Herr von aller Ewigkeit her beschlossen hat, ein zutiefst in seinem seligen Inneren verborgener Schatz, der nur ihm bekannt ist. Durch dieses Werk wird er alles zu einem guten Ende führen; denn so wie die Heilige Dreieinheit alles aus dem Nichts erschaffen hat, so wird sie auch alles, was nicht gut ist, gut machen.
„Heißt es nicht in eurem Gesetz: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter? Wenn er jene Götter nannte, an die das Wort Gottes gerichtet wurde, und die Schrift nicht aufgehoben werden kann, wie sprecht ihr zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst, weil ich gesagt habe: Ich bin der Sohn Gottes“? Wenn das Wort Gottes an Menschen ergangen ist, dass sie Götter genannt wurden, wie sollte dann nicht das Wort Gottes selbst, welches bei Gott ist, Gott sein? Wenn durch die Anrede Gottes Menschen Götter werden, wenn sie durch Teilnahme Götter werden, ist dann der, an welchem sie teilnehmen, nicht Gott? […] Du trittst zum Licht hin und wirst erleuchtet und unter die Söhne Gottes gezählt; wenn du dich vom Lichte entfernst, wirst du verdunkelt und unter die Finsternis gerechnet […] „Glaubt den Werken, damit ihr erkennt und glaubt, dass der Vater in mir ist und ich in ihm“ (vgl. Joh 10,38). Der Sohn sagt nicht so: In mir ist der Vater und ich in ihm, wie es die Menschen sagen können. Wenn wir nämlich recht denken, sind wir in Gott; und wenn wir recht leben, ist Gott in uns; als Gläubige an seiner Gnade teilnehmend, von ihm erleuchtet, sind wir in ihm und er in uns. […] Erkenne das Eigentum des Herrn und das Geschenk des Knechtes. Das Eigentum des Herrn ist die Gleichheit mit dem Vater, das Geschenk des Knechtes ist die Teilnahme am Heiland. „Sie suchten ihn nun zu ergreifen.“ Dass sie ihn nur ergreifen würden, aber so, dass sie an ihn glauben und ihn verstehen, nicht so, dass sie gegen ihn wüten und ihn töten. Denn jetzt, meine Brüder […] sowohl ihr, die ihr gleichsam aus derselben Masse seid wie ich, als auch ich selbst, der ich zu euch rede, wir alle wollen Christus ergreifen. Was heißt ergreifen? Hast du verstanden, so hast du ergriffen. Aber nicht so die Juden; du hast ihn ergriffen, um ihn zu haben; jene wollten ihn ergreifen, um ihn nicht zu haben. Und da sie ihn in solcher Weise ergreifen wollten, was hat er ihnen getan? „Er entging ihren Händen.“ Sie ergriffen ihn nicht, weil sie nicht die Hände des Glaubens hatten. […] Mit dem Geist das Wort ergreifen, das heißt Christus recht ergreifen.
Freu dich und juble, o Maria, denn durch einen Hauch wirst du empfangen. Freu dich, denn du wirst schwanger werden vom Heiligen Geist. Zwar warst du dem Josef vermählt, aber der Heilige Geist hat dich zuerst ergriffen. Er, der dich erschaffen hat, hat dich ausgezeichnet und sich selbst vorbehalten. Dein Schöpfer selbst wurde dein Gemahl; er verliebte sich in deine Schönheit. Und dieser Schöpfer selbst ist es, der dir zuruft: „Komm, meine Freundin, meine Schöne, meine Taube, denn der Winter ist vergangen. Komm!“ (vgl. Hld 2,10–11.14). Er hat nach deiner Schönheit verlangt (vgl. Ps 45(44),12), er will sich mit dir vereinen; er duldet keinen Aufschub, er sehnt sich, zu dir zu kommen. Erhebe dich also, kleide dich in die Gewänder deiner Herrlichkeit, schmücke dich mit deinen kostbarsten Edelsteinen, denn der Herr hat Wohlgefallen an dir. Erhebe dich, um deinem Gemahl und Gott zu begegnen und sprich zu ihm: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“ (vgl. Lk 1,38). Beeile dich, säume nicht, denn er wird nicht säumen, sondern frohlocken wie ein Held und seine Bahn laufen (vgl. Ps 19(18),6). Beeile auch du dich; vergiss dein Volk und dein Vaterhaus (Ps 45(44),11); lauf ihm entgegen, um geküsst zu werden vom Munde Gottes und einzutauchen in seine beseligende Umarmung. „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (Lk 1,35), und bei seiner Berührung wirst du im Innern erbeben, deine Brüste werden schwellen, dein Herz wird sich freuen und dein Schoß erblühen. Sei gepriesen, das heißt, werde noch größer, du, die du von solcher Süße erfüllt wirst, die du eines solch himmlischen Kusses würdig bist, die du einem so großen Bräutigam vereinigt wirst, die du durch einen solchen Gemahl fruchtbar wirst!
Abraham hatte Gottes Verheißung vor Augen und ließ jedwede menschliche Sichtweise beiseite; denn er wusste, dass Gott Werke vollbringen kann, die die Natur übersteigen, und vertraute den Worten, die an ihn gerichtet worden waren. Er ließ keinerlei Zweifel in seinen Gedanken aufkommen und war nicht unsicher, welche Bedeutung den Worten Gottes wohl zu geben sei. Denn das Eigentliche des Glaubens besteht darin, Vertrauen in die Macht dessen zu haben, der uns eine Verheißung gegeben hat […] Gott hatte Abraham eine unzählbar große Nachkommenschaft verheißen. Diese Verheißung überstieg die Möglichkeiten der Natur und die rein menschlichen Sichtweisen; deshalb „rechnete ihm Gott seinen Glauben als Gerechtigkeit an“ (vgl. Gen 15,6; vgl. Gal 3,6). Nun, wenn wir aufmerksam sind, werden wir feststellen: Uns wurden noch viel herrlichere Verheißungen gegeben, und sie werden uns auf eine Weise erfüllt, die weit darüber hinausgeht, was menschliches Denken zu träumen vermag. Dazu müssen wir nur auf die Macht dessen vertrauen, der uns diese Verheißungen gegeben hat, um die Rechtfertigung, die aus dem Glauben kommt, zu verdienen und die verheißenen Güter zu erhalten. Denn all diese Güter, die wir erhoffen, übersteigen jede menschliche Vorstellung und jeden Gedanken. So herrlich ist das, was uns verheißen wurde! Tatsächlich betreffen diese Verheißungen nicht nur die gegenwärtige Zeit, die Entfaltung unseres Lebens und den Genuss sichtbarer Güter; sondern sie betreffen auch die Zeit, da wir diese Erde verlassen haben werden, wenn unsere sterblichen Überreste zu Staub geworden sind. Da verspricht uns Gott, dass er unsere Leiber auferwecken und ihnen eine wunderbare Herrlichkeit verleihen wird. „Denn“, so versichert uns der selige Paulus, „dieses Verwesliche muss sich mit Unverweslichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,53). Darüber hinaus haben wir die Verheißung erhalten, dass wir uns nach der Auferstehung des Leibes am Reiche Gottes erfreuen werden und dass uns, in der Gemeinschaft der Heiligen, für ewige Zeiten jene unvergänglichen Güter zuteil werden, die „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist“ (1 Kor 2,9). Erkennst du die Überfülle der Verheißungen? Erkennst du die Großartigkeit dieser Gaben?
Du schuldest Christus Jesus dein ganzes Leben, weil er ja sein Leben für dein Leben hingegeben und bittere Qualen ertragen hat, damit du nicht ewige Qualen ertragen musst. Was könnte hart und schrecklich für dich sein, wenn du dir in Erinnerung rufst: Er, der im Zustand der Göttlichkeit war am Tag seiner Ewigkeit, noch ehe der Morgenstern entstand, im Glanz der Heiligen; er, der Abglanz und das Abbild des Wesens Gottes, ist in deinen Kerker gekommen, um sich, wie es heißt, bis zum Hals in die Tiefe deines Schlammes zu versenken (vgl. Vulg.: Phil 2,6; Ps 109(110),3; Hebr 1,3; Ps 68(69),3). Was wird dir nicht süß erscheinen, wenn du in deinem Herzen all die Bitterkeiten deines Herrn vereinst und in Erinnerung rufst: zunächst die Einschränkungen seiner Kindheit, dann die Strapazen seiner Predigten, die Versuchungen während seines Fastens, sein nächtliches Wachen im Gebet, seine Tränen des Mitleids, die Fallstricke, die man ihm legte […] und dann die Beschimpfungen, das Anspeien, die Backenstreiche, die Geißelhiebe, der Hohn und Spott, die Nägel und alles, was er um unseres Heils willen ertragen hat? Welch unverdientes Mitleiden, welch frei geschenkte Liebe, die er uns so bewiesen hat, welch unerwartete Wertschätzung, welch verblüffende Sanftmut, welch unübertreffliche Güte! Der König der Herrlichkeit (Ps 24(23)), wird gekreuzigt für einen so erbärmlichen Knecht! Wer hat je so etwas gehört, wer hat je so etwas gesehen? „Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben“ (Röm 5,7). Er aber, für Feinde und Ungerechte ist er gestorben; er hat sich entschieden, den Himmel zu verlassen, um uns in den Himmel zurückzubringen: er, der sanfte Freund, der weise Ratgeber, der starke Helfer. „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?“ (Ps 116(115),12).
[Die Erlösung durch das Geheimnis des Kreuzes Christi] ist die letzte und endgültige Offenbarung der Heiligkeit Gottes, der die absolute Fülle der Vollkommenheit ist: Fülle der Gerechtigkeit und der Liebe, weil die Gerechtigkeit auf der Liebe gründet, von ihr ausgeht und ihr zustrebt. Im Leiden und Tod Christi – in der Tatsache, dass der Vater seinen Sohn nicht verschonte, sondern ihn „für uns zur Sünde gemacht hat“ (2 Kor 5,21) – kommt die absolute Gerechtigkeit zum Ausdruck, insofern wegen der Sünden der Menschheit Christus Leiden und Kreuz erduldet. Das ist geradezu ein „Übermaß“ der Gerechtigkeit, denn die Sünde des Menschen wird „aufgewogen“ durch das Opfer des Gott-Menschen. Diese Gerechtigkeit wahrhaft göttlichen „Maßes“ entspringt ganz der Liebe, der Liebe des Vaters und des Sohnes, und bringt von ihrem Wesen her Früchte in der Liebe. Diese göttliche Gerechtigkeit, wie sie das Kreuz Christi offenbart, ist eben insofern „nach dem Maße“ Gottes, als sie Ursprung und Erfüllung in der Liebe hat und Früchte des Heils hervorbringt. Die göttliche Dimension der Erlösung beschränkt sich nicht auf das Gericht über die Sünde, sondern sie erneuert in der Liebe jene schöpferische Kraft im Menschen, die ihm wieder die von Gott kommende Fülle des Lebens und der Heiligkeit zugänglich macht. Auf diese Weise beinhaltet die Erlösung die Offenbarung des Erbarmens in seiner Vollendung. Das Paschamysterium ist der Gipfelpunkt der Offenbarung und Verwirklichung des Erbarmens, das den Menschen zu rechtfertigen und die Gerechtigkeit wiederherzustellen vermag im Sinne der Heilsordnung, die Gott vom Anbeginn her im Menschen und durch ihn in der Welt wollte.
Jesus Christus sagte eines Tages: „Ich werde alles an mich ziehen, wenn ich von der Erde erhöht bin“ (vgl. Joh 12,32). […] Diejenigen, die in der Wüste die eherne Schlange ansahen, wurden geheilt, ebenso werden diejenigen, welche mich mit Glauben und Liebe anschauen, trotz ihrer Fehler, ihrer Seelenwunden und ihrer Unwürdigkeit zu mir emporgezogen und von mir bis zum Himmel erhoben werden. Ich, der ich dein Gott bin, habe aus Liebe zu euch eingewilligt, wie ein Fluchbeladener am Kreuze zu sterben. Zum Lohn für diese Verdemütigung habe ich die Macht, diejenigen, welche an mich glauben, bis zur Herrlichkeit des Himmels, von der ich herabgestiegen bin, zu erhöhen. Ich komme vom Himmel und werde dahin zurückkehren und diejenigen mit mir nehmen, welche auf meine Gnade hoffen. Diese Gnade ist so mächtig, dass sie euch mit mir vereint, und zwar unzertrennlich vereint, dass „niemand diejenigen meinen Händen entreißen kann, welche mir mein Vater gegeben hat und welche ich aus reiner Barmherzigkeit mit meinem kostbaren Blute erkauft habe“ (Joh 10,29). Welch tröstliche Aussicht für die demütige Seele, dass sie eines Tages, dank der Verdienste Jesu, an seiner Erhöhung teilhaben wird! Der hl. Paulus spricht in erhabenen Worten von dieser Verherrlichung unseres Heilandes, die das Gegenstück bildet zu seinen Erniedrigungen […] Weil Jesus sich gedemütigt hat, darum ist er erhöht worden, weil er sich erniedrigt hat bis zur Erduldung jenes Schimpfes der Verfluchten am Galgen des Kreuzes, darum hat Gott seinen Namen bis in den höchsten Himmel erhöht. Von nun an wird es keinen anderen Namen geben als den seinen, in welchem die Menschen erlöst werden können (Apg 4,12). Einzig ist dieser Name, erhaben ist die Herrlichkeit, unvergleichlich die Macht, deren sich der Gottmensch, sitzend zur Rechten des Vaters, in ewiger Herrlichkeit erfreut. […] Und dieser unvergleichliche Triumph ist die Frucht unermesslicher Verdemütigungen.
Wir leben in einer Welt, in der die Liebe selbst verurteilt wird: Sie wird als Schwäche bezeichnet, als etwas, das es zu überwinden gilt. Manche sagen: „Liebe ist nicht von Bedeutung, man soll vielmehr seine Kräfte entwickeln; jeder soll so stark werden, wie er kann, und die Schwachen sollen untergehen!“ Auch sagen sie, dass die christliche Religion mit ihrem Gerede über die Liebe der Vergangenheit angehöre. […] So ist das nun mal: Sie kommen mit diesen Lehren auf euch zu, und sie finden sogar Leute, die sie bereitwillig übernehmen. Die Liebe ist unbekannt: „Die Liebe wird nicht geliebt“, sagte der heilige Franz von Assisi zu seiner Zeit; und einige Jahrhunderte später läutete die heilige Maria-Magdalena von Pazzi, eine Karmelitin, die Glocken ihres Klosters in Florenz, damit die Welt erfahre, wie schön die Liebe ist! Auch ich wollte gerne die Glocken läuten, um der Welt zu sagen, wie schön es ist, zu lieben! Das Neuheidentum (des Nazismus) mag die Liebe verschmähen; aber die Geschichte lehrt uns, dass wir trotz allem durch die Liebe dieses Neuheidentum bezwingen werden. Wir werden die Liebe nicht aufgeben. Die Liebe wird uns die Herzen dieser Heiden wieder zurückgewinnen. Die Natur ist stärker als die Philosophie. Eine Philosophie mag die Liebe verurteilen und ablehnen und sie als Schwäche bezeichnen; das lebendige Zeugnis der Liebe wird jedoch immer wieder ihre Macht erneuern, um die Menschenherzen zu erobern und zu faszinieren.
Wie treu war doch darin der große Heilige [Joseph], von dem wir sprechen. Es ist kaum möglich, diese Tugend in ihrer ganzen Größe zu würdigen. In welcher Niedrigkeit lebte er nicht sein Leben lang! Und unter dieser Armut und Niedrigkeit verbarg er seine hohen Tugenden und Würden. […] O, ganz gewiss werden die Engel, von Staunen hingerissen, in Scharen herbeigeeilt sein, um die Demut des hl. Josef zu bewundern, wenn er das teure Kind bei sich in der ärmlichen Werkstatt hatte, wo er sein Handwerk ausübte, um für den Sohn und dessen Mutter, die da bei ihm waren, Brot zu beschaffen! Kein Zweifel […] der hl. Josef war tapferer als David, weiser als Salomo und alle anderen, wer sie auch sein mochten, und dennoch musste er nur Zimmermannsarbeit tun. Wer hätte ohne besondere innere Erleuchtung bei dem armen Zimmermann diese großen Gnadengaben Gottes vermutet, die er so sorgfältig verborgen hielt? Welche Fülle von Weisheit musste er nicht besitzen, da Gott ihm seinen vielgeliebten Sohn anvertraute […] des an Hoheit und Größe alles überragenden, über alles herrschenden herrlichen Königs des Himmels und der Erde […] ihr erinnert euch aber auch, wie er, mehr als man sagen und es sich vorstellen kann, niedergedrückt und gedemütigt worden ist. […] Er geht in seine Heimat, in seine Vaterstadt Betlehem, und nur er wurde, wenigstens soweit man weiß, an allen Herbergen abgewiesen […] Seht nur, wie der Engel mit ihm umgeht: Er befiehlt ihm, nach Ägypten zu gehen, und Josef geht; er befiehlt ihm zurückzukehren, und Josef kehrt zurück. Gott will, dass der hl. Josef immer arm bleibe […], er aber fügte sich gerne und nicht nur für einige Zeit; er war sein ganzes Leben hindurch arm.
„Die Haut seines Gesichtes [des Mose] strahlte, weil er mit Gott geredet hatte. Aaron und alle Israeliten sahen es […] und fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen […] Als Mose aufhörte, mit ihnen zu reden, legte er über sein Gesicht einen Schleier“ (vgl. Ex 34,29–33). Der Glanz auf dem Gesicht des Mose, das war Christus, der in ihm strahlte; er war jedoch den Augen der Hebräer verborgen; sie haben ihn nicht gesehen […] Das ganze Alte Testament bietet sich uns verhüllt dar, wie Mose, das Symbol aller Prophezeiungen. Hinter diesem Schleier, der über den Büchern der Propheten liegt, erscheint Christus, der erhabene Richter, der auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt […] Wenn Moses verhüllt war, welcher andere Prophet hätte sein Gesicht enthüllen können? Ihm folgend verhüllten also alle ihre Reden. Gleichzeitig verkündeten und verhüllten sie; sie überbrachten ihre Botschaft und verhüllten sie gleichzeitig mit einem Schleier […] Jesus strahlte in ihren Büchern auf, aber ein Schleier entzog ihn ihren Blicken, ein Schleier, der dem gesamten Universum verkündet, dass die Worte der Heiligen Schriften einen verborgenen Sinn haben […] Unser Herr entfernte diesen Schleier, als er dem ganzen Universum die Geheimnisse erklärte. Durch sein Kommen hat der Sohn Gottes das Gesicht des bis dahin verschleierten Mose, die unverständlichen Worte, enthüllt. Der Neue Bund ist gekommen, um den Alten Bund zu erläutern; die Welt kann endlich diese Worte begreifen, die durch nichts mehr zugedeckt werden. Der Herr, unsere Sonne, ist über der Welt aufgegangen und hat alle Geschöpfe erleuchtet; das Geheimnis, die Rätsel sind endlich aufgedeckt: Der Schleier, der über den Büchern lag, wurde aufgehoben, und die Welt schaut das unverhüllte Antlitz des Sohnes Gottes.
O Gehorsam, wie mühelos kommst du dahergefahren und gelangst gefahrlos zum Hafen des Heils! Du gestaltest Dich dem Wort, Meinem eingeborenen Sohn, gleich, steigst ins Boot des heiligsten Kreuzes, um dich ins Leiden zu begeben und so weder den Gehorsam des Wortes noch seine Weisung zu missachten. Du machst dir daraus einen Tisch, an dem du die Speise der Seelen verzehrst in der Liebe zum Nächsten! Du bist gesalbt mit wahrer Demut, und darum begehrst du nicht außerhalb Meines Willens nach dem Gut des Nächsten. Du bist gerade ohne jede Verdrehung, du machst das Herz aufrichtig ohne Falsch, denn du liebst Meine Geschöpfe freimütig und nicht heuchlerisch. Du bist eine Morgenröte, die das Licht Meiner göttlichen Gnade heraufführt, eine wärmende Sonne, die Glut der Liebe mangelt dir nicht. Du lässest die Erde sprießen und sämtliche Kräfte der Seele und des Leibes die Frucht tragen, die dir selbst und deinem Nächsten das Leben verleiht. Du bist ganz fröhlich, weil dein Antlitz nicht von Ungeduld entstellt ist, sondern freundlich bleibt in der Anmut der Geduld und heiter in der Stärke. Du bist groß an Langmut und spannst dich vom Himmel bis zur Erde, denn mit dir öffnet man den Himmel. Du bist die verborgene Perle, die Welt kennt dich nicht und tritt dich mit Füßen, weil du dich selbst unscheinbar machst und den Geschöpfen unterstellst. Deine Herrschaftlichkeit aber ist so groß, dass dich keiner zu überherrschen vermag, denn du bist dem tödlichen Knechtsdienst der eigenen Sinnlichkeit entronnen, die dir deine Würde raubte. Nun ist dieser Feind tot durch die Abscheu vor jedem Selbstgefallen, und du hast deine Freiheit wieder.
Füllet euch Wasser aus der lebendigen Quelle des Herrn, denn sie ist für euch geöffnet, und kommt alle ihr Durstigen, und nehmet den Trank und erquicket euch an der Quelle des Herrn, weil sie schön und rein ist und die Seele erquicket; denn ihr Wasser ist angenehmer als Honig, und die Honigwabe der Bienen ist nicht damit zu vergleichen. Denn von den Lippen des Herrn ist es geflossen, und aus dem Herzen des Herrn stammt sein Name. Und es kam endlos und unsichtbar, und nicht kannte man es, bevor es in die Mitte gestellt war. Selig sind alle, die davon getrunken haben und dadurch erquickt worden sind. Hallelujah. (Biblische Referenzen: Jes 55,1; Joh 7,37; Joh 22,17; Mt 11,28)
„Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende“ (Röm 14,9). „Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ (Lk 20,38). Da also der Herr über die Toten lebt, sind die Toten keine Toten mehr, sondern Lebende: Das Leben herrscht in ihnen, damit sie ohne Furcht vor dem Tod leben. So wie „Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt“ (Röm 6,9), so werden sie, erhöht und von ihrem vergänglichen Zustand befreit, den Tod nicht mehr schauen. Sie nehmen teil an der Auferstehung Christi, so wie er selber teilgenommen hat an unserem Tod. Tatsächlich ist Christus ja nur auf die Erde herabgestiegen, um „die ehernen Tore und die eisernen Riegel zu zerschlagen“ (vgl. Ps 107(106),16), die von jeher verschlossen waren, um unser Leben aus seinem vergänglichen Zustand herauszureißen, um uns aus der Sklaverei in die Freiheit zu rufen und uns so an sich zu ziehen. Wenn dieser Heilsplan noch nicht ganz verwirklicht ist – die Menschen sterben ja immer noch und ihre Leiber verwesen im Grab – so ist das kein Hindernis für den Glauben. Denn schon jetzt haben wir die Anzahlung aller uns verheißenen Güter erhalten in der Person dessen, der unser Erstgeborener ist: Durch ihn sind wir in den höchsten Himmel emporgestiegen. Tatsächlich, wir sitzen ihm zur Seite, der uns mit sich hinaufgetragen hat zur Höhe, wie der hl. Paulus sagt: „Er hat uns mit Christus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben“ (Eph 2,6).
Als das Volk in der Wüste gesündigt hatte (vgl. Num 21,5ff.), befahl Mose, der ein Prophet war, den Israeliten, eine Schlange an einem Kreuz aufzurichten, das heißt, die Sünde hinzurichten. […] Eine Schlange war es, die angeschaut werden musste, denn durch Schlangen waren die Kinder Israels zur Strafe gezüchtigt worden. Und warum durch Schlangen? Weil sie das Verhalten unserer Stammeltern wiederholt hatten. Adam und Eva hatten beide gesündigt, indem sie von der Frucht des Baums gegessen hatten; die Israeliten hatten wegen einer Angelegenheit des Essens gemurrt. Sich zu beschweren, weil einem Gemüse fehlt, das ist wirklich der Gipfel des Murrens. Das bezeugt der Psalm: „Sie trotzten in der Wüste dem Höchsten“ (Ps 78(77),17). Nun, auch im Paradies war die Schlange der Ursprung des Murrens gewesen. […] Die Kinder Israels sollten auch lernen, dass dieselbe Schlange, die Adams Tod angezettelt hatte, auch ihnen den Tod gebracht hatte. Mose hängte die Schlange also an das Holz, damit sie bei diesem Anblick durch die Ähnlichkeit an den Baum erinnert werden sollten. Jene nämlich, die zu ihr aufblickten, wurden gerettet, freilich nicht durch die Schlange, sondern aufgrund ihrer Bekehrung. Sie blickten zur Schlange und erinnerten sich ihrer Sünden. Weil sie gebissen worden waren, bereuten sie, und wurden wieder einmal gerettet. Ihre Bekehrung verwandelte die Wüste in eine Wohnung Gottes. Das sündige Volk wurde durch die Buße zur einer kirchlichen Versammlung, und besser noch: Es verehrte – ohne es zu ahnen – schon das Kreuz.
Unser göttlicher Erlöser, die Wahrheit und Güte selbst, sagte zu seinen Jüngern: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer sein wird als die der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“ (Mt 5,20). Das sind in Wahrheit Worte des Herrn. Er, der die Ehebrecherin nicht verurteilen wollte, der sich zu einer Unterredung mit der Samariterin herabließ und ihr, der Sünderin, die Geheimnisse des Himmels offenbarte, der mit dem Zöllner, dem gesellschaftlich geächteten Sünder, zu essen sich würdigte, dem Magdalena die Füße waschen und mit ihren Haaren trocknen durfte, der so „sanft und demütig von Herzen war“ (Mt 11,29), verdammt öffentlich die Pharisäer: „Wehe euch, ihr Heuchler, ihr werdet nicht in das Himmelreich eingehen“ (Mt 23,13). […] Der Heiland schildert einmal einen Pharisäer, der in den Tempel geht, um zu beten. Wie lautet sein Gebet? „O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen – ich bin untadelig, beobachte alles ganz genau. Ich faste, ich gebe den Zehnten von allem, was ich habe (Lk 18,11f.). Keinen Fehler kannst du mir vorwerfen – du musst wirklich stolz sein auf mich.“ Wörtlich genommen hatte er recht; er beobachtet alles aufs genaueste. Dennoch – wie beurteilt ihn der Heiland? Dieser Mann, sagte er, ging nicht gerechtfertigt aus dem Tempel, sein Herz blieb leer und ohne die Gnade Gottes. Warum? Weil dieser Unglückliche sich seiner guten Werke rühmte und die ganze Vollkommenheit in der rein äußerlichen Beobachtung des Gesetzes sah, unbekümmert um die innere Seelenverfassung. Darum mahnt Christus: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener sein wird als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“ […] Im Herzen wohnt die Vollkommenheit; denn die Liebe ist das höchste Gesetz.
Die Großen der Erde rühmen sich, Königreiche und Reichtümer zu besitzen. Jesus Christus findet sein ganzes Glück darin, über unsere Herzen zu herrschen. Das ist die Herrschaft, nach der er verlangt und die er durch seinen Tod am Kreuz zu erobern sich entschieden hat: „Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter“ (Jes 9,5). Einige Exegeten verstehen darunter das Kreuz, das unser göttlicher Erlöser auf seinen Schultern getragen hat. Cornelius a Lapide bemerkt dazu: „Dieser König des Himmels ist ein ganz anderer Herr als der Teufel: Der Teufel lädt schwere Lasten auf die Schultern seiner Sklaven, Jesus dagegen nimmt das ganze Gewicht seiner Herrschaft auf sich; er umarmt das Kreuz und will daran sterben, um über unsere Herzen zu herrschen“. Und Tertullian sagt, dass, während die Monarchen der Erde „das Zepter in der Hand und die Krone auf dem Haupt als Zeichen ihrer Macht tragen, Jesus Christus das Kreuz auf seinen Schultern trug. Und das Kreuz war der Thron, den er bestieg, um sein Reich der Liebe zu begründen“. […] Beeilen wir uns also, die ganze Liebe unseres Herzens diesem Gott zu weihen, der dafür sein Blut, sein Leben, sich selbst ganz geopfert hat. „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht“, sagte Jesus zur Samariterin, „und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken“ (Joh 4,10). Das heißt: Wenn du nur wüsstest, wie groß die Gnade ist, die du von Gott empfängst! […] O, wenn die Seele doch verstünde, welch außerordentliche Gnade Gott ihr erweist, wenn er ihre Liebe verlangt mit den Worten: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben“ (vgl. Dtn 6,5). Ein Untertan, der hört, dass sein Herr zu ihm sagt: „Hab mich lieb“ – wäre der nicht fasziniert von dieser Aufforderung? Und Gott sollte es nicht gelingen, unser Herz zu erobern, da er uns doch mit solcher Güte darum bittet: „Gib mir dein Herz, mein Sohn“? (Spr 23,26). Aber Gott will dieses Herz nicht zur Hälfte, er will es ganz, ohne Einschränkungen. Das ist sein Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen“.
Jesus begleitet seine Worte durch zahlreiche „machtvolle Taten, Wunder und Zeichen“ (Apg 2,22). Diese zeigen, dass das Reich in ihm gegenwärtig ist. Sie bezeugen, dass Jesus der angekündigte Messias ist (vgl. Lk 7,18–23). Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, dass der Vater ihn gesandt hat (vgl. Joh 5,36; 10,25). Sie laden ein, an ihn zu glauben (vgl. Joh 10,38). Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten (vgl. z. B. Mk 5,25–34; 10,52). So stärken die Wunder den Glauben an ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, dass er der Sohn Gottes ist (vgl. Joh 10,31–38). Sie können aber auch Anlass zum „Anstoß“ sein (Mt 11,6). Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen. Trotz seiner so offensichtlichen Wunder wird Jesus von einzelnen abgelehnt (vgl. Joh 11,47–48), ja man bezichtigt ihn, mit Hilfe der Dämonen zu wirken (vgl. Mk 3,22). Indem er einzelne Menschen von irdischen Übeln: von Hunger (vgl. Joh 6,5–15), Unrecht (vgl. Lk 19,8), Krankheit und Tod (vgl. Mt 11,5) befreit, setzt Jesus messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen, um alle Übel auf Erden zu beheben (vgl. Joh 8,34–36). Diese hindert sie an ihrer Berufung zu Kindern Gottes und bringt sie in vielerlei Abhängigkeiten. Das Kommen des Gottesreiches ist die Niederlage des Reiches Satans (vgl. Mt 12,36): „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Die von Jesus vorgenommenen Exorzismen befreien die Menschen aus der Macht der Dämonen (vgl. Lk 8,26–39). Sie nehmen den großen Sieg Jesu über den „Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31) vorweg. Das Reich Gottes wird durch das Kreuz Christi endgültig errichtet: „Vom Holz herab herrscht unser Gott“ (LH, Hymnus „Vexilla Regis“).
[Die hl. Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] Schau doch die an, die sich aus knechtischer Angst aus dem Sumpf der Todessünde ziehen wollen! Wenn ihr Bemühen nicht letztendlich von der Liebe zur Tugend inspiriert wird, wird ihre knechtische Angst nicht ausreichen, um ihnen das ewige Leben zu verschaffen. Die Furcht muss mit der Liebe vereint werden, denn das Gesetz ist auf Liebe und heilige Furcht gegründet. Das Gesetz der Furcht ist das uralte Gesetz, das ich Mose gab, und das nur auf der Furcht gegründet ist. In diesem Gesetz folgte auf jeden begangenen Fehler die entsprechende Strafe. Aber das Gesetz der Liebe ist das neue Gesetz, gegeben durch das Wort, meinen einzigen Sohn, das auf der Liebe gegründet ist. Das neue Gesetz hebt das alte jedoch nicht auf, sondern vollendet es. Das ist es, was meine Wahrheit euch gesagt hat: „Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen“ (vgl. Mt 5,17). Er [mein Sohn] hat das Gesetz der Furcht mit dem Gesetz der Liebe vereint, und die Liebe hat die Furcht von ihrer Unvollkommenheit, nämlich der Angst vor Strafe, gereinigt; übrig blieb nur die vollkommene Furcht, die heilige Furcht, die einzige, die sich nicht davor fürchtet, ihren eigenen Interessen zu schaden, sondern davor, mich zu beleidigen, der ich die höchste Güte bin. So wurde das unvollkommene Gesetz durch das Gesetzt der Liebe zu seiner Vollkommenheit geführt.
O Gott der großen Barmherzigkeit, Du unendliche Güte! Heute ruft die ganze Menschheit aus dem Abgrund ihres Elends zu Dir, zu Deinem Erbarmen. O Gott, sie ruft mit der gewaltigen Stimme ihrer Not. Guter Gott, verschmähe nicht das Gebet der Verbannten dieser Erde. O Herr, unbegreifliche Güte, Du kennst unser Elend ganz und gar und weißt, dass wir nicht imstande sind, uns aus eigener Kraft zu Dir zu erheben. Deshalb bitten wir Dich, komme uns mit Deiner Gnade zuvor und vervielfache stets Deine Barmherzigkeit in uns, damit wir Deinen heiligen Willen treu erfüllen im ganzen Leben und in der Stunde des Todes. Möge uns die Allmacht Deiner Barmherzigkeit vor Angriffen der Feinde unserer Erlösung beschirmen, damit wir vertrauensvoll, wie Deine Kinder, auf Dein endgültiges Kommen warten. Dieser Tag ist allein Dir bekannt, doch wir erwarten, dass wir alles erhalten werden, was uns Jesus versprochen hat – und das trotz unseres ganzen Elends – denn Jesus ist unser Vertrauen; wir schreiten durch Sein barmherziges Herz wie durch ein geöffnetes Tor in den Himmel.
Naaman war ein Syrer und litt am Aussatz und vermochte von niemand gereinigt zu werden. Da sprach ein Mädchen von den Gefangenen, es sei ein Prophet in Israel, der ihn von der ansteckenden Krankheit des Aussatzes reinigen könne. […] Vernimm nun, wer jenes junge Mädchen aus den Gefangenen sei! Es ist die Heidenkirche, das heißt: die Kirche des Herrn, die vorher, als sie sich noch nicht der Freiheit der Gnade erfreute, unter der Gefangenschaft der Sünde schmachtete. Auf ihren Rat hörte jenes törichte Heidenvolk auf das Wort der Propheten, an dem es vorher solange zweifelte, während es jedoch nachher – sobald es glaubte, dasselbe befolgen zu sollen – von jeglicher Sündenbefleckung reingewaschen wurde. Jener Naaman zweifelte wohl, bevor er geheilt wurde: du bist schon geheilt und darfst darum nicht zweifeln. […] Darum wurde dir vorhin eingeschärft, nicht nur das zu glauben, was du sahst, damit nicht auch du etwa so sprechen würdest: das nun soll jenes große Geheimnis sein, „das kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in kein Menschenherz gekommen ist?“ (vgl. 1 Kor 2,9). Wasser nur sehe ich, wie ich es alle Tage gesehen: das soll mich reinigen? So oft stieg ich hinein und nie ward ich rein? Lerne daraus, dass das Wasser ohne den Geist nicht reinigt! Eben darum hast du gelesen, dass die drei Zeugen bei der Taufe eins sind: Wasser, Blut und Geist (1 Joh 5,8); denn, wenn du sie auf einen derselben einschränkst, besteht das Sakrament der Taufe nicht zu recht. Was ist denn das Wasser ohne das Kreuz Christi? Ein gewöhnliches Element ohne irgendwelche sakramentale Wirkung. Und umgekehrt: ohne Wasser kein Geheimnis der Wiedergeburt; denn „wer nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Geist, kann in das Reich Gottes nicht eingehen“ (vgl. Joh 3,5). Es glaubt aber auch der Katechumene an das Kreuz des Herrn Jesus, mit dem auch er bezeichnet wird; doch, wenn er nicht getauft wird im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, kann er den Nachlass der Sünden nicht empfangen und das Geschenk der geistigen Gnade nicht ganz in sich aufnehmen. Jener Syrer tauchte siebenmal kraft des Gesetzes unter; du aber wurdest getauft im Namen des dreieinigen Gottes: du hast den Vater bekannt – sei dessen eingedenk, was du getan! – hast den Sohn bekannt, hast den Heiligen Geist bekannt. Halte Punkt für Punkt an diesem Glauben fest! Der Welt bist du abgestorben und Gott bist du auferstanden. In jenem irdischen Element gleichsam begraben und der Sünde gestorben, bist du zum ewigen Leben wiedererweckt worden.
Wir sind immer noch Mitarbeiter Gottes und bauen den Tempel Gottes auf. Die Weihe dieses Tempels wurde bereits an seinem Haupt vollzogen, da der Herr von den Toten auferstanden ist, nachdem er über den Tod triumphiert hat. Als er das, was sterblich an ihm war, getilgt hatte, ist er in den Himmel aufgestiegen. […] Und nun bauen wir diesen Tempel auf durch den Glauben, damit auch seine Weihe erfolgen kann in der endgültigen Auferstehung. Aus diesem Grund […] gibt es einen Psalm mit der Überschrift: „Als der Tempel aufgebaut wurde nach der Gefangenschaft“ (vgl. Ps 95(96),1 Vulg.). Erinnert euch an die Gefangenschaft, in der wir einst waren, als der Teufel die ganze Welt beherrschte wie eine Herde von Ungläubigen. Gerade wegen dieser Gefangenschaft ist der Erlöser gekommen. Er hat sein Blut als Lösegeld für uns vergossen. Durch sein vergossenes Blut hat er den Schuldschein, der uns gefangen hielt, gelöscht (vgl. Kol 2,14). […] Vorher an die Sünde verkauft, wurden wir daraufhin durch die Gnade befreit. Nach dieser Gefangenschaft wird nun der Tempel gebaut, und um ihn zu bauen, wird die Frohe Botschaft verkündigt. Deshalb beginnt dieser Psalm folgendermaßen: „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Und damit du nicht denkst, man würde diesen Tempel in irgendeiner Ecke errichten, wie das die Häretiker tun, die sich von der Kirche trennen, gib acht auf das, was folgt: „Singet dem Herrn, alle Länder der Erde“ (vgl. Ps 95(96),1 Vulg.). […] „Singet dem Herrn ein neues Lied; singet dem Herrn, alle Länder der Erde.“ Singen und bauen! Singt und „preiset den Namen des Herrn“ (vgl. V. 2). Verkündet den Tag, der aus dem Tag des Heils geboren wurde, den Tag, der aus dem Tag Christi geboren wurde. Wer ist denn das Heil Gottes, wenn nicht sein Gesalbter: Christus? Um dieses Heil beten wir im Psalm: „Lass uns, Herr dein Erbarmen schauen, und schenke uns dein Heil“ (vgl. Ps 84(85),8 Vulg.). Die Gerechten vergangener Tage ersehnten dieses Heil, sie, von denen der Herr zu seinen Jüngern sprach: „Viele sehnten sich danach, zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen“ (vgl. Lk 10,24). […] „Singet dem Herrn ein neues Lied; singet dem Herrn“. Seht den Eifer der Bauleute! „Singet dem Herrn, und preiset seinen Namen“. Verkündet die Frohe Botschaft! Welche frohe Botschaft? Der Tag wird aus dem Tag geboren […]; das Licht wird aus dem Licht geboren, der Sohn aus dem Vater, das Heil Gottes! So also wird der Tempel nach der Gefangenschaft aufgebaut.
Was ist nun Zerknirschung? Sie ist ein Zustand der Seele, der bewirkt, dass dieselbe in der Gesinnung einer zur guten Gewohnheit gewordenen Reue verharrt. […] Betrachten wir den verlorenen Sohn nach seiner Rückkehr zum Vaterhaus! Könnten wir ihn uns da ganz sorglos und ungezwungen heiter vorstellen, so als sei er immer treu gewesen? Gewiss nicht! Aber hat ihm denn sein Vater nicht alles vergeben? Sicherlich, er hat seinen Sohn mit offenen Armen empfangen, er hat ihm nicht den geringsten Vorwurf gemacht, ihm nicht gesagt: „Du bist ein erbärmlicher Mensch“, nein, er hat ihn freudig und liebend an sein Herz gedrückt. Und die Heimkehr dieses Sohnes bereitete dem Vater eine solche Freude, dass er dem reuigen Büßer ein großes Festmahl bereitete. Alles ist vergessen, alles vergeben! Hier ist der Vater des verlorenen Sohnes in seinem Benehmen ganz das Bild der Barmherzigkeit unseres himmlischen Vaters. Welches aber sind die Gefühle des verlorenen Sohnes, dem alles vergeben worden, welches die Haltung, die er einnimmt? Sicher sind es die Gefühle, die Haltung, die er hatte, als er sich reumütig dem Vater zu Füßen warf! „Vater, ich habe gesündigt gegen dich, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden, tu mit mir, wie mit dem letzten deiner Knechte.“ Sicher war er von solchen Gedanken beherrscht während aller Freudenfeste, die seine Rückkehr feierten. Und wenn auch später die Zerknirschung sich linderte, ganz ist doch niemals dieses Gefühl geschwunden, selbst dann nicht, als der Sohn seinen früheren Platz am väterlichen Herd wieder eingenommen hatte. Wie oft wohl wird er zu seinem Vater gesagt haben: „Du hast mir alles vergeben; mein Herz aber wird nicht aufhören, immer wieder dankbar zu beteuern, wie sehr es mich reut, dich betrübt zu haben, und wie ich jetzt durch um so größere Treue die verlorenen Stunden der Treulosigkeit zurückerobern will.“ Das muss die Gesinnung einer Seele sein, die Gott beleidigt hat. […] Die Zerknirschung des Herzens erfüllt die Seele mit Abscheu vor dem Bösen und macht sie standhaft in der Liebe zu Gott.
Mein liebster Vater und Bruder in Christus, dem süßen Jesus, ich, Katharina, Sklavin der Diener Gottes, schreibe Euch in seinem kostbaren Blut mit dem Wunsch, Euch als einen guten Arbeiter im Weinberg Eurer Seele zu sehen, damit Ihr zur Zeit der Ernte, das heißt zur Zeit des Todes, wenn jeder Fehler bestraft und jede Tugend belohnt wird, viel Frucht tragt. Ihr wisst, dass die ewige Wahrheit uns nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat; Gott hat uns zu seinem Tempel gemacht, in dem er durch seine Gnade wohnen möchte, vorausgesetzt, dass der Arbeiter dieses Weinbergs bereit ist, ihn gut zu bearbeiten; denn wenn er nicht bearbeitet wird, wenn er mit Dornen und Disteln bedeckt ist, wird Gott dort nicht wohnen können. Lasst uns sehen, lieber Vater, welchen Arbeiter den Meister dort hingestellt hat. Er hat dort den freien Willen hingestellt, dem alle Macht anvertraut ist. Niemand kann die Tür des Willens öffnen oder schließen, wenn der freie Wille es nicht will. Das Licht des Verstandes ist ihm gegeben, um Freunde und Feinde zu erkennen, die eintreten und durch die Tür hereinkommen wollen; und an dieser Tür hat der Hund des Gewissens seinen Platz, der bellt, sobald er jemanden kommen hört, wenn er wach ist und nicht schläft. Dieses Licht lässt den Arbeiter die Frucht sehen und erkennen; er entfernt die Erde, damit die Frucht rein ist, und legt sie in sein Gedächtnis wie in einen Kornspeicher, wo die Erinnerungen an die Wohltaten Gottes gespeichert werden. In der Mitte des Weinbergs steht das Gefäß seines Herzens, gefüllt mit dem kostbaren Blut, um die Pflanzen zu gießen, damit sie nicht verdorren. So ist dieser Weinberg geschaffen und angelegt, der auch, wie wir gesagt haben, der Tempel ist, in dem Gott durch seine Gnade wohnen sollte.
Wurde dieser Arme nur wegen seiner Armut von den Engeln empfangen? Und wurde der Reiche nur wegen seines Reichtums qualvollen Schmerzen ausgeliefert? Nein, lasst es uns richtig verstehen: Es ist die Demut, die im Armen geehrt, und der Stolz, der im Reichen verurteilt wurde. Hier ist, in Kürze, der Beweis dafür, dass es nicht der Reichtum, sondern der Stolz war, der dem Reichen die Strafe einbrachte. Der Arme wurde also in Abrahams Schoß getragen; die Schrift sagt aber von Abraham, dass er viel Gold und Silber besaß und auf Erden reich war (Gen 13,2). Wenn jeder Reiche in die Unterwelt kommt: wie konnte Abraham dann den Armen in seinem Schoß aufnehmen? Das geschah, weil Abraham inmitten seines Reichtums arm, demütig, ehrerbietig und alle Weisungen Gottes gehorsam war. Er erachtete seinen Reichtum für so gering, dass er, als Gott es von ihm verlangte, einwilligte, als Opfer seinen Sohn darzubringen, dem er seinen Reichtum zugedacht hatte (Gen 22,4). Lernt also, arm und bedürftig zu sein, ob ihr nun auf dieser Welt Besitz habt oder nicht. Denn es gibt Bettler, die voller Stolz sind, und Reiche, die ihre Sünden bekennen. „Gott tritt den Stolzen entgegen“, ob sie nun seidene Kleider oder Lumpen tragen; „den Demütigen aber schenkt er seine Gnade“ (Jak 4,6), ob sie nun die Güter dieser Welt besitzen oder nicht. Gott schaut ins Innere: dort wägt er ab, dort prüft er.
Selige Stadt Jerusalem, Vision des Friedens genannt, die gebaut ist in den Himmeln aus lebendigen Steinen, und von Engeln gekrönt ist wie in Begleitung einer Braut. Neu aus dem Himmel kommend, für den hochzeitlichen Saal bereitet, um als Unberührte dem Herrn vermählt zu werden. Ihre Straßen und Mauern sind aus reinstem Gold. Ihre Tore glänzen von Perlen, ihr Innerstes ist frei zugänglich und zum Lohn der Verdienste wird jeder hereingeführt, der für Christi Namen hier auf der Welt bedrängt wurde. Durch den Schlag der Leiden geglättete Steine werden durch die Hand des Künstlers an ihrem Platz eingefügt, wohlgeordnet zu verbleiben den heiligen Gebäuden. (vgl. 1 Petr 2,5; Offb 21,2.18; Kol 3,16)
Höre nicht auf, Akte der Demut und Liebe gegenüber Gott und den Menschen zu vollziehen; denn Gott spricht zu dem, der sein Herz demütig vor ihm hält, und er beschenkt ihn reich mit seinen Gaben. Wenn Gott die Leiden seines Sohnes für dich bereithält und dich deine eigene Schwachheit mit Händen greifen lässt, dann ist es besser, Akte der Demut zu vollziehen, als den Mut zu verlieren. Lass ein Gebet der Hingabe und der Hoffnung zu Gott aufsteigen, wenn deine Schwäche deinen Fall verursacht, und danke dem Herrn für alle Gnaden, mit denen er dich beschenkt.
Barmherzig zu sein scheint keine leichte Aufgabe zu sein. Wir haben schon genug unter dem eigenen Elend zu leiden, ohne auch noch den Schmerz derer, denen wir begegnen, ertragen zu müssen. Unser Herz würde sich dem verweigern, wenn es andere Mittel gäbe, Barmherzigkeit zu erlangen. Beschweren wir uns also nicht zu sehr, wenn wir beim Anblick von so viel Leid unterwegs oft Tränen in den Augen haben. Durch sie erfahren wir, was die Zärtlichkeit Gottes ist … So wie es starke Schmelztiegel braucht, um geschmolzenes Metall zu transportieren, das ganz vom Feuer in Besitz genommen und bearbeitet ist, so braucht Gott starke Herzen, wo beide gut zusammenleben können: unser siebenfaches Elend auf der Suche nach Heilung und die ewige Barmherzigkeit in der Mühe der Erlösung. Und wenn unser Herz oft angewidert ist, aus nächster Nähe dieses Häufchen Elend zu berühren, von dem man nie weiß, ob man es selbst oder jemand anders ist, so würde es doch um nichts in der Welt seine Aufgabe eintauschen wollen, denn es findet seine Freude an der Gesellschaft dieses unermüdlichen Feuers, das uns ohne Ende die Liebe Gottes zeigt. Und wir haben uns so sehr an die Gegenwart dieses Feuers gewöhnt, dass wir uns unaufgefordert auf die Suche machen nach allem, was es weiter am Brennen hält: alles, was klein ist und schwach, alles, was stöhnt und leidet, alles, was sündigt und kriecht und fällt, alles, was der Heilung bedarf. Und gemeinsam übergeben wir diesem Feuer, das in uns brennt, all diese leidenden Menschen, die unsere Begegnungen auslaugen, damit es sie berühre und heile.
Drei nun werden auserwählt auf den Berg zu steigen, weil desgleichen zwei erwählt werden mit dem Herrn zu erscheinen. […] Petrus steigt hinauf, der die Schlüssel des Himmelreiches empfing, Johannes, dem die (Gottes-)Mutter anvertraut wird, Jakobus, der als erster den Thron des Priestertums besteigt. Auf der anderen Seite erscheinen Moses und Elias, d. i. das Gesetz und das Prophetentum mit dem Worte […] Lasst uns zum Berge hinaufsteigen! Lasst uns Gottes Wort bitten, dass es sich uns in seiner Gestalt und Schönheit zeige und (in uns) erstarke und glücklich fortschreite und herrsche (vgl. Ps 45(44),4f.)! Und wenn du dich nicht zum Gipfel höherer Weisheit erhebst, zeigt sich dir die Weisheit nicht, zeigt sich dir die Erkenntnis der Geheimnisse nicht, zeigt sich dir nicht, wie erhaben die Herrlichkeit, wie erhaben die Schönheit in Gottes Wort ist. Gottes Wort erscheint vielmehr gleichsam wie im Fleische ohne die ihm eigentümliche Schönheit und Anmut, erscheint wie ein Mensch in Leiden, der unsere Schwachheiten auf sich nehmen kann (vgl. Jes 53,2f.), erscheint dir wie ein Wort aus Menschenmund hervorgegangen und von hüllenden Buchstaben verdeckt, nicht in der Kraft des Geistes aufleuchtend (vgl. 2 Kor 3,6–17). […] Seine Kleider sehen anders unten, anders oben (auf dem Berge) aus. Vielleicht bedeuten die Kleider des Wortes die Aussprüche der Schrift und gleichsam die Einkleidung des göttlichen Sinnes (in Buchstaben); denn wie seine Person dem Petrus und Johannes und Jakobus in veränderter Gestalt erschien und sein Gewand in hellem Glanz erstrahlte, so leuchtet jetzt auch hellen Strahles vor den Augen deines Geistes der Sinn der göttlichen Schriftlesungen auf: Gottes Worte werden wie Schnee, die Kleider des Wortes „über die Maßen weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden machen kann‟ (vgl. Mk 9,2). […] „Und während dieser Worte kam eine Wolke und überschattete sie‟. Des göttlichen Geistes Überschattung ist hier gemeint, die dem Menschenherzen nicht dunkelt, sondern Verborgenes offenbart. […] Das ist, wie du siehst der vollendete Glaube nicht bloß der Anfänger, sondern auch der Vollkommenen, ja auch der Himmlischen: die Erkenntnis des Sohnes Gottes.
Es kann vorkommen, […] dass man eigenmächtig die Mitbrüder „exkommuniziert“, wenn man nämlich es an der Liebe fehlen lässt, wenn man jemanden nicht gerade aus seinem Herzen, aber doch aus seinem Wirkungskreise tätiger Liebe ausschließt. Man kann auch jemanden bei anderen „exkommunizieren“, ihn aus den Herzen anderer ausschließen, indem man Misstrauen gegen ihn weckt. Diese Sünde ist dem christlichen Geiste so völlig entgegen, dass wir ihr gegenüber nicht genug auf der Hut sein und in diesem Punkte nicht zartfühlend und vorsichtig genug sein können. Die klösterliche Gemeinschaft ist ein einziges Ganzes; was die einzelnen Glieder miteinander verbindet, ist die Liebe. Wenn sie bei den einzelnen abnimmt, wird damit das übernatürliche Leben in der ganzen klösterlichen Familie vermindert. Was ist in der Tat das unfehlbarste Kennzeichen der Glieder Christi, das Kennzeichen, das der Herr ihr selbst gegeben hat? Die gegenseitige Liebe: „Daran sollen alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebet“ (Joh 13,35). Das gleiche gilt vom klösterlichen Leben, und das einzige wahre Zeichen, dass Christus seine schützende Hand über eine Klostergemeinde hält, ist die dort herrschende brüderliche Liebe. Wehe allen, die auf irgendeine Art und Weise diesen Geist der Liebe zu vermindern suchen. Sie zerreißen das hochzeitliche Kleid des Bräutigams und tilgen in ihrer eigenen Seele das eigentliche Merkmal des Christen. Christus ist nur einer; er sagt uns, dass alles, was wir dem Geringsten unserer – d. h. seiner Brüder – tun, wir ihm selbst getan haben (Mt 25,40.45).
[Die heilige Katharina hörte, wie Gott zu ihr sagte:] Glaube mir, ich verachte nicht das Verlangen meiner Diener. Ich gebe jedem, der mich bittet, und ich lade euch alle ein, zu bitten. Nicht in Wahrheit an die Tür der Weisheit meines eingeborenen Sohnes zu klopfen indem man seiner Lehre folgt, ist etwas, das mir sehr missfällt. Denn seiner Lehre zu folgen bedeutet, an die Tür zu klopfen, mit der Stimme heiligen Verlangens, mit demütigem und beständigem Beten zu mir, dem Ewigen Vater zu rufen. Und ich, der Vater, bin es, der euch das Brot der Gnade durch die Tür der süßen Wahrheit gibt. Um euer Verlangen und eure Beharrlichkeit zu prüfen, tue ich gelegentlich so, als hörte ich euch nicht; ich höre euch aber sehr wohl und gewähre eurem Geist das, was er braucht. Ich bin es, der euch Hunger gibt und Durst, mit dem ihr zu mir ruft; und ich will nur eure Beharrlichkeit prüfen, um eure Wünsche zu erfüllen, wenn sie wohl geordnet und auf mich hin ausgerichtet sind. Zu solchem Rufen lädt euch meine Wahrheit ein, wenn sie sagt: „Bittet und es wird euch gegeben, sucht und ihr werdet finden, klopft an und es wird euch geöffnet“ (vgl. Mt 7,7; Lk 11,9). Und auch ich sage dir: Ich will nicht, dass dein Verlangen nachlässt noch dass du aufhörst, meine Hilfe zu erflehen! Lass deine Stimme nicht leiser werden! Rufe, rufe zu mir, damit ich mich der Welt erbarme! Klopfe ohne Unterlass an die Tür meiner Wahrheit, die mein Sohn ist, und folge seinen Spuren!
In allem, was unsere Gebetsweise und Andachtsübungen betrifft, sollen wir uns nach dem Beispiele Jesu Christi und der Lehre der Kirche richten (Lk 11,1–2). Als die Jünger des Herrn baten: „Herr, lehre uns beten“, da belehrte er sie gewiss über alles, was notwendig ist, um vom ewigen Vater erhört zu werden, da ihm ja sein Wille genau bekannt war. Er lehrte sie nur die sieben Bitten des Vaterunsers, in denen all unsere geistigen und leiblichen Bedürfnisse enthalten sind, und sprach weiter nichts von verschiedenen anderen Gebetsformeln und Zeremonien. Im Gegenteil, er legte ihnen ans Herz, beim Gebete nicht viele Worte zu machen, da unser Vater im Himmel selbst wisse, was wir bedürfen (Mt 6,7–8). Nur eines schärfte er uns mit besonderem Nachdruck ein, dass wir beharrlich sein sollen beim Gebet durch häufige Wiederholung des Vaterunsers; und anderswo sagte er, dass wir allezeit beten und nicht nachlassen sollen (Lk 18,1). Er lehrte uns nicht verschiedene Gebetsformeln, sondern will nur, dass wir das Vaterunser recht oft, inbrünstig und sorgfältig wiederholen. Denn in diesen Bitten ist, wie bereits erwähnt, alles enthalten, was der Wille Gottes und uns zum Heile ist. Als darum der Gottessohn zum ewigen Vater flehte, bediente er sich dreimal derselben Worte des Vaterunsers. Er sprach, wie die Evangelisten bemerken: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, doch nicht wie ich, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Was nun die äußeren Übungen betrifft, deren wir uns nach seiner Anweisung bedienen sollen, so finden sich nur zwei angegeben. Entweder sollen wir uns zurückziehen in unser Kämmerlein, wo wir ohne Störung und ohne von jemand bemerkt zu werden mit ganz reinem Herzen beten können […] Oder wir können uns auch nach seinem Beispiele an einen einsamen Ort zurückziehen, am besten zur Nachtzeit, wo mehr Ruhe herrscht.
Petrus sollte die Schlüssel der Kirche, oder besser gesagt, die Schlüssel des Himmels, erhalten, und ihm sollten viele Menschen anvertraut werden. Denn was hat der Herr zu ihm gesagt? „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,19). Petrus war ja etwas schroff von seinem Charakter her; wenn er nun ohne Sünde gewesen wäre, welche Vergebung hätten die Jünger von ihm erhalten? Deshalb ließ ihn die göttliche Gnade in einen Fehler fallen, damit seine eigene Erprobung ihn anderen gegenüber gnädig machen sollte. Du siehst, wie Gott jemanden in Sünde fallen lassen kann: diesen Petrus, die Koryphäe unter den Aposteln, das unerschütterliche Fundament, der unzerstörbare Fels, der Erste in der Kirche, der uneinnehmbare Hafen, der unerschütterliche Turm, diesen Petrus, der zu Christus sagte: „Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen“ (Mt 26,35), Petrus der durch göttliche Offenbarung die Wahrheit bekannt hatte: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). […] Aber, wie gesagt, Gott hat es gewollt und zugelassen, dass Petrus sündigte, weil er im Sinn hatte, ihm ein großes Volk anzuvertrauen, und er fürchtete, dass dessen Härte, gepaart mit seiner Untadeligkeit, ihn seinen Brüdern gegenüber rücksichtslos machen würde. Petrus unterlag der Sünde, damit er im Gedenken an seine eigene Schuld und an die Güte des Herrn anderen Zeugnis geben könne von der menschenfreundlichen Güte, wie es im göttliche Plan vorgesehen war. Der Fall wurde zugelassen bei demjenigen, dem die Kirche anvertraut werden sollte, der Stütze der Kirchen, der Hafen des Glaubens. Der Fall wurde zugelassen bei Petrus, dem Lehrer des Universums, damit die empfangene Vergebung stets das Fundament der Liebe zu den anderen bleibt.
Wollen Sie diesem Gott, der Sie liebt, ein Zeichen des innigen Vertrauens geben, das ihn sehr berühren wird? Wenn Sie einen Fehler machen, zögern Sie nicht, sofort zu ihm zu laufen, sich ihm zu Füßen zu werfen und ihn um Vergebung zu bitten. Begreifen Sie es gut: Gott ist so sehr geneigt zu vergeben, dass er, wenn die Sünder darauf beharren, fern von ihm und des Gnadenlebens beraubt zu leben, über ihre Verlorenheit seufzt und sie diese Rufe seiner Zärtlichkeit hören lässt: „Warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt“ (vgl. Ez 18,31–32). Er verspricht, die fliehende Seele aufzunehmen, sobald sie kommt, um sich in seine Arme zu werfen: „Kehrt um zu mir […], dann kehre ich um zu euch“ (Sach 1,3). O, wenn die armen Sünder doch verstehen würden, mit welcher Güte unser Herr sie erwartet, um ihnen zu vergeben! „Der Herr wartet darauf, euch seine Gnade zu zeigen“ (vgl. Jes 30,18). Wenn sie nur verstehen würden, dass er es eilig hat, nicht um sie zu züchtigen, sondern sie umkehren zu sehen, damit er sie in seine Arme schließen und sie an sein Herz drücken kann! Hören wir seine feierliche Erklärung: „So wahr ich lebe – Spruch Gottes, des Herrn –, ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt“ (Ez 33,11). […] Schließlich hat Gott in aller Form erklärt, dass er sogar – wenn eine Seele bereut, ihn beleidigt zu haben – die Erinnerung an ihre Sünden verliert: „All seiner Vergehen will ich nicht mehr gedenken“ (vgl. Ez 18,22). Also, sobald Sie einen Fehler begangen haben, erheben Sie ihre Augen zu Gott, schenken Sie ihm einen Liebesakt, und rechnen Sie, indem Sie ihre Sünde bekennen, fest mit seiner Vergebung.
Meine geliebten Kinder und meine Brüder! Gott, der in seiner Weisheit alles regiert, der auf hervorragende und kluge Weise die Zeiten und Jahre zu einem guten Ende führt, hat uns auch dies kundgetan: Sie sind schon da, die Tage des Heils und des Segens für die Seelen. […] Dank sei dem, der uns diese Tage offenbart hat und uns für würdig hielt, sie zu erreichen. Deshalb müssen wir zu jeder Zeit ein heiliges und reines Leben führen und jedes Gebot Gottes beachten, besonders aber in dieser Zeit. […] Da nun also die Zeit der Reinigung ist: Reinigen wir uns! Da nun die Zeit der Enthaltsamkeit ist: Enthalten wir uns, und zwar nicht nur der Nahrung – das genügt nicht –, sondern lasst uns enthaltsam darin sein, […] den guten Ruf unseres Bruders zu beneiden, uns über unseren Nächsten zu ärgern oder aufzuregen, unserer Zunge freien Lauf zu lassen und sie nicht zu zügeln. Vielmehr soll sie sich selbst Grenzen setzen, sodass wir weder zu viel noch zu jeder Zeit und nur über angemessene Dinge reden. Unsere Augen sollen sich vor schamlosen Blicken hüten, unsere Ohren seien geschlossen und sollen sich nur öffnen, um zu hören, was Gott wohlgefällt und was er liebt. Ja, meine geliebten Kinder, ja, ich ermahne euch: Macht aus euch ein Instrument, eine liebliche Harfe des Heiligen Geistes. […] Haltet Frieden untereinander. Die heilige Fastenzeit ist anstrengend für den Leib, das ist wahr, aber lasst nicht zu, dass dadurch euer Mut geschwächt wird! […] Ein bisschen Geduld, und ihr werdet, wie gewohnt, das Gewicht nicht mehr spüren!
Als sie vor einem Fest eine Krankheit kommen fühlte, begehrte sie vom Herrn, er möge sie bis nach dem Fest gesund erhalten oder die Krankheit wenigstens so mildern, dass sie an der Feier nicht gehindert würde. Jedoch überließ sie sich gänzlich dem göttlichen Willen. Darauf empfing sie vom Herrn folgende Antwort: „Dadurch, dass du dies von mir begehrst, dich aber meinem Willen überlässt, führst du mich zu einem mit Blumenbeeten übersäten Wohngarten. Wisse jedoch: Wenn ich dich darin erhörte, dass du an meinem Dienst nicht gehindert werdest, so folge ich dir zu deinem Beet, woran du dich mehr erfreust; wenn ich dich aber nicht erhöre und du in Geduld ausharrst, so folgst du mir zu einem Beet, an welchem ich mehr Freude habe. Denn größere Wonne finde ich in dir, wenn jenes Verlangen dich beseelt und du dabei leidest, als wenn du Andacht hast und dich dabei erfreust.“
Die Theologen nennen den Glauben einen sicheren, aber (dunklen) geheimnisvollen Zustand der Seele. Der Grund, warum er ein dunkler Zustand ist, liegt darin, dass er der Seele die von Gott selbst geoffenbarten Wahrheiten zum Glauben vorlegt, Wahrheiten, die über jedes natürliche Licht erhaben sind und allen menschlichen Verstand himmelweit überragen. Daher kommt es, dass dieses überschwengliche Licht, das der Seele im Glauben zuteilwird, für sie dunkle Finsternis ist; denn die geringere Kraft wird von der größeren verschlungen und überwältigt. Es ist da wie mit dem Sonnenlicht. Vor diesem verschwinden alle anderen Lichter, so dass man kein Licht mehr gewahrt, sobald die Sonne scheint. Ja sie überwältigt sogar unser Sehvermögen derart, dass sie sogar das Auge blendet und es hindert, die dargebotenen Objekte zu sehen, weil eben das Licht der Sonne in keinem Verhältnis zu unserem Sehvermögen steht, sondern es weit übertrifft. So überragt und überwältigt auch das Licht des Glaubens infolge seiner übergroßen Stärke das Licht unseres Verstandes […] An einem weiteren, noch deutlicherem Beispiel wird man es noch besser verstehen. Wollte man einem Blindgeborenen, der niemals eine Farbe gesehen, erklären, wie die weiße oder gelbe Farbe aussehe, so würde er gleichwohl trotz aller Erklärungen nicht mehr davon verstehen als vorher, weil er eben nie solche Farben, noch auch etwas Ähnliches gesehen hat […] Er könnte nichts als den Namen davon behalten […] Ebenso verhält es sich mit dem Glauben in der Seele, wenn sich auch der Vergleich nicht in jeder Hinsicht durchführen lässt. Auch der Glaube berichtet uns von Dingen, von denen wir nie etwas sahen noch hörten […] So haben wir also von diesen Dingen kein natürliches Licht der Erkenntnis […] Wir wissen es nur, weil wir es gehört haben, und wir glauben, was uns gelehrt wird, und unterwerfen dieser Lehre das Licht unserer natürlichen Erkenntnis, das wir dabei völlig ausschalten. Darum sagt auch der heilige Paulus: […] „Somit kommt der Glaube von der Predigt, gepredigt aber wird auf den Befehl Christi“ (vgl. Röm 10,17), als wollte er sagen: der Glaube ist keine Wissenschaft, die uns durch irgendeinen Sinn vermittelt wird, sondern er ist nur ein Zustimmen der Seele zu dem, was sie hört. […] Die Wissenschaft des Glaubens […] entsteht ohne das Licht der Vernunft, das man eben um des Glaubens willen ausschalten muss; denn gerade dann wird er zuschanden, wenn man das eigene Licht (der Vernunft) gebrauchen will. Darum sprach Isaias: […] „Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht zur Einsicht kommen“ (vgl. Is 7,3 Sept.).
Der schönste Glaubensakt ist der, der in völliger Dunkelheit über deine Lippen kommt, unter Opfern, Leiden, in äußerster Anstrengung eines festen Willens, das Gute zu tun. Wie der Blitz zerreißt dieser Glaubensakt das Dunkel deiner Seele, hebt dich mitten im Gewitter empor und führt dich zu Gott. Der lebendige Glaube, die unerschütterliche Gewissheit, das bedingungslose Festhalten am Willen des Herrn – das ist das Licht, das die Schritte des Volkes Gottes in der Wüste erhellt. Es ist das gleiche Licht, das jeden Augenblick in jedem Geist leuchtet, der dem Vater gefällt. Es ist auch das Licht, das die drei Weisen führte und sie dazu brachte, den neugeborenen Messias anzubeten. Es ist der von Bileam prophezeite Stern (vgl. Num 24,17), die Fackel, die die Schritte eines jeden Menschen leitet, der Gott sucht. Dieses Licht, dieser Stern, diese Fackel sind nun auch das, was deine Seele erleuchtet, was deine Schritte lenkt, damit du nicht schwankst, was deinen Geist in der Liebe Gottes stärkt. Du siehst es nicht, du verstehst es nicht, aber das ist auch nicht nötig. Du siehst nur Dunkelheit, aber gewiss nicht jene der Söhne des Verderbens, sondern die, welche die ewige Sonne umhüllt. Sei versichert, dass diese Sonne in deiner Seele leuchtet, diese Sonne, die der Prophet des Herrn besungen hat: „In deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36(35),10).
Meine Arme habe ich zur Höhe erhoben, zur Gnade des Herrn, denn er hat meine Bande von mir weggeworfen, und mein Helfer hat mich erhöht zu seiner Gnade und zu seiner Erlösung. Und ich habe abgelegt die Finsternis und angezogen das Licht. Und es sind mir Glieder zuteil geworden zu meiner Seele, in denen kein Schmerz, auch keine Pein und keine Leiden sind. Und besonders hilfreich war für mich der Gedanke des Herrn und seine unvergängliche Gemeinschaft, und ich wurde erhoben in sein Licht und wirkte vor seinem Antlitz, und ich war ihm nahe, ihn preisend und ihn verkündend. Mein Herz floss über und fand sich in meinem Munde und stieg empor auf meine Lippen, und die jauchzende Begrüßung des Herrn wuchs auf meinem Angesicht und sein Preis. Hallelujah. Ich bin entkommen aus meinen Banden und habe mich zu dir geflüchtet, mein Gott, denn du bist meine Rechte zur Rettung gewesen und mein Helfer. Du hast zurückgehalten, die sich gegen mich erhoben, und ich werde ihn nicht wiedersehen, denn dein Antlitz war mit mir, welches mich errettete durch deine Gnade. Ich aber war verachtet und verworfen in den Augen vieler, und ich war in ihren Augen wie Blei. Und es ward mir Stärke zu teil von dir und Hilfe. Einen Leuchter stelltest du mir zu meiner Rechten und zu meiner Linken, und nichts soll an mir sein, das nicht Licht wäre. Und ich bin bedeckt mit dem Kleide deines Geistes, und er hat weggenommen von mir die Kleider (von) Fell (vgl. Gen 3,21), denn deine Rechte hat mich erhöht und hat Krankheit an mir vorübergehen lassen. Und ich bin stark geworden in der Wahrheit und heilig in deiner Gerechtigkeit […] und ich bin gerechtfertigt worden in seiner Güte, und seine Ruhe währet in alle Ewigkeit. Hallelujah.
Der Bericht über dieses Wunder gibt uns die Gelegenheit, die unterschiedlichen Tätigkeiten der Gottheit und der Menschheit in der einen und einzigen Person unseres Erlösers zu erkennen. Folglich müssen wir den Irrtum des Eutyches, der zu behaupten wagte, dass es in Jesus Christus nur eine Tätigkeit gäbe, weit aus unserem Glaubensbekenntnis und aus dem Herzen des Christentums zurückweisen. Wer sieht denn nicht, dass das Gefühl des Erbarmens, das unser Herr für diese Menschenmenge empfindet, ein Gefühl des Mitleids ist, das der menschlichen Natur eigen ist? Aber wer sieht nicht gleichzeitig, dass es ein Werk göttlicher Macht ist, viertausend Menschen mit sieben Broten und ein paar Fischen satt zu machen? „Dann sammelte man die übrig gebliebenen Brotstücke ein, sieben Körbe voll“ (Mt 15,37). Diese Menschenmenge, die soeben gegessen hat und satt geworden ist, nimmt die Brotreste nicht mit, sondern lässt sie von den Jüngern wieder – wie zuvor – in Körben einsammeln, und dieser Umstand – im wörtlichen Sinn erklärt – lehrt uns, mit dem Notwendigen zufrieden zu sein und niemals etwas darüber hinaus zu verlangen. Dann berichtet uns der Evangelist die Zahl derer, die satt wurden: „Es waren viertausend Männer, die an dem Mahl teilgenommen hatten […] Danach schickte er sie nach Hause“ (vgl. Mt 15,38–39). Beachten wir, dass unser Herr niemanden mit leerem Magen wegschicken will; stattdessen will er allen Menschen die Nahrung seiner Gnade geben. Im übertragenen Sinn gibt es einen Unterschied zwischen diesem zweiten Wunder und der ersten Vermehrung der fünf Brote und zwei Fische. Erstere stellt den Buchstaben des Alten Testaments dar, der gleichsam von der geistlichen Gnade des Neuen Bundes erfüllt wurde. Die zweite Vermehrung hingegen steht für die Wahrheit und die Gnade des Neuen Testaments, die den Gläubigen reichlich zuteilwerden. Die vielen Menschen, die nach dem Zeugnis des heiligen Matthäus (vgl. Mt 15) drei Tage auf die Heilung ihrer Kranken warten, stehen für die Auserwählten, die an die heilige Dreifaltigkeit glauben, die in beharrlichem Gebet um Vergebung ihrer Sünde bitten, oder für diejenigen, die sich in Gedanken, Worten und Werken zum Herrn bekehren.
„Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen“ (Mt 15,28). Ja, die kanaanäische Frau hat einen sehr großen Glauben. Sie kennt weder die alten Propheten noch die jüngsten Wunder des Herrn, weder seine Gebote noch seine Verheißungen und wird außerdem noch von ihm abgewiesen. Sie fährt aber beharrlich fort zu bitten und wird nicht müde, bei dem anzuklopfen, dessen Ruf allein sie darauf hinwies, dass er der Retter ist. So wird ihr Gebet in auffallender Weise erhört. […] Wenn einer von uns ein Gewissen hat, das durch Egoismus, Stolz, Eitelkeit, Verachtung, Zorn, Eifersucht oder irgendein anderes Laster befleckt ist, so hat er, wie jene Frau aus Kanaan, in der Tat „eine Tochter, die vom Dämon gequält wird“ (vgl. Mt 15,22). Also möge er zum Herrn eilen und ihn bitten, sie zu heilen. […] Er möge dies in demütiger Unterwerfung tun; er möge sich nicht für würdig erachten, das Schicksal der Schafe Israels, d. h. der reinen Seelen, zu teilen. Er möge sich der himmlischen Belohnungen für unwürdig erachten. Die Verzweiflung soll ihn jedoch nicht dazu verleiten, in der Beharrlichkeit seines Betens nachzulassen; vielmehr soll sein Herz ein unerschütterliches Vertrauen auf die grenzenlose Güte des Herrn haben. Denn er, der den Dieb in einen Bekenner verwandeln konnte (vgl. Lk 23,39ff.), den Verfolger in einen Apostel (vgl. Apg 9) und einfache Steine in Söhne Abrahams (vgl. Mt 3,9), er ist auch fähig, einen kleinen Hund in ein Schaf Israels zu verwandeln.
Wo kann unsere gebrechliche Natur Ruhe und Sicherheit finden, wenn nicht in den Wunden des Erlösers? Dort berge ich mich mit umso mehr Zuversicht, als seine Macht, mich zu retten, noch größer ist. Die Welt gerät ins Wanken, der Leib lastet schwer auf mir, der Teufel knüpft seine Fallstricke: doch ich komme nicht zu Fall, weil ich auf einen festen Felsen gestellt bin […] Was mir durch eigenes Versagen mangelt, entnehme ich voll Vertrauen dem barmherzigen Innersten des Herrn, denn seinem Leib wurden genügend Wunden geschlagen, damit seine ganze Liebe sich verströmen kann […] Sie haben seine Hände und Füße durchbohrt und mit einem Lanzenstoß seine Seite (vgl. Joh 19,34). Durch diese klaffenden Öffnungen kann ich mich sättigen mit dem Honig aus dem Felsen (Ps 81(80),17) und mit dem Öl, das aus dem harten Gestein fließt, also sehen und schmecken die Süßigkeit des Herrn (vgl. Ps 34(33),9). Er dachte Gedanken des Heils und ich wusste es nicht (vgl. Jer 29,11) […] Aber der Nagel, der ihn durchdringt, ist für mich zu einem Schlüssel geworden, der mir das Geheimnis seiner Pläne eröffnet. Wie könnte man durch diese Öffnungen nicht hindurchblicken? Die Nägel und die Wunden schreien es heraus, dass Gott in der Person Christi wirklich die Welt mit sich versöhnt (2 Kor 5,19). Das Eisen hat sein Wesen durchbohrt und sein Herz getroffen, damit er mit meiner verletzlichen Natur Mitleid empfinden kann. Das Geheimnis seines Herzens liegt entblößt da in den Wunden seines Leibes: das Mysterium der unendlichen Güte ist offen zu sehen, diese zärtliche „Liebe unseres Gottes, durch die uns das aufstrahlende Licht aus der Höhe besucht hat“ (vgl. Lk 1,78). Wie sollte dieses Herz sich durch solche Wunden nicht offenbaren? Wie kann man denn deutlicher als durch deine Wunden aufzeigen, dass du, Herr, sanft bist, voller Mitgefühl und von großer Barmherzigkeit? Denn es gibt kein größeres Mitgefühl, als wenn einer sein Leben hingibt für jene, die zum Tode verurteilt sind (vgl. Joh 15,13).
Oft nehmen wir es auch nicht wahr, dass wir innerlich blind sind. Oft handeln wir schlecht, aber was noch schlimmer ist, wir entschuldigen uns. Zuweilen treibt uns Leidenschaft, wir aber nennen es Eifer. Wir tadeln Kleinigkeiten an anderen und übersehen Krebsschäden an uns. Was wir von anderen auszustehen haben, fühlen wir schnell und kreiden es an. Was aber die anderen von uns hinnehmen, das sehen wir gar nicht. Wer sich selbst recht und gerecht beurteilte, hätte keinen Grund, über andere scharf zu richten. Der innerliche Mensch setzt die Sorge für sich allen Sorgen voran. Wer auf sich selbst sorgsam achtet, redet nicht gern von andern. Du wirst nie ein innerlicher, gottnaher Mensch, wofern du nicht über Fremde schweigst und auf dich selbst ein besonderes Auge hast. […] Die gottliebende Seele wertet im Hinblick auf Gott alle Dinge gering. Gott allein, der Ewige und Unermessliche, der alles erfüllt, ist der Trost der Seele und die wahre Freude des Herzens. […] Wenn dein Herz dich nicht anklagt, wirst du süße Ruhe genießen. Keiner Freude außer im Guttun! Böse haben niemals wahre Freude, sie kosten den inneren Frieden nicht. „Die Gottlosen kennen keinen Frieden“, spricht der Herr (Is 48,22). […] Wer ein reines Gewissen hat, ist wohl zufrieden und ruhig. Du bist nicht heiliger, wenn man dich lobt, nicht schlechter, wenn man dich lästert. Was du bist, das bist du, alle Worte machen dich vor Gott nicht größer. Wenn du darauf siehst, was du innerlich bist, wird es dich nicht kümmern, was die Menschen draußen von dir schwätzen. Der Mensch blickt auf Äußeres, Gott sieht ins Herz.
Barmherzigkeit Gottes, die uns durch unser ganzes Leben begleitet – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, die uns besonders in der Stunde unseres Todes umfängt – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, die uns das ewige Leben schenkt – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, die uns in jedem Augenblick unseres Lebens zur Seite steht – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, die uns vor dem Feuer der Hölle schützt – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, in der Umkehr verhärteter Sünder – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, Verwunderung der Engel und unbegreiflich für die Heiligen – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, unergründlich in allen Geheimnissen Gottes – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, uns aufrichtend aus allem Elend – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, Quelle unseres Glücks und unserer Freude – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, uns aus dem Nichts zum Leben rufend – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, alle Werke Seiner Hände umschließend – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, alles krönend, was ist und sein wird – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, in die wir alle versenkt sind – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, süßer Trost gequälter Herzen – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, einzige Hoffnung verzweifelter Seelen – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, Rast der Herzen, Friede inmitten des Schreckens – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, Wonne und Entzücken heiliger Seelen – ich vertraue auf dich. Barmherzigkeit Gottes, Vertrauen weckend trotz Hoffnungslosigkeit – ich vertraue auf dich. + O Ewiger Gott, dessen Barmherzigkeit unergründlich und dessen Schatz des Erbarmens unerschöpflich ist, schau gnädig auf uns und vermehre in uns Deine Barmherzigkeit, damit wir in schweren Zeiten nicht verzweifeln und nicht mutlos werden, sondern uns mit großem Vertrauen Deinem heiligen Willen hingeben, der die Liebe und das Erbarmen selber ist.
Zu Recht heißt es: „Jakob sah im Traum eine Leiter“ (vgl. Gen 28,12f.); auf ihr kannst du hinaufsteigen […]. Diese Leiter aus zwei Holmen und sechs Sprossen versinnbildlicht Jesus Christus: seine göttliche und menschliche Natur und seine Tugenden: Demut und Armut, Weisheit und Barmherzigkeit, Geduld und Gehorsam. Jesus war demütig, indem er unsere Natur annahm und „auf die Niedrigkeit seiner Magd“ (Lk 1,48) schaute. Er war arm in seiner Geburt, als die Jungfrau, die Ärmste, ihn zur Welt brachte und keinen anderen Ort hatte, um ihn, in Windeln gehüllt, hinzulegen, als in eine Futterkrippe für Tiere (vgl. Lk 2,7). Er war weise im Predigen, da er anfing zu wirken und zu lehren (vgl. Apg 1,1). Er war barmherzig, indem er die Sünder aufnahm: „Ich bin gekommen“, sprach er, „um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten“ (Mt 9,13). Er war geduldig unter den Geißelhieben, den Ohrfeigen und den Bespeiungen: „Ich machte mein Gesicht hart wie einen Kiesel“, sagt er durch den Mund des Jesaja (vgl. 50,7). Jesus „schmähte nicht, als er geschmäht wurde; als er litt, drohte er nicht“ (vgl. 1 Petr 2,23). Er war schließlich „gehorsam bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,8). Diese Leiter stand auf der Erde, als Christus predigte und Wunder wirkte; sie berührte den Himmel, als er seine Nächte im Gebet zu seinem Vater verbrachte. Hier also ist die Leiter aufgestellt. Warum steigst du nicht hinauf? Warum schleppst du dich weiter mit Händen und Füßen am Boden herum? Steig doch hinauf! Steigt hinauf, ihr Engel, Bischöfe, Ordensobere und Gläubige Jesu Christi! Steigt hinauf, sage ich euch, und betrachtet, wie süß der Herr ist! Steigt dann auch wieder herunter, um zu helfen und zu ermutigen, denn das ist es, was unser Nächster braucht. Warum versucht ihr, auf diesen Berg auf andere Weise als mit dieser Leiter zu gelangen?
Meine Kinder, Gottes Wort ist etwas Großes. Die ersten Worte des Herrn an die Apostel waren: „Gehet hin und lehret …“; damit wollte er uns zeigen, dass die Unterweisung an erster Stelle steht. Wodurch haben wir unseren Glauben kennengelernt? Durch die Belehrung, der wir Gehör geschenkt haben. Was hat uns Abscheu vor der Sünde eingeflößt, die Schönheit der Tugend uns sehen lassen … uns erfüllt mit dem Verlangen nach dem Himmel? Die Belehrungen. […] Meine Kinder, warum ist man so blind und unwissend? Weil wir uns aus dem Wort Gottes nichts machen … Wer gut unterwiesen wurde, für den gibt es immer Hilfe. Sollte er sich auf allen möglichen Irrwegen verlieren, so besteht immer noch Hoffnung, dass er zum lieben Gott früher oder später zurückfinden wird, und sei es auch erst in seiner Todesstunde. Wer aber nicht genügend Wissen von seiner Religion hat, gleicht einem Todkranken, der nicht mehr bei Bewusstsein ist. Er erkennt weder die Schwere der Sünden noch die Schönheit seiner Seele, noch den Wert der Tugend. Er fällt von einer Sünde in die andere. Wer gut informiert ist, hat immer zwei Führer, die ihm vorhergehen: guten Rat und Gehorsam.
Deswegen sandte der Vater den Logos, damit er der Welt erschiene, der von seinem Volk missachtet, von den Aposteln gepredigt und von den Heiden gläubig aufgenommen wurde. Dieser ist es, der von Anfang an war, als ein Neuer erschien und als der Alte erfunden wurde, der immerfort neu in den Herzen der Heiligen geboren wird. Er ist der Ewige, von dem es heißt, er sei „heute der Sohn“ (vgl. Ps 2,7). Durch ihn wird die Kirche bereichert und die Gnade, die sich in den Heiligen entfaltet, vermehrt, die da Verständnis gewährt, Geheimnisse erschließt, Zeiten ankündigt, sich an den Gläubigen erfreut, sich den Suchenden mitteilt, jenen nämlich, von denen die Gelöbnisse des Glaubens nicht gebrochen und die von den Vätern gesteckten Grenzen nicht überschritten werden. Dann wird die Gesetzesfurcht gepriesen, die Prophetengabe erkannt, der Glaube der Evangelien gefestigt und die Überlieferung der Apostel bewahrt; es frohlockt die Gnade der Kirche. Wenn du diese Gnade nicht betrübst, wirst du erkennen, was der Logos verkündet, durch wen und wann er will. […] Wenn ihr darauf achtet und es mit Eifer anhört, werdet ihr innewerden, was Gott denen bietet, die ihn in rechter Weise lieben, die ihr geworden seid ein Paradies der Wonne und in euch aufsprossen lasst einen herrlich blühenden, fruchtbeladenen Baum, mit allerlei Früchten geschmückt. An diesem Ort nämlich ist ein Baum der Erkenntnis und ein Baum des Lebens gepflanzt […] Wer aber mit Furcht erkennt und Leben sucht, der pflanzt auf Hoffnung in Erwartung der Frucht. Möge dir das Herz Erkenntnis und das wahre, tieferfasste Wort sein. Wenn du davon Holz trägst und Frucht nimmst, wirst du immerdar ernten.
„Lasst eure Lampen brennen“ (Lk 12,35). […] Zeigen wir durch dieses sichtbare Zeichen die Freude, die wir mit Simeon teilen, welcher in seinen Händen das Licht der Welt trägt. […] Lasst uns glühen in unserer Hingabe und strahlen durch unsere Werke, so werden wir mit Simeon Christus in unseren Händen tragen. […] Heute hat die Kirche den schönen Brauch, dass wir Kerzen tragen. […] Wer erinnert sich heute, wenn er seine brennende Lampe in der Hand hält, nicht an den seligen Greis? An diesem Tag nahm er Jesus in seine Arme, das Wort, das im Fleisch gegenwärtig ist, wie das Licht im Wachs, und bezeugte, dass er es ist, „das Licht, das die Heiden erleuchtet“. Simeon war gewiss selbst eine „Lampe, die brennt und leuchtet“, indem er Zeugnis ablegte vom Licht (Joh 5,35; vgl. Joh 1,7). Deshalb war er in den Tempel gekommen, geführt vom Heiligen Geist, der ihn erfüllte, „um dein Erbarmen, o Gott, zu empfangen inmitten deines Tempels“ (vgl. Ps 47(48),10 Vulg.) und um zu verkünden, dass es das Erbarmen und das Licht deines Volkes ist. O Greis, strahlend von Frieden, du trugst das Licht nicht nur in deinen Händen, du wurdest von ihm durchdrungen. Du warst so von Christus erleuchtet, dass du im Voraus schautest, wie er die Völker erleuchten würde […], wie heute der Glanz unseres Glaubens aufleuchten würde. Freu dich nun, heiliger Greis; sieh heute, was du im Voraus erblickt hattest: Die Finsternis der Welt hat sich verflüchtigt, „Völker wandern zu deinem Licht“, „die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit“ (Jes 60,3; vgl. Jes 6,3).
Die Tatsache der Macht des Bösen im Herzen des Menschen und in der menschlichen Geschichte ist also unbestreitbar. Die Frage ist: Wie ist dieses Böse zu erklären? […] Der christliche Glaube [sagt uns]: Es gibt zwei Geheimnisse des Lichts und ein Geheimnis der Nacht, das jedoch von den Geheimnissen des Lichts umhüllt ist. Das erste Geheimnis des Lichts ist dieses: Der Glaube sagt uns, dass es nicht zwei Prinzipien, ein gutes und ein böses, gibt, sondern nur ein einziges Prinzip, den Schöpfergott, und dieses Prinzip ist gut, nur gut, ohne jeglichen Schatten des Bösen. Und deshalb ist auch das Sein keine Mischung aus Gutem und Bösem. Das Sein als solches ist gut, und deshalb ist es gut zu sein, ist es gut zu leben. Das ist die Frohbotschaft des Glaubens: Es gibt nur einen guten Quell, den Schöpfer. […] Dann folgt ein Geheimnis der Finsternis, der Nacht. Das Böse stammt nicht aus der Quelle des Seins selbst, es ist nicht gleichursprünglich. Das Böse stammt aus einer geschaffenen Freiheit, aus einer missbrauchten Freiheit. Wie war das möglich, wie ist das geschehen? Das bleibt im Dunkeln. Das Böse ist nicht logisch. […] Wir können es rätselnd ahnen, aber nicht erklären; und wir können es auch nicht wie eine Tatsache unter anderen erzählen, weil es sich um eine tiefere Wirklichkeit handelt. Es bleibt ein Geheimnis der Dunkelheit, der Nacht. Aber da kommt sogleich ein Geheimnis des Lichts hinzu. Das Böse kommt aus einer untergeordneten Quelle. Gott ist stärker mit seinem Licht. Und deshalb kann das Böse überwunden werden. Deshalb ist das Geschöpf, der Mensch heilbar. […] Und schließlich als letzter Punkt: Der Mensch ist nicht nur heilbar, er ist tatsächlich geheilt. Gott hat die Heilung eingeleitet. Er ist selbst in die Geschichte eingetreten. Der ständigen Quelle des Bösen hat er eine Quelle des reinen Guten entgegengesetzt. Der gekreuzigte und auferstandene Christus, der neue Adam, setzt der schmutzigen Flut des Bösen eine Flut des Lichts entgegen. Und diese Flut ist in der Geschichte gegenwärtig: Wir sehen die Heiligen, die großen Heiligen, aber auch die demütigen Heiligen, die einfachen Gläubigen. Wir sehen, dass die Flut des Lichts, das von Christus kommt, gegenwärtig und stark ist.
Jesus ging also in die Synagoge von Kafarnaum und begann zu lehren […] Und er „lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ Er sagte beispielsweise nicht „Wort des Herrn!“ oder gar: „So spricht er, der mich gesandt hat“. Nein, Jesus spricht in seinem eigenen Namen: er war es, der einst durch die Stimme der Propheten gesprochen hatte. Es ist bereits gut, wenn man, in Bezug auf einen Text, sagen kann: „Es steht geschrieben …“ oder: „Wort des Herrn!“ Doch etwas ganz anderes ist es, versichern zu können: „Wahrlich, ich sage euch …“ Wie kannst du es wagen zu sagen: „Wahrlich, ich sage euch“, wenn du nicht derjenige bist, der einst das Gesetz gegeben hat? Niemand wagt es, das Gesetz zu ändern, wenn nicht der König selbst […] „Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre“. Was ist denn nun so neu an seiner Lehre? Was sagte er denn so Neues? Er sagte nur das, was er bereits durch die Stimme der Propheten gesprochen hatte. Aber die Leute waren erstaunt, weil er nicht nach der Weise der Schriftgelehrten lehrte. Er lehrte als einer, der selber Vollmacht hat; nicht als Rabbi, sondern als Herr. Er sprach nicht, indem er sich auf einen größeren als ihn selbst bezog. Nein, das Wort, das er sprach, war sein eigenes; und er sprach so, weil jener, den er durch die Propheten angekündigt hatte, jetzt mit lauter Stimme sagte: „Ich bin es, der zu euch spricht: Ich bin da“ (vgl. Jes 52,6).
Es missfällt Gott keinesfalls, wenn du dich manchmal sachte bei ihm beklagst. Hab keine Angst, ihm zu sagen: „Warum, Herr, hast du dich so weit entfernt? (vgl. Ps 9,22 LXX). Du weißt sehr wohl, dass ich dich liebe und dass ich nach nichts anderem verlange als nach deiner Liebe. Um der Liebe willen rette mich, verlass mich nicht.“ Wenn die Trostlosigkeit lange andauert und du sehr große Angst hast, dann vereine deine Stimme mit der Stimme Jesu, als er ohnmächtig am Kreuz hing. Flehe um das göttliche Mitleid und sage: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Mache dir aber diese Prüfung zunutze: zunächst um dich noch mehr zu demütigen, indem du dir selbst immer wieder vorsagst, dass man keinerlei Trost verdient, wenn man Gott beleidigt hat; dann rufe dir, um dein Vertrauen zu stärken, ins Gedächtnis, dass Gott, was immer er auch tut oder zulässt, nur dein Wohl im Sinn hat, dass also deiner Seele „alles zum Guten gereicht“ (vgl. Röm 8,28). Je mehr dich Ärger und Mutlosigkeit heimsuchen, desto unerschrockener musst du dich mit großem Mut wappnen und ausrufen: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten?“ (Ps 27,1). Ja, Herr, du bist es, der mich erleuchten wird, du bist es, der mich retten wird. Ich vertraue auf dich, „auf dich habe ich meine Hoffnung gesetzt: ich soll nicht zuschanden werden (bis) in Ewigkeit“ (vgl. Ps 30,2 LXX). Bleibe also unerschütterlich im Frieden, und sei gewiss, dass „keiner, der seine Hoffnung auf den Herrn gesetzt hat, zuschanden wurde“ (vgl. Sir 2,11 Vulg.); keiner ging verloren, wenn er sein Vertrauen auf Gott gesetzt hatte.
Was mich angeht, mein Gott, bin ich so davon überzeugt, dass du über die wachst, die auf dich hoffen, und dass es einem an nichts fehlen kann, wenn er alles von dir erwartet. So habe ich mich entschlossen, künftig ohne jede Sorge zu leben und all meine Besorgnisse bei dir abzuladen: „Ganz und gar im Frieden lege ich mich nieder und schlafe ein; denn du allein, Herr, lässt mich in Sicherheit ruhen“ (vgl. Ps 4,9 Vulg.). Menschen können mich der Güter und der Ehre berauben; Krankheiten können mir die Kraft und die Möglichkeiten entziehen, dir zu dienen; durch die Sünde kann ich sogar deiner Gnade verlustig gehen; aber niemals werde ich meine Hoffnung verlieren; ich werde sie bis zum letzten Augenblick meines Lebens bewahren. Sollen doch alle Dämonen der Hölle in diesem Moment vergebliche Anstrengungen unternehmen, um sie mir zu entreißen: „Ganz und gar im Frieden lege ich mich nieder und schlafe ein“. Andere mögen in der Erwartung ihres Glücks, ihres Reichtums oder ihrer Talente sein; wieder andere mögen sich auf die Unschuld ihres Lebens oder auf die Strenge ihrer Bußübungen verlassen oder auf die Vielzahl ihrer Almosen oder auf die Glut ihres Gebets: „Du allein, Herr, lässt mich in Sicherheit ruhen.“ Herr, mein ganzes Vertrauen liegt für mich im Vertrauen selbst. Dieses Vertrauen hat noch niemanden getäuscht: „Wisset, dass niemand, der seine Hoffnung auf den Herrn gesetzt hat, jemals in seiner Hoffnung getäuscht worden ist“ (vgl. Koh 2,11 Vulg.).
Selig der Knecht, der alles Gute Gott, dem Herrn, zurückerstattet; denn wer etwas für sich zurückbehält, verbirgt bei sich das Geld Gottes, seines Herrn, und was er zu haben meinte, wird ihm genommen werden (Lk 8,18). Selig der Knecht, der sich nicht für besser hält, wenn er von den Menschen laut gepriesen und erhoben wird, als wenn er für unbedeutend, einfältig und verächtlich gehalten wird. Denn was der Mensch vor Gott ist, das ist er und nicht mehr. […] Selig jener Ordensmann, der nur an den hochheiligen Worten und Werken des Herrn seine Lust und Freude hat und dadurch die Menschen mit Fröhlichkeit und Freude zur Liebe Gottes führt. […] Selig der Knecht, der, wenn er redet, nicht mit dem Blick auf eine Belohnung alles, was er weiß, bekannt macht und der nicht rasch beim Reden ist, sondern vorher weise bedenkt, was er reden und antworten soll. Wehe jenem Ordensmann, der das Gute, das der Herr ihm zeigt, nicht in seinem Herzen bewahrt und, anstatt es anderen vor allem durch das Tun zu zeigen, es den Menschen mehr durch Worte zu zeigen wünscht, mit dem Blick auf eine Belohnung. Er selbst empfängt schon seinen Lohn, und die Zuhörer tragen wenig Frucht davon. […] Selig der Knecht, der das Gute, das der Herr ihm zeigt, als Schatz im Himmel sammelt (vgl. Mt 6,20) und der kein Verlangen hat, es mit dem Blick auf Belohnung den Menschen zu offenbaren, denn der Allerhöchste selbst wird seine Werke offenbaren, wem immer er will. Selig der Knecht, der die Geheimnisse des Herrn in seinem Herzen bewahrt (vgl. Lk 2,19.51).
Eines Tages erwog sie den Reichtum der mannigfachen Gnaden, welche die überströmende Güte Gottes ihr eingegossen, weil sie unzählige Geschenke Gottes nachlässig vergeudet und nicht die geringste Frucht davon gebracht habe, weder in sich selbst durch Genuss oder Danksagung noch in andern, die sie, wenn es ihnen bekannt gewesen wäre, hätte erbauen oder in göttlicher Erkenntnis fördern können. Hierüber wurde sie durch folgende Erleuchtung getröstet: Zuweilen ergießt der Herr seine Gnadengaben auf die Auserwählten nicht in der Art, dass er von jeder einzelnen würdige Früchte verlangt, weil die menschliche Gebrechlichkeit dies oftmals verhindert. Seine überfließende Freigebigkeit vielmehr, die sich nicht mäßigen kann, obgleich sie weiß, dass der Mensch sich nicht in allem Einzelnen zu üben vermag, vermehrt beständig die Fülle der Gnaden, um dem Menschen hierdurch in Zukunft eine Fülle von Seligkeit zueignen zu können. Solches betrachten wir für gewöhnlich auch bei irdischen Geschenken, die man hin und wieder einem kleinen Kind macht, ohne dass es um den Nutzen des Geschenkes weiß, damit es ihn aber später als Erwachsenen mit Gütern überschütte. Ebenso ist es, wenn unser Herr in diesem Leben seinen Auserwählten Gnade verleiht: Er bereitet und sichert ihnen Geschenke, deren ewiger Genuss sie im Himmel selig machen wird.
Christus der Herr, der Sohn des lebendigen Gottes, ist gekommen, sein Volk von den Sünden zu erlösen und alle Menschen zu heiligen. Wie er selbst vom Vater gesandt worden ist, so sandte er seine Apostel (vgl. Joh 20,21). Darum heiligte er sie, indem er ihnen den Heiligen Geist gab, damit auch sie auf Erden den Vater verherrlichen und die Menschen retten, „zum Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12), der die Kirche ist. In dieser Kirche besitzt der römische Bischof als Nachfolger des Petrus, dem Christus seine Schafe und Lämmer zu weiden anvertraute, aufgrund göttlicher Einsetzung die höchste, volle, unmittelbare und universale Seelsorgsgewalt. […] Aber auch die Bischöfe sind vom Heiligen Geist eingesetzt und treten an die Stelle der Apostel als Hirten der Seelen. Gemeinsam mit dem Papst und unter seiner Autorität sind sie gesandt, das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortzusetzen. Christus hat nämlich den Aposteln und ihren Nachfolgern den Auftrag und die Vollmacht gegeben, alle Völker zu lehren, die Menschen in der Wahrheit zu heiligen und sie zu weiden. Daher sind die Bischöfe durch den Heiligen Geist, der ihnen mitgeteilt worden ist, wahre und authentische Lehrer des Glaubens, Priester und Hirten geworden. […] Als rechtmäßige Nachfolger der Apostel und Glieder des Bischofskollegiums sollen sich die Bischöfe immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen. Durch göttliche Einsetzung und Vorschrift ist ja jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen Bischöfen mitverantwortlich für die apostolische Aufgabe der Kirche. Vor allem seien sie besorgt um jene Gegenden der Erde, in denen das Wort Gottes noch nicht verkündet ist oder in denen die Gläubigen, besonders wegen der geringen Anzahl der Priester, in der Gefahr schweben, den Geboten des christlichen Lebens untreu zu werden, ja den Glauben selbst zu verlieren. Mit allen Kräften seien sie deshalb bemüht, dass die Gläubigen die Werke der Verkündigung und des Apostolats freudig unterstützen und fördern.
O ewige Dreieinigkeit und einzige Gottheit! Gottheit, eine Wesenheit in drei Personen! Darf ich dich mit einem Weinstock vergleichen, der drei Zweige hat? Du hast den Menschen nach deinem Bild und Gleichnis geschaffen, damit er durch die drei Fähigkeiten, die er in der einen Seele besitzt, mit dem Abdruck deiner Dreifaltigkeit und Gottheit geprägt ist. Und dadurch ist er dir nicht nur ähnlich, sondern er vereint sich sogar mit dir. […] O großer heiliger Paulus, du bist in diese Wahrheit eingedrungen, du, der du sehr wohl wusstest, woher du kamst, wohin du gingst und auf welchem Weg. Du hattest deinen Ursprung und dein Ziel erkannt, wie auch den Weg, der zu gehen war. Durch diese Betrachtungen haben sich die drei Fähigkeiten deiner Seele mit den drei göttlichen Personen vereint. Dein Gedächtnis haftete am Vater durch die überaus deutliche Erinnerung, dass er der Ursprung ist, aus dem alles hervorgeht: nicht nur das, was ist, sondern auch die göttlichen Personen. Von daher konntest du gar nicht anders als erkennen, dass er dein eigener Ursprung ist. Deine mit dem Sohn, dem Wort, vereinte Intelligenz durchforschte gründlich die durch die Weisheit des Wortes verfügte Ordnung, der zufolge die Geschöpfe zu ihrem Ziel heimkehren, das mit ihrem Anfang identisch ist. Deinen Willen hattest du mit dem Heiligen Geist vereint, da du von ganzem Herzen jene Liebe, jene Milde geliebt hast, von der du wusstest, dass sie die Ursache der ganzen Schöpfung ist, die Ursache aller Gnaden, die dir zufielen, ganz ohne eigene vorhergehende Verdienste deinerseits. Du wusstest, dass die göttliche Gnade bei all ihren Werken nur ein Ziel hatte: deine Heiligung. Deshalb hast du am gleichen Tag, an dem du durch das Wort vom Irrtum zur Wahrheit zurückgeführt wurdest, die Gunst einer Verzückung erhalten, in der du die göttliche Wesenheit in drei Personen schautest. Als du in deinen Leib, oder besser, zu deinen Sinnen zurückkehrtest, blieb dir nur die Schau des Fleisch gewordenen Wortes: Davon aber warst du ganz und gar durchdrungen.
Jesus, du Nahrung der Seelen, die jede natürliche Wirklichkeit übersteigt, diese gewaltige Menschenmenge schreit nach dir. Es bemüht sich, seiner menschlichen und christlichen Berufung neuen Schwung zu geben, sich mit inneren Tugenden zu schmücken, stets bereit zu dem Opfer, dessen Vorbild du selbst bist, durch Wort und Beispiel. Du bist der erste unserer Brüder; du bist den Schritten eines jeden von uns vorausgegangen; du hast die Fehler eines jeden vergeben. Und Du rufst sie alle zu einem großherzigeren, tätigeren, verständnisvolleren Lebenszeugnis auf. Jesus, du „Brot des Lebens“ (Joh 6,35), einzigartige und einzig lebenswichtige Speise der Seele, heiße alle Menschen an deinem Tisch willkommen. Dies ist bereits die göttliche Wirklichkeit auf Erden, das Unterpfand der himmlischen Güter, die Gewissheit einer glücklichen Verständigung zwischen den Völkern und eines friedlichen Kampfes für wahren Fortschritt und Zivilisation. Durch dich und von dir genährt, werden die Menschen stark im Glauben, fröhlich in der Hoffnung und eifrig in Werken der Liebe sein. Die Menschen guten Willens werden triumphieren über alle vom Bösen gestellten Fallen; sie werden triumphieren über Selbstsucht und Trägheit. Und die aufrichtigen und gottesfürchtigen Menschen werden hören, wie sich die ersten geheimnisvollen und sanften Echos der Gottesstadt, deren Abbild die Kirche hier unten sein will, über die Erde erheben. Du führst uns auf gute Weideplätze; du beschützt uns. Zeige uns, Jesus, deine Güte im Land der Lebenden (vgl. Ps 27(26),13).
Wer sich am Gängelbande des hl. Gehorsams leiten lässt wie ein Kind, der wird ins Reich Gottes gelangen, das den „Kleinen“ verheißen ist. Der Gehorsam führte die Königstochter aus dem Hause Davids in das schlichte Häuschen des armen Zimmermanns von Nazareth; er führte die beiden heiligsten Menschen aus der sichern Umfriedung dieses bescheidenen Heims auf die Landstraße und in den Stall von Bethlehem; er legte den Gottessohn in die Krippe. In freigewählter Armut wanderten der Heiland und Seine Mutter über die Straßen von Judäa und Galiläa und lebten von den Almosen der Gläubigen. Nackt und bloß hing der Herr am Kreuz und überließ die Sorge für Seine Mutter der Liebe Seines Jüngers. Darum verlangt Er die Armut von denen, die Ihm nachfolgen wollen. Frei muss das Herz sein von der Bindung an irdische Güter, von der Sorge darum, der Anhänglichkeit daran, dem Verlangen danach, wenn es ungeteilt dem göttlichen Bräutigam angehören will; wenn der Wille in ungehemmter Bereitwilligkeit jedem Wink des hl. Gehorsams folgen will.
Der Bischof ist, mit der Fülle des Weihesakramentes ausgezeichnet, „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“, vorzüglich in der Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen lässt und aus der die Kirche immerfort lebt und wächst. Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen (vgl. Apg 8,1; 14,22–23; 20,17). Sie sind nämlich je an ihrem Ort, im Heiligen Geist und mit großer Zuversicht (vgl. 1 Thess 1,5), das von Gott gerufene neue Volk. In ihnen werden durch die Verkündigung der Frohbotschaft Christi die Gläubigen versammelt, in ihnen wird das Mysterium des Herrenmahls begangen, „auf dass durch Speise und Blut des Herrn die ganze Bruderschaft verbunden werde“. In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener „Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann“. In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird. Denn „nichts anderes wirkt die Teilhabe an Leib und Blut Christi, als dass wir in das übergehen, was wir empfangen“. […] So spenden die Bischöfe durch Gebet und Arbeit für das Volk vielfältige und reiche Gaben von der Fülle der Heiligkeit Christi aus. Durch den Dienst des Wortes teilen sie die Kraft Gottes den Glaubenden zum Heil mit (vgl. Röm 1,16), und durch die Sakramente, deren geregelte und fruchtbare Verwaltung sie mit ihrer Autorität ordnen, heiligen sie die Gläubigen.
Gott hat den Menschen nicht geschaffen, damit er verloren gehe, sondern damit er ewig lebe; und diese seine Absicht bleibt unveränderlich. […] Denn „er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). „So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen Kleinen verloren geht“ (Mt 18,14). An anderer Stelle heißt es ebenfalls: „Gott will nicht, dass auch nur eine einzige Seele verloren geht; er schiebt die Ausführung seiner Beschlüsse auf, damit einer, der verworfen wurde, nicht endgültig zugrunde geht (vgl. 2 Sam 14,14 Vulg.; vgl. 2 Petr 3,9). Gott ist wahrhaftig; er lügt nicht, wenn er mit einem Eid bekräftigt: „So wahr ich lebe – ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt“ (vgl. Ez 33,11). […] Darf man denn, ohne sich einer ungeheuren Gotteslästerung schuldig zu machen, annehmen, dass er nicht das Heil ausnahmslos aller will, sondern nur einiger weniger? Wer verloren geht, der geht gegen den Willen Gottes verloren. Tagtäglich ruft er ihm zu: „Kehrt um auf euren bösen Wegen! Warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel?“ (Ez 33,11). Und wiederum fragt er: „Warum wendet dieses Volk sich ab und beharrt auf der Abkehr? Ihre Stirn ist härter als Stein, sie weigern sich umzukehren“ (Jer 8,5; 5,3). Die Gnade Christi steht uns also immer zur Verfügung. Da er will, dass alle Menschen gerettet werden, […] ruft er sie alle ohne Ausnahme auf: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28).
Jesus, Ewige Wahrheit, unser Leben, ich flehe und bettle um Deine Barmherzigkeit für die armen Sünder. Du süßes Herz meines Herrn, voll von Mitleid und unergründlicher Barmherzigkeit, ich flehe zu Dir für die armen Sünder. O heiligstes Herz, Quelle der Barmherzigkeit, aus der über die ganze Menschheit Strahlen unbegreiflicher Gnaden strömen, ich flehe Dich an um Erleuchtung für die armen Sünder. O Jesus, gedenke Deines bitteren Leidens und lasse nicht zu, dass Seelen verlorengehen, die mit Deinem so kostbaren heiligsten Blut erkauft wurden. O Jesus, wenn ich den gewaltigen Preis Deines Blutes bedenke, freut mich seine Größe, denn ein Tropfen hätte für alle Sünder gereicht. Obgleich die Sünde ein Abgrund der Boshaftigkeit und Undankbarkeit darstellt, ist der für uns entrichtete Preis unvergleichlich – deshalb möge jede Seele im Leiden des Herrn Vertrauen finden und Hoffnung in Seiner Barmherzigkeit. Gott verweigert niemandem Seine Barmherzigkeit. Himmel und Erde können sich verändern, doch Gottes Barmherzigkeit wird sich nicht erschöpfen. Ach, welche Freude brennt in meinem Herzen, wenn ich Deine unfassbare Güte sehe, o mein Jesus. Ich möchte alle Sünder zu Deinen Füßen bringen, auf dass sie auf ewig Deine Barmherzigkeit preisen.
Ist auch das irdische Leben fürwahr ein Gut, das aller Sorge wert ist, so besteht doch in ihm nicht das höchste uns gesetzte Ziel. Es hat nur als Weg, als Mittel zur Erreichung des Lebens der Seele zu gelten. Dieses Leben der Seele ist Erkenntnis der Wahrheit und Liebe zum Guten. In die Seele ist das erhabene Ebenbild des Schöpfers eingedrückt, und in ihr thront jene hohe Würde des Menschen, kraft deren er über die niedrigen Naturwesen zu herrschen und Erde und Meer sich dienstbar zu machen berufen ist (vgl. Gen 1,28). […] Unter dieser Rücksicht sind alle Menschen gleich; kein Unterschied der Menschenwürde zwischen reich und arm, Herr und Diener, Fürst und Untertan, „denn derselbe ist der Herr aller“ (Röm 10,12). Keine Gewalt darf sich ungestraft an der Würde des Menschen vergreifen, da doch Gott selbst „mit großer Achtung“, wie es heißt, über ihn verfügt; keine Gewalt darf ihn auf dem Wege christlicher Pflicht und Tugend, der ihn zum ewigen Leben im Himmel führen soll, zurückhalten. […] Hiermit ist die Grundlage der pflichtmäßigen Sonntagsruhe bezeichnet. Die Sonntagsruhe bedeutet nicht soviel wie Genuss einer trägen Untätigkeit. Noch weniger besteht sie in der Freiheit von Regel und Ordnung, und sie ist nicht dazu da, wozu sie manchen erwünscht ist, nämlich um Leichtsinn und Ausgelassenheit zu begünstigen oder um Gelegenheit zu überflüssigen Ausgaben zu schaffen. Sie ist vielmehr eine durch die Religion geheiligte Ruhe von der Arbeit. […] Das ist die Natur, das die Ursache der Sonntagsruhe. Das hat Gott im Alten Testamente eindringlich durch das Gebot bekräftigt: „Gedenke, dass du den Sabbat heiligst“ (Ex 20,8), und diesen Charakter verlieh er dieser Ruhe, da er in seiner eigenen geheimnisvollen Ruhe nach der Erschaffung des Menschen das Vorbild gab: „Er ruhte am siebten Tage von jedem Werke, das er geschaffen hatte“ (Gen 2,2).
Herr, ich lade Dich ein zu einem Hochzeitsmahl aus Festgesängen. In Kana fehlte der Wein, der unseren Lobpreis versinnbildet; Du, der Du eingeladen warst und die Krüge mit gutem Wein gefüllt hast, sättige meinen Mund mit Deinem Lobpreis! Der Wein von Kana ist das Symbol unseres Lobpreises, weil alle, die von ihm tranken, davon begeistert waren. Bei diesem Hochzeitsmahl, das nicht das Deinige war, hast Du, der wahre Gerechte, sechs große Krüge von köstlichem Wein überfließen lassen; bei dem Festmahl, zu dem ich Dich einlade, kannst Du die Ohren vieler Menschen mit Deiner Süße erfüllen. Einst warst Du bei der Hochzeit anderer der Eingeladene; jetzt jedoch hast Du hier Dein eigenes Festmahl, das keusch und schön ist. Möge es doch Dein Volk erfreuen! Deine Festgesänge sollen Deine Gäste erquicken; meine Zither soll Deinen Gesang begleiten! Deine Verlobte ist unsere Seele; unser Leib ist Dein Hochzeitsgemach; unsere Sinne und Gedanken sind die zum Mahl Eingeladenen. Wenn für Dich schon ein einziger Mensch zum Hochzeitsmahl wird, wie groß wird dann erst das Festmahl der ganzen Kirche sein!
Am Tag darauf sah Johannes „Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Jetzt heißt es nicht mehr: „Bereitet dem Herrn den Weg“ (Mt 3,3), da der, dessen Ankunft vorbereitet worden ist, sich nun sehen lässt: Von nun an bietet er sich den Blicken dar. Die Natur des Ereignisses verlangt eine andere Redeweise: Jetzt gilt es, den bekannt zu machen, der da ist, zu erklären, wozu er vom Himmel herabgestiegen und zu uns gekommen ist. Deshalb verkündet Johannes: „Seht, das Lamm Gottes“. Der Prophet Jesaja hat ihn uns angekündigt, indem er von ihm sagte: „Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf“ (Jes 53,7). Das mosaische Gesetz hat ihn angedeutet, aber […] es brachte nur ein unvollständiges Heilswerk hervor, und seine Barmherzigkeit erstreckte sich nicht auf alle Menschen. Doch heute wird das wahre Lamm, das einst durch Symbole dargestellt wurde, das Opfer ohne Fehl und Makel, zur Schachtbank geführt. Es geht darum, die Sünde aus der Welt zu verbannen, den Verderber der Erde zu entmachten, den Tod zu vernichten, indem er für alle den Tod auf sich nimmt; den Fluch zu brechen, der auf uns lastete und ein Ende zu setzen jenem Wort: „Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19). So wurde er der zweite Adam, und zwar himmlischen, nicht irdischen Ursprungs (vgl. 1 Kor 15,47); die Quelle alles Guten für die Menschheit […], der Weg, der zum Himmelreich führt. Denn ein einziges Lamm ist für alle gestorben und hat für Gott, den Vater, die ganze Herde der Erdenbewohner zurückerworben. „Einer ist für alle gestorben“, um sie alle Gott unterzuordnen. „Einer ist für alle gestorben“, um sie alle zu gewinnen, auf dass von nun an „die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14–15).
O mildreicher Vater, als das Menschengeschlecht darniederlag, verwundet durch die Sünde Adams, hast du ihm den Arzt geschickt, deinen lieben Sohn, das Wort der Liebe. Und als ich selbst erschlafft in Nachlässigkeit und tiefer Unwissenheit dahinschmachtete, da hast du, der mildreichste und sanfteste Arzt, der ewige Gott, mir eine liebliche, zugleich süße und bittere Medizin gegeben, um mich zu heilen und mich aus meinem Siechtum herauszuholen. Sie war lieblich, denn mit deiner Liebe, mit deiner Sanftheit hast du dich mir offenbart, du Milde über aller Milde. Du hast das Auge meines Verstandes durch das Licht des heiligsten Glaubens erleuchtet. Und da es dir gefiel, mir dieses Licht zu offenbaren, erkannte ich in diesem Licht die Vorzüglichkeit und Gnade, die du dem Menschengeschlecht erwiesen hast, indem du dich ihm gänzlich hingegeben hast, du wahrer Gott und wahrer Mensch, im mystischen Leib der heiligen Kirche. […] O unaussprechliche Liebe! Indem du mir diese Dinge enthülltest, hast du mir eine süße und zugleich bittere Medizin verabreicht, um mich von meiner Schwachheit zu heilen, mich meiner Unwissenheit und Lauheit zu entreißen, meinen Eifer neu zu entfachen und eine glühende Sehnsucht zu wecken, zu dir zu kommen! Indem du mir auf diese Weise deine Güte vor Augen führst und die Beleidigungen, die dir von allen Menschen, besonders aber von deinen Dienern, zugefügt werden, wolltest du, dass ich arme Sünderin über mich selbst und all die Toten, die so elend dahinleben, einen Strom von Tränen vergieße, der aus der Erkenntnis deiner unendlichen Güte entspringt. Ich will also, o ewiger Vater, du Feuerofen unaussprechlicher Liebe und glühender Barmherzigkeit, keinen Augenblick aufhören, deine Ehre und das Heil der Seelen zu wünschen!
Durch die Sakramente der christlichen Initiation erhält der Mensch das neue Leben in Christus. Nun aber tragen wir dieses Leben „in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Jetzt ist es noch „mit Christus verborgen in Gott“ (Kol 3,3). Wir leben noch in unserem „irdischen Zelt“ (2 Kor 5,1) und sind dem Leiden, der Krankheit und dem Tod unterworfen. So kann auch das neue Leben als Kind Gottes geschwächt und durch die Sünde sogar verloren werden. Der Herr Jesus Christus, der Arzt unserer Seelen und unserer Leiber, der dem Gelähmten die Sünden vergeben und ihm wieder die Gesundheit geschenkt hat (vgl. Mk 2,1–12), will, dass seine Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes sein Heilungs- und Heilswerk fortsetzt. Dessen bedürfen auch ihre eigenen Glieder. Dazu sind die beiden Sakramente der Heilung da: das Bußsakrament und die Krankensalbung. „Die ganze Wirkung der Buße besteht darin, dass sie uns Gottes Gnade wieder verleiht und uns mit ihm in inniger Freundschaft vereint“ (Catech. R. 2,5, 18). Ziel und Wirkung dieses Sakramentes ist somit die Versöhnung mit Gott Bei denen, die das Bußsakrament reuevoll und fromm empfangen, können „Friede und Heiterkeit des Gewissens, verbunden mit starker Tröstung des Geistes“ folgen (K. v. Trient: DS 1674). Das Sakrament der Versöhnung mit Gott bewirkt eine wirkliche „geistige Auferstehung“, eine Wiedereinsetzung in die Würde und in die Güter des Lebens der Kinder Gottes, deren kostbarstes die Freundschaft mit Gott ist (vgl. Lk 15,32). Dieses Sakrament versöhnt uns auch mit der Kirche. Die Sünde beeinträchtigt oder bricht die brüderliche Gemeinschaft. Das Bußsakrament erneuert sie oder stellt sie wieder her. Es heilt denjenigen, der wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen wird, und übt auch einen belebenden Einfluss auf das Leben der Kirche aus, die unter der Sünde eines ihrer Glieder gelitten hat (vgl. 1 Kor 12,26). Der Sünder wird wieder in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen oder in ihr gefestigt und durch den Austausch geistlicher Güter gestärkt. Dieser Austausch findet unter allen lebendigen Gliedern des Leibes Christi statt […] „Der Beichtende, dem verziehen wird, wird in seinem innersten Sein mit sich selbst versöhnt, wodurch er seine innerste Wahrheit wiedererlangt; er versöhnt sich mit seinen Brüdern, die von ihm irgendwie angegriffen und verletzt worden sind; er versöhnt sich mit der Kirche und der ganzen Schöpfung“ (RP 31).
Franziskus begegnete eines Tages, als er in der Nähe von Assisi einherritt, einem Aussätzigen. Und während er sonst gewohnt war, vor Aussätzigen großen Abscheu zu haben, tat er sich jetzt Gewalt an, stieg vom Pferd, reichte dem Aussätzigen ein Geldstück und küsste ihm die Hand. Und nachdem er von ihm den Friedenskuss empfangen hatte, stieg er wieder aufs Pferd und setzte seinen Weg fort. Seitdem begann er, mehr und mehr sich selbst zu verachten, bis er durch die Gnade Gottes vollkommen zum Sieg über sich gelangte. Wenige Tage später nahm er viel Geld mit sich und begab sich zum Hospital der Aussätzigen. Nachdem er alle versammelt hatte, gab er jedem von ihnen ein Almosen und küsste ihnen die Hand. Als er wegging, war ihm wirklich das, was ihm früher bitter war, nämlich die Aussätzigen zu sehen und zu berühren, in Süßigkeit verwandelt worden. Denn so widerwärtig war ihm, wie gesagt, der Anblick von Aussätzigen, dass er sie nicht nur nicht sehen, sondern nicht einmal ihrer Behausung nahe kommen wollte. Und wenn es doch geschah, dass er an ihren Häusern vorbeiging oder sie sah, wandte er das Gesicht stets ab und hielt sich mit seinen Händen die Nase zu […] Aber durch die Gnade Gottes wurde er so sehr ein Vertrauter und Freund der Aussätzigen, dass, wie er selbst in seinem Testament bezeugt, er unter ihnen weilte und ihnen demütig diente. Nach den Besuchen bei den Aussätzigen war er zum Guten verwandelt.
Für eine Person betend, empfing sie Unterweisung, wie dieselbe ihren Lebenswandel einzurichten habe. Sie sollte […] nach dem Bericht der heiligen Schriften den Lebenswandel Christi beherzigend, sein Beispiel in allem nachzuahmen suchen, besonders in drei Stücken. Das erste ist, dass der Herr oftmals die Nächte im Gebet zubrachte (vgl. Lk 6,12; Mt 14,23), weshalb auch sie in allen Bedrängnissen zum Gebet ihre Zuflucht nehmen sollte. Zweitens hierin: Gleichwie der Herr predigend in den Städten und Flecken (kleinen Ortschaften) umherging (vgl. Mt 9,35), so bemühe auch sie sich, nicht bloß im Reden, sondern in jeglichem Werk, in Gebärden und Bewegungen des Körpers den Nächsten durch gutes Beispiel zu erbauen. Drittens solle sie, gleichwie Christus der Herr den Bedürftigen mannigfache Wohltaten erwiesen hat (vgl. Apg 10,38), ebenso ihrerseits allem Tun und Reden immer die Absicht vorausschicken, es dem Herrn in Vereinigung mit seinen höchst vollkommenen Werken zu empfehlen, damit dieser gemäß seinem anbetungswürdigsten Willen es zum Heil des Nächsten und der Gesamtheit lenke. Und nach der Vollendung solle sie es abermals dem Sohn Gottes aufopfern, damit dieser es ergänze und Gott dem Vater würdig vorstelle.
„Sondern erlöse uns von dem Bösen“: In dieser Bitte ist das Böse nicht etwas rein Gedankliches, sondern bezeichnet eine Person, Satan, den Bösen, den Engel, der sich Gott widersetzt. Der „Teufel“ [diabolos] stellt sich dem göttlichen Ratschluss und dem in Christus gewirkten Heilswerk entgegen. Der Teufel „war ein Mörder von Anfang an … denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge“ (Joh 8,44). Er ist es, „der Satan heißt und die ganze Welt verführt“ (Offb 12,9). Durch ihn sind die Sünde und der Tod in die Welt gekommen. Durch seine endgültige Niederlage wird „die ganze Schöpfung von der Verderbnis der Sünde und des Todes befreit“ werden (MR, Viertes Hochgebet). „Wir wissen: Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an. Wir wissen: Wir sind aus Gott, aber die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“ (1 Joh 5, 18–19). […] In der Stunde, in der Jesus freiwillig den Tod auf sich nimmt, um uns sein Leben zu geben, ist der Sieg über den „Herrscher der Welt“ (Joh 14,30) ein für allemal errungen. Es ist das Gericht über diese Welt, und der Herrscher dieser Welt wird „hinausgeworfen“ (Joh 12,31; vgl. Offb 12,11). Dieser „verfolgt die Frau“ (vgl. 1 Kor 16,13; Kol 4,2; 1 Thess 5,6; 1 Petr 5,8), hat aber keine Gewalt über sie; die neue Eva, die vom Heiligen Geist „Begnadete“, wird von der Sünde und der Verderbnis des Todes befreit (in der Unbefleckten Empfängnis und durch die Aufnahme der allzeit jungfräulichen Mutter Gottes Maria in den Himmel). „Da geriet der Drache in Zorn über die Frau, und er ging fort, um Krieg zu führen gegen ihre übrigen Nachkommen“ (Offb 12,17). Darum beten der Geist und die Kirche: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20; vgl. Offb 22,17), denn sein Kommen wird uns vom Bösen befreien. Wenn wir darum bitten, vom Bösen befreit zu werden, bitten wir auch um Befreiung von allen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Übeln, deren Urheber und Anstifter der Böse ist. In dieser letzten Bitte trägt die Kirche das gesamte Elend der Welt vor den Vater. Mit der Erlösung von den Übeln, welche die Menschheit bedrücken, erfleht sie das kostbare Gut des Friedens und die Gnade des beharrlichen Wartens auf die Wiederkunft Christi. Wenn die Kirche so betet, nimmt sie in der Demut des Glaubens die Vereinigung von allen und allem in jenem vorweg, der „die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,18) hat, „der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (Offb 1, 8; vgl. Offb 1,4).
Heute ist der Herr Jesus gekommen, um sich taufen zu lassen. Er wollte seinen Leib im Wasser des Jordan waschen. Es könnte vielleicht jemand sagen: „Warum wollte er, der Heilige, getauft werden?“ Höre also: Christus wurde nicht getauft, um durch das Wasser geheiligt zu werden, sondern um selbst das Wasser zu heiligen und durch sein eigenes Tun die Flut, die er berührt, zu reinigen. Es handelt sich hier also vielmehr um die Weihe des Wassers, als um die Weihe Christi. Denn von dem Augenblick an, da der Heiland gewaschen wird, werden alle Wasser rein im Hinblick auf unsere Taufe. Die Quelle wird gereinigt, damit die Gnade den Völkern, die noch kommen werden, zuteilwerden kann. Christus geht also als erster zur Taufe, damit die christlichen Völker sich ohne zu zögern in seine Nachfolge begeben. Und hierin sehe ich ein Geheimnis. Ist die Feuersäule nicht vorangezogen durch das Rote Meer, um den Kindern Israels auf ihrem Durchzug Mut zu machen, als sie ihr folgten? Sie hat das Wasser als erste durchquert, um den Folgenden den Weg zu bahnen. Dieses Ereignis war, den Worten des Apostels Paulus zufolge, ein Symbol für die Taufe (vgl. 1 Kor 10,1f.). Es war zweifellos eine Art Taufe, bei der die Menschen durch die Wolke überschattet und durch das Wasser geführt wurden. Und das alles hat derselbe Christus, unser Herr, vollbracht, der jetzt bei der Taufe den christlichen Völkern in der Säule seines Leibes vorangeht, so wie er den Kindern Israel in der Feuersäule durch das Meer vorangegangen ist. Dieselbe Säule, die einst den Augen der Wandernden Licht spendete, lässt ihr Licht nun in den Herzen der Gläubigen erstrahlen. Damals steckte sie einen sicheren Weg durch die Fluten ab, und nun festigt sie die Schritte des Glaubens in diesem Bad.
Führ, freundliches Licht, inmitten der Dunkelheit, führ du mich voran! Die Nacht ist finster, die Heimat noch gar so weit, führ du mich voran! Gib Halt meinen Füßen. Nicht das, was noch fern liegt, will ich sehen; den nächsten Schritt nur – das genügt. Ich war nicht immer so, noch bat ich früher dich: „Führ du mich voran!“ Ich selbst wollte wählen den Weg, doch nun bitt ich: „Führ du mich voran!“ Ich wollt’ den grellen Tag, trotz Angst, Stolz trieb mich an. Gedenke nicht all der Jahre, die ich vertan. So lang hat deine Macht mich gesegnet, gewiss führt sie mich voran, über Moor und Sumpf, über Felsen und Flut bis die Nacht irgendwann vorbei; am Morgen winken mich Engel empor, die seit langem ich liebte, und kurz nur verlor.
Noch etwas anderes ersehen wir aus dem Bericht [der Brotvermehrung], nämlich, welchen Eifer die Jünger für das Notwendige zeigten, und wie wenig sie an Nahrung dachten. Denn obgleich sie zwölf waren, hatten sie doch bloß fünf Brote und zwei Fische. So nebensächlich waren ihnen die leiblichen Bedürfnisse, und so sehr war ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf das Geistige gerichtet. Ja selbst an dem Wenigen hingen sie nicht, sondern gaben auch das her, als man sie darum bat. Daraus sollen wir die Lehre ziehen, auch unseren geringen Besitz mit den Armen zu teilen. Als ihnen der Herr befahl, die fünf Brote herbeizubringen, da sagten sie nicht: Und womit werden wir uns nähren? Womit werden wir unseren Hunger stillen? Nein, sie gehorchten ohne Zögern. […] Der Herr nahm also die Brote, brach sie und verteilte sie durch seine Jünger, wodurch er auch diese ehrte. Aber nicht bloß ehren wollte er sie; er tat es auch in der Absicht, dass, wenn das Wunder geschähe, sie nicht ungläubig blieben, und, wenn es geschehen und vorüber wäre, sie es nicht vergäßen, indem ja das, was sie in Händen hielten, ihnen zum Zeugnis diente. […] Er lässt durch sie das Volk einladen, sich zu setzen, und nimmt mit ihrer Hilfe die Verteilung vor […] damit sie eine dauernde Erinnerung an dasselbe hätten. […] Also durch den Ort, sowie dadurch, dass er nicht mehr bietet als Brot und Fisch, dass er allen dasselbe gibt und allen gemeinsam verteilt, und keinem mehr zukommen lässt als dem anderen, durch all das lehrt er sie Demut, Enthaltsamkeit, Liebe, gleichmäßige Behandlung aller, sowie das Bewusstsein, dass alles gemeinsam sei.
Heute, hast du dich dem Universum offenbart, Herr, und dein Licht ist uns erschienen. Angesichts dieser Offenbarung jubeln wir dir zu: Du bist gekommen, du hast dich offenbart, du, das unzugängliche Licht! (vgl. 1 Tim 6,16). […] Im heidnischen Galiläa, im Land Sebulon, im Gebiet von Naftali ist, wie der Prophet sagt, Christus, das helle Licht aufgestrahlt (vgl. Jes 8,23–9,1); über denen, die im Land der Finsternis wohnten, leuchtete – ausgehend von Betlehem – ein großes Licht auf. Der aus Maria geborene Herr, die Sonne der Gerechtigkeit (vgl. Mal 3,20), breitet seine Strahlen über das ganze Universum aus. Wir, die nackten Söhne Adams kommen, wir wollen uns mit ihm bekleiden, um uns zu wärmen. Um die Nackten zu bekleiden, um die zu erleuchten, die in der Dunkelheit sind, hast du, das unzugängliche Licht, dich offenbart. Gott hat den nicht verachtet, der – im Paradies durch eine List entkleidet – das von Gottes Händen gewebte Gewand verlor. Gott geht wieder auf ihn zu und ruft mit seiner heiligen Stimme den, der nicht auf ihn gehört hatte: „Adam, wo bist du? (vgl. Gen 3,9). Hör auf, dich vor mir zu verstecken. Wie nackt und arm du auch bist, ich will dich sehen. Hab keine Angst, ich bin dir gleich geworden. Du wolltest werden wie Gott (vgl. Gen 3,5) und konntest es nicht. Nun aber, weil ich es wollte, habe ich Fleisch angenommen. Tritt also vor, erkenne mich und sprich: Du bist gekommen, du hast dich offenbart, du, das unzugängliche Licht.“ […] Sing, Adam, sing; bete den an, der zu dir kommt. Als du dich entfernt hattest, ist er dir erschienen, um gesehen, berührt und aufgenommen zu werden. Er, vor dem du Angst hattest, als du vom Teufel verführt worden warst, hat sich dir um deinetwillen gleich gemacht. Er stieg herab auf die Erde, um dich in den Himmel zu bringen; er wurde sterblich, damit du göttlich werden und deine erste Schönheit wiedererlangen kannst. Er nahm in Nazareth Wohnung, weil er dir des Paradieses Pforten öffnen wollte. Für all das, singe, Mensch, singe und preise den, der erschienen ist und das ganze Universum erleuchtet hat.
[Am Fest der Erscheinung], erhob sie [Gertrud] sich […], aufgeopfert durch das Beispiel der seligen Weisen, in der Inbrunst des Geistes, warf sich in demütigster Andacht zu den hochheiligen Füßen des Herrn Jesus nieder und betete ihn an im Namen aller, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind (vgl. Phil 2,10). Und da sie keine würdige Opfergabe für ihn fand, begann sie mit ängstlichem Verlangen das ganze Weltall zu durcheilen und forschte in jeglicher Kreatur nach etwas, das sie würdig darbringen konnte. Während sie nun so brennend und schmachtend in dem Durst glühender Sehnsucht dahineilte, fand sie einiges Weggeworfene und von jeglichem Geschöpf Verachtete, das nicht zur Verherrlichung des Erlösers zu dienen schien, was sie aber begierig aufsammelte und auf den zu beziehen suchte, dem alles Geschaffene zu dienen verpflichtet ist. So zog sie nämlich durch ein glühendes Verlangen in ihr Herz zuerst alle Strafen, Schmerzen, Befürchtungen und Beängstigungen, die jemals irgendein Geschöpf nicht zur Ehre des Schöpfers, sondern infolge eigener Armseligkeit erduldet hat, und dies opferte sie dem Herrn gleichsam als erprobte Myrrhe auf. Zweitens zog sie in sich alle erheuchelte Heiligkeit und prahlerische Frömmigkeit der Heuchler, Pharisäer, Ketzer und Ähnlicher, und dies brachte sie Gott ebenso dar als Opfer des wohlduftendsten Weihrauchs. Drittens schien sie in ihr Herz zu ziehen jede menschliche Zuneigung und unechte und unreine Liebe aller Geschöpfe und opferte sie dem Herrn als kostbares Gold auf. Dies alles nämlich schien in ihrem Herzen durch die Glut der Liebessehnsucht, wodurch sie alles in den Dienst ihres Liebhabers zu ziehen suchte, wie im Ofen geläutertes Gold (vgl. Sir 17,3), von allen Schlacken vollständig gereinigt, wunderbar veredelt, um dem Herrn vorgestellt zu werden. Und der Herr, dem dies allerseitig gefiel und der sich darüber wie über die seltensten Geschenke unaussprechlich freute, sammelte dieselben in Gestalt kostbarer Edelsteine.
Er [der Apostel Bartholomäus] wird traditionsgemäß mit Natanaël identifiziert: ein Name, der „Gott hat gegeben“ bedeutet. Dieser Natanaël stammte aus Kana (vgl. Joh 21,2); es ist also möglich, dass er Zeuge des großen „Zeichens“ gewesen ist, das Jesus an jenem Ort vollbrachte (vgl. Joh 2,1–11). Die Gleichsetzung der beiden Personen hat ihren Grund wahrscheinlich darin, dass dieser Natanaël in der Berufungsszene, von der das Johannesevangelium berichtet, an die Seite des Philippus gestellt wird, das heißt an den Platz, den in den von den anderen Evangelien wiedergegebenen Apostellisten Bartholomäus einnimmt. Diesem Natanaël hatte Philippus mitgeteilt, dass sie den gefunden haben, „über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs“ (Joh 1,45). Wie wir wissen, hielt ihm Natanaël ein ziemlich schweres Vorurteil entgegen: „Aus Nazaret? Kann von dort etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46a). Diese Art von Ablehnung ist in gewisser Weise für uns wichtig. Sie lässt uns nämlich sehen, dass den jüdischen Erwartungen nach der Messias nicht aus einem derart unbekannten Dorf stammen konnte, wie es eben Nazaret war (vgl. auch Joh 7,42). Zugleich macht sie jedoch auch die Freiheit Gottes deutlich, der uns in unseren Erwartungen überrascht und gerade dort zu finden ist, wo wir ihn nicht erwarten würden. Andererseits wissen wir, dass Jesus in Wirklichkeit nicht ausschließlich „aus Nazaret“ war, sondern in Betlehem geboren wurde (vgl. Mt 2,1; Lk 2,4) und dass er letzten Endes vom Himmel kam, vom Vater, der im Himmel ist. Die Geschichte von Natanaël gibt uns Anregung zu einer weiteren Überlegung: In unserer Beziehung zu Jesus dürfen wir uns nicht allein mit Worten zufriedengeben. In seiner Antwort richtet Philippus eine bedeutsame Einladung an Natanaël: „Komm und sieh!“ (Joh 1,46b). Unsere Kenntnis von Jesus bedarf vor allem einer lebendigen Erfahrung: Das Zeugnis der anderen ist sicherlich wichtig, da ja in der Regel unser ganzes christliches Leben mit der Verkündigung beginnt, die durch einen oder mehrere Zeugen zu uns gelangt. Aber dann müssen wir es selbst sein, die persönlich in eine innige und tiefe Beziehung zu Jesus hineingenommen werden.
Es stand Johannes da und zwei von seinen Jüngern. Siehe, zwei von den Jüngern des Johannes; weil Johannes, der Freund des Bräutigams von solcher Art war, suchte er nicht seine Ehre, sondern gab der Wahrheit Zeugnis. Wollte er etwa, dass seine Jünger bei ihm blieben, um nicht dem Herrn zu folgen? Vielmehr er zeigte den Jüngern, wem sie folgen sollten. […] Und er sprach: Was schaut ihr auf mich? Ich bin nicht das Lamm. „Siehe, das Lamm Gottes“ […] „Siehe“, sagt er, „das da hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ […] Und die zwei Jünger hörten ihn dies sagen und folgten Jesus nach. Als aber Jesus sich umwandte und sie ihm nachfolgen sah, sprach er: Was sucht ihr? Sie sagten: Rabbi (was so viel als Lehrer heißt), wo wohnst Du? Sie folgten ihm nicht so nach, als ob sie ihm bereits anhingen; denn es ist offenbar, dass sie ihm erst anhingen, als er sie vom Schiff rief. […] „Folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen“ (vgl. Mt 4,19). Und von da an hingen sie ihm so an, dass sie nicht mehr von ihm wichen. Wenn die beiden ihm also jetzt folgen, so folgen sie ihm nicht, um ihn nicht mehr zu verlassen, sondern sie wollten sehen, wo er wohne, und tun, was geschrieben steht: „Die Schwelle seiner Türe betrete oft dein Fuß; steh auf und komme beständig zu ihm, und lass dich unterweisen durch seine Lehren“ (vgl. Sir 6,36f.). Er zeigte ihnen, wo er wohnte; sie kamen dahin und blieben bei ihm. Welch seligen Tag haben sie verbracht, welch selige Nacht! Wer mag uns sagen, was sie da vom Herrn gehört haben? Erbauen auch wir in unseren Herzen eine Wohnstätte und machen wir ein Haus, damit er dorthin komme und uns lehre, mit uns rede.
Herr, wir haben von deinen Taten gehört und sind erschrocken; wir haben deine Wunder bedacht und sind überwältigt. Da nun dein Wort herabgestiegen ist, ist unser Herz zerschmolzen, und unser ganzes Inneres übergab sich ihm zitternd. Wahrhaftig: Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht in ihrem Lauf bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom königlichen Thron herab (vgl. Weish 18,14–15). Du hast nämlich, Vater, das Innerste deiner Liebe über uns ausgegossen und konntest die Fülle deiner Erbarmungen nicht länger zurückhalten. Du hast das Licht in die Finsternis gesandt, den Tau auf dürres Land, und in der schneidenden Kälte hast du das machtvollste Feuer entzündet. Deshalb ist das Erscheinen deines Sohnes für uns wie ein Überfluss an Nahrung angesichts einer drohenden Hungersnot größten Ausmaßes und wie ein Quell lebendigen Wassers für die leidende Seele, die in der sengenden Hitze vergeht. Oder auch so, wie es gewöhnlich Belagerten geht, die im Begriff sind, sich in den Kampf zu stürzen, den Tod vor Augen angesichts der drohenden Schwerter des Feindes, wenn auf einmal ein mächtiger Helfer und Befreier eintrifft: So erschien er uns und wurde unser Retter. Es ist sehr gut für uns und sehr heilsam, uns auf die Ursprünge unseres Heilands zurückzubesinnen, und wiederum von seiner Menschwerdung zu sprechen, uns zu erinnern, woher er gekommen ist und auf welche Weise er herabstieg, wo und wie er empfangen wurde.
„Bereitet dem Herrn den Weg!“ Brüder, auch wenn ihr auf diesem Weg schon weit fortgeschritten seid, müsst ihr ihn immer noch bereiten, damit ihr von dem Punkt aus, den ihr erreicht habt, immer weiter vorangeht, immer ausgestreckt nach dem, was vor euch liegt (vgl. Phil 3,13). Wenn also der Weg mit jedem Schritt, den ihr tut, für seine Ankunft bereitet ist, wird der Herr euch entgegenkommen, immer neu, immer größer. Der Gerechte betet also zu Recht: „Führe mich auf dem Pfad deiner Gebote, ich habe an ihm Gefallen“ (vgl. Ps 119(118),33). Und dieser Weg wird „der Weg der Ewigkeit“ genannt (vgl. Ps 138,24 LXX), (…) weil die Güte dessen, auf den wir zugehen, kein Ende hat. Deshalb wird der weise und entschlossene Pilger, auch wenn er am Ende angelangt ist, daran denken, wieder anzufangen; „vergessend, was hinter ihm liegt“ (vgl. Phil 3,13), wird er jeden Tag zu sich selbst sagen: „Nun beginne ich!“ (Ps 76(77),11 Vulg). […] Wir, die wir davon reden, auf diesem Weg weiter voranzugehen: Gebe Gott, dass wir uns wenigstens auf die Reise begeben haben. Meiner Meinung nach ist derjenige, der sich auf die Reise begeben hat, schon auf dem rechten Weg. Wir müssen jedenfalls wirklich anfangen „den Weg zur wohnlichen Stadt“ (Ps 107(106),4) zu finden. Denn „nur wenige finden ihn“, sagt die Wahrheit (Mt 7,14); „viele irren umher in der Wüste, im Ödland“ (vgl. Ps 107(106),4). […] Und du, Herr, hast einen Weg für uns bereitet; wenn wir uns doch nur darauf einlassen wollten! […] Durch deine Gebote hast du uns den Weg deines Willens gelehrt und gesagt: „Hier ist der Weg, auf ihm müsst ihr gehen, auch wenn ihr selbst rechts oder links gehen wolltet“ (Jes 30,21). Das ist der Weg, den der Prophet verheißen hat: „Eine gerade Straße wird es dort geben und Unerfahrene gehen nicht mehr in die Irre“ (vgl. Jes 35,8). […] Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Unerfahrener auf deinem Weg in die Irre geht, Herr […]; aber wehe euch, die ihr in euren eigenen Augen weise seid (vgl. Jes 5,21); eure Weisheit hat euch vom Weg des Heils abgebracht, und euch daran gehindert, der Torheit des Heilands zu folgen. […] Begehrenswerte Torheit, die Weisheit genannt werden wird vor dem Gericht Gottes, und die uns nicht von seinem Weg abkommen lässt.
Oder ist Maria nicht die Mutter Christi? Dann ist sie aber auch unsere Mutter. – Gehen wir zunächst von jener Grundwahrheit aus, die jeder festhalten muss: Jesus, das menschgewordene Wort, ist der Erlöser des Menschengeschlechtes. Wenn er nun als Gottmensch, wie alle anderen Menschen, einen ganz bestimmten Leib angenommen hat, so verfügt er als Erlöser unseres Geschlechtes ebenso über einen geistigen oder mystischen Leib; dieser mystische Leib ist die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben. „Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus“ (Röm 12,5). Nun aber hat die Jungfrau den ewigen Sohn Gottes nicht bloß empfangen, damit er die menschliche Natur annehme und so nur Mensch sei, sondern dass er durch die Annahme dieser Menschennatur aus ihr auch der Erlöser der Menschen würde. Deshalb sagte der Engel den Hirten: „Heute ist euch geboren der Erlöser, welcher ist Christus der Herr“ (Lk 2,11). In einem und demselben Schoße der reinsten Mutter hat er Fleisch angenommen und sich zugleich einen geistigen Leib beigefügt, der aus denen besteht, „die an ihn glauben würden“. So kann man mit Recht sagen: Dadurch, dass Maria in ihrem Schoß den Erlöser umschloss, trug sie in demselben auch die, deren Leben in das Leben des Erlösers einbezogen war. Wir alle also, die wir mit Christus vereinigt und nach den Worten des Apostels „Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und seinem Gebein“ (Eph 5,30) sind, sind gleichsam aus dem Schoße Mariens hervorgegangen als ein Leib, der mit dem Haupte vereinigt ist. Somit heißen wir geistiger- und mystischerweise mit Recht Kinder Mariens, und sie ist unser aller Mutter […]. Die allerseligste Jungfrau ist also zugleich Mutter Gottes und Mutter der Menschen. – Ohne Zweifel wird sie deshalb alles aufbieten, damit Christus, „das Haupt des Leibes, der Kirche“ (Kol 1,18), uns als seinen Gliedern alle seine Gnadenschätze mitteile, vor allem, damit wir ihn erkennen und „durch ihn leben“ (1 Joh 4,9).
Gott ist auf Erden, und der Mensch ist im Himmel. Gott, der den Geschöpfen das Sein geschenkt hat, hat alles an seine Vorsehung gebunden. Er, welcher der Meister ist und sich selbst zum Sklaven machte (vgl. Phil 2,6–7), hat der Schöpfung den Gipfel seiner Vorsehung offenbart. Gott, der Logos (das Wort), der, ohne sich zu verändern, Fleisch annahm, hat sich im Fleisch mit der ganzen Schöpfung vereint. Ein sonderbares Wunder ereignet sich im Himmel und auf der Erde: Gott ist auf Erden, und der Mensch ist im Himmel. Nachdem er die Menschen mit den Engeln vereint hat, gewährt er so allen erschaffenen Menschen die Vergöttlichung. Die Heiligung und Vergöttlichung der Engel und Menschen besteht in der Erkenntnis der heiligen und wesensgleichen Dreifaltigkeit. […] Als der Logos (das Wort) in seiner Liebe zu den Menschen Fleisch annahm (vgl. Joh 1,14), vertauschte er nicht, was er war, noch änderte er, was er geworden ist. So wie wir sagen, dass ein und derselbe Christus aus der Gottheit und der Menschheit geboren wurde und in seiner Gottheit und Menschheit existiert, so sagen wir auch, dass er aus zwei Naturen geboren wurde und in zwei Naturen existiert. […] Jesus ist der Christus, eine Person der Dreifaltigkeit, zu deren Erbe auch du bestimmt bist (vgl. Röm 8,17).
Gott auf der Erde, Gott unter den Menschen! Dieses Mal verkündet er nicht das Gesetz unter Blitz und Donner, bei Hörnerschall, bei rauchendem Berg, im Dunkel eines schreckenerregenden Gewitters (Ex 19,16f.); sondern er redet sanft, friedlich, in einem menschlichen Leib mit seinen Brüdern. Gott im Fleisch! […] Wie kann die Gottheit im Fleisch wohnen? So, wie das Feuer im Eisen wohnt und dabei die Stelle, wo es lodert, nicht verlässt, sondern sich mit dem Eisen verbindet. Tatsächlich wirft sich das Feuer nicht auf das Eisen, sondern bleibt an seinem Platz und teilt dem Eisen so seine Kraft mit. Dabei wird das Feuer keineswegs schwächer, sondern füllt das Eisen, mit dem es sich verbindet, vollständig aus. Ebenso hat Gott, das Wort, das „unter uns gewohnt“ hat, sich selbst nicht verlassen. „Das Wort, das Fleisch geworden ist“ (vgl. Joh 1,14), wurde keiner Veränderung unterzogen; dem Himmel wurde von dem, was er enthielt, nichts weggenommen, und dennoch hat die Erde in ihrem Schoß den empfangen, der im Himmel ist. Mach dir dieses Geheimnis ganz zu eigen: Gott ist im Fleisch, damit er den Tod, der sich darin verbirgt, tötet […] weil „die Gnade Gottes erschienen ist, um alle Menschen zu retten“ (vgl. Tit 2,11), weil „die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen ist“ (vgl. Mal 3, 20), „ist der Tod vom Sieg verschlungen“ (vgl. 1 Kor 15,54); denn der Tod kann nicht wirklich zusammen mit dem wahren Leben existieren. O Tiefe der Güte und Liebe Gottes zu den Menschen! Geben wir ihm die Ehre zusammen mit den Hirten, tanzen wir mit den Chören der Engel, denn „heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr“ (vgl. Lk 2,11–12). „Der Herr ist Gott, und hat vor uns sein Angesicht leuchten lassen“ (vgl. Ps 117(118),27 Vulg.), nicht in der Gestalt Gottes, um uns schwache Menschen nicht in Angst zu versetzen, sondern in der Gestalt des Erlösers, um denen die Freiheit zu bringen, die zur Knechtschaft verdammt waren. Wessen Herz könnte so schläfrig und gleichgültig sein, dass er sich nicht freuen würde, nicht jubeln würde vor Fröhlichkeit, erstrahlen würde vor Freude angesichts dieses Ereignisses? Dies ist ein Fest für die gesamte Schöpfung. Alle sollen dazu einen Beitrag leisten, keiner darf sich undankbar erweisen. Auch wir, wir wollen unsere Stimme erheben und unsere Freude hinaussingen!
„Das Reich Gottes ist nahe“ (vgl. Lk 21,31). […] Das Reich Gottes, geliebteste Brüder, ist in nächste Nähe gerückt; der Lohn des [himmlischen] Lebens und die Freude des ewigen Heils, unvergängliche Seligkeit und der dereinst verlorene Besitz des Paradieses winken bereits mit dem bevorstehenden Übergang der Welt. Schon folgt dem Irdischen das Himmlische, Großes dem Kleinen, das Ewige dem Vergänglichen. Wo wäre hier Raum für Angst und Sorge? […] Es steht geschrieben, der Gerechte lebe durch den Glauben (vgl. Röm 1,17). Wenn du aber gerecht bist und durch den Glauben lebst, wenn du wahrhaft auf Gott vertraust, warum begrüßest du es dann nicht mit Freuden, dass du zu Christus gerufen wirst, […] denn du bist dann doch bei Christus und kannst der Verheißung des Herrn sicher sein? So hatte jener gerechte Simeon, der in Wahrheit ein Gerechter war und der mit vollem Glauben Gottes Gebote hielt, von Gott den Bescheid erhalten, er werde nicht eher sterben, als bis er Christus gesehen habe. Als nun das Christuskind mit seiner Mutter in den Tempel kam, da erkannte er im Geiste, dass Christus, von dem ihm vorher geweissagt war, nunmehr geboren sei. Er wusste, dass er nun bald sterben werde, nachdem er ihn gesehen. Voll Freude also über den schon so nahen Tod und der baldigen Abberufung gewiss, nahm er das Kind auf seine Arme, pries Gott, rief und sprach: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen“ (Lk 2,29–30). Damit bewies und bezeugte er doch offenbar, dass wir Diener Gottes dann erst Frieden, dann erst volle und ungestörte Ruhe haben, wenn wir den Stürmen dieser Welt entrückt sind und in den Hafen der ewigen Heimat und Sicherheit einlaufen […] Denn das ist der wahre Friede, das ist die zuverlässige Ruhe, das die beständige, feste und ewige Sicherheit.
Der Apostel Johannes schreibt: „Wer sagt, dass er in Christus bleibt, muss auch leben, wie er gelebt hat“ (vgl. 1 Joh 2,6); und der Apostel Paulus: „Wir sind Kinder Gottes; sind wir aber Kinder, dann auch Erben, Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden“ (vgl. Röm 8,16f.). […] Geliebte Brüder, lasst uns Abel nachahmen, den Gerechten, der das Martyrium einführte, indem er als erster um der Gerechtigkeit willen den Tod erlitt (vgl. Gen 4,8) […]; lasst uns die drei Jünglinge Hananja, Asarja und Mischaël nachahmen, die durch ihren beherzten Glauben einen König besiegten (vgl. Dan 3). […] Die Propheten, denen der Heilige Geist das Wissen um die Zukunft geschenkt hatte, und die Apostel, die der Herr erwählt hatte, nahmen den Tod auf sich; lehren uns diese Gerechten dadurch nicht, auch unsererseits für die Gerechtigkeit zu sterben? Die Geburt Christi stand gleich unter dem Zeichen des Martyriums von Kindern unter zwei Jahren, um seines Namens willen; sie waren nicht in der Lage zu kämpfen, errangen aber dennoch die Krone. Um deutlich zu machen, dass alle, die für Christus den Tod erleiden, unschuldig sind, wurden unschuldige Kinder um seines Namens willen getötet. […] Wie schlimm wäre es für einen Diener, der den Namen Christi trägt, nicht leiden zu wollen, wenn sein Herr, Christus, doch zuerst gelitten hat […]! Der Sohn Gottes hat gelitten, um uns zu Kindern Gottes zu machen, und die Menschenkinder wollen nicht leiden, um Kinder Gottes zu bleiben […]? Der Herr der Welt ruft uns ins Gedächtnis: „Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber ihr stammt nicht von der Welt, weil ich euch aus der Welt erwählt habe […] Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr“ (vgl. Joh 15,18–20). […] Wenn wir den Kampf des Glaubens auf uns nehmen, dann schaut Gott auf uns, seine Engel schauen auf uns, Christus schaut auf uns. Welche Ehre und welche Chance, Gott als König bei der Prüfung und Christus als Richter zu haben, wenn wir gekrönt werden. Wappnen wir uns also, liebste Brüder, mit all unseren Kräften, bereiten wir uns zum Kampf mit reiner Seele, ungeteiltem Glauben und hochherzigem Mut.
Der Lehrmeister der vollkommenen Demut wollte, obwohl er dem Vater in allem gleich war, sich nicht bloß der demütigsten Jungfrau Maria, sondern auch dem Gesetz unterwerfen, um „diejenigen, die unter dem Gesetz standen, loszukaufen und zu befreien von der Knechtschaft des Verderbens zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (vgl. Gal 4,5 u. Röm 8,21). Er wollte deshalb, dass auch seine allerreinste Mutter das Gesetz der Reinigung erfülle, und dass er, der Erlöser aller Menschen, als Erstgeborener erlöst, das heißt losgekauft, im Tempel Gott aufgeopfert und für ihn ein Opfer dargebracht werde in Gegenwart der frohlockenden Gerechten. Frohlocke auch du mit jenem glücklichen Greis Simeon und der hochbetagten Hanna. Gehe der Mutter und dem Kind entgegen. Die Liebe möge die Scheu besiegen, und das Herz die Furcht austreiben. Nimm auch du das Kind Jesus in deine Arme und sprich mit der Braut im Hohenlied: „Ich halte ihn und lasse ihn nicht“ (vgl. Hld 3,4). Juble mit dem ehrwürdigen Greis Simeon und stimme ein in den Lobgesang: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden“ (Lk 2,29).
Ahmen wir unseren Herrn nach und beten wir für unsere Feinde […] Er wurde gekreuzigt und betete dabei zu seinem Vater für die, die ihn kreuzigten. Aber wie könnte ich denn den Herrn nachahmen, könnte man sich fragen. Wenn du es willst, kannst du es. Wenn du nicht dazu in der Lage wärest, wie hätte er dann sagen können: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig“? (Mt 11,29). […] Wenn es dir schwerfällt, den Herrn nachzuahmen, dann ahme wenigstens den nach, der auch [so wie du] sein Diener ist, sein Diakon. Ich spreche von Stephanus. Er hat tatsächlich den Herrn nachgeahmt. So wie Christus inmitten derer, die ihn kreuzigten, den Vater für seine Henker anflehte (vgl. Lk 23,34) – ohne auf das Kreuz zu achten, ohne auf seine Situation zu achten – so sagte sein Diener, umringt von denen, die ihn steinigten – von allen Seiten angegriffen, von Steinwürfen getroffen, der Schmerzen, die sie ihm zufügten, nicht achtend: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an“ (Apg 7,60). Merkst du, wie der Sohn sprach und wie der Diener betete? Ersterer sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, und der zweite: „Herr, rechne ihnen diese Schuld nicht an“. Und damit man besser erkenne, mit welcher Inbrunst er betete, blieb er nicht einfach aufrecht stehen in dem Steinhagel, sondern betete auf den Knien mit Überzeugung und Mitgefühl […] Christus sagt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Stephanus ruft aus: „Herr, rechne ihnen diese Schuld nicht an“. Paulus seinerseits erklärt: „Ich biete dieses Opfer an für meine Brüder, die der Abstammung nach mit mir verbunden sind“ (vgl. Röm 9,3). Mose sagt: „Doch jetzt nimm ihr Sünde von ihnen! Wenn nicht, dann streich mich aus dem Buch, das du angelegt hast“ (Ex 32,32). David sagt: „Erheb deine Hand gegen mich und gegen das Haus meines Vaters“ (2 Sam 24,17). […] Was für eine Vergebung glauben wir, erhalten zu können, wenn wir das Gegenteil von dem tun, was uns aufgetragen ist, und gegen unsere Feinde beten, wenn doch der Herr selbst und seine Diener im Alten und Neuen Testament uns dazu auffordern, für sie zu beten?
Durch wunderbare Herablassung, durch staunenswerte und unglaubliche Liebe stieg Gott herab in einen menschlichen Leib, nahm Fleisch an und besuchte die Kinder Adams. […] So wurde der Gottessohn zum Menschensohn, wenn er auch in der Einheit der Person Gott und Mensch zugleich war: Gott, gezeugt aus dem Wesen des Vaters vor aller Zeit, und Mensch, geboren aus dem Wesen seiner Mutter im Lauf der Zeit. Er sprang herbei, ein gewaltiger Held von zweifacher Natur, um in wohlklingenden Worten und überaus harmonischen Klängen auf der Zither unseres Leibes zu singen, um sehr sanfte Töne hervorzubringen auf dem von unserem Fleisch geformten Instrument, um es wie Musik von unaussprechlicher Harmonie ertönen zu lassen, damit die Steine sich aufrichten, die Bäume erzittern, die wilden Tiere sich erziehen lassen und die von ihrem Fleisch befreiten Menschen zur Höhe geführt werden. Ja wirklich, durch den süßen Klang dieser staunenswerten Musik hat er aus Steinen Kinder Abrahams erweckt und die Bäume des Waldes – das heißt die Herzen der Heiden – zum Glauben bewegt. Auch die wilden Tiere – das heißt die ungezügelten Leidenschaften und die raue Barbarei – hat er nach guter Sitte erzogen; und Menschen, die aus der Mitte der Menschen genommen waren, hat er in den Rang von Göttern erhoben. Daher ist es nur gut und recht, dass […] die Lieder bis an die Enden der Erde erklingen.
Bei der Niederkunft Mariens freute sich der Himmel und die Erde jubelte; selbst die Hölle war erschüttert und erschrak. In seiner Freude schenkte der Himmel den leuchtenden Stern und die herrliche Heerschar der Engel, die diesen Lobgesang anstimmten: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). In ihrem Jubel schenkte die Erde die lobpreisenden Hirten und die Magier, die anbeteten und ihre Gaben darbrachten: Gold, Weihrauch und Myrrhe. […] Bedenke, dass die Nacht Licht in die Dunkelheit und statt der Finsternis strahlendes Licht hervorbrachte. Diese Nacht schenkte Licht, bevor die Sonne aufging, ein Licht, das durch seinen außergewöhnlichen Glanz die Pracht der Sonne in den Schatten stellte. Von dieser Nacht sagt der Psalmist: „Die Nacht wird für mich Licht in meinen Wonnen sein.“ Dann wendet er sich an den Herrn und fährt fort: „Finsternis wird vor dir nicht finster sein, und die Nacht wird wie der Tag erleuchtet sein. So wie ihre Finsternis ist, so wird auch ihr Licht sein“ (vgl. Ps 138(139),11–12 LXX). […] Als Maria den neugeborenen Emmanuel in Empfang nahm, da schaute sie ein Licht, das unvergleichlich schöner ist als die Sonne; sie spürte ein Feuer, das Wasser nicht löschen könnte. In der Hülle des Leibes, den sie geboren hatte, empfing sie den Glanz, der alles erleuchtet, und sie verdiente es, das Wort, das das Universum trägt, in ihren Armen zu tragen.
[Johannes der Täufer sagte:] In deiner Gegenwart, Herr Jesus, kann ich nicht schweigen, denn ich bin „die Stimme, die in der Wüste ruft: Bereitet dem Herrn den Weg. Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ (vgl. Mt 3,3.14). Als ich geboren wurde, nahm ich die Unfruchtbarkeit von derjenigen, die mich gebar; und als Neugeborener heilte ich die Stummheit meines Vaters, indem ich von dir die Gnade dieses Wunders erhielt. Du aber, geboren von der Jungfrau Maria, auf die Art und Weise, wie du es gewollt hast und die nur du kennst, du hast ihre Jungfräulichkeit nicht von ihr genommen; du hast sie geschützt, indem du ihr den Titel Mutter hinzufügtest. Ihre Jungfräulichkeit war weder ein Hindernis für deine Geburt noch hat deine Geburt ihre Jungfräulichkeit befleckt. Diese beiden unvereinbaren Wirklichkeiten – Mutterschaft und Jungfräulichkeit – haben sich zu einer einzigartigen Harmonie zusammengefunden, die nur im Bereich des Schöpfers der Natur liegt. Ich, der ich ein Mensch bin, kann an der göttlichen Gnade nur teilhaben; du aber bist Gott und Mensch zugleich, denn du bist dem Wesen nach ein Menschenfreund (vgl. Weish 1,6).
Da sagte Maria: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. […] Er nimmt sich Israels, seines Kindes, an (vgl. Lk 1,54 griech.)* und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“ Seht ihr, wie die Jungfrau den Patriarchen an Vollkommenheit übertrifft und den Bund bestätigt, den Gott mit Abraham geschlossen hat, als er zu ihm sagte: „Das ist mein Bund zwischen mir und euch“? (Gen 17,10). […] Es ist das Loblied auf diese Prophetie, mit dem sich die heilige Gottesmutter an Gott wendet, wenn sie sagt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, […] denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Da er mich zur Mutter Gottes macht, bewahrt er meine Jungfräulichkeit. Die Fülle aller Geschlechter fließt in meinem Schoß zusammen, um dort geheiligt zu werden. Denn er hat alle Lebensalter gesegnet, Männer, Frauen, Junge, Kinder, Greise.“ […] „Er hat die Mächtigen von ihrem Thron gestürzt und die Niedrigen erhöht“ […]. Die Niedrigen, die heidnischen Völker, die nach Gerechtigkeit hungerten (vgl. Mt 5,6), sind erhöht worden. Da sie ihre Demut und ihren Hunger nach Gott bekundeten und um das Wort Gottes baten, so wie die kanaanäische Frau um die Brosamen bat (vgl. Mt 15,27), wurden sie mit dem Reichtum erfüllt, der in den göttlichen Geheimnissen enthalten ist. Denn Jesus Christus, unser Gott, der Sohn der Jungfrau, hat die ganze Fülle göttlicher Gnaden an die Heiden ausgeteilt. „Er hat Israel, sein Kind, erhöht“, nicht irgendein Israel, sondern sein Kind, dessen hohe Abstammung er ehrt. Deshalb bezeichnet die Gottesmutter dieses Volk als ihr Kind und Erbe. Gott, der erkennt, wie sehr dieses Volk zermürbt ist vom Buchstaben, erschöpft vom Gesetz, ruft es zu seiner Gnade. Indem er Israel diesen Namen gibt, erhebt er es, „eingedenk seines Erbarmens, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig“. Diese wenigen Worte fassen das ganze Geheimnis unseres Heils zusammen. In dem Wunsch, die Menschheit zu retten und den mit unseren Vätern geschlossenen Bund zu besiegeln, „neigte er [Jesus Christus] den Himmel und fuhr herab“ (Ps 18(17),10). Und so offenbarte er sich uns und kam in unsere Nähe, so dass wir ihn sehen, berühren und seine Worte hören können. * Das griechische παιδὸς kann sowohl „Knecht“ als auch „Kind“ bedeuten.
Da Maria Gott empfangen, eilte sie zu Elisabeth. Deren Ungeborenes erkannte sogleich ihren liebenden Gruß und freute sich ihrer Freude, als sänge es der Mutter Gottes: Sei gegrüßt, Reis des nie verdorrenden Stammes; sei gegrüßt, reich bist du an lauterer Frucht. Sei gegrüßt, du ernährst den, der uns Nahrung gewährt; sei gegrüßt, du geleitest zum Leben den, der unser Leben leitet. Sei gegrüßt, solchen Reichtum des Erbarmens ziehst du auf deiner Flur; sei gegrüßt, wie von einem Altar hebst du den Segen der Versöhnung. Sei gegrüßt, dass du dem Leibe Stärkung in Fülle gewährst; sei gegrüßt, dass du den Seelen die bergende Hülle bereitest. Sei gegrüßt, des Lobgesanges Weihe; sei gegrüßt, du Aussöhnung für das unendliche All. Sei gegrüßt, du bist Gottes Wohlgefallen bei den Sterblichen; sei gegrüßt, der Sterblichen Fürbitte bei Gott bist du. Sei gegrüßt, du jungfräuliche Mutter! Ein innerer Ansturm zweideutiger Gedanken verwirrte den besonnenen Josef. Er, der dich als die Unvermählte kannte, tadelte dich im Argwohn hinterlistiger Verbindung, du ohne Fehl. Als er aber deiner Erwählung vom Heiligen Geiste gewahr wurde, sprach er: Halleluja, Halleluja, Halleluja! Aus den Jubelchören der Engel vernahmen die Hirten die fleischgewordene Gegenwart Christi. Wie zu einem Hirten liefen sie zu ihm und sahen das Lamm Gottes unschuldig in Mariens Schoße weiden. Da jubelten auch sie: Sei gegrüßt, des Lammes Mutter und des Hirten; sei gegrüßt, Hürde der geistigen Schafe Sei gegrüßt, du beschützest vor den unerkannten Gegnern; sei gegrüßt, du erschließest das Heiligtum des Paradieses. Sei gegrüßt, die Himmel jauchzen mit der Erde; sei gegrüßt, in Christus frohlocken alle Geschöpfe. Sei gegrüßt, durch dich sind die Apostel mündig geworden; sei gegrüßt, an dir haben die Märtyrer Gleichmut gewonnen. Sei gegrüßt, du starker Halt des Glaubens; sei gegrüßt, du lichte Offenbarung der Gnade. Sei gegrüßt, durch dich wird die Unterwelt entmachtet; sei gegrüßt, von dir sind wir im Glauben ermächtigt. Sei gegrüßt, du jungfräuliche Mutter! […] Solch ungewöhnlicher Geburt nachsinnend werden wir dem Gewöhnlichen mehr und mehr entwöhnt und wenden unser Sinnen zum Himmel. Denn der Gewaltige hat die Schwäche des Menschseins auf sich genommen, damit er aus der Tiefe führe, die als Herrn ihn glauben: Halleluja, Halleluja, Halleluja!
„Freue dich, die du voll der Gnade bist, der Herr ist mit dir.“ Was könnte es Größeres geben als diese Freude, o Jungfrau Maria? Was könnte es Größeres geben als diese Gnade, die einzig du empfangen hast als Mitgift von Gott? Was kann man Froheres und Lichtvolleres empfangen? Alles bleibt zurück hinter deinen wunderbaren Eigenschaften; alles bleibt unterhalb deiner Gnade. Die sichersten Vorrechte nehmen nur den zweiten Platz ein und besitzen nur einen blassen Glanz. „Der Herr ist mit dir.“ Wer würde es wagen in diesem Punkt mit dir zu wetteifern? Gott wird aus dir geboren. Wer also würde dir nicht sofort den Platz räumen, um dir mit Freude den ersten Platz und alle Ehre zu geben? Deshalb verkünde ich laut dein Lob, wenn ich dich betrachte, wie du über allen Geschöpfen thronst: „Freue Dich, du Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir.“ Die Freude, die von dir ausgeht, wird nicht nur den Menschen verliehen, sondern auch allen Engelsmächten des Himmels […] Gott selbst wohnt leibhaftig in deinem Schoß; er geht daraus hervor wie ein Bräutigam (vgl. Ps 19(18),6), um allen Menschen die himmlische Freude und das himmlische Licht zu bringen. Und in dir, o Jungfrau, hat Gott wie in einem strahlendreinen und lichten Himmel „seine Wohnung bereitet“ (vgl. Ps 76(75),3). Aus dir tritt er aus seinem Gemach hervor wie ein Bräutigam, er gleicht dem frohlockenden Held, der seine Bahn läuft, um sein Leben zu durchschreiten, das allen Lebendigen das Heil bringen wird. Er erstreckt sich von einem Ende des Himmels bis zum anderen wie die Sonne (vgl. Ps 19(18),6-7), er erfüllt alles mit seiner göttlichen Glut und seinem lebenspendenden Licht.
In uns sind Stimme und Wort nicht dasselbe, denn die Stimme kann sich vernehmen lassen, ohne dass sie Sinn vermittelt, wortlos; ebenso kann das Wort auf dem Weg unseres Denkens ohne Stimme dem Geist übermittelt werden. Und da der Herr das Wort ist […], unterscheidet sich Johannes von ihm als die Stimme, und Christus ist das Wort. Das gibt Johannes selbst denen zur Antwort, die ihn fragen, wer er ist: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Ebnet den Weg für den Herrn!“ (Joh 1,23). Vielleicht hat Zacharias [ausgerechnet] seine Stimme verloren, weil er an die Geburt dieser Stimme, die das Wort Gottes verkünden sollte, nicht geglaubt hat, und vielleicht findet er sie deshalb erst wieder, als die Stimme geboren wurde, die dem Herrn voranging (Lk 1,64). Denn man muss auf die Stimme hören, damit der Geist das Wort erfassen kann, das die Stimme bezeichnet. Deshalb ist auch Johannes durch das Datum seiner Geburt ein wenig älter als Christus; denn wir vernehmen die Stimme ja tatsächlich schon bevor wir das Wort wahrnehmen. Johannes weist so auf Christus hin, denn durch die Stimme offenbart sich eben das Wort. Auch wird Christus von Johannes getauft, der bekennt, dass er selbst von ihm getauft werden müsste (Mt 3,14) […] Kurz gesagt, wenn Johannes auf Christus hinweist, so weist ein Mensch hin auf Gott, den ungeschaffenen [incorporel] Retter; eine menschliche Stimme also weist auf das göttliche Wort hin […].
Der Name Jesus ist ein göttlicher Name, den der Herr durch die Stimme des Erzengels Gabriel Maria mitteilte: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben“ (vgl. Lk 1,31). Aus diesem Grund wird der Name auch als „Name, der größer ist als alle Namen“ bezeichnet, der einzige Name, „durch den wir gerettet werden sollen“ (vgl. Phil 2,9; Apg 4,12). Dieser große Name wird vom Heiligen Geist mit Öl verglichen: „Dein Name ist hingegossenes Salböl“ (vgl. Hld 1,3). Warum? Der hl. Bernhard erklärt es so: Wie das Öl gleichzeitig Licht, Nahrung und Heilmittel ist, so ist der Name Jesus Licht für unseren Geist, Nahrung für unser Herz, Heilmittel für unsere Seele. Licht für unseren Geist: Der Glanz dieses Namens ist es, der die Welt aus der Dunkelheit des Götzendienstes zur Klarheit des Glaubens geführt hat. Wir sind in einem Land geboren, dessen Bewohner vor der Ankunft des Erlösers allesamt Heiden waren; und wir wären wie sie, wenn er nicht gekommen wäre, uns zu erleuchten. Wie sehr müssen wir Jesus doch für das Geschenk des Glaubens danken! […] Nahrung für unser Herz: Auch das ist der Name Jesus. Er erinnert uns an das ganze schmerzvolle Heilswerk, das Jesus zu unserer Rettung vollbracht hat. So tröstet er uns in der Trübsal, gibt uns die Kraft, auf dem Weg des Heiles zu wandeln; erweckt unsere Hoffnung neu und entfacht uns mit Liebe zu Gott. Heilmittel schließlich für unsere Seele: Der Name Jesus macht sie stark gegen die Versuchungen und Angriffe unserer Feinde. Sobald sie die Anrufung dieses heiligen Namens hören, erzittern die Mächte der Hölle und fliehen. Der Apostel Paulus sagt: „Damit vor dem Namen Jesu alle ihre Knie beugen im Himmel, auf der Erde und unter der Erde“ (vgl. Phil 2,10). Wer in Versuchung geraten ist, wird nicht fallen, wenn er Jesus anruft: Solange er ihn anruft, wird er durchhalten und gerettet werden (vgl. Ps 18(17),4).
Die Fleischwerdung des Logos, des Wortes Gottes, betrifft sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft. Kein Zeitalter, wie fern es auch sein mag, musste das Sakrament der Erlösung der Menschheit entbehren. Was die Apostel predigten ist das, was die Propheten angekündigt hatten, und man kann nicht sagen, dass das, was zu allen Zeiten geglaubt wurde, reichlich verspätet eingetroffen wäre. Indem Gott das Werk der Erlösung aufschob, hat er uns in seiner Weisheit und Güte dank dieser alten und häufigen Ankündigungen fähiger gemacht, auf seinen Ruf zu antworten […]. Es ist also nicht wahr, dass Gott sich der menschlichen Geschicke angenommen hätte, indem er seinen Ratschluss geändert und von spätem Erbarmen bewegt worden sei: Seit Erschaffung der Welt hat er für alle ein und denselben Heilsweg beschlossen. In Wirklichkeit nahm die Gnade Gottes mehr und mehr zu, durch die seit jeher alle seine Heiligen gerechtfertigt wurden, und begann nicht erst mit der Geburt Christi. Dieses Geheimnis einer großen Liebe, von der jetzt die ganze Welt erfüllt ist, war bereits in seinen Vorzeichen so mächtig. Diejenigen, die daran glaubten, als sie verheißen wurde, hatten nicht weniger Nutzen davon als diejenigen, die sie erhielten, als sie geschenkt wurde. Meine Lieben, mit offenkundiger Güte wurde der Reichtum der Gnade Gottes über uns ausgegossen. Zu ewigem Leben berufen, werden wir nicht nur durch Vorbilder aus der Vergangenheit auferbaut, sondern haben die Wahrheit selbst gesehen, wie sie in sichtbarer und körperlicher Form erschien. Wir müssen also den Geburtstag des Herrn mit inniger Freude, die nicht von dieser Welt ist, feiern […]. Erkennt dank des Lichtes des Heiligen Geistes den, der uns in sich aufgenommen hat und den wir in uns aufgenommen haben: Denn so wie der Herr Jesus in seiner Geburt unser Fleisch geworden ist, so sind auch wir bei unserer Wiedergeburt sein Leib geworden. […] Gott hat uns das Beispiel seines Wohlwollens und seiner Demut gegeben […]: Gleichen wir uns also dem Herrn in seiner Demut an, wenn wir ihm in seiner Herrlichkeit ähnlich sein wollen. Er selber wird uns helfen und uns zur Erfüllung dessen führen, was er verheißen hat.
Es ist eine Freude für mich, Brüder, mit euch die Erinnerung an diesen Weg des Herrn wachzurufen […], für den Jesaia so schöne Worte findet: „In der Wüste […] wird es eine Straße geben; man nennt sie den Heiligen Weg“ (vgl. Jes 35,6–8), weil er die Heiligung der Sünder bedeutet und die Rettung der Verlorenen. […] „Kein Unreiner darf ihn betreten.“ Lieber Jesaja, dann sollen die Unreinen also auf einem anderen Weg gehen? Oh, nein! Vielmehr sollen alle auf diesen Weg kommen, alle sollen auf ihm vorangehen. Vor allem für die Unreinen hat Christus ihn doch angelegt, er, der „gekommen ist, zu suchen und zu retten, was verloren war“ (vgl. Lk 19,10). […] Dann wird also der Unreine den Heiligen Weg durchschreiten? Gott bewahre! Wie beschmutzt einer auch sein mag, wenn er ihn betritt, so wird er es nicht mehr sein, wenn er ihn durchschreitet! Denn sobald er den Fuß darauf setzt, wird sein Schmutz verschwinden. So steht der Heilige Weg tatsächlich dem unreinen Menschen offen; aber sobald er ihn einschlägt, reinigt der Weg ihn und löscht alles Böse aus, das er getan hat. […] Er belässt ihn nicht in seinem Schmutz, denn es ist der „schmale Weg“, sozusagen das „Nadelöhr“ (vgl. Mt 7,14; 19,24). […] Wenn du also bereits auf dem Weg bist, dann weiche nicht davon ab, sonst wird dich der Herr „dem Weg deines eigenen Herzens überlassen“ (vgl. Jes 57,17). […] Wenn dir der Weg zu eng vorkommt, dann denke an das Ziel, zu dem er dich führt. […] Sollte aber dein Blick nicht so weit reichen, dann vertraue Jesaja, dem Seher. Er, der sowohl die Enge als auch das Ziel des Weges sah, fügte hinzu: „Auf diesem Weg gehen die Befreiten, die Erlösten des Herrn; sie kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen“ (vgl. 35,9–10).
Jedes Geschöpf wurde erschaffen, um Zeugnis für Gott abzulegen, denn jedes Geschöpf ist wie ein Beweis seiner Güte. Die Größe der Schöpfung legt auf ihre Weise Zeugnis ab von der göttlichen Kraft und Allmacht, und ihre Schönheit zeugt von der göttlichen Weisheit. Einige Menschen erhalten von Gott eine besondere Sendung: Sie geben Zeugnis von Gott nicht nur auf natürliche Weise, nämlich durch die Tatsache ihrer Existenz, sondern vielmehr noch auf geistliche Weise, durch ihre guten Werke. […] Aber diejenigen, die sich nicht damit begnügen, die göttlichen Gnaden zu empfangen und durch Gottes Gnade gute Werke zu tun, sondern diese Gaben durch Wort, Ermutigung und Ermahnung anderen mitzuteilen, diese sind in noch vorzüglicherer Weise Zeugen Gottes. Johannes ist einer dieser Zeugen; er kam, um die Gaben Gottes auszuteilen und sein Lob zu verkünden. Diese Sendung des Johannes, diese Rolle eines Zeugen ist von unvergleichlicher Größe, denn es kann einer nur Zeugnis geben von einer Wirklichkeit in dem Maße, wie er an ihr teilhat. Jesus sagte: „Was wir wissen, davon reden wir, und was wir gesehen haben, das bezeugen wir“ (Joh 3,11). Zeugnis zu geben von der göttlichen Wahrheit setzt voraus, dass man diese Wahrheit kennt. Deshalb hatte auch Christus diese Rolle des Zeugen inne. „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). Doch Christus und Johannes hatten diese Rolle auf verschiedene Weise inne. Christus besaß dieses Licht in sich selbst; mehr noch, er war dieses Licht, während Johannes nur an ihm teilhatte. Von daher gibt Christus ein vollendetes Zeugnis; er offenbart die Wahrheit in vollkommener Weise. Johannes und die anderen Heiligen tun das nur in dem Maße, in dem sie diese Wahrheit empfangen. Erhabene Sendung des Johannes: Sie umfasst seine Teilhabe am Licht Gottes und seine Ähnlichkeit mit Christus, der sich ebenfalls dieser Sendung unterworfen hat.
Aber als was kam er? Als Mensch erschien er. Weil er also so Mensch war, dass in ihm die Gottheit verborgen war, so wurde vor ihm her ein großer Mensch gesandt, durch dessen Zeugnis er als mehr erfunden würde denn als Mensch. […] Wie beschaffen war der, welcher Zeugnis geben sollte vom Licht? Etwas Großes war dieser Johannes, hervorragend durch Verdienste, groß an Gnade, groß an Würde! Bewundere ihn, bewundere ihn ganz und gar, aber als einen Berg. Ein Berg aber ist in der Finsternis, wenn er nicht vom Licht bestrahlt wird. Also bewundere Johannes so, dass du auch hörst, was folgt: „Er war nicht das Licht“, damit du nicht, indem du den Berg für das Licht hältst, Schiffbruch am Berg leidest, keinen Trost findest. Doch was sollst du bewundern? Den Berg als Berg. Erhebe dich aber zu dem, der den Berg erleuchtet, der deshalb emporragt, damit er zuerst die Strahlen empfange und deinen Augen melde. […] Denn auch unsere Augen werden Lichter genannt, und doch, wenn nicht entweder während der Nacht eine Lampe angezündet wird oder am Tag die Sonne scheint, sind jene Lichter vergeblich offen. So war auch Johannes ein Licht, aber nicht das wahre Licht, weil er, wenn er nicht erleuchtet worden wäre, Finsternis wäre, aber durch Erleuchtung ist er ein Licht geworden. […] Wo aber ist das Licht selbst? „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Wenn jeden Menschen, der kommt, dann auch den Johannes. Er selbst also erleuchtete den, von welchem er gezeigt werden wollte. […] Er kam nämlich zu den matten Geistern, zu den kranken Herzen, zu dem geschwächten Auge der Seele. […] So also waren alle jene, zu denen Christus gekommen war, noch nicht ganz fähig, ihn zu sehen; er bestrahlte den Johannes, und durch ihn, der bekannte, dass er bestrahlt und erleuchtet sei, selbst aber nicht bestrahle und erleuchte, wurde jener erkannt, welcher erleuchtet, wurde jener erkannt, welcher erhellt, wurde jener erkannt, welcher erfüllt.
„Du Feuer, das nicht erlischt“, sagen wir mit dem heiligen Augustinus, „entflamme unsere Herzen!“ Fleischgewordenes Wort, du bist Mensch geworden, um in unseren Herzen das Feuer der göttlichen Liebe zu entfachen: Wie hast du nur in uns auf so viel Undank treffen können? Du hast keine Mühe gescheut, um unsere Liebe zu gewinnen; du bist sogar so weit gegangen, dein Blut und dein Leben zu opfern. Wie kommt es nur, dass die Menschen so vielen Wohltaten gegenüber gleichgültig bleiben? Wissen sie vielleicht nichts davon? Doch, sie wissen, sie glauben, dass du aus Liebe zu ihnen vom Himmel herabgekommen bist, dass du menschliches Fleisch angenommen und ihr Elend auf dich genommen hast. Sie wissen, dass du aus Liebe zu ihnen ein Leben fortwährender Leiden führen und einen schändlichen Tod erleiden wolltest. Wie lässt es sich dann erklären, dass sie in völliger Vergessenheit deiner übergroßen Güte dahinleben? Sie lieben ihre Eltern, sie lieben ihre Freunde, sie lieben sogar die Tiere […]; nur dir gegenüber lassen sie es an Liebe und Dankbarkeit fehlen! Aber was rede ich da? Indem ich andere der Undankbarkeit bezichtige, verurteile ich mich selbst, denn mein Verhalten dir gegenüber war schlimmer als das ihre. Deine Barmherzigkeit aber macht mir wieder Mut. Ich weiß, dass sie mich so lange ertragen hat, um mir zu vergeben und mich mit deiner Liebe zu entflammen, unter der einzigen Bedingung, dass ich bereuen und dich lieben will. Ja, mein Gott, ich will bereuen […]; ich will dich von ganzem Herzen lieben. Ich erkenne wohl, dass mein Herz […] dich verlassen hat, um die Dinge dieser Welt zu lieben. Ich erkenne aber auch, dass du trotz dieses Verrates immer noch um mein Herz bittest. Deshalb weihe und schenke ich es dir mit der ganzen Kraft meines Willens. Entzünde es doch mit deiner ganzen heiligen Liebe und mache, dass es von nun an nichts anderes mehr liebt als dich. […] Ich liebe dich, mein Jesus; ich liebe dich, mein höchstes Gut! Ich liebe dich, du einzige Liebe meiner Seele. Maria, meine Mutter, du bist „die Mutter der schönen Liebe“ (Sir 24,24 Vulg), erlange mir die Gnade, meinen Gott zu lieben; das erhoffe ich von dir.
Das ewige Leben bietet sich uns an, meine Kinder, das Himmelreich ist für uns vorbereitet, und das Erbe Christi wartet auf uns: der Genuss zahlreicher und unvorstellbarer Güter, das Glück einer unermesslichen Freude und der Unsterblichkeit, ein Übermaß an Herrlichkeit und Ehre und an allen anderen Gütern, und das in so großer Zahl, dass eine menschliche Zunge es nicht vermöchte, die Gnade und Barmherzigkeit auszudrücken (vgl. Weish 3,9)! Lasst uns fortan mit noch größerem Eifer laufen, und das gilt vor allem euch, den Faulen, den Ungehorsamen, den schwerfälligen Herzen, den Freunden des Murrens, die ihr, wenn ihr euch nicht ändert, dem verfluchten Feigenbaum gleicht. Wir düngen ihn (vgl. Lk 13,8), und er schlägt keine Wurzeln; wir berieseln euch mit Worten, und es zeigt sich kein Wachstum! „Schon“, sagt die Schrift, „ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt“ (Lk 3,9), und über das, was darauf folgt, will ich lieber schweigen. Suchen wir den Kampf, vergießen wir tapfer unseren Schweiß, ergreifen wir die Kronen, lasst uns Lob erringen, lasst uns als Schatz sammeln „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist“ (1 Kor 2,9). Richten wir unser Leben nach dem unserer Väter aus, das auf den Ursprung zurückgeht; folgen wir Schritt für Schritt ihren Tugenden, lieben wir ihre rechtschaffenen Taten, gleichen wir unsere Lebensweise der ihren an! […] Ja, lasst uns mit ihnen zusammenarbeiten! Ja, lasst uns mit ihnen zusammenwirken! Ja, folgen wir ihnen Schritt für Schritt! Ja, lasst auch uns tun, was gerecht und heilig ist! So werden wir teilhaben an ihrer Herrlichkeit, werden mit ihnen gekrönt und werden mit ihnen Freudensprünge machen im Himmelreich, in Jesus Christus unserem Herrn, dem mit dem Vater und dem Heiligen Geist Ehre und Macht gebühren, jetzt und in Ewigkeit. Amen.
Von der dritten Ankunft Christi. Die dritte, noch in der Zukunft verborgene, Ankunft Christi findet beim Gerichte oder in der Stunde des Todes statt. […] Die Gerechtigkeit des Richters – denn das Urteil und der Urteilsspruch kommt Christus zu. Er ist der Menschen Sohn und die Weisheit des Vaters. Dieser Weisheit steht alles Urteil zu, denn vor ihr sind alle Herzen im Himmel, auf Erden und in der Hölle offenkundig und offenbar. […] Christus unser Bräutigam und Richter wird bei diesem Gerichte lohnen und strafen nach Gerechtigkeit, denn er vergilt jedem nach Verdienst. Er schenkt dem Gerechten für jedes Werk, das Gott aufgeopfert wurde, einen unermesslichen Lohn, den kein Geschöpf verdienen kann, nämlich sich selbst. Denn indem Gott das Werk mitwirkt in der Kreatur, so verdient das Geschöpf in der Kraft Gottes, Gott selbst zum Lohn. […] Der ersten Ankunft, in der Gott Mensch wurde, in Demut lebte und in Liebe für uns starb, sollen wir entsprechen: äußerlich durch vollkommene, sittliche Tugenden und innerlich durch Liebe und wahrhafte Demut. Die zweite Ankunft, die sich in der Gegenwart vollzieht, indem Gott mit Gnade jedes minnende Herz heimsucht, soll unsere Sehnsucht sein, und wir sollen täglich bitten, dass wir standhaft bleiben und zunehmen in neuen Tugenden. Die dritte Ankunft zum Gerichte oder in unserer Todesstunde, sollen wir mit Verlangen, Vertrauen und mit Ehrfurcht erwarten, auf dass wir aus diesem Elende erlöst werden und eintreten mögen in den Saal der ewigen Herrlichkeit.
Der Glaube aber ist, wie der Apostel sagt, „das feste Vertrauen auf das, was man erhofft“ (Hebr 11,1). Wenn wir also durch die Unbefleckte Empfängnis der Jungfrau in unserem Glauben bestärkt werden, so gilt dies selbstverständlich erst recht für die Hoffnung. Und dieses umso mehr, da Maria ja nur deswegen von der Erbsünde bewahrt wurde, weil sie Mutter Christi sein sollte; Mutter Christi wurde sie aber, damit in uns die Hoffnung auf die ewigen Güter neu geweckt würde. Über die Liebe zu Gott brauchen wir keine Worte zu verlieren. Eine besondere Erwägung indessen verdient, wie die Betrachtung der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau uns aufmuntern kann zur Beobachtung jenes Gesetzes, das Jesus mit Vorzug sein Gebot genannt hat, nämlich das Gebot, dass wir einander lieben sollen, wie er selbst uns geliebt hat. – „Ein großes Zeichen“, so beschreibt der Apostel Johannes das ihm zuteil gewordene Gesicht, „ein großes Zeichen erschien am Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, den Mond zu ihren Füßen, und eine Krone von zwölf Sternen auf ihrem Haupte“ (Offb 12,1). Jeder aber weiß, dass diese Frau niemand anderen bedeutet als Maria, die als unversehrte Jungfrau Christus, unser Haupt geboren. „Und die Frau“ so fährt der Apostel fort, „war gesegneten Leibes und schrie in ihren Wehen und Geburtsnöten“ (Offb 12,2). Der Apostel sah also die heilige Gottesmutter, obwohl sie bereits beseligt im Himmel war, doch an geheimnisvollen Geburtswehen leiden. Was für eine Geburt mag damit wohl gemeint sein? Zweifellos handelt es sich um die Geburt von uns selbst, die wir, in der irdischen Verbannung noch zurückgehalten, erst zur vollkommenen Liebe Gottes und zur ewigen Glückseligkeit geboren werden müssen. Die Geburtswehen Mariens aber veranschaulichen ihre Liebe und ihr Bemühen, mit denen die Jungfrau auf dem Himmelsthron wacht und durch ihre fortwährende Fürbitte zu bewirken sucht, dass die Zahl der Erwählten ihr Vollmaß erreiche. Dass nun diese Liebe besonders bei Gelegenheit dieser Feste zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis der Gottesgebärerin das Ziel aller werden möge, dahin geht Unser sehnlichstes Verlangen.
„Als er nun ihren Glauben sah“ (Lk 5,20), heißt es. Groß ist der Herr. Um des Verdienstes der einen willen verzeiht er anderen und lässt, indem er die einen prüft, anderen die Verirrungen nach. Warum soll bei dir, o Mensch, deinesgleichen nichts vermögen, nachdem beim Herrn selbst der Diener das Verdienst der Fürbitte und das Anrecht auf Erhörung hat? Lerne, wenn du richtest, verzeihen; lerne, wenn du krank bist, beten! Wenn du dir keine Hoffnung auf Nachlass der schweren Sünden machen kannst, so wende dich an Fürsprecher, wende dich an die Kirche, die für dich flehen soll; anbetracht derer der Herr dir Verzeihung gewährt, die er dir sonst verweigern könnte! Wiewohl wir die Geschichtlichkeit des Vorganges nicht preisgeben dürfen, sodass wir an der wirklichen leiblichen Heilung dieses Gelähmten festhalten, so erblicke doch hierin die Heilung des inneren Menschen, dem die Sünden nachgelassen werden! […] Weil aber der Herr die Sünder retten wollte, zeigte er sowohl durch sein Wissen um das Verborgene wie durch das Bewunderungswürdige seines Tuns, dass er Gott ist, und fügte darum bei: „Was ist leichter zu sagen: Vergeben sind dir deine Sünden, oder zu sagen: Steh auf und wandle?“ (Lk 5,23). Mit dieser Stelle entrollt der Herr ein vollständiges Bild der Auferstehung: er heilt die geistigen und leiblichen Wunden, […] das heißt nämlich, den ganzen Menschen zu heilen.
[„Jesus kommt zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: ‚Ich müsste von dir getauft werden!‘“ (vgl. Mt 3,13–14).] In deiner Gegenwart, Herr Jesus, kann ich nicht schweigen, denn „ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Bereitet dem Herrn den Weg. Ich müsste mich von dir taufen lassen und du kommst zu mir!“ […] Im Anfang warst du, du warst bei Gott und du warst Gott (vgl. Joh 1,1); du, der du der leuchtende Abglanz der Herrlichkeit des Vaters bist, du, das vollkommene Abbild des Vaters (vgl. Hebr 1,3); du, das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (vgl. Joh 1,9); du, der du in der Welt warst, bist dorthin gekommen, wo du schon warst; du, der du Fleisch angenommen hast, aber in uns wohnst (vgl. Joh 1,14; 14,23); und du ließest dich von deinen Knechten in der Gestalt eines Knechtes sehen (vgl. Phil 2,7); du, der du Himmel und Erde durch deinen heiligen Namen wie durch eine Brücke verbunden hast: Du kommst zu mir? Du, der du so groß bist, zu mir, der ich so arm bin? Der König zum Vorläufer, der Herr zum Diener. […] Ich weiß, welcher Abgrund die Erde vom Schöpfer trennt. Ich weiß, welcher Unterschied besteht zwischen dem Schlamm der Erde und dem, der ihn geformt hat (vgl. Gen 2,7). Ich weiß, wie sehr deine Sonne der Gerechtigkeit hoch über mir steht, der ich nur die Lampe von deiner Gnade bin (vgl. Mal 3,20; Joh 5,35). Und obwohl du in die reinste Wolke deines Leibes gekleidet bist, erkenne ich meinen Stand als Diener an und verkünde deine Größe. „Ich bin es nicht wert, die Riemen deiner Sandalen zu lösen“ (vgl. Mk 1,7). Und wie könnte ich es wagen, den unbefleckten Scheitel deines Hauptes zu berühren? Wie die Hand über dir ausstrecken, der „der du den Himmel wie ein Zelt ausspannst“ und „die Erde über den Wassern gegründet hast“ (vgl. Ps 104(103),2; 136(135),6). […] Was für ein Gebet soll ich über dich sprechen, der du sogar die Gebete derer annimmst, die dich missachten?
Die Kirche, zu der wir alle in Christus Jesus berufen werden und in der wir mit der Gnade Gottes die Heiligkeit erlangen, wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden, wenn die Zeit der allgemeinen Wiederherstellung kommt (Apg 3,21). Dann wird mit dem Menschengeschlecht auch die ganze Welt, die mit dem Menschen innigst verbunden ist und durch ihn ihrem Ziele entgegengeht, vollkommen in Christus erneuert werden (vgl. Eph 1,10; Kol 1,20; 2 Petr 3,10–13) […] Die Wiederherstellung also, die uns verheißen ist und die wir erwarten, hat in Christus schon begonnen, nimmt ihren Fortgang in der Sendung des Heiligen Geistes und geht durch ihn weiter in der Kirche, in der wir durch den Glauben auch über den Sinn unseres zeitlichen Lebens belehrt werden, bis wir das vom Vater uns in dieser Welt übertragene Werk mit der Hoffnung auf die künftigen Güter zu Ende führen und unser Heil wirken (vgl. Phil 2,12). Das Ende der Zeiten ist also bereits zu uns gekommen (vgl. 1 Kor 10,11), und die Erneuerung der Welt ist unwiderruflich schon begründet und wird in dieser Weltzeit in gewisser Weise wirklich vorausgenommen. Denn die Kirche ist schon auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet. Bis es aber einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und zählt selbst so zu der Schöpfung, die bis jetzt noch seufzt und in Wehen liegt und die Offenbarung der Kinder Gottes erwartet (vgl. Röm 8,19–22).
Sprich jetzt, mein ganzes Herz, sprich jetzt zu Gott: „Ich suche Dein Antlitz; Dein Antlitz, Herr, suche ich“ (vgl. Ps 27(26),8). Wohlan, jetzt also, Du Herr, mein Gott, lehre mein Herz, wo und wie es Dich suche, wo und wie es Dich finde. Herr, wenn Du hier nicht bist, wo soll ich suchen Dich, den Abwesenden? Wenn Du aber überall bist, warum sehe ich nicht den Anwesenden? Doch gewiss wohnst Du in einem unzugänglichen Lichte. Und wo ist das unzugängliche Licht? Oder wie kann ich zu dem unzugänglichen Lichte gelangen? Oder wer wird mich führen und hineinführen in es, dass ich Dich sehe in jenem? Sodann: unter welchen Zeichen, unter welchem Antlitz soll ich Dich suchen? Nie habe ich Dich gesehen, Herr, mein Gott, nicht kenne ich Dein Antlitz. Was soll tun, höchster Herr, was soll tun dieser Dein in die Ferne Verbannter? Was soll tun Dein Knecht, der ängstlich besorgt ist in Liebe zu Dir und weit hinweg von Deinem Antlitz verstoßen ist? Er lechzt Dich zu sehen – und allzu ferne ist jenem Dein Antlitz; er begehrt zu Dir zu gelangen – und unzugänglich ist Deine Wohnung; er wünscht Dich zu finden – und weiß nicht Deinen Ort; er verlangt Dich zu suchen – und kennt nicht Dein Antlitz. Herr, mein Gott bist Du und mein Herr bist Du – und niemals habe ich Dich gesehen; Du hast mich geschaffen und wiedergeschaffen und alle Güter hast Du mir verliehen – und noch habe ich Dich nicht erkannt; schließlich wurde ich geschaffen, um Dich zu sehen – und noch habe ich nicht getan, wofür ich geschaffen wurde. O elendes Los der Menschen, da er das verlor, wozu er geschaffen ward […] Lass mich Dich suchen, indem ich nach Dir verlange, lass mich nach Dir verlangen, indem ich Dich suche! Lass mich Dich finden, indem ich Dich liebe, lass mich Dich lieben, indem ich Dich finde!
Der Glaube ist eine fundamentale Tugend. […] Unser Glaube ist der Beginn, die Grundlage, die Wurzel unseres Lebens als Kinder Gottes. […] Der Glaube ist nicht nur für die Weckung des übernatürlichen Lebens erforderlich, sondern auch für dessen Wachstum und Entfaltung. Er ist wirklich Grundlage und Wurzel des inneren Lebens. Warum legt man Grundsteine, wenn man ein Gebäude errichten will? Nicht nur, weil sie es ermöglichen, dass man dann mit dem Bauen beginnen kann, sondern auch, weil die Festigkeit, das Gleichgewicht und die Lebensdauer des Gebäudes davon abhängt. Das gilt auch vom Glauben im Leben jedes Christen. Nur auf dem Fundament eines starken Glaubens können Hoffnung und Liebe gedeihen, kann das Gebet zu Gott emporsteigen. Wo sollten wir in der Stunde der Prüfung wie auch im Alltag Halt finden, wo wirksame Motive für unser Handeln, wenn nicht im Glauben? Deshalb ermahnt der heilige Paulus die Kolosser, „im Glauben festgegründet und beständig zu bleiben“ (1,23). […] So groß ist die Bedeutung der Glaubensgewissheit. Sie übt unaufhörlich ihren Einfluss: sie verleiht dem Leben Adel, der Seele Kraft; ihr dankt es der Christ […], dass er im Kampf mit den Mächten der Finsternis nie am Siege zweifelt (vgl. 1 Joh 5,4). Der hl. Paulus fasste diese Lehre, die ihm sehr teuer war, in ein kurzes Wort zusammen: „Der Gerechte lebt aus dem Glauben“ (Gal 3,11; Röm 1,17; Hebr 10,38). Wir können die praktische Bedeutung des Glaubens gar nicht hoch genug einschätzen, denn je stärker unser Glaube ist, desto mehr wird unser ganzes Leben neugestaltet, desto fester werden die Bande, die uns als Adoptivkinder mit dem himmlischen Vater verbinden.
Die zweite Ankunft Christi, unseres Bräutigams, ereignet sich täglich in guten Menschen und häufig mit Gnaden und neuen Gaben in all denen, die sich nach Kräften darauf vorbereiten. Wir wollen hier weder von der ersten Bekehrung des Menschen reden noch von der ersten Gnade, die ihm verliehen wurde, als er sich von der Sünde zu den Tugenden bekehrte; sondern wir wollen sprechen von einem täglichen Zuwachs an neuen Gnaden und neuen Tugenden und von einer Ankunft Christi, unseres Bräutigams, in der Gegenwart, die täglich in unserer Seele stattfindet. […] Es gibt noch eine Ankunft Christi, unseres Bräutigams, die täglich stattfindet, verbunden mit einer Vermehrung der Gnade und der Ausspendung neuer Gaben. Das geschieht, wenn der Mensch eines von den Sakramenten mit demütigem Herzen empfängt, ohne im Widerstreit mit dem Sakrament zu sein. Da erhält er neue Gaben und noch mehr Gnade als Lohn für seine Demut, durch Christi verborgenes Wirken im Sakrament. […] Das ist die zweite Ankunft Christi, unseres Bräutigams, die nun täglich stattfindet. Wir sollen ihr mit verlangendem Herzen entgegensehen, damit sie sich in uns auswirke, denn das ist notwendig, wenn wir standhaft bleiben und fortschreiten wollen bis in das ewige Leben.
Mein Gott, wie gut bist Du, dass du uns aufrufst, Dich zu loben! Was gibt es Schöneres, als den Geliebten zu loben! […] Lasst uns Gott loben! Gott selbst gibt uns das Gebot und das Beispiel. Wie viele Psalmen sind Psalmen des Lobes: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ (Ps 150,6 Vulg.), „Lobet den Herrn, alle Völker“ (Ps 117(116),1) … Wie oft ruft unser Herr aus: „Ich preise dich, Vater, weil …!“ (vgl. Lk 10,21), wie oft gibt er ihm diese lobpreisenden Namen: „Heiliger Vater … Gerechter Vater …“ (Joh 17,11.25). Und wenn er uns beten lehrt, was lässt er uns dann sagen? „Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt“ (Mt 6,9), das heißt: Er möge verherrlicht werden sowohl durch Worte als auch durch die Gedanken und Taten aller Menschen. […] Der Lobpreis ist zudem ein Bedürfnis der Liebe, und selbst wenn Gott uns weder das Gebot noch das Beispiel gegeben hätte, ihn zu loben, wäre es verpflichtend für uns, dies zu tun, allein deswegen, weil er uns sagt: „Euer erstes Gebot ist es, mich zu lieben“. Die Verehrung ist grundlegender Bestandteil jeder wahren Liebe: Sie ist ihr Fundament, ihre Ursache; das Motiv der wahren Liebe ist das Gute, das Vollkommene, das im Wesen des Geliebten ist; dieses Gute, diese Vollkommenheit ruft die Bewunderung hervor; auf die Bewunderung – und kaum von ihr zu unterscheiden – folgt die Liebe. Nun ist der Lobpreis nichts anderes als der Ausdruck der Bewunderung; daher findet man ihn notwendigerweise […] überall dort, wo wahre Liebe ist. Loben wir also Gott: innerlich durch das stille Lob liebevoller Kontemplation und äußerlich durch Worte der Verehrung, welche die Bewunderung seiner Vollkommenheit uns auf die Lippen legen wird.
[„Oh gutes Kreuz, das du deine Herrlichkeit von den Gliedern des Herrn bezogen hast! Langersehntes Kreuz, innig geliebt, ohne Unterlass gesucht und schließlich bereitet für meine brennende Sehnsucht.“*] Am Tag des heiligen Andreas war ich davon berührt, diesen Heiligen zu sehen, wie er sich beim Anblick des Kreuzes unvermittelt zu Boden wirft, seine Freude nicht zurückhalten kann und sie mit so leidenschaftlichen Worten hervorbrechen lässt. „Bona“: nützlich, ehrenhaft, angenehm; es ist sein ganzes Gut, es ist das einzige Gut, das ihn berührt. „Diu desiderata“ („langersehntes Kreuz“); er wünschte es nicht nur, sondern er wünschte es sich sehnlichst: Woher kam es, dass ihm die Zeit lang wurde? „Diu solicite amata“ („innig geliebtes Kreuz“): Die Liebe kann nicht ohne Sorgen sein; dieser Heilige suchte das Kreuz mit dem Eifer und der Sorge eines Mannes, der befürchtet, es nicht zu finden, der es nicht früh genug finden kann; man möchte also meinen, dass er, sobald er ihm begegnete, einen Schatz gefunden hat; der Begeisterungsausbruch, den er zeigt, ist der eines Liebenden, eines von äußerster Liebe besessenen. „Sine intermissione quaesita“ („ohne Unterlass gesucht“): Das ist unser Leitsatz, und so hat er auch verdient, es zu finden. „Et aliquando …“ („schließlich bereitet für meine glühende Sehnsucht“), dieses Wort bezeichnet ein enormes Verlangen. Er musste Jesus Christus sehr lieben, um solches Gefallen am Kreuz zu finden. Man liebt die Menschen oft um der Güter willen, die sie besitzen; aber sie in ihrem Elend um ihrer selbst willen zu lieben, das ist außerordentlich; es ist wunderbar, wenn man sie wegen ihres Elends nicht hasst. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Brüder hingibt (vgl. Joh 15,13); aber es gibt Abstufungen in diesem Opfer, denn mit dieser Freude, mit diesem Eifer zu sterben, das ist eine unvergleichliche Liebe. Welch ein Glaube! (* Offizium für das Fest – Matutin, 2. Nokturn, 6. Lektion – diese Worte sind dem hl. Andreas zugeschrieben.)
Bei seiner ersten Ankunft kam Gott ohne jeden Glanz, unerkannt von den meisten, und dehnte das Geheimnis seines verborgenen Lebens über viele Jahre aus. Als er vom Berg der Verklärung hinabstieg, bat Jesus seine Jünger, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei. Er kam also wie ein Hirte, um seine verlorenen Schafe zu suchen; und um das widerspenstige Tier ergreifen zu können, musste er im Verborgenen bleiben. Wie ein Arzt, der sich wohl hütet, seinen Patienten schon auf den ersten Blick zu verschrecken, so vermeidet es der Erlöser, sich schon zu Beginn seiner Sendung zu erkennen zu geben: Er macht es beinahe unmerklich und nach und nach. Der Prophet hatte diese glanzlose Ankunft mit diesen Worten vorhergesagt: „Er wird herabsteigen wie Regen auf ein Vlies, und wie Tropfen, die auf die Erde tropfen“ (vgl. Ps 71,6 LXX). Er zerriss nicht das Firmament, um auf den Wolken zu kommen, sondern kam schweigend in den Schoß einer Jungfrau und wurde neun Monate von ihr getragen. Er wurde in einer Krippe geboren, als Sohn eines demütigen Handwerkers … Er geht hierhin und dorthin wie ein gewöhnlicher Mensch; seine Kleidung ist einfach, sein Tisch noch bescheidener. Er wandert ohne Unterlass bis er müde ist. So jedoch wird sein zweites Kommen nicht sein. Er wird mit solchem Glanz kommen, dass es nicht nötig sein wird, sein Kommen anzukündigen: „Denn wie der Blitz bis zum Westen hin leuchtet, wenn er im Osten aufflammt, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein“ (Mt 24,27). Dann wird die Zeit des Gerichts und des Urteilsspruchs sein. Dann wird der Herr nicht als Arzt erscheinen, sondern als Richter. Der Prophet Daniel sah seinen Thron, den Strom, der am Fuße des Richterstuhls seine Wasser ergießt, und dieses Gefährt ganz aus Feuer, den Wagen und die Räder (vgl. Dan 7,9–10). […] David, der Propheten-König, spricht nur von Glanz, von Pracht, von Feuer, das von allen Seiten lodert: „Feuer wird vor ihm entbrennen; und um ihn herum wird ein Sturm heftig brausen“ (vgl. Ps 49,3 LXX). All diese Vergleiche haben das Ziel, uns die Hoheit Gottes begreifen zu lassen, das strahlende Licht, das ihn umgibt, und seine unzugängliche Natur.
Vielleicht werdet ihr mir sagen, meine lieben Töchter, dass ihr so wenig gesammelt seid, selbst wenn ihr zu Gott betet; dass ihr keine Viertelstunde ohne Ablenkung sein könnt. Dies soll euch nicht erstaunen. Die größten Diener Gottes erleben manchmal den gleichen Kummer. Ich habe kürzlich mit einem guten Priester gesprochen, der vor etlichen Jahren konvertiert ist, und viel Zeit im Gebet zu Gott verbringt. Er sagte mir, dass er oft weder Lust noch Befriedigung verspüre und nur sagen kann: „Mein Gott, ich bin hier in deiner Gegenwart, um deinen heiligsten Willen zu erfüllen. Es genügt, dass du mich hier siehst.“ Macht es ebenso. […] Dies ist ein sehr einfaches Mittel: Nehmt die Passion unseres Herrn zum Gegenstand eurer Gebete. Es gibt keine von euch, die nicht alles weiß, was dort geschehen ist, entweder weil ihr Predigten darüber gehört habt oder weil ihr darüber betrachtet habt. Oh meine Töchter, das ausgezeichnete Mittel des Gebets ist die Passion unseres Herrn! Es ist ein Jungbrunnen, in dem ihr jeden Tag etwas Neues entdecken werdet. Der heilige Franziskus hatte nie einen anderen Gegenstand zum Gebet als die Passion unseres Herrn, und er empfiehlt allen seinen lieben geistlichen Kindern, sich beständig darin zu üben. Und woraus glaubt Ihr, meine Töchter, hat der große heilige Bonaventura sein ganzes Wissen geschöpft? Aus dem heiligen Buch des Kreuzes. Ihr tut gut daran, euch damit vertraut zu machen. Ich empfehle es euch.
Da wir nun an vielen großen und herrlichen Taten Anteil bekommen haben, wollen wir dem von Anfang an uns gesteckten Friedensziel von neuem zueilen, den Blick richten auf den Vater und Schöpfer der ganzen Welt und uns eng verbinden mit seinen großartigen und überschwenglichen Segnungen des Friedens und seinen Wohltaten. Betrachten wir ihn im Geiste und schauen wir mit den Augen der Seele auf die Langmut seines Willens; betrachten wir, wie gütig er sich gegen seine ganze Schöpfung erzeigt. […] Er spendet allen Wohltaten, in reichstem Übermaß aber uns, die wir unsere Zuflucht zu Seinen Erbarmungen genommen haben […] Seht zu, Geliebte, dass uns allen seine vielen Wohltaten nicht zum Gericht werden, wenn wir seiner nicht würdig wandeln und das Gute und Wohlgefällige vor ihm tun in Eintracht. Er sagt nämlich irgendwo: „Der Geist des Herrn ist eine Leuchte, die das Innere des Leibes durchforscht“ (Spr 20,27). Betrachten wir, wie nahe er ist, und dass ihm nichts verborgen ist von unseren Gedanken oder von den Plänen, die wir schmieden. Es ist also recht, dass wir uns seinem Willen nicht entziehen. […] Nimmer passe auf uns dieser Schrifttext, wo es heißt: „Unglücklich sind die Zweifler, die geteilten Herzens sind und sagen: Dies haben wir gehört auch schon zur Zeit unserer Väter, und siehe, wir sind alt geworden, und nichts davon ist uns zugekommen. O ihr Toren, vergleichet euch mit einem Baum; nehmet einen Weinstock: zuerst verliert er die (alten) Blätter, dann wächst eine Knospe, dann ein Blatt, dann eine Blüte, hernach eine saure Traube, und dann erst ist die reife Traube da“ (vgl. Jak 1,8; Mt 24,32). Ihr seht, dass in kurzer Zeit die Frucht des Baumes zur Reife gelangt. Wahrhaftig, schnell und plötzlich wird sein Wille Vollendung finden, da ja auch die Schrift selbst hierfür Zeugnis gibt: „Schnell wird er kommen und nicht zögern, und plötzlich wird einziehen der Herr in seinen Tempel und der Heilige, den ihr erwartet“ (Jes 14,11; Mal 3,1).
Warum kommt ihr nicht wieder zur Besinnung (vgl. 2 Tim 2,26), ihr, die ihr in Trostlosigkeit versinkt? Warum lauft ihr nicht, ihr, die ihr euch dahinschleppt? Ja, ja, das frage ich euch, meine Lieben! Du siehst doch, der Tod ist dir gewiss; wenn du dir nicht einmal sicher sein kannst, den heutigen Tag zu überleben, ist es absolut sicher, dass du morgen sterben wirst. Wie groß wird deine Freude sein, wenn du diese Welt verlassen und dich in himmlischen Gefilden niederlassen wirst, bei Gott, in unzugänglichem Licht (vgl. 1 Tim 6,16), an einem Tag, der keinen Abend kennt, in unsagbarem Glück, in unvorstellbarer Herrlichkeit, in den Wohnstätten der Heiligen, in den Höfen des Herrn (vgl. Ps 84(83),3), in der Gemeinschaft der Erstgeborenen (vgl. Hebr 12,23), im Schoß Abrahams (vgl. Lk 16,22), im Paradies aller Schönheit und Tugend, in einem nicht von Menschenhand gemachten Brautgemach, in den Gütern, die kein Auge geschaut, in dem Erhofften, das kein Ohr gehört hat, in dem unaussprechlichen Ziel unserer Sehnsucht, in den Chören der Engel, im Kreis der Propheten, in der Versammlung der Apostel, in den Palästen des Himmelskönigs, in der Stadt des Gottes Jakobs (vgl. Jes 2,3). Und wen wirst du dort sehen? Wer wird da sein? Die Herrin der Welt und Mutter Gottes, unseres Meisters, die ehrwürdigen körperlosen Kräfte, Cherubim und Seraphim, die Scharen und Rangordnungen der Priester und Heiligen, die Menge derer, die man nicht benennen kann und die keinen Namen haben, Bewohner dieser Orte, und schließlich die selige und reine Dreieinigkeit selbst. Entzückt dich das nicht, mein Bruder? Spürst du bei all dem noch die Wunden, selbst wenn man dir die Haut abzieht? Also was nun? Lassen wir uns wegen einer kleinen Trübsal, wegen eines Hiebes, einer Bestrafung, wegen des Durstes oder wegen irgendwelcher Nahrungseinschränkungen überwältigen? Keineswegs! Dann wird Christus, unser Gott, euch bewahren, geliebte Kinder, und mein armseliges Zureden in eure frommen Herzen dringen lassen; er wird sie stärken, erleuchten und heiligen.
Es ist schon seltsam, gegen wie viele Feinde man kämpfen muss, sobald man den Entschluss fasst, heilig zu werden. Alles scheint wie entfesselt: der Teufel mit seinen Tricks, die Welt mit ihren Reizen und die Natur mit ihrem Widerstand gegen unsere guten Bestrebungen; dazu das Lob der Guten, der Spott der Bösen, die Forderungen der Lauen. Wenn Gott euch nahe ist, ist Eitelkeit zu fürchten; zieht er sich zurück, dann Verzagtheit; Verzweiflung kann der größten Inbrunst folgen. Unsere Freunde verführen uns durch die Gefälligkeit, die wir ihnen gegenüber zu üben gewohnt sind; die uns gegenüber Gleichgültigen durch unsere Angst, ihnen zu missfallen. Unbesonnenheit ist im Eifer zu befürchten, Sinnlichkeit im Maßhalten und Eigenliebe überall! Was also tun? […] Vor allem, da Heiligkeit nicht darin besteht, einen Tag oder ein Jahr lang treu zu sein, sondern darin, durchzuhalten und bis zum Tod darin zu wachsen, muss uns Gott als ein Schild dienen, aber als Schild, der uns ganz umschließt, weil wir von allen Seiten bedrängt werden (vgl. Ps 91(90),4). Gott muss alles tun. Umso besser; dann ist nicht zu befürchten, dass es uns an etwas fehlt. Für uns genügt es, unsere Ohnmacht zu erkennen und inständig und beharrlich um Hilfe zu bitten auf die Fürsprache Mariens, der Gott nichts verweigert. Aber selbst das können wir nur mit Hilfe einer großen Gnade tun, oder vielmehr mit vielen großen Gnadenerweisen Gottes.
[Gertrud sagte zum Herrn]: „Ach Herr, […] ich habe nichts, was sich für deine Würde geziemte; doch habe ich den Willen, dass, wenn ich alles besäße, was du hast, ich allem entsagen und alles dir so freigebig mitteilen wollte, dass du es geben könntest, wem du wolltest.“ Der Herr antwortete freundlich: „Wenn du das in deinem Herzen findest, dass du also an mir tun wolltest, so darfst du versichert sein, dass ich in ähnlicher Weise an dir handeln will, und dies um so mehr, je mehr meine Güte und Liebe die deine überragt.“ Sie erwiderte: „Mit welcher Würdigkeit werde ich dir entgegengehen, da du so freigebig zu mir kommst?“ „Nichts anderes“, sagte der Herr, „verlange ich von dir, als dass du leer zum Empfang kommst. Denn alles, was mir in dir gefallen soll, wirst du durch mein Geschenk empfangen.“ Hieraus erkannte sie, dass jene Leere die Demut sei, in der sie glaubte, durchaus nichts von Verdiensten zu besitzen noch auch etwas zu können, außer durch die unverdiente Gnade Gottes, und dass sie alles, was sie tun könnte, für nichts erachten solle.
Das Wort Gottes ist „König, König des Himmels und der Erde.“ Das Wort „lebt und regiert“ in Gott. Christus lebt nur da, wo er regiert, er ist wesentlich König! Er lebt in uns in dem Maße, in welchem er in uns alles beherrscht, über unsere Fähigkeiten regiert, all unser Handeln befiehlt. Wenn alles in uns von ihm kommt, d. h. wenn wir nur noch denken wie er, wollen wie er, wenn wir nur nach seinem Wohlgefallen handeln, so legen wir uns selbst, unser ganzes Sein ihm zu Füßen, dann herrscht er in uns. Alles, was uns eigen, uns persönlich ist, verschwindet, um dem Gedanken und dem Willen des göttlichen Wortes Platz zu machen. Diese Herrschaft Christi in uns muss vollständig sein; hundertmal am Tage bitten wir: „Dein Reich komme!“ O Herr, dass er doch käme, dieser Tag, wo du ganz in mir regieren wirst, wo kein eigener Wille mehr deine Macht in mir stören wird, wo ich gleich dir ganz dem Vater hingegeben wäre, wo keine eigene Eingebung mehr das Wirken deines Geistes in mir betrüben würde! An diesem Tage werden wir, so viel an uns liegt, unsere eigene Persönlichkeit abgelegt und sie vor Christi Herrscherthron niedergelegt haben. Er wird dann in Wirklichkeit „Alles in Allem“ (1 Kor 15,28) für uns sein. Wir werden dann moralisch nichts mehr zu eigen haben, alles wird ihm gehören, alles ihm untertan, ihm gegeben sein […].
Der christliche Auferstehungsglaube ist von Anfang an auf Unverständnis und Widerstand gestoßen (vgl. Apg 17,32; 1 Kor 15,12–13). „Der christliche Glaube stößt in keinem Punkt auf mehr Widerspruch als in Bezug auf die Auferstehung des Fleisches“ (Augustinus, Psal. 88,2,5). Man nimmt allgemein an, dass das Leben der menschlichen Person nach dem Tod geistig weitergeht. Wie kann man aber glauben, dass dieser so offensichtlich sterbliche Leib zum ewigen Leben auferstehen wird? Was heißt „auferstehen“? Im Tod, bei der Trennung der Seele vom Leib, fällt der Leib des Menschen der Verwesung anheim, während seine Seele Gott entgegengeht und darauf wartet, dass sie einst mit ihrem verherrlichten Leib wiedervereint wird. In seiner Allmacht wird Gott unserem Leib dann endgültig das unvergängliche Leben geben, indem er ihn kraft der Auferstehung Jesu wieder mit unserer Seele vereint. Wer wird auferstehen? Alle Menschen, die gestorben sind: „die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht“ (Joh 5,29; vgl. Dan 12,2). Wie? Christus ist mit seinem eigenen Leib auferstanden: „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst“ (Lk 24,39), aber er ist nicht in das irdische Leben zurückgekehrt. Desgleichen werden in ihm „alle … mit ihren eigenen Leibern auferstehen, die sie jetzt tragen“ (4. K. im Lateran: DS 801). Ihr Leib wird aber in „die Gestalt [eines] verherrlichten Leibes“ verwandelt werden (Phil 3,21), in einen „überirdischen Leib“ (1 Kor 15,44): „Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt? Was für einen Leib werden sie haben? Was für eine törichte Frage! Auch das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn … Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich … die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt … Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,35–37.42.52–53). Dieses „Wie“ übersteigt unsere Vorstellung und unser Verstehen; es ist uns nur im Glauben zugänglich. Der Empfang der Eucharistie gibt uns aber schon eine Vorahnung von der Verklärung unseres Leibes durch Christus: „Wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen besteht, so gehören auch unsere Leiber, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung“ (Irenäus, her. 4,18,5). Wann? Endgültig „am Letzten Tag“ (Joh 6,39–40.44.54; 11,24), „am Ende der Welt“ (LG 48). Die Auferstehung der Toten ist nämlich eng mit der Wiederkunft Christi verbunden […].
In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken. Zu deiner Ehre wurde dieses Haus errichtet, in dem du deine pilgernde Kirche versammelst, um ihr darin ein Bild deiner Gegenwart zu zeigen und ihr die Gnade deiner Gemeinschaft zu schenken. Denn du selbst erbaust dir einen Tempel aus lebendigen Steinen. Von allen Orten rufst du deine Kinder zusammen und fügst sie ein in den geheimnisvollen Leib deines Sohnes. Hier lenkst du unseren Blick auf das himmlische Jerusalem und gibst uns die Hoffnung, dort deinen Frieden zu schauen. Darum preisen wir dich in deiner Kirche und vereinen uns mit allen Engeln und Heiligen zum Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit: Heilig …
Zweierlei Liebe also hat die beiden Staaten gegründet, und zwar den Weltstaat die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe, den himmlischen Staat die bis zur Verachtung seiner selbst gehende Gottesliebe. Kurz gesagt: der eine rühmt sich in sich selbst, der andere im Herrn (vgl. 2 Kor 10,17). Der eine sucht Ruhm bei den Menschen, für den andern ist der höchste Ruhm Gott, der Zeuge des Gewissens. Der eine hebt sein Haupt empor in eigenem Ruhm, der andere spricht zu seinem Gott: „Du bist mein Ruhm und hebst mein Haupt empor“ (vgl. Ps 3,4). Jenen beherrscht in seinen Fürsten oder in den von ihm unterjochten Völkern die Herrschsucht; in diesem sind sich gegenseitig in Liebe dienstbar die Vorgesetzten durch Fürsorge, die Untergebenen durch Gehorsam. Jener liebt in seinen Mächtigen seine eigene Stärke; dieser spricht zu seinem Gott: „Ich will Dich lieben, Herr, meine Stärke“ (vgl. Ps 18(17),2). In jenem Weltstaat haben daher dessen Weise – nach Menschenweisheit lebend – die Güter des Leibes oder die ihres Geistes oder beide angestrebt, oder die unter ihnen, die „Gott erkannt haben, haben ihn nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern sind eitel geworden in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. […] Sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit“ (vgl. Röm 1,21–25). Im Gottesstaat dagegen gibt es keine andere Weisheit des Menschen als die Frömmigkeit, die in der rechten Weise den wahren Gott verehrt, und dabei in der Gemeinschaft der Heiligen, die sowohl Engel als auch Menschen umfasst, als ihren Lohn erhofft, „dass Gott alles in allem sei“ (vgl. 1 Kor 15,28).
Hat der Mensch etwas, was er Gott anbieten kann? Ja, seinen Glauben und seine Liebe. Das ist es, was Gott vom Menschen verlangt, so wie geschrieben steht: „Und nun, Israel, was fordert der Herr, dein Gott, von dir außer dem einen: dass du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, indem du auf allen seinen Wegen gehst, ihn liebst, und dem Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele dienst […] auf die Gebote des Herrn und seine Gesetze achtest“ (Dtn 10,12–13). Dies sind die Opfergaben, dies die Geschenke, die dem Herrn dargebracht werden sollen. Um ihm diese Gaben unseres Herzens anbieten zu können, müssen wir ihn aber zuerst kennenlernen: Wir müssen die Erkenntnis seiner Güte aus den tiefen Wassern seines Brunnens getrunken haben […] Diejenigen, die leugnen, dass das Heil des Menschen in der Macht seiner Freiheit liegt, müssen erröten, wenn sie diese Worte hören. Würde Gott den Menschen um etwas bitten, wenn dieser der Bitte Gottes gar nicht entsprechen könnte, ihm nicht anbieten könnte, was er ihm schuldet? Denn da ist einerseits die Gabe Gottes, da ist andererseits aber auch der Beitrag des Menschen. Es lag zum Beispiel sehr wohl in der Macht des Mannes, ob ein Geldstück zehn weitere einbrachte oder fünf; aber es lag an Gott, dass der Mann dieses eine Geldstück hatte, mit dem er zehn weitere erwirtschaften konnte. Als er Gott diese zehn von ihm dazugewonnenen Geldstücke überreichte, empfing der Mann ein neues Geschenk. Diesmal nicht mehr Geld, sondern die Macht und Königswürde über zehn Städte. Ebenso bat Gott Abraham, ihm auf dem Berg, den er ihm zeigen würde, seinen Sohn Isaak darzubringen. Und Abraham brachte Gott ohne zu zögern seinen einzigen Sohn dar: Er legte ihn auf den Altar und zog das Messer, um ihm die Kehle durchzuschneiden. In diesem Augenblick aber hielt ihn eine Stimme zurück, und es wurde ihm ein Widder gegeben, damit er ihn an Stelle seines Sohnes opfere (Gen 22). Du siehst also: Das, was wir Gott geben, bleibt bei uns. Die Opfergabe wird uns aber abverlangt, damit wir in der Darbringung unsere Liebe zu Gott und unseren Glauben an ihn bezeugen können.
Mir scheint, dass das, was sich zwischen Jesus und dem „obersten Zollpächter“ von Jericho abspielt, in verschiedener Hinsicht einer Feier des Sakramentes der Versöhnung gleicht. […] Jede Begegnung mit einem Gläubigen, der bei uns beichten möchte […] kann durch die überraschende Gnade Gottes immer jene „Stelle“ beim Maulbeerfeigenbaum sein, an der Christus zu Zachäus hinaufschaute. Wie tief die Blicke Christi in das Herz des Zöllners von Jericho eingedrungen sind, können wir unmöglich ermessen. Wir wissen jedoch, dass es dieselben Blicke sind, die sich auf jeden unserer Pönitenten richten. Wir sind im Bußsakrament Werkzeuge einer übernatürlichen Begegnung mit ihren eigenen Gesetzen, die wir nur respektieren und unterstützen dürfen. Für Zachäus musste es eine überwältigende Erfahrung sein, sich bei seinem Namen gerufen zu hören. Sein Name wurde bei Landsleuten mit Geringschätzung bedacht. Nun hörte er ihn mit einem Hauch von Zärtlichkeit aussprechen, die nicht nur Vertrauen, sondern Vertraulichkeit und fast das Drängen auf Freundschaft ausdrückte. Ja, Jesus spricht zu Zachäus wie ein alter, vielleicht in Vergessenheit geratener Freund, der aber nicht von seiner Treue abgelassen hat und daher mit deutlich spürbarer Zuneigung in das Leben und in das Haus des wiedergefundenen Freundes eintritt: „Komm schnell herunter, denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein“ (Lk 19,5). In der Erzählung des Lukas berührt uns der Tonfall der Rede: Alles ist auf die Person abgestimmt, so feinfühlig, so liebevoll! Es handelt sich nicht nur um ergreifende Züge von Menschlichkeit. In diesem Text liegt eine innige Dringlichkeit, die Jesus als endgültiger Offenbarer der Barmherzigkeit Gottes zum Ausdruck bringt.
„Ihr seid das Salz der Erde.“ Damit zeigt er [der Herr], dass er nur aus Notwendigkeit solche Gebote gegeben hat. Denn nicht bloß für die Dauer eures eigenen Lebens, will er sagen, sondern für das ganze Menschengeschlecht ist euch die Verkündigung des Wortes anvertraut. Ich sende euch nicht in zwei Städte, oder in zehn oder hundert, auch nicht zu einem einzigen Volk, wie die Propheten, sondern über Land und Meer, über die ganze Welt und zwar eine schlechte Welt. Mit den Worten: „Ihr seid das Salz der Erde“ zeigt er nämlich, dass die gesamte Menschheit schal geworden und von der Sündenfäulnis angesteckt war. Das ist der Grund, weshalb er von den Aposteln gerade solche Tugenden verlangt, die ganz besonders bei der Leitung der großen Massen notwendig und nützlich sind. Wer nämlich sanftmütig ist, bescheiden, barmherzig und gerecht, der beschränkt seine guten Werke nicht bloß auf sich selbst, sondern sorgt dafür, dass diese kostbaren Quellen auch zum Nutzen anderer fließen. Ebenso wird auch der, der reinen Herzens ist und friedfertig, und um der Wahrheit willen Verfolgung leidet, sein Leben so einrichten, dass es zum Nutzen aller dient.
Um Gott zu zeigen, dass diese unsere Sehnsucht aufrichtig ist, müssen wir unaufhörlich auf das göttliche Ideal hinschauen und uns bemühen, die Vollkommenheit, zu der wir nach Gottes Willen gelangen sollen, in der Nachahmung seines göttlichen Sohnes zu verwirklichen. Dieser ist das Urbild unsrer Auserwählung, und für einen jeden von uns gibt es ein Maß, in dem die Gleichförmigkeit mit Christus uns zugeteilt wird (Eph 4,7). Hienieden kennen wir dieses Maß, das Gott für uns bestimmt hat, nicht, dürfen aber gewiss sein, dass es, seinem Zwecke entsprechend, hinreicht, Christus in uns zu bilden, die Züge dieses vom Vater selbst uns gegebenen Ideals in uns hervorzubringen […]. Wenn wir trotz aller Versuchungen und Schwierigkeiten treu an diesem Werke arbeiten, so „wird uns jener Lohn zuteil, den der Herr selbst verheißen hat“. […] Wenn wir uns beharrlich bemühen, die Wünsche unseres himmlischen Vaters aus Liebe möglichst vollkommen zu erfüllen, immer „das zu tun, was ihm wohlgefällt“ (Joh 8,29), dann wird uns sicherlich jener wunderbare Lohn zuteil, den die ewige Treue selbst verhieß mit den Worten: „Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, will ich dich über vieles setzen; geh ein in die Freude deines Herrn!“ (Mt 25,21). Jedem Heiligen tönt dieses Wort bei seinem Einzug in den Himmel entgegen; es ist der Willkommgruß Jesu Christi. Welches aber sind die Güter, die der Herr der Seele mitteilt? Gott selbst in seiner Dreieinigkeit und Vollkommenheit und mit Gott alle geistlichen Güter. Die Seele wird Gott ähnlich sein, weil sie „ihn sieht, so wie er ist“ (1 Joh 3,2). In dieser unaussprechlichen Anschauung, die auf den Glauben folgt, wird die Seele ganz in Gott gefestigt, hat teil an der göttlichen Unveränderlichkeit; sie wird nun auf immer ganz und gar dem höchsten und unveränderlichen Gut anhangen, ohne Furcht, es jemals wieder zu verlieren.
Wenn wir euch hier um uns versammelt sehen, dann scheint es uns, als machten wir diese grandiose und bewegende Szene aus der Heiligen Schrift zu unserer eigenen, indem wir sie noch einmal durchleben: Wir sehen darin – während das Volk Gottes in der Ebene kämpft – Mose, der auf den Gipfel des Berges Horeb gestiegen ist, und dort mit erhobenen Armen und Händen betet: ein prophetisches und unbewusstes Bild jenes großen Mittlers, der mit ausgestreckten Armen am Kreuz hängt. Neben dem betenden Anführer stehen hier zwei seiner getreuesten Gefährten, die – aus Sorge, seine Kräfte könnten ihn in diesem schwierigen Akt des Flehens verlassen – seine Arme mit kindlicher Fürsorge stützen, voller Vertrauen in die Wirksamkeit des Gebets ihres Anführers (vgl. Ex 17). Auch wir, hier oben auf dem Hügel des Vatikans, sind Zeugen eines großen Konflikts, der unvergleichlich ausgedehnter und schwerwiegender ist als der eben zitierte, eines wirklich gewaltigen Konflikts, der die Völker der Erde gegeneinander ausspielt; eines geistlichen Kampfes, der nichts anderes als eine Episode in dem andauernden und erbitterten Kampf des Bösen gegen das Gute, des Satans gegen Christus ist. Mit zum Himmel erhoben Händen spüren wir die Last einer unsagbar schweren Verantwortung auf unseren Schultern, und ein tiefer Schmerz bedrückt unser Herz. Doch es findet Trost in euch, die ihr uns treu zur Seite steht, indem ihr euer Gebet mit dem unseren verbindet, eure Opfer mit unseren Leiden, eure Arbeit mit unseren Anstrengungen. […] Das wahre Gebet des Christen, das Jesus uns alle gelehrt hat, das aber in besonderer Weise das eure ist, ist ein wesentlich apostolisches Gebet. Es beinhaltet die Heiligung des Namens Gottes, das Kommen und die Ausbreitung seines Reiches, das treue Festhalten an den Fügungen seiner liebevollen Vorsehung und seines erlösenden und seligmachenden Willens; es umschließt auch alle geistlichen und materiellen Belange der Menschen, das tägliche Brot, die Vergebung der Sünden, die brüderliche Einheit, die weder Hass noch Rachsucht kennt, die notwendigen Hilfen, um nicht der Versuchung zu erliegen, die Erlösung von allem Bösen. […] Gewaltig in seiner Kürze erfasst und umfasst das Gebet des Herrn die Gesamtheit der menschlichen Bedürfnisse; und der Erlöser weiß sehr wohl um all diese Bedürfnisse und bringt sie bis ins kleinste Detail vor seinen himmlischen Vater, denn jedes einzelne ist ihm in besonderer Weise gegenwärtig […]. Hier ist euer Modell.
Ist es schwierig für den Glauben, das Wort der Schrift über unsere Verbindung mit einer höheren Welt anzunehmen? […] Die Welt der Geister ist zwar unsichtbar, aber gegenwärtig: Gegenwart, nicht Zukunft, nicht Ferne. Sie ist nicht oberhalb des Himmels, sie ist nicht jenseits des Grabes, sie ist hier und jetzt: „Das Reich Gottes ist unter uns“ (vgl. Lk 17,21). Davon spricht der hl. Paulus, wenn er sagt: „Wir starren nicht auf das Sichtbare, sondern blicken nach dem Unsichtbaren aus, denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig“ (vgl. 2 Kor 4,18) […] So ist das verborgene Reich Gottes; und wie es jetzt verborgen ist, so wird es offenbar werden, wenn die Zeit gekommen ist. Die Menschen denken, sie seien die Herren der Welt und könnten machen, was sie wollen. Sie denken, diese Erde sei ihr Eigentum und sie könnten ihren Lauf bestimmen; während […] doch die Kleinen darin wohnen, die zu Christus gehören, von ihnen jedoch verachtet werden, und seine Engel, an die sie nicht glauben. Und diese werden am Ende die Welt in Besitz nehmen und sich offenbaren. Gegenwärtig läuft scheinbar alles so weiter wie von Beginn der Schöpfung an, und die Spötter fragen: „Wo bleibt denn seine verheißene Ankunft?“ (2 Petr 3,4). Zur festgesetzten Zeit aber wird es „das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ geben, und dann „werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten“ (Mt 13,43; vgl. Röm 8,19). Als die Engel den Hirten erschienen, war das eine plötzliche Erscheinung: „Plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer“ (Lk 2,13). Was für ein wunderbarer Anblick! Vorher schien es eine Nacht wie jede andere Nacht zu sein: Sie hielten Wache bei ihren Herden; sie beobachteten den Lauf der Nacht. Die Sterne zogen ihre Bahn: es war Mitternacht. Sie hatten keine Ahnung von dem Ereignis, als der Engel erschien. So ist es mit der Macht und Stärke, die in den Dingen, die wir sehen, verborgenen sind, und nach Gottes Willen werden sie offenbar.
Manche Menschen wenden sich in der Not sehr wohl an Gott, vergessen und verlassen ihn aber, wenn es ihnen gut geht. Das ist zu viel an Treulosigkeit und Undank. Handelt nicht so. Wenn ihr eine angenehme Nachricht erhaltet, dann macht es mit Gott so, wie mit einen vertrauten Freund, der an eurem Glück interessiert ist: Schnell, lasst ihn sogleich an eurer Freude teilhaben und erkennt an, dass es sich um ein Geschenk aus seiner Hand handelt; lobt ihn, dankt ihm. Das Beste an dieser Freude soll für euch darin bestehen, in ihr sein Wohlgefallen zu finden. So werdet ihr all eure Freude, all euren Trost in Gott haben: „Ich werde frohlocken in Gott, meinem Retter. Ich will dem Herrn lobsingen, der mir Gutes getan hat“ (vgl. Ps 12,6 Vulg.). Sprecht so zu Jesus: „Ich preise dich und werde dich immer preisen: Du gibst mir so viele Gnaden! Und dabei sind es nicht Gnaden, sondern Strafen, die ich verdiene, ich, der ich dich so viel beleidigt habe.“ Sagt ihm auch mit der heiligen Braut: „Allerlei Früchte, alte und neue, habe ich für dich, mein Geliebter, aufbewahrt“ (vgl. Hld 7,13 Vulg.). Diese Früchte sind die Erweise deiner Huld, für die ich dir danke; alte und neue, ich bewahre sie in meinem Gedächtnis, um dich in Ewigkeit zu verherrlichen.
Liebe Brüder, Väter und Kinder, wieder einmal komme ich dem nach, was ich euch schulde, ich meine die Ermahnung der Katechese. […] Wer mit Eifer seine Aufgaben erfüllt und sorgfältig den ihm anvertrauten Dienst erledigt, mehr noch, so, als diente er Gott und nicht den Menschen, der erweist sich als untadeliger Arbeiter (vgl. 2 Tim 2,15), und er möge die schwierigsten Aufgaben übernehmen, sich darüber freuen, dass er über seinen Nächsten wachen darf, und wissen, dass ihn im Himmel großer Lohn erwartet […] Welche Aufgabe wir auch immer übernommen haben, sei sie nun klein oder groß: In unaufhörlichem Wettlauf und unstillbarer Sehnsucht nach den ewigen Gütern wollen wir alles tapfer auf uns nehmen, alles gut gelaunt ertragen, alles unter Gottes Eingebung vollbringen, einander – von inniger Liebe erfüllt – vergeben (vgl. Eph 4,32; vgl. Kol 3,13), bis zu dem Punkt, dass jeder für seinen Bruder sein Leben hingeben will (vgl. 1 Thess 2,2), im Geist und im Fleisch. Und wenn der einzige Sohn Gottes euch dazu einlädt und euch ermuntert (so zu handeln), er, der sich im Gehorsam Gott, dem Vater, gegenüber unendlich erniedrigte, sogar wie ein Sklave wurde und den Tod, den Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8) erlitt – dann ist das doch für mich, der ich ein hoffnungsloser Sünder bin, eine nie versiegende, unsagbare Freude! Freude und unaussprechliche Befriedigung auch für euch, die ihr seine Gebote erfüllt! Nicht nur, dass ihr hier auf Erden glänzende Lobsprüche von jedem bekommt, der Zeuge dessen wird, was da bei euch geschieht, und dass ihr über den Feind triumphiert und seinen Einflüsterungen und Raffinessen widersteht, sondern ihr werdet auch in der zukünftigen Welt in der Gegenwart der Herrlichkeit Christi, unseres Gottes, tanzen und den Engelschören und den Scharen der Heiligen zugezählt werden, dort, „wo die Wohnung all jener ist, die sich freuen“ (vgl. Ps 86,7 LXX), wie der Psalm sagt, o ehrwürdigste Brüder. Dies ist unsere Ermahnung!
Du, eine jener Jungfrauen, deren geistliches Licht sogar die Anmut ihres Leibes erstrahlen lässt, die man zu Recht mit der Kirche vergleicht; die du nachts in deiner Kammer wachst: Denke beständig an Christus und erwarte jeden Augenblick sein Kommen … Christus tritt ein bei verschlossener Türe, und er kann es ausbleiben, weil er sein Kommen versprochen hat. Umarme also den, den du gesucht hast; nahe dich ihm, und du wirst erleuchtet. Halte ihn fest. Bitte ihn, nicht gleich wieder aufzubrechen. Flehe ihn an, nicht fortzugehen. „Rasch eilt sein Wort“ (vgl. Ps 147,15); es lässt sich von Schlaftrunkenen nicht fassen und von Nachlässigen nicht festhalten. Deine Seele möge ihm entgegengehen. Folge den Spuren dieses Wortes, das vom Himmel gekommen ist, denn rasch eilt es vorüber. […] Und wie lässt sich Christus ergreifen? Nicht mit den Maschen eines Netzes, sondern mit den Banden der Liebe. Allein die Fesseln des Geistes können ihn binden, nur die Zuneigung des Herzens kann ihn halten. Wenn auch du Christus festhalten willst, suche ihn fortwährend, ohne Angst vor Ermüdung. Oft findet man Christus am ehesten unter Qualen und sogar unter der Hand der Verfolger. […] Kurz nachdem du den Händen der Verfolger entkommen bist, und damit du nicht den Mächten der Welt erliegst, wird Christus dir entgegenkommen und nicht zulassen, dass deine Prüfung andauert.
Es gibt einen Reichtum, der allen, bei denen er sich findet, den Tod bringt; sein Verlust aber bringt Heil. Von diesem Reichtum muss man die Seele rein, das heißt arm und frei machen und danach das Wort des Herrn hören: „Komm, und folge mir nach!“ (Mk 10,21). Denn nun wird er selbst der Weg (vgl. Joh 14,6) für den, der reinen Herzens ist; in ein unreines Herz dagegen zieht die Gnade Gottes nicht ein; unrein ist aber ein Herz, das reich an Begierden ist und schwanger geht mit vielen irdischen Lüsten. Wer dagegen Vermögen und Gold und Silber und Häuser als Gottes Gaben besitzt und damit Gott, der es gegeben hat, zum Wohl der Menschen dient, und sich dessen bewusst ist, dass er all dieses mehr seiner Brüder als seiner selbst wegen besitzt; wer Herr seines Vermögens, nicht ein Sklave seines Besitzes ist, und ihn nicht in seinem Herzen trägt und ihn nicht zum Ziel und Inhalt seines Lebens macht, sondern immer auch ein edles und göttliches Werk zu vollbringen sucht; wer fähig ist, wenn er einmal seiner Güter beraubt werden sollte, auch ihren Verlust mit Gemütsruhe zu ertragen ebenso wie den Überfluss an ihnen: Wer alle diese Eigenschaften hat, der wird vom Herrn selig gepriesen und arm im Geiste genannt, würdig, ein Erbe des Himmelreiches zu werden (vgl. Mt 5,3). […] Wer aber den Reichtum in seiner Seele trägt und statt des göttlichen Geistes in seinem Herzen Gold oder Grundbesitz hat und immer danach trachtet, seinen Besitz unendlich groß zu machen; und wer, nach unten blickend und durch die Fangstricke der Welt gefesselt, immer nach mehr trachtet, obwohl er von Erde ist und zu Erde werden wird (vgl. Gen 3,19): Wie kann ein solcher nach dem Himmelreich verlangen und seinen Sinn darauf richten, ein Mensch, der nicht ein Herz, sondern einen Acker oder ein Bergwerk in sich trägt, und notwendigerweise in dem erfunden werden wird, was er sich gewählt hat? „Denn wo der Sinn des Menschen ist, da ist auch sein Schatz“ (vgl. Mt 6,21).
Eines steht für die Glaubenden fest: das persönliche und gemeinsame menschliche Schaffen, dieses gewaltige Bemühen der Menschen im Lauf der Jahrhunderte, ihre Lebensbedingungen stets zu verbessern, entspricht als solches der Absicht Gottes. Der nach Gottes Bild geschaffene Mensch hat ja den Auftrag erhalten, sich die Erde mit allem, was zu ihr gehört, zu unterwerfen, die Welt in Gerechtigkeit und Heiligkeit zu regieren und durch die Anerkennung Gottes als des Schöpfers aller Dinge sich selbst und die Gesamtheit der Wirklichkeit auf Gott hinzuordnen, so dass alles dem Menschen unterworfen und Gottes Name wunderbar sei auf der ganzen Erde. Das gilt auch für das gewöhnliche alltägliche Tun; denn Männer und Frauen, die, etwa beim Erwerb des Lebensunterhalts für sich und ihre Familie, ihre Tätigkeit so ausüben, dass sie ein entsprechender Dienst für die Gemeinschaft ist, dürfen überzeugt sein, dass sie durch ihre Arbeit das Werk des Schöpfers weiterentwickeln, dass sie für die Wohlfahrt ihrer Brüder sorgen und durch ihre persönliche Bemühung zur geschichtlichen Erfüllung des göttlichen Plans beitragen. Den Christen liegt es deshalb fern, zu glauben, dass die von des Menschen Geist und Kraft geschaffenen Werke einen Gegensatz zu Gottes Macht bilden oder dass das mit Vernunft begabte Geschöpf sozusagen als Rivale dem Schöpfer gegenübertrete. Im Gegenteil, sie sind überzeugt, dass die Siege der Menschheit ein Zeichen der Größe Gottes und die Frucht seines unergründlichen Ratschlusses sind.
Das Verhalten Jesu Christi während seines sterblichen Lebens zeigt uns die Größe seines Erbarmens mit den Sündern. Wir sehen, dass sie alle kommen, um Gemeinschaft mit ihm zu haben; und er, weit davon entfernt, sie zurückzuweisen oder sich wenigstens von ihnen fernzuhalten – im Gegenteil –, er tut alles Mögliche, um unter ihnen zu sein, damit er sie zu seinem Vater ziehen kann. Er sucht ihr Gewissen durch Reue zu bewegen, er bringt sie durch seine Gnade zurück und gewinnt sie durch sein liebenswertes Wesen. Er geht mit ihnen so gütig um, dass er sie sogar gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer in Schutz nimmt, die sie beschuldigen wollen und es offensichtlich nicht leiden können, sie in der Nähe Jesu Christi zu sehen. Er geht sogar noch weiter: Er will sein Verhalten ihnen gegenüber rechtfertigen mit einem Gleichnis, das ihnen auf unübertreffliche Weise die Größe seiner Liebe zu den Sündern aufzeigt, indem er zu ihnen sagt: „Ein guter Hirte, der hundert Schafe hatte, lässt, nachdem er eines verloren hat, alle anderen zurück …“. Er fügt noch jenes Gleichnis von einer Frau hinzu, die, nachdem sie von ihren zehn Drachmen eine verloren hat, ihre Lampe anzündet, um in jedem Winkel ihres Hauses danach zu suchen, und, nachdem sie sie gefunden hat, alle ihre Freundinnen einlädt, sich mit ihr darüber zu freuen. […] Wir sehen, dass Jesus Christus selbst sich dieser anschaulichen Bilder bedient, um die Größe seines Erbarmens gegenüber den Sündern zu beschreiben. Ach! Welch ein Glück für uns, zu wissen, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist! Welch heftiges Verlangen muss in uns erwachen, uns einem Gott zu Füßen zu werfen, der uns mit solcher Freude aufnehmen wird! Nein, wenn wir uns selbst verdammen, gibt es für uns keinerlei Entschuldigung, da Jesus Christus selbst uns zeigen wird, dass seine Barmherzigkeit immer groß genug war, um uns zu vergeben, wie schuldig wir auch sein mögen. […] O mein Gott, wie kann man bloß darin einwilligen, verdammt zu sein, da es so wenig kostet, gerettet zu werden, und Jesus Christus unser Heil so sehr wünscht? …
Meine geliebte Schwester […] Wie können Sie mich fragen, ob es Ihnen möglich ist, den Lieben Gott so zu lieben, wie ich ihn liebe? […] Mein Verlangen nach dem Martyrium ist nichts, nicht das ist es, was mir das grenzenlose Vertrauen schenkt, das ich in meinem Herzen fühle. Die geistigen Schätze machen nämlich ungerecht, wenn man sich wohlgefällig darauf ausruht und meint, sie seien etwas Großes […] Ah! ich fühle wohl […] ihm gefällt zu sehen, dass ich meine Kleinheit und meine Armut liebe, meine blinde Hoffnung auf seine Barmherzigkeit … Das ist mein einziger Schatz. […] O meine geliebte Schwester […] Verstehen Sie: Wenn man Jesus lieben, sein Opfer der Liebe sein will – je schwächer man ist, ohne Wünsche, ohne Tugenden, um so eher ist man geeignet für das Wirken dieser verzehrenden und umwandelnden Liebe. … Schon allein der Wunsch, Opfer zu sein, genügt. Aber man muss einwilligen, immer arm und kraftlos zu bleiben, und das ist schwer, denn: „Den Armen im Geiste, wo soll man ihn finden, man muss ihn weit suchen“, sagt der Psalmist … Er sagt nicht, man müsse ihn unter den großen Seelen suchen, sondern „weit“, d. h. in der Niedrigkeit, im Nichts … Ah! bleiben wir also weit weg von allem, was glänzt, lieben wir unsere Kleinheit, lieben wir es, nichts zu fühlen, dann werden wir arm sein im Geist, und Jesus kommt, uns zu holen, so weit wir auch entfernt sein mögen, und wandelt uns um zu Flammen der Liebe … O wie möchte ich Ihnen begreiflich machen, was ich fühle! … Das Vertrauen, und nichts als das Vertrauen muss uns zur Liebe führen … Führt die Furcht nicht zur Gerechtigkeit? … Da wir den Weg sehen, laufen wir miteinander. Ja, ich fühle es, Jesus will uns dieselben Gnaden gewähren, er will uns seinen Himmel umsonst schenken.
Liebe jeden mit echter, starker Nächstenliebe; Freundschaft dagegen schenke nur solchen, die mit dir Verbindung in wertvollen Dingen aufnehmen können […] Wenn ihr eure wissenschaftlichen Kenntnisse austauscht, so ist eure Freundschaft gewiss lobenswert; noch besser ist sie, wenn ihr einander zur Tugend der Klugheit, der taktvollen Mäßigung, der Stärke und Gerechtigkeit aneifert; wenn ihr einander aber die Liebe, die Frömmigkeit, die christliche Vollkommenheit vermittelt, wie wertvoll wird dann eure Freundschaft sein! Sie wird eine ausgezeichnete sein, weil sie von Gott kommt, weil sie auf Gott hinzielt, weil Gott ihr Band ist, weil sie ewig in Gott weiterleben wird. Wie schön ist es, auf Erden so zu lieben, wie man im Himmel lieben wird, und zu lernen, einander auf dieser Welt so herzlich verbunden zu sein, wie wir es in der anderen ewig sein werden! Ich spreche hier nicht von der einfachen Nächstenliebe, die wir allen Menschen schulden, sondern von der geistlichen Freundschaft, in der zwei, drei oder mehr Seelen einander ihre Frömmigkeit mitteilen, ihre geistigen Empfindungen austauschen und eins werden im Geist. Mit Recht können diese glücklichen Menschen singen: „Wie schön und lieblich ist es, wenn Brüder einig zusammenleben!“ (Ps 133,1) […] Ich meine, dass jede andere Freundschaft im Vergleich damit nur ein Schatten ist […] Für solche […], die mitten unter Weltmenschen die wahre Tugend anstreben, ist es notwendig, sich untereinander durch eine heilige Freundschaft zu verbinden; dadurch ermuntern sie sich gegenseitig, helfen einander und tragen sich gleichsam gegenseitig zum guten Ziel […] Niemand kann leugnen, dass der Herr in besonders liebevoller Freundschaft den Heiligen Johannes, Lazarus, Marta, Magdalena zugetan war, da es die Heilige Schrift bezeugt (Joh 13,23; 11,5).
Freut euch also im Herrn zu jeder Zeit (vgl. Phil 4,4), geliebte Kinder. Freut euch, ich bitte euch, ihr Bürger des Himmels, die ihr noch im Exil auf der Erde seid, ihr Bewohner des himmlischen Jerusalems (vgl. Gal 4,26), die ihr aus den Angelegenheiten dieser Welt verbannt seid, ihr Erben des Himmelreichs, die als Enterbte keinen Anteil an den irdischen Freuden haben! Freut euch, die ihr voll Eifer auf der Reise seid, dass ihr im Namen des Gebotes Gottes das Exil und Misshandlungen auf fremder Erde ertragen müsst. Freut euch, ihr, die ihr in den Augen der Welt die Letzten, in Wirklichkeit aber die Herren unvorstellbarer Güter seid (vgl. Phil 4,7)! Freu dich, du von Gott vereinte edle Schar, an Seele und Herz zur Einheit zusammengefügt, beseelt von kindlicher und brüderlicher Liebe, irdische Abbilder der Engelsheere! […] Freut euch, ihr Arbeiter Gottes, […] und apostolische Männer! […] Freut euch, die ihr aneinander Freude habt und jeder sich den guten Ruf seines Bruders zu eigen macht, ihr, bei denen man weder Eifersucht noch Rivalität noch Neid findet, dafür aber Frieden, Liebe, Gemeinschaft. Wahrlich, ich sage nicht, dass wir nicht angegriffen werden – wer bekommt denn die Krone, wenn nicht derjenige, der streitet und kämpft, der Schläge und Wunden austeilt und einsteckt wie der Angreifer? –, sondern ich sage, dass wir uns nicht durch die Machenschaften Satans unterkriegen lassen. Ja, meine von Gott zusammengeführten Kinder, nährt euch von der Speise des Geistes und trinkt das vom Herrn gespendete Wasser! Wer in den Besitz dieses Wassers kommt, wird nie mehr Durst leiden, sondern es wird für ihn zur sprudelnden Quelle werden, deren Wassers ewiges Leben schenkt (vgl. Joh 4,14). […] Nur noch kurze Zeit, und der Sieg ist unser. Selig werden wir sein, selig werden auch die Orte, die Eltern und die Heimatländer genannt werden, aus denen ihr hervorgegangen seid (vgl. Lk 11,27–28).
O Demut, du herrliche Blume, ich sehe, dass dich nur wenige Seelen besitzen. Ob deshalb, weil du so schön und zugleich schwer zu gewinnen bist? Sicher beides. Gott Selbst findet Gefallen an ihr. Über einer demütigen Seele stehen die Schleusen des Himmels offen und ein Meer von Gnaden strömt auf sie nieder. Wie schön ist eine demütige Seele; aus ihrem Herzen steigt, wie aus einem Weihrauchgefäß, lieblicher Duft auf und dringt durch die Wolken bis hin zu Gott, um Sein Heiligstes Herz zu erfreuen. Einer solchen Seele versagt Gott nichts; sie ist allmächtig, sie beeinflusst das Schicksal der ganzen Welt. Gott erhebt sie bis zu Seinem Thron. Je mehr sie sich demütigt, um so mehr neigt sich Gott herab zu ihr. Er verfolgt sie mit Seinen Gnaden und begleitet sie jederzeit mit Seiner Allmacht. Solche Seelen sind mit Gott am tiefsten verbunden. O Demut, verwurzele dich tief in meinem ganzen Wesen. O reinste, aber auch demütigste Jungfrau, hilf mir, tiefe Demut zu erlangen. Ich kann verstehen, weshalb es so wenige Heilige gibt – es gibt wenige Seelen, die tiefe Demut haben.
Der Sabbat – der Abschluss der „sechs Tage“. Die Heilige Schrift sagt: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte“ – so „wurden Himmel und Erde vollendet“ – „und er ruhte am siebten Tag … Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“ (Gen 2,1–3). Diese inspirierten Worte sind sehr aufschlussreich: In der Schöpfung hat Gott eine Grundlage und Gesetze gelegt, die bestehen bleiben (vgl. Hebr 4,3–4). Der Glaubende kann sich auf sie verlassen; sie sind ihm Zeichen und Gewähr der unerschütterlichen Treue, mit der Gott an seinem Bund festhält (vgl. Jer 31,35–37; 33,19–26). Der Mensch muss sich seinerseits treu an diese Grundlage halten und die Gesetze, die Gott in die Schöpfung eingeschrieben hat, achten. Die Schöpfung geschah im Hinblick auf den Sabbat und somit auf die Verehrung und Anbetung Gottes. Der Gottesdienst ist in die Schöpfungsordnung eingeschrieben (vgl. Gen 1,14). „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“, sagt die Regel des hl. Benedikt, die uns so auf die richtige Ordnung der menschlichen Anliegen hinweist. Der Sabbat bildet im Gesetz Israels die Mitte. Die Gebote halten heißt der Weisheit und dem Willen Gottes entsprechen, die in seinem Schöpfungswerk zum Ausdruck kommen. Der achte Tag Für uns aber ist ein neuer Tag angebrochen: der Tag der Auferstehung Christi. Der siebte Tag vollendet die erste Schöpfung. Am achten Tag beginnt die Neuschöpfung. So gipfelt das Schöpfungswerk im noch größeren Werk der Erlösung. Die erste Schöpfung findet ihren Sinn und Höhepunkt in der Neuschöpfung in Christus, welche die erste an Glanz übertrifft (vgl. MR, Osternacht 24: Gebet nach der ersten Lesung).
Wie gut bist du doch, mein Gott, dass du alle Völker zum Heil rufst. […] Und nicht nur alle Völker im Allgemeinen durch deine Apostel und ihre Nachfolger, sondern jeden Menschen im Besonderen und zu allen Zeiten, durch das unaufhörliche Wirken deiner Gnade! Und nicht nur zum Heil und zum Himmel, sondern auf „den ersten Platz“ im Himmel, da du ohne Unterlass durch deine Gnade „an die Tür jeder einzelnen Seele anklopfst“ und es auf jede Seele ankommt, die Gnade eines solchen Augenblicks anzunehmen. Bleibt die Seele treu, wird sie sofort danach eine größere Gnade erhalten und sehen, wie die Gnade wächst, wie sie von Augenblick zu Augenblick zunimmt und sich alsbald stark weiterentwickelt, vorausgesetzt, die Seele empfängt sie treu weiter. Bleiben wir der Gnade treu, mit Beharrlichkeit, egal, in welchem Augenblick unseres Lebens wir gerade stehen, und sie wird sich in kurzer Zeit in uns entwickeln wie das Senfkorn, das zu einem Baum wird, in dem sich die Vögel des Himmels ausruhen können, und wo durch die Gemeinschaft der Heiligen, durch ihre Verdienste, durch die Kraft ihrer Gebete und ihres Beispiels Gott große Ehre zuteilwird, nicht nur um seiner selbst willen sondern auch als Hilfe für die Heiligung vieler anderer. […] Oh mein Gott, welche Verheißung hast du für jeden von uns! Jede Seele kann eine Sonne werden, ein großer Baum, „der erste im Himmelreich“, jede Seele kann Ströme der Gnade erhalten; all das bietest du jeder und jedem von uns unaufhörlich an: Es genügt, der Gnade stets treu zu sein, egal in welchem Augenblick unseres Lebens wir stehen. Möge der jetzige Moment für mich dieser gesegnete Augenblick sein!
Paulus sagt: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen“ (Gal 6,14). Etwas Wunderbares war es, dass einer, der von Geburt aus blind war, im Teich Siloa das Augenlicht erhielt. Doch was ist der Eine gegen die Blinden der ganzen Welt? Etwas Großes, Übernatürliches war es, dass Lazarus, der schon den vierten Tag tot war, von den Toten auferstand. Doch nur an ihm hatte sich die Gnade geoffenbart. Was aber ist der eine Lazarus gegenüber denen, die auf dem Erdkreis durch ihre Sünden gestorben sind? Es war ein Wunder, dass fünf Brote zur Ernährung von fünftausend Mann ausreichten. Doch was sind diese fünftausend gegenüber denen, welche auf dem ganzen Erdkreis Hunger leiden, weil sie in Unwissenheit leben? Wunderbar war die Befreiung der Frau, welche achtzehn Jahre vom Satan gefesselt war. Aber was ist diese eine Frau gegenüber uns allen, welche wir von den Ketten unserer Sünden gefesselt sind? Der Siegeskranz des Kreuzes hat den geistig Blinden Licht gebracht, hat alle, die unter der Sünde darniederlagen, befreit und die ganze Menschenwelt erlöst. Wundere dich nicht, dass die ganze Welt erlöst wurde! Denn der, welcher für sie starb, war kein gewöhnlicher Mensch, sondern der eingeborene Sohn Gottes. Die Sünde eines einzigen Mannes, des Adam, vermochte der Welt den Tod zu bringen. Wenn aber durch den Fall des einen der Tod zur Herrschaft in der Welt kam, soll dann nicht noch mehr das Leben zur Herrschaft gelangen durch die gerechte Tat des Einen? (vgl. Röm 5,12ff.). Wenn seinerzeit die Stammeltern aus dem Paradies vertrieben wurden wegen des Holzes, von dem sie gegessen hatten, sollten nicht die Gläubigen jetzt leicht in das Paradies eintreten wegen des Holzes Jesu? Wenn der, welcher zuerst aus Erde gebildet worden war, allen den Tod gebracht hat, sollte dann nicht der, welcher ihn aus Erde gebildet hatte, ewiges Leben bringen, da er selbst das Leben ist?
Lasst uns alle aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzer Gesinnung, aus aller Kraft und Stärke, mit ganzem Verstand, mit allen Kräften, mit ganzer Anstrengung, mit ganzer Zuneigung, mit unserem ganzen Inneren, mit allen Wünschen und aller Willenskraft Gott den Herrn lieben, der uns allen den ganzen Leib, die ganze Seele und das ganze Leben geschenkt hat und schenkt; der uns erschaffen hat, erlöst hat und uns einzig durch sein Erbarmen retten wird, der uns Elenden und Armseligen, Üblen und Verweslichen, Undankbaren und Bösen alles Gute erwiesen hat und erweist. Nichts anderes wollen wir darum ersehnen, nichts anderes wollen, nichts anderes soll uns gefallen und erfreuen als unser Schöpfer und Erlöser und Retter, der allein wahre Gott, der ist die Fülle des Guten, alles Gute, das gesamte Gut, das wahre und höchste Gut, der allein gut ist, gnädig, milde, süß und freundlich, der allein heilig ist, gerecht, wahr und richtig, der allein gütig, uneigennützig, rein ist, von dem und durch den und in dem alle Vergebung, alle Gnade, alle Herrlichkeit für alle Büßenden und alle Gerechten herkommt, und das Glück für alle Seligen, die sich zusammen im Himmel erfreuen. Nichts also soll uns hindern, nichts trennen, nichts dazwischenkommen. Überall, an jedem Ort, zu jeder Stunde und zu jeder Zeit, täglich und unablässig wollen wir alle wahrhaft und demütig an ihn glauben und an ihm im Herzen festhalten und ihn lieben, ehren, anbeten, ihm dienen, ihn loben und benedeien, verherrlichen und hoch erheben, ihn preisen und ihm Dank erweisen, dem erhabensten und höchsten ewigen Gott, der Dreifaltigkeit und Einheit, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist […].
Gegenstand unserer Angst sollte nicht die geringe Anzahl der Erwählten sein, sondern die Sünden, die uns daran hindern, zu dieser Zahl zu gehören. Ihr werdet nicht verurteilt, weil ihr getadelt wurdet, sondern weil ihr ein schlechtes Leben geführt habt. […] Furcht ist nötig, und zwar immer, aber eine Furcht, die Weisheit hervorbringt, und keine, die zum Erlahmen und zur Verzweiflung führt. Es ist so schwierig, den menschlichen Geist in rechter Mäßigung zu halten. Manchmal fürchten sich die Leute nicht genug, manchmal fürchten sie sich zu viel, und manchmal ist ihre Furcht fehl am Platz. In ihrer Verstiegenheit gehen sie so weit, dass sie fürchten, ihr Unglück komme von Gott, der doch die Quelle all ihrer Güter ist, der ihr Heil will. Alles, was er getan hat, konnte sie noch nicht davon überzeugen, dass er sich nichts sehnlicher wünscht, als sie zu retten. Und doch ist es ein Glaubensartikel, dass Gott uns alle retten will und dass wir uns alle retten können, wenn wir es nur wollen. Wir sehen die Türe zum Himmel, und wenn wir sie nicht sähen, wäre es unvernünftig von Gott, uns aufzufordern, einzutreten. Außerdem sehen wir sehr wohl, welche Menschen durch diese Tür eintreten, und was wir tun müssen, um hineinzukommen. An wem liegt es also, wenn wir nicht eintreten? An Gott oder an uns?
Ist es nicht vielleicht ein „Zeichen der Zeit“, dass man heute in der Welt trotz der weitreichenden Säkularisierungsprozesse ein verbreitetes Bedürfnis nach Spiritualität verzeichnet, das größtenteils eben in einem erneuerten Gebetsbedürfnis zum Ausdruck kommt? Auch die anderen Religionen, die nunmehr in den alten Christianisierungsgebieten weit verbreitet sind, bieten ihre eigenen Antworten auf dieses Bedürfnis an und tun dies manchmal mit gewinnenden Methoden. Da uns die Gnade gegeben ist, an Christus zu glauben, den Offenbarer des Vaters und Retter der Welt, haben wir die Pflicht zu zeigen, in welche Tiefe die Beziehung zu ihm zu führen vermag. Die große mystische Tradition der Kirche im Osten wie im Westen hat diesbezüglich viel zu sagen. Sie zeigt, wie das Gebet Fortschritte machen kann. Als wahrer und eigentlicher Dialog der Liebe kann er die menschliche Person ganz zum Besitz des göttlichen Geliebten machen, auf den Anstoß des Heiligen Geistes hin bewegt und als Kind Gottes dem Herzen des Vaters überlassen. Dann macht man die lebendige Erfahrung der Verheißung Christi: „Wer mich liebt, wird von meinem himmlischen Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). […] Ja, liebe Schwestern und Brüder, unsere christlichen Gemeinden müssen echte „Schulen“ des Gebets werden, wo die Begegnung mit Christus nicht nur im Flehen um Hilfe Ausdruck findet, sondern auch in Danksagung, Lob, Anbetung, Betrachtung, Zuhören, Leidenschaft der Gefühle bis hin zu einer richtigen „Liebschaft“ des Herzens. Ein intensives Gebet also, das jedoch nicht von der historischen Aufgabe ablenkt: Denn während es auf Grund seiner Natur das Herz der Gottesliebe öffnet, öffnet es dieses auch der Liebe zu den Brüdern und befähigt sie, die Geschichte nach Gottes Plan aufzubauen.
Was auch immer wir tun werden, selbst wenn es eine mehr als heroische Tat wäre, die die Grundfesten allen Übels auf dieser Erde erschüttert, wird diese Tat nur in dem Maße von Wert sein, wie unser Wille mit dem Willen der Immaculata und durch sie mit dem Willen Gottes im Einklang steht … Es ist die Liebe in ihrer ganzen Tiefe (jenseits des Gefühls, obwohl dieses auch schön ist), die uns durch die Immaculata in Gott umgestalten muss, die uns verzehren und durch uns die Erde in Brand setzen und alles Böse in ihr vernichten und verbrennen muss. Dies ist das Feuer, von dem der Erlöser sagte: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Verzehrt von diesem Feuer der göttlichen Liebe (ich wiederhole: geht es hier nicht um süße Tränen oder Gefühle, sondern um den Willen, selbst inmitten von Ekel und Antipathie), werden wir die ganze Welt in Brand stecken! Liebe ruht nie, sondern breitet sich aus wie das Feuer, das alles verbrennt. Und wir – alle Menschen – müssen danach streben, von diesem Feuer der Liebe entflammt zu werden, und es in allen Seelen, die in der Welt sind und noch sein werden, brennen zu lassen. Das ist das Ideal, das wir anstreben müssen. Wir müssen uns an die Worte Jesu erinnern: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“ (Lk 12, 49). Wir unsererseits müssen alles tun, damit diese Liebe von Tag zu Tag stärker auflodert.
„Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Mt 24,44). Darum befiehlt Jesus seinen Jüngern zu wachen und stets bereit zu sein, deshalb sagt er, wenn ihr es nicht erwartet, wird er kommen, weil er will, dass sie allezeit kampfbereit und um Tugend bemüht seien. Er will sagen: Wüssten die Leute, wann sie sterben müssen, dann würden sie sicher zu jener Stunde Eifer zeigen. Damit sie nun nicht bloß an jenem Tag eifrig wären, sondern jederzeit, so offenbart er ihnen weder im Allgemeinen noch im Besonderen den Tag, weil er will, dass sie denselben immer erwarten. Ebendarum hat er auch das Lebensende eines jeden einzelnen im Dunkel gelassen […] Deshalb verlangt der Herr von den Knechten zwei Dinge: Klugheit und Treue. Die Sünde hat nämlich ihre Quelle in der Einsichtslosigkeit. Treu heißt er ihn, weil er vom Eigentum des Herrn nichts veruntreut oder zweck- und planlos verwendet hatte, und klug, weil er die anvertrauten Güter in gebührender Weise zu verwalten wusste. Beides ist ja auch notwendig […] Siehst du, welche Folgen es hatte, dass jener Tag unbekannt blieb? „Der Herr lässt sich Zeit“, sagt der Knecht; dem möchte ich entgegnen: Nicht weil der Tag unbekannt war, handelte der Knecht so, sondern weil er selbst nichtsnutzig war. Warum kam denn der kluge und getreue Knecht nicht auf solche Gedanken? Wie, Elender, wenn der Herr auch säumt, erwartest du überhaupt, dass er kommt? Weshalb kümmerst du dich dann nicht darum? Wir lernen also daraus, dass der Herr auch nicht säumt. Der böse Knecht meinte es bloß so, aber der Herr hatte dies nicht gesagt […].
Wenn man sich mit emsiger Treue den Gedanken an die Gegenwart Gottes zur Gewohnheit macht, bleibt die Flamme der Liebe immer erhalten; dann werden wir nicht nur, wie es der heilige Ordensvater [Benedikt] will, „rein von allem Fehl jederzeit über unser ganzes Tun und Lassen wachen“ (Reg. 4); es wird auch durchaus übernatürlich sein, unser ganzes Leben wird von himmlischer Klarheit durchleuchtet und einer Süßigkeit getragen sein, die „vom Vater der Lichter kommt“ (Jak 1,17) und die das Geheimnis all unserer Kraft und Freude ist. Diese Übung der Gegenwart Gottes bereitet die Seele vor für den Empfang Gottes. Es kommt vor, bei manchen Seelen ist es sogar häufig der Fall, dass sie trotz guten Willens eine wirkliche Schwierigkeit empfinden, zur bestimmten Zeit ihre Betrachtung zu machen. Übermüdung, Schläfrigkeit, ein kränklicher Zustand oder auch die Zerstreutheit verhindern jeden Erfolg. Das ist die Geistesdürre und Trockenheit. Möge die Seele dennoch treu ausharren und sich nach besten Kräften bemühen, beim Herrn zu verbleiben, wenn sie auch allen inneren Trostes und fühlbaren Eifers bar ist, gleichsam „ein Lasttier vor dem Herrn geworden, aber dennoch bei ihm“ (Ps 72(73),23 Vulg.). Dann wird Gott sich ihr zu anderer Zeit nahen. Von diesen Herablassungen des Herrn gilt, was die Schrift von seiner letzten Ankunft vor unserm Ende sagt: „Ihr wisset nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird“ (Mt 24,42). Wenn wir überall in der Zelle, in den Gängen, im Garten, im Speisesaal gesammelt vor Gott weilen, dann wird der Heiland kommen, die allerheiligste Dreifaltigkeit wird kommen; denn „wir werden zu ihm kommen“, sagt der Herr (Joh 14,23), mit einer Fülle von Licht, von jenem Lichte und jener Klarheit, die uns zu innerst durchdringen und nicht selten von entscheidendem Einfluss auf unser inneres Leben sind. […] Wir sollten daher durch unsere Sammlung den „Knechten ähnlich sein, die ihren Herrn erwarten“ (Lk 12,36); denn wenn der Herr uns bereit findet, dürfen wir „mit ihm“ (Mt 25,10) in den Festsaal eintreten.
Manche Leute sagen vielleicht: „In soundso vielen Jahren werde ich dieses oder jenes tun und zu Ende führen“. Nun, wenn du so redest, ohne zu wissen, wie du den heutigen Tag verbringen wirst – meinst du nicht selbst, dass du dabei das Wort nicht beachtest, das sagt: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du zum Verderben deiner Seele angehäuft hast?“ (vgl. Lk 12,20; vgl. Apg 8,20). Lasst uns also die unauflösliche Einheit der Apostel mit dem Meister aller und unserem Gott nachahmen. Eilt darum eurem Heil entgegen, so, als ruhte der Blick des Herrn auf euch! Lasst uns gerne Kümmernisse auf uns nehmen, damit wir uns in Ewigkeit freuen können! Lasst uns doch, auch wenn es mühsam ist, den vorübergehenden Traum des gegenwärtigen Lebens annehmen, damit wir den endlosen Tag des Himmelreiches genießen können! Seht, Gott ruft euch, jetzt streckt er euch seine Hand entgegen, jetzt arbeitet der Heilige Geist mit euch, und jetzt stützt euch Jesus Christus, der Herr, mit seiner Rechten. Habt keine Angst! Der Teufel ist geschlagen, der Sieg ist unser, Christus ist auferstanden, der Tod hat keine Macht mehr (vgl. Röm 6,9), die Kraft Belials ist gebrochen. Ihr seid kostbare und zarte Söhne, ihr bezieht euren sehr hohen Preis aus der Süße der Tugend, ihr seid reiner als Gold (vgl. Kgl 4,2; vgl. Offb 21,18.21), ihr strahlt heller als Diamanten, ihr gleicht jungen Bräuten, nach denen Gott sich sehnt, Söhnen des Himmels, der Bewunderung wert. Euer einziges Gut, eure einzige Heimat, das einzige Leben, das eurer Herkunft entspricht, ist Gott, der Herr aller, der Urheber der Schöpfung. Nur noch kurze Zeit, und wir haben gesiegt, nur noch kurze Zeit, und der Tod ist da. Möget ihr alle gerettet sein, fasst Mut im Herrn!
Die gute Ordnung der Welt hängt davon ab, wie treu jeder Einzelne die Pflichten seines Standes wahrnimmt. Alle Unordnungen entstehen aus der Nachlässigkeit, mit der man ihnen nachkommt. Wie schön wäre es in der Welt, wenn jeder Einzelne seine Standespflicht wahrnähme. Dies aber wird weitgehend versäumt, sogar von barmherzigen Menschen, und von denen manchmal mehr als von anderen. Man macht sich deshalb aber keinerlei Vorwürfe. […] Ein Mensch, der seinen Standespflichten nicht nachkommt, ist, egal was er auch tut, ein Missklang in der Harmonie der Welt. […] Wenn man einen Stand wählt, hat man nur dessen menschliche Vorteile im Blick, keineswegs die Verpflichtungen. Man kann diese Pflichten nicht verletzen, ohne seinem Nächsten zu schaden. Und weil Gott dessen Belange weit mehr am Herzen liegen als die eigenen, ist man auch viel gefährdeter, wenn man ihnen nicht nachkommt. […] Solche Unterlassungen können einem leicht unterlaufen. Man merkt sie kaum, und deshalb werden sie nur selten wiedergutgemacht. Dies sind Sünden, die man tut, indem man nichts tut. Es ist eine Sünde, die nicht in einer bösen Handlung besteht, und oft sogar die Folge eines guten Werkes ist. Wenn Sie Ihre Pflichten vernachlässigen, fügen Sie anderen und sich selbst Schaden zu: anderen, weil Sie nicht darauf achten, wenn diese dann auch ihre Pflichten nicht erfüllen, und sich selber, weil Sie Ihre eigenen nicht erfüllen.
Die heiligen Männer wurden ergriffen und zu Rom vor den Stadtpräfekten Rustikus geführt. Als sie vor den Richterstuhl gestellt waren, sagte der Präfekt Rustikus zu Justinus: […] Mit welcher Gattung von Wissenschaft beschäftigst du dich? Justinus entgegnete: Ich bemühte mich, alle Systeme kennenzulernen; zuletzt habe ich mich den wahren Lehren der Christen hingegeben […] Der Präfekt Rustikus fragte: Welche Lehre ist das? Justinus antwortete: Die christliche Gottesverehrung besteht darin, dass wir an einen Gott glauben, der die ganze sichtbare und unsichtbare Schöpfung gemacht und hervorgebracht hat, und an den Herrn Jesus Christus, von dem die Propheten vorherverkündet haben, dass er dem Menschengeschlecht erscheinen werde als Herold des Heils und als Verkünder trefflicher Lehren. Ich, ein Mensch, bin zu schwach, solches auszusagen, was seiner unendlichen Gottheit würdig wäre, ich kenne aber eine prophetische Macht an; […] ich weiß, dass durch Eingebung Gottes die Propheten sein zukünftiges Verweilen unter den Menschen vorhergesagt haben. […] Der Präfekt Rustikus sagte: Sage: Wo kommt ihr zusammen oder wo versammelst du deine Schüler? Justinus entgegnete: Ich wohne in dieser ganzen Zeit oberhalb des Timothinischen Bades […]; wer mich da besuchen wollte, dem teilte ich die Lehren der Wahrheit mit. Rustikus sagte: Du bleibst also dabei, ein Christ zu sein? Justinus entgegnete: Ja, ich bin ein Christ. Der Präfekt Rustikus sagte zu Chariton: Nun sage mir: Bist du auch ein Christ? Chariton antwortete: Ich bin ein Christ nach Gottes Geheiß. […] Rustikus sagte zu Euelpistus: Wer bist denn du? Euelpistus, ein kaiserlicher Sklave, antwortete: Auch ich bin ein Christ; von Christus bin ich freigekauft und nehme an derselben Hoffnung teil durch die Gnade Christi. […] Der Präfekt Rustikus sagte: Hat Justinus euch zu Christen gemacht? Hieran antwortete: Ich war schon Christ und werde es immer sein. Päon, der dabei stand, sagte: Auch ich bin ein Christ. […] Euelpistus sagte: Die Reden des Justinus habe ich zwar mit Freuden gehört, aber Christ zu sein, habe auch ich von meinen Eltern gelernt. […] Der Präfekt Rustikus sagte zu Liberianus: Was sagst denn du? Bist du Christ und bist auch du gottlos? Liberianus antwortete: Auch ich bin Christ; ich bin gottesfürchtig und verehre den einen wahren Gott. Der Präfekt sagte zu Justinus: Höre, der du als gelehrt giltst und die wahre Wissenschaft zu haben vermeinst: Glaubst du, wenn du gegeißelt und enthauptet wirst, in den Himmel aufzusteigen? Justinus antwortete: Ich glaube, dass ich seiner Verheißungen teilhaftig werde, wenn ich dieses erleide; denn ich weiß, dass allen, die so leben, das göttliche Gnadengeschenk bis zum Ende des Weltalls bleiben werde. Der Präfekt Rustikus sagte: Du nimmst also an, du werdest in den Himmel aufsteigen, um einen Lohn zu erlangen? Justinus antwortete: Das nehme ich nicht an, sondern ich weiß es und bin ganz davon überzeugt.
Wer Gott nicht kennt, zwar vielerlei Hoffnungen haben kann, aber im letzten ohne Hoffnung, ohne die große, das ganze Leben tragende Hoffnung ist (vgl. Eph 2,12). Die wahre, die große und durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott sein – der Gott, der uns „bis ans Ende“, „bis zur Vollendung“ (vgl. Joh 13,1 und 19,30) geliebt hat und liebt. Wer von der Liebe berührt wird, fängt an zu ahnen, was dies eigentlich wäre: „Leben“. Er fängt an zu ahnen, was mit dem Hoffnungswort gemeint ist, das uns im Taufritus begegnete: Vom Glauben erwarte ich das „ewige Leben“ – das wirkliche Leben, das ganz und unbedroht, in seiner ganzen Fülle einfach Leben ist. Jesus, der von sich gesagt hat, er sei gekommen, damit wir das Leben haben und es in Fülle, im Überfluss, haben (vgl. Joh 10,10), hat uns auch gedeutet, was dies heißt – „Leben“: „Das ist das ewige Leben: dich erkennen, den einzigen wahren Gott und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3). Leben im wahren Sinn hat man nicht in sich allein und nicht aus sich allein: Es ist eine Beziehung. Und das Leben in seiner Ganzheit ist Beziehung zu dem, der die Quelle des Lebens ist. Wenn wir mit dem in Beziehung sind, der nicht stirbt, der das Leben selber ist und die Liebe selber, dann sind wir im Leben. Dann „leben“ wir.
Gott ist in einem losgelösten Herzen zu finden, in der Stille des Gebetes, im Leiden als einem freiwilligen Opfer; in der Abgeschiedenheit von der Welt und ihren Kreaturen … Gott ist im Kreuz, und solange wir das Kreuz nicht lieben, werden wir ihn nicht sehen, ihn nicht wahrnehmen … Schweigt doch, ihr Menschen, die ihr ständig Lärm macht! O Herr, wie glücklich bin ich in meiner Zurückgezogenheit! Wie sehr liebe ich dich in meiner Einsamkeit! Wie gerne wollte ich dir schenken, was nicht mehr mein ist, weil ich dir schon alles gegeben habe. Bitte mich um etwas, Herr! … Aber was könnte ich dir geben? Meinen Leib hast du schon, er gehört dir; meine Seele, wonach sehnt sie sich denn, wenn nicht nach dir, damit du sie endlich zu dir nimmst? Mein Herz liegt Maria zu Füßen, es weint vor Liebe und will nichts anderes mehr als dich. Mein Wille … – will ich vielleicht etwas, Herr, was du nicht willst? Sag es mir; sag mir doch, Herr, was dein Wille ist, und ich werde meinem damit in Einklang bringen. Ich liebe alles, was du mir schickst und mir gibst: Gesundheit ebenso wie Krankheit, Hier-Sein wie Dort-Sein, dieses wie jenes. Mein Leben … – nimm es, Herr, wann immer du willst. Wie sollte ich so nicht glücklich sein? Wenn die Welt und die Menschen wüssten … Aber sie werden es nicht erfahren: Sie sind zu sehr mit ihren Interessen beschäftigt; ihre Herzen sind voll von Dingen, die nicht Gott sind. Die Welt lebt doch sehr auf ein irdisches Ziel hin. Die Menschen träumen von diesem Leben, in dem doch alles nichtig ist, und so können sie das wahre Glück – die Liebe Gottes – nicht finden. Es gelingt ihnen vielleicht, dieses Glück zu verstehen, aber um es empfinden zu können, gibt es nur sehr wenige, die sich selbst loslassen und das Kreuz Jesu auf sich nehmen … (vgl. Mt 16,24), selbst unter Ordensleuten … Herr, was lässt du mir alles zukommen! … Deine Weisheit weiß, was sie tut. Und ich … – bewahre mich in deiner Hand, lass nicht zu, dass mein Fuß ausgleitet, denn, ohne dich – wer käme mir zu Hilfe? Und „wenn du nicht das Haus baust …“ (vgl. Ps 127(126),1) O Herr, wie ich dich liebe! … Wie lange noch, Herr! …
Den schlechten Christen fehlt es an Glauben, und sie leugnen das auch gar nicht; aber sie meinen, sich damit entschuldigen zu können, dass ihnen die Grundlage fehle, um glauben zu können. Daher ist im Mund vieler Menschen nichts so häufig wie diese Rede: „Wenn ich ein Wunder gesehen hätte, wäre ich ein Heiliger“. – „Diese böse und treulose Generation fordert ein Zeichen“ (Mt 12,39). Die Bösen suchen Wunder. Am Erstaunlichsten daran ist: Obwohl sie mehrere gesehen haben, sich täglich solche vor ihren Augen abspielen, so dass sie sozusagen von Wundern umgeben sind, hören sie nicht auf, immer noch nach weiteren zu suchen, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer: Sie wollten, nachdem sie schon Wunder auf der Erde gesehen hatten, auch noch welche am Himmel sehen. Aber weder durch die Totenerweckungen zu Lebzeiten des Erlösers [auf der Erde] noch durch die Sonnenfinsternis bei seinem Tod [am Himmel] wurden sie gläubig; ihr Neid wurde immer stärker, ihr Hass immer giftiger; beides steigerte sich bis zur Raserei –, ihr Unglaube jedoch wurde nicht geheilt. Und genauso wird es denen ergehen, die, während sie ein schlechtes Leben führen, Wunder erwarten, um glauben zu können: „Sie werden sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht“ (vgl. Lk 16,31). […] All die Schwierigkeiten, von denen sich die Ungläubigen aufhalten lassen, all die Widersprüche, die ihnen in den Dogmen des Glaubens begegnen, all die scheinbaren Ärgernisse, die sie in ihnen finden, alles was ihnen neu, überraschend, gegen den gesunden Menschenverstand, gegen die Vernunft, unvorstellbar, unmöglich erscheint; all ihre Argumente, all ihre angeblichen Beweisführungen: All das – weit davon entfernt, mich zu erschüttern –, macht mich stärker, macht mich unerschütterlich in meiner Religion. […] Alle neuen Zweifel sind für mich lauter neue Gründe zu glauben.
Habt ihr begriffen, wer dieser König ist, der Vater eines Sohnes, der selbst König ist? Er ist es, von dem der Psalmist sagt: „Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten“ (Ps 72(71),1). […] „Er richtete seinem Sohn die Hochzeit aus.“ Der Vater feierte also die Hochzeit seines königlichen Sohnes, als er ihn im Geheimnis der Menschwerdung mit der Kirche vereinte. Und der Schoß der Jungfrau Maria war das Hochzeitsgemach dieses Bräutigams. Deshalb heißt es in einem anderen Psalm: „Dort hat er der Sonne ein Zelt gebaut. Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam“ (Ps 19(18),5–6). […] Er schickte also seine Diener, um seine Freunde zur Hochzeit einzuladen. Er schickte sie ein erstes und dann ein zweites Mal, d. h. zuerst die Propheten, dann die Apostel, um die Menschwerdung des Herrn zu verkünden. […] Durch die Propheten kündigte er die Menschwerdung seines Sohnes als zukünftiges Ereignis an, durch die Apostel predigte er sie, als sie sich erfüllt hatte. […] „Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden.“ Auf sein Feld gehen, das bedeutet, sich den irdischen Aufgaben ungehemmt hinzugeben; in seinen Laden gehen bedeutet, in den Angelegenheiten dieser Welt gierig auf Gewinn aus zu sein. Beide versäumen es, über das Geheimnis der Menschwerdung des Wortes – des Wortes Gottes – nachzudenken und ihr Leben danach auszurichten. […] Schlimmer noch: Einigen genügt es nicht, den Gunsterweis dessen in den Wind zu schlagen, der sie gerufen hat; sie verfolgen ihn auch noch. […] Der Herr aber wird bei der Hochzeitsfeier seines königlichen Sohnes die Plätze nicht unbesetzt lassen. Er schickt nach anderen Gästen aus; denn das Wort Gottes das vielen noch unbekannt ist, wird doch eines Tages Aufnahme finden. […] Ihr aber, Brüder, die ihr durch die Gnade Gottes bereits den Festsaal – also die heilige Kirche – betreten habt: Prüft euch sehr sorgfältig, damit der König bei seinem Eintreten nichts an dem Gewand eurer Seele findet, was tadelnswert ist.
Das Magnifikat [Mariens] — gleichsam ein Porträt ihrer Seele — ist ganz gewoben aus Fäden der Heiligen Schrift, aus den Fäden von Gottes Wort. So wird sichtbar, daß sie im Wort Gottes wirklich zu Hause ist, darin aus- und eingeht. Sie redet und denkt mit dem Wort Gottes; das Wort Gottes wird zu ihrem Wort, und ihr Wort kommt vom Wort Gottes her. So ist auch sichtbar, daß ihre Gedanken Mitdenken mit Gottes Gedanken sind, daß ihr Wollen Mitwollen mit dem Willen Gottes ist. Weil sie zuinnerst von Gottes Wort durchdrungen war, konnte sie Mutter des fleischgewordenen Wortes werden. Endlich: Maria ist eine Liebende. Wie könnte es anders sein? Als Glaubende und im Glauben mit Gottes Gedanken denkend, mit Gottes Willen wollend kann sie nur eine Liebende sein. Wir ahnen es an den leisen Gebärden, von denen uns die Kindheitsgeschichten aus dem Evangelium erzählen. Wir sehen es in der Diskretion, mit der sie in Kana die Not der Brautleute wahrnimmt und zu Jesus trägt. Wir sehen es in der Demut, mit der sie die Zurückstellung in der Zeit des öffentlichen Lebens annimmt — wissend, daß der Sohn nun eine neue Familie gründen muß und daß die Stunde der Mutter erst wieder sein wird im Augenblick des Kreuzes, der ja die wahre Stunde Jesu ist (vgl. Joh 2,4; 13,1). Dann, wenn die Jünger geflohen sind, wird sie es sein, die unter dem Kreuz steht (vgl. Joh 19,25-27); und später, in der Stunde von Pfingsten, werden die Jünger sich um sie scharen in der Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,14).
Meine Brüder, Väter und Kinder, das Wort meiner Wenigkeit soll euch nicht zur Last fallen! Glaubt mir bitte, dass meine dauernden Einmischungen der Liebe entspringen, die ich zu euch habe, und meiner drängenden Sorge um euch […] Reinigt den Weg der Gebote Gottes vor den Augen eurer Seele, macht ihn frei von Dornen und Hindernissen, […] bleibt auf dem geraden Weg und „ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (vgl. Mt 11,29). […] Haltet es für gut, meine Brüder, dass ihr eine Kampftruppe Christi seid, eine Armee, die Gott aufgestellt hat. Der Feind wird auf jede Weise zuschlagen; wenn ihr aber dicht beieinandersteht, wird er sich tatsächlich jedes Mal jammernd und protestierend zurückziehen: „Ich kann nirgendwo hingehen“ – so hat er einmal in einer Offenbarung zum seligen Makarius gesagt –, „alle stoßen mich weg“. Das wird er sagen, meine Kinder, und vielleicht euretwegen. Und er soll keinen finden, der sich nach dem Wind dreht, und immer bereit ist, ihm zu gehorchen. Ihr habt Christus, der euch führt, und seine Engel, die euch verteidigen und schützen. „Er lässt deinen Fuß nicht wanken, und nicht schlummern wird, der dich bewahrt. Siehe, weder schlummern noch schlafen wird, der Israel bewahrt“ (vgl. Ps 120(121),3–4 Vulg. u. LXX), so heißt es in der Heiligen Schrift. […] Man muss sich nach allen Seiten wappnen und sich an die Gesetze, Sitten und Regeln halten. Und Christus, unser Gott, „die Rechte des Höchsten“ (vgl. Ps 77(76),11), komme uns in allen Dingen zu Hilfe, leite uns, behüte uns, rette uns bis ans Ende unseres Lebens. Denn ihm gebührt die Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Irgendwo steht geschrieben, dass der Vater denen Gutes geben wird, die ihn bitten (vgl. Mt 7,11). Und an anderer Stelle heißt es, dass er den Heiligen Geist denen geben wird, die ihn bitten (vgl. Lk 11,13). Diesen Worten entnehmen wir: Wer Gott anfleht und beim Gedanken an eine solche Hoffnung getröstet wird, der erhält nicht nur den Nachlass der Sünden, sondern auch das Geschenk himmlischer Gnaden. Denn nicht den Gerechten, sondern den Sündern verspricht der Herr diese Gaben. „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13). Bitte also, ohne je darin nachzulassen, ohne je zu zögern, auch wenn du der letzte wärest, der ein tugendhaftes Leben führen könnte, auch wenn du noch so schwach, noch so ehrlos wärest: Du wirst Größtes erhalten. […] Kämpfe darum, das Licht, das in deinem Verstand leuchtet, ungetrübt zu bewahren. Wenn du anfängst, mit den Augen der Leidenschaft zu sehen, hüllt dich der Herr in Finsternis. Er löst das Seil vor dir (vgl. Ijob 30,11) und das Licht deiner Augen ist nicht mehr bei dir (vgl. Ps 37,11 LXX). Aber selbst wenn du in diesem Zustand wärest: Verliere nicht den Mut, gib nicht auf. Bete mit dem heiligen König David: „Sende dein Licht und deine Wahrheit“ zu mir, der ich traurig bin. „Du bist das Heil meines Angesichts, Gott“ (vgl. Ps 42,3.5 LXX). Denn „du wirst deinen Geist aussenden, und sie werden erschaffen werden, und du wirst das Angesicht der Erde erneuern“ (Ps 103,30 LXX).
Wenn du beten willst, brauchst du Gott, der dem Betenden das Gebet eingibt. Ruf ihn an und sprich: Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme (vgl. Mt 6,9–10), also der Heilige Geist und dein eingeborener Sohn. Denn das lehrte er, als er sagte, dass der Vater im Geist und in der Wahrheit angebetet werden soll (vgl. Joh 4,24). Wer im Geist und in der Wahrheit anbetet, verherrlicht den Schöpfer nicht mehr vonseiten der Geschöpfe, sondern vonseiten Gottes selbst preist er Gott. […] Der Heilige Geist, der sich unserer Schwachheit annimmt, sucht uns auf, auch dann, wenn wir noch nicht gereinigt sind. Vorausgesetzt nur, dass er unseren Geist aufrichtig betend vorfindet, kommt er auf einmal über ihn und zerstreut die ganze Schar der Bedenken und Überlegungen, die ihn bedrängen, und bringt ihn dahin, das Beten im Heiligen Geist zu lieben. […] Sei dir bewusst, dass die heiligen Engel uns zum Gebet ermuntern und dann freudig und für uns betend an unserer Seite stehen. Sind wir aber nachlässig und fremden Gedanken zugetan, dann erzürnen wir sie sehr, denn während sie sich doch so stark für uns einsetzen, wollen wir Gott nicht einmal für uns selbst anflehen. Wenn wir ihre Dienste ausschlagen, wenden wir uns von Gott, ihrem Herrn, ab. Bete, wie es sich gehört und ungestört, sing die Psalmen aufmerksam und wohlklingend, dann wirst du sein wie das Adlerjunge, das in den Höhen schwebt.
Machen Sie es sich zur Gewohnheit, sich mit Gott auf Du und Du zu unterhalten, unverkrampft, mit Vertrauen und Liebe, wie mit dem liebsten und liebevollsten Freund, den Sie haben. […] Es wird von Ihnen nicht eine ständige Geistesanstrengung erwartet, sodass Sie Ihre Pflichten oder sogar Ihre Erholung vergessen. Das einzige, was von Ihnen verlangt wird, ist, dass Sie sich – ohne ihre Aufgaben zu vernachlässigen – Gott gegenüber so verhalten, wie Sie es unter den verschiedenen sich bietenden Umständen Menschen gegenüber tun, mit denen Sie in gegenseitiger Liebe verbunden sind. Ihr Gott ist immer bei Ihnen, ja sogar in Ihrem Innern: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Wer mit ihm sprechen möchte, muss nicht erst ins Vorzimmer, nein ganz im Gegenteil: Gott wünscht sich, dass Sie mit ihm ohne viel Zeremoniell umgehen. Reden Sie einfach mit ihm über Ihre Angelegenheiten, Ihre Pläne, Ihre Sorgen, Ihre Ängste, über alles, was Sie interessiert. Das Wichtigste ist, ich wiederhole, dass Sie es unbefangen und mit offenem Herzen tun. Gott spricht in der Tat kaum zu einer Seele, die nicht zu ihm spricht und die folglich nur schwer seine Stimme hören würde, da sie es nicht gewohnt ist, sich mit ihm zu unterhalten. […] Es stimmt, dass wir Gott immer den höchsten Respekt schulden; aber wenn er Sie mit seiner spürbaren Gegenwart beschenkt und Sie bittet, mit ihm wie mit dem besten Ihrer Freunde zu sprechen, dann lassen Sie Ihrem Herzen frei und vertrauensvoll Ihren Lauf.
„Und wer ist mein Nächster?“ Als Antwort darauf stellt der Logos, das Wort Gottes, die ganze Geschichte der Barmherzigkeit in Form einer Erzählung dar: Er schildert den Abstieg des Menschen, den Hinterhalt der Räuber, den Verlust seines unvergänglichen Gewandes, die Wunden der Sünde, die Herrschaft des Todes über die Hälfte der Natur (die Seele selbst bleibt unsterblich), das fruchtlose Vorübergehen des Gesetzes – da weder Priester noch Levit die Wunden des Mannes, der Opfer der Räuber geworden war, versorgt haben. „Denn das Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich Sünden wegnehmen“ (Hebr 10,4). Dazu war nur derjenige fähig, der sich mit der ganzen menschlichen Natur bekleidet hat, mit den Anfängen des Erdenstaubes, an dem alle Rassen Anteil hatten: Juden, Samariter, Griechen und die ganze Menschheit. Er war es, der sich mit seinem Leib, d. h. mit seinem Reittier, am Ort des Elends des Menschen befand; er versorgte seine Wunden, ließ ihn auf seinem eigenen Reittier ruhen und schenkte ihm seine Barmherzigkeit als Zufluchtsort, wo alle, die sich plagen und schwere Lasten tragen, Ruhe finden (vgl. Mt 11,28) […] „Wer in mir bleibt, in dem bleibe auch ich“ (vgl. Joh 6,56) […] Wer bei dieser Barmherzigkeit Christi seine Zuflucht sucht, erhält von ihm zwei Silbermünzen, von denen die eine bedeutet: Gott mit ganzer Seele lieben, die andere: den Nächsten lieben wie sich selbst – gemäß der Antwort des Schriftgelehrten (vgl. Mk 12,30–31). Aber da „vor Gott nicht die gerecht sind, die das Gesetz hören, sondern die, die das Gesetz tun“ (vgl. Röm 2,13), darf man diese beiden Silbermünzen nicht einfach nur annehmen […], sondern man muss auch durch seine Taten persönlich dazu beitragen, dass diese beiden Gebote erfüllt werden. Deshalb sagt der Herr zum Herbergsvater, er werde bei seinem Wiederkommen ihm alles zurückerstatten, was er für die Versorgung des Verwundeten aufgewendet habe.
„Gott hat uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen“ (vgl. 2 Kor 5,18). Hier zeigt Paulus sowohl die Würde der Apostel, indem er auf die Größe der Sache, die in ihre Hände gelegt ist, hinweist als auch das Übermaß der Liebe Gottes. Denn selbst dann, als die Menschen den erschienenen Gesandten nicht hatten hören wollen, ergrimmte Gott nicht über die Menschen, noch überließ er sie ihrem Schicksal, sondern unablässig fährt er fort, teils selbst, teils durch andere zu mahnen. Wer kann über solch’ väterliche Liebe genügend staunen? Der Sohn, der zur Versöhnung gekommen war, wurde getötet, der echte, eingeborene Sohn; aber auch da wendet sich der Vater nicht von den Mördern ab noch spricht er: Ich habe zur Vermittlung meinen Sohn geschickt, aber statt auf ihn zu hören, haben sie ihn gekreuzigt und getötet; so ziemt es sich, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Im Gegenteil, der Vater hat, nachdem der Sohn die Erde verlassen hatte, uns die Sache übertragen. Denn es heißt: „Er hat uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete“ (vgl. 2 Kor 5,18–19). Siehst du eine Liebe, die jede Rede, jeden Verstand übersteigt? Wer ist es denn, der beleidigt worden war? Gott selbst. Und wer ist zuerst zur Versöhnung gekommen? Wieder Gott selbst. […] Hätte Gott uns für die Sünden zur Rechenschaft ziehen wollen, so wären wir alle verloren; denn alle waren gestorben. Aber trotz der Zahl und Größe der Sünden hat Gott sich – anstatt der Bestrafung – sogar mit uns versöhnt; er hat die Sünden nicht bloß erlassen, sondern gar nicht angerechnet. So müssen denn auch wir den Feinden vergeben, damit wir ebenfalls der gleichen Vergebung teilhaftig werden. „Er hat uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen.“
Die christliche Freude ist ihrem Wesen nach innere Teilhabe an der unergründlichen, zugleich göttlichen und menschlichen Freude im Herzen des verherrlichten Herrn, Jesus Christus […] Betrachten wir nun ein wenig die Person Jesu im Verlauf seines irdischen Lebens. Er hat in seiner Menschheit unsere Freuden erfahren. Er hat offenbar eine breite Skala menschlicher Freuden kennengelernt, geschätzt und geteilt, einfache tägliche Freuden, wie sie jedem zugänglich sind. Die Tiefe seines Innenlebens hat keineswegs seinen Blick für das Konkrete abgestumpft, nicht seine Empfindungsfähigkeit beeinträchtigt. Er bewundert die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes. In ihm wiederholt sich auf unmittelbare Weise der Blick Gottes auf die Schöpfung am Morgenrot der Geschichte. Gern hebt er die Freude des Sämanns und des Schnitters hervor, die Freude des Mannes, der einen verborgenen Schatz findet, die des Hirten, der sein Schaf, oder die der Frau, die ihr verlorenes Geldstück wiederfindet, die Freude der zum Fest geladenen Gäste, die Freude bei einer Hochzeit, die Freude des Vaters, der seinen Sohn, von einem Leben der Verschwendung endlich heimgekehrt, aufnimmt, und die der Frau, die ein Kind zur Welt bringt. Diese menschlichen Freuden sind für Jesus von solch hoher Bedeutung, da sie für ihn die Zeichen der geistlichen Freuden des Reiches Gottes sind: Freude jener Menschen, die in dieses Reich eintreten, dorthin zurückkehren oder dort arbeiten; Freude des Vaters, der sie empfängt. Auch Jesus selbst zeigt seinerseits Genugtuung und Zärtlichkeit, als er Kindern begegnet, die zu ihm kommen wollen, als er einen reichen Jüngling trifft, der gewissenhaft und bestrebt ist, noch mehr zu tun; als er zu Freunden kommt, die ihm ihr Haus öffnen wie Martha, Maria und Lazarus. Eine Freude ist es für ihn vor allem, wenn er erlebt, dass man das Wort aufnimmt, seine Reichtümer opfert, dass eine Sünderin oder ein Zöllner wie Zachäus sich bekehrt, dass eine Witwe sich trotz ihrer Not zum Geben entschließt. Er jubelt vor Freude, als er feststellt, dass den Kleinen und Demütigen die Botschaft vom Reich geoffenbart wird, während sie den Weisen und Klugen verborgen bleibt (vgl. Lk 10,21).
Von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt ist das Leben des fleischgewordenen Wortes von der Anbetung und dem Dienst der Engel umgeben. […] Ihr Lobgesang bei der Geburt Christi – „Ehre sei Gott …“ (Lk 2,14) – klingt im Lobpreis der Kirche weiter. Sie beschützen Jesus im Kindesalter (vgl. Mt 1,20; 2,13.19), dienen ihm in der Wüste (vgl. Mk,12; Mt 4,11), stärken ihn in der Todesangst (vgl. Lk 22,43), und sie hätten ihn auch […] aus der Hand der Feinde retten können (vgl. Mt 26,53). Die Engel sind es auch, die „evangelisieren“ (Lk 2, 10), indem sie die frohe Botschaft der Menschwerdung (vgl. Lk 2,8–14) und der Auferstehung (vgl. Mk 16,5–7) Christi verkünden. Bei der Wiederkunft Christi, die sie ankündigen (vgl. Apg 1,10–11), werden sie ihn begleiten und ihm bei seinem Gericht dienen (vgl. Mt 13,41; 25,31; Lk 12,8–9). Bis zur Wiederkunft Christi kommt die geheimnisvolle, mächtige Hilfe der Engel dem ganzen Leben der Kirche zugute (vgl. Apg 5,18–20; 8,26–29; 10,3–8; 12,6–11; 27,23–25). In ihrer Liturgie vereint sich die Kirche mit den Engeln, um den dreimal heiligen Gott anzubeten (vgl. MR, „Sanctus“); sie bittet um deren Beistand (so im „Supplices te rogamus …“ des römischen Hochgebetes, im „In paradisum deducant te angeli …“ der Bestattungsliturgie und auch im „Cherubinischen Hymnus“ der Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus) und feiert insbesondere das Gedächtnis gewisser Engel (der heiligen Michael, Gabriel und Raphael und der heiligen Schutzengel). Von der Kindheit an (vgl. Mt 18,10) bis zum Tod (vgl. Lk 16,22) umgeben die Engel mit ihrer Hut (vgl. Ps 34,8; 91,10–13) und Fürbitte das Leben des Menschen (vgl. Ijob 33,23–24; Sach 1,12; Tob 12,12). „Einem jeden der Gläubigen steht ein Engel als Beschützer und Hirte zur Seite, um ihn zum Leben zu führen“ (Basilius, Eun. 3,1). Schon auf dieser Erde hat das christliche Leben im Glauben an der glückseligen Gemeinschaft der in Gott vereinten Engel und Menschen teil. ********** „Hymnus der Cherubim“ aus der Göttlichen Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus (© Joachim Schäfer: Artikel Göttliche Liturgie unseres heiligen Vaters Johannes „Chrysostomus“, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon) „Die wir die Cherubim im Mysterium abbilden und der lebenschaffenden Dreiheit den Hymnus des Dreimalheilig singen, lasst uns nun ablegen alle irdischen Sorgen, damit wir empfangen den König des Alls, der unsichtbar geleitet wird von den Ordnungen der Engel. Alleluïa, Alleluïa, Alleluïa.“
Du Aufheiterung meines Geistes, du Lob meines Herzens und meines Mundes, mein Jesus, dir werde ich folgen, wohin immer du gehst. Weil du mein Herz dir erworben und als dein Eigentum in Besitz genommen hast, so kannst du mir in Ewigkeit nicht mehr weggenommen werden. […] „Das sind die Menschen, die den Herrn suchen; die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs“ (Ps 24,6). […] Lass mich, Jesus, mein Glück, eingeschrieben und hinzugezählt werden zum Geschlecht derer, die dich kennen, Gott Israels; zum Geschlecht derer, die dein Angesicht suchen, Gott Jakobs; zum Geschlecht derer, die dich lieben, Gott Zebaoth. Ja, dass ich mit reinen Händen und reinem Herzen Segen und Barmherzigkeit von dir empfange, Gott, du mein Heil. […] Lamm Gottes, halte auf dem Weg, den ich wandle, meine rechte Hand, damit ich nicht ermatte. Lamm Gottes, lass mich mit deiner Hilfe treu erfüllen, was ich hier in deinem Namen begonnen habe. Lamm Gottes, meine Sünden sollen mich nicht hindern, dein Erbarmen möge mich vielmehr in all diesem fördern. Christus, höre mich, und erfreue mich in der Todesstunde mit deinem Heil.
Das Apostolische Credo bekennt, dass Gott „der Schöpfer des Himmels und der Erde“ ist, und das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel verdeutlicht: „der sichtbaren und der unsichtbaren Welt“. […] Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich „Engel“ genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung. Der hl. Augustinus sagt: „‚Engel‘ bezeichnet das Amt, nicht die Natur. Fragst du nach seiner Natur, so ist er ein Geist; fragst du nach dem Amt, so ist er ein Engel: seinem Wesen nach ist er ein Geist, seinem Handeln nach ein Engel“ (Psal. 103,1,15). Ihrem ganzen Sein nach sind die Engel Diener und Boten Gottes. Weil sie „beständig das Antlitz meines Vaters sehen, der im Himmel ist“ (Mt 18,10), sind sie „Vollstrecker seiner Befehle, seinen Worten gehorsam“ (Ps 103,20). Als rein geistige Geschöpfe haben sie Verstand und Willen; sie sind personale (vgl. Pius XII.: DS 3891) und unsterbliche (vgl. Lk 20,36) Wesen. Sie überragen alle sichtbaren Geschöpfe an Vollkommenheit. Der Glanz ihrer Herrlichkeit zeugt davon (vgl. Dtn 10,9–12). Christus ist das Zentrum der Engelwelt. Es sind seine Engel: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm“ (Mt 25,31). Sie sind sein, weil sie durch ihn und auf ihn hin erschaffen sind: „Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16). Sie sind erst recht deshalb sein, weil er sie zu Boten seines Heilsplanes gemacht hat: „Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?“ (Hebr 1,14). Sie sind da, seit der Welterschaffung (vgl. Ijob 38,7, wo die Engel „Gottessöhne“ genannt werden) und im Laufe der ganzen Heilsgeschichte; sie künden von ferne oder von nahe das Heil in und dienen dem göttlichen Plan, es zu verwirklichen.
Brüder, es ist an der Zeit, dass jeder von uns für seinen Teil den Ort seiner Sünde verlässt. Verlassen wir Babylon, um Gott, unserem Retter, zu begegnen, wie uns der Prophet mahnt: „Mach dich bereit, Israel, deinem Gott gegenüberzutreten, denn er kommt!“ (vgl. Am 4,12). Verlassen wir die Abgründe unserer Sünde, und brechen wir willig auf zum Herrn, der gekommen ist „in der Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht“ (Röm 8,3). Nehmen wir Abstand vom Willen zu sündigen und gehen wir daran, Buße zu tun für unsere Sünden. Dann werden wir Christus finden: Er selbst hat die Sünde, die er absolut nicht begangen hat, gebüßt. Dann wird derjenige, der die Büßer rettet, uns das Heil schenken: „Er hat Erbarmen mit denen, die sich bekehren“ (vgl. Sir 17,29). Nun werdet ihr mir sagen: […] „Wer kann denn von sich aus der Sünde entkommen?“ Ja, in Wahrheit ist die größte Sünde die Liebe zur Sünde, das Verlangen zu sündigen. Weise dieses Verlangen also von dir, […] hasse die Sünde, und schon bist du ihr entkommen. Wenn du die Sünde hasst, bist du Christus dort begegnet, wo er ist. Dem, der die Sünde hasst, […] vergibt Christus den Fehler, in der Erwartung, dass wir unsere schlechten Gewohnheiten mit der Wurzel ausreißen. Aber ihr sagt nun, dass euch sogar dies zu schwer fällt, und dass es dem Menschen ohne die Gnade Gottes nicht möglich ist, seine Sünde zu hassen und das rechte Verhalten zu wünschen: „Sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld, für sein wunderbares Tun an den Menschen“ (Ps 107(106),8). […] O Herr, dessen Hand mächtig ist; komm, allmächtiger Jesus, und befreie meinen Verstand, der vom Dämon der Unwissenheit gefangengehaltenen wird, entreiße meinen kranken Willen der Pest seiner Begierlichkeit. Setze meine Fähigkeiten frei, damit ich mit Entschiedenheit handeln kann – wie ich es mit von ganzem Herzen wünsche.
Freilich geht das von allen seinen Wundern und seiner ganzen Hoheit am weitesten über die Bewunderung des menschlichen Geistes und über die schwachen Begriffe des Sterblichen hinaus, dass jene herrliche Gottesmacht, das Wort des Vaters und die Weisheit selbst, in welcher alles, Sichtbares und Unsichtbares geschaffen ist, in der Begrenzung des Mannes, der in Galiläa aufstand, begriffen sein soll: noch mehr, dass die göttliche Weisheit den Schoß einer Frau nicht verschmähte, als Kind geboren wurde und wie andere Menschenkinder wimmerte: dass ebendieser im Todeskampf heftig erschüttert war, wie er selbst bekennt mit den Worten: meine Seele ist betrübt bis in den Tod; dass er zum schmachvollsten Tod, den es unter Menschen gibt, geführt wurde, obgleich er am dritten Tage auferstand […] Die Wahrheit davon menschlichen Ohren vernehmlich zu machen, übersteigt freilich das Maß meines Verdienstes, oder meines Geistes und meiner Beredsamkeit weit; ich glaube sogar […], dass die Erklärung jenes Geheimnisses selbst für die ganze höhere Geisterwelt zu hoch ist.
Gott ist souverän Herr über seinen Ratschluss. Aber um ihn auszuführen, bedient er sich auch der Mitwirkung der Geschöpfe. Das ist nicht ein Zeichen von Schwäche, sondern der Größe und Güte Gottes. Denn Gott gibt seinen Geschöpfen nicht nur das Dasein, sondern auch die Würde, selbst zu handeln, Ursache und Ursprung voneinander zu sein und so an der Ausführung seines Ratschlusses mitzuarbeiten. Den Menschen gewährt Gott sogar die Möglichkeit, in Freiheit an seiner Vorsehung teilzunehmen, indem er ihnen die Verantwortung anvertraut, sich die Erde zu „unterwerfen“ und über sie zu herrschen (vgl. Gen 1,26–28). Gott ermöglicht so den Menschen, vernünftige, freie Ursachen zu sein, um das Schöpfungswerk zu vervollständigen und zu ihrem und der Mitmenschen Wohl seine Harmonie zu vervollkommnen. Die Menschen sind oft unbewusst Mitarbeiter Gottes, können jedoch auch bewusst auf den göttlichen Plan eingehen durch ihre Taten, ihre Gebete, aber auch durch ihre Leiden (vgl. Kol 1,24). Dadurch werden sie voll und ganz „Mitarbeiter Gottes“ (1 Kor 3,9; 1 Thess 3,2) und seines Reiches (vgl. Kol 4,11). Vom Glauben an Gott den Schöpfer lässt sich somit die Wahrheit nicht trennen, dass in jedem Tun seiner Geschöpfe Gott tätig ist. Er ist die Erstursache, die in und durch die Zweitursachen wirkt. „Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,13; vgl. 1 Kor 12,6).
Wir bitten beharrlich und inständig, dass der Schöpfer des Weltalls die abgezählte Zahl seiner Auserwählten auf der ganzen Welt unversehrt erhalten wolle durch seinen geliebten Sohn Jesus Christus. Durch den er uns berufen hat von der Finsternis zum Licht, von der Unwissenheit zur Erkenntnis der Herrlichkeit seines Namens, auf dass wir hoffen auf Deinen Namen, der aller Schöpfung den Anfang gab. Da Du uns geöffnet hast die Augen unseres Herzens, damit wir Dich erkennen, den einzigen „Höchsten in der Höhe, den Heiligen, der im Heiligtume ruht“. „Dich, der Du den Stolz der Prahler demütigst“, „die Pläne der Heiden vereitelst“, „die Demütigen erhöhst und die Hohen erniedrigst“, „der Du reich machst und arm“, „tötest und rettest und Leben weckst“. „Dich, den einzigen Wohltäter der Geister und den Gott alles Fleisches“, „der Du hineinsiehst in die Unterwelt“, schaust auf die Werke der Menschen, den Helfer in Gefahr, „den Retter in der Verzweiflung“, den Schöpfer und Aufseher jeglichen Geistes […] Wir bitten Dich, Herr, Du mögest unser „Helfer und Beistand“ sein. Unsere Bedrängten errette, mit den Bedrückten habe Erbarmen, die Gefallenen richte auf. Den Betenden zeige Dich, die Kranken heile, die Irrenden aus Deinem Volke führe den rechten Weg; gib Nahrung den Hungernden, befreie unsere Gefangenen, richte auf die Schwachen, tröste die Kleinmütigen; „erkennen sollen Dich alle Völker, dass Du bist der einzige Gott“ und Jesus Christus Dein Sohn und „wir Dein Volk und die Schafe Deiner Weide“.
Somit ist in jeder Hinsicht klar, dass das Gleichnis erzählt wurde, sowohl für jene, welche in früher Jugend, als auch für jene, welche im hohen Alter und spät erst sich der Tugend zuwenden; für jene, damit sie nicht etwa voll Hochmut die verachten, welche um die elfte Stunde kommen, für diese, um sie zu lehren, dass man auch in kurzer Zeit alles erreichen könne. Da nämlich der Herr von Dingen redete, die großen Eifer erfordern, vom Hingeben des Vermögens und der Verachtung alles Besitzes und dazu gehört viel Hochherzigkeit und jugendliches Feuer, so suchte er in ihnen die Flamme der Liebe zu entfachen und ihre Bereitwilligkeit zu wecken durch den Hinweis, dass auch die spät Ankommenden den Lohn des ganzen Tages verdienen können. Indes sprach er das nicht so offen aus, damit sie sich nicht etwas einbildeten, sondern führt vielmehr alles auf seine freie Güte zurück und zeigt, dass sie es ihr zu danken haben, wenn sie nicht vom Lohne ausgeschlossen, sondern im Gegenteil eine unbeschreibliche Seligkeit genießen werden. […] Und in allen seinen Gleichnissen, z.B. von den Jungfrauen, vom Netze, von den Dornen, von unfruchtbaren Bäumen, verlangt er ein tugendhaftes Leben. […] Vom Leben […] spricht er oft, ja eigentlich immer, denn ein tugendhaftes Leben erfordert einen beständigen Kampf, also auch Mühe.
Eines Tages erwog sie den Reichtum der mannigfachen Gnaden, welche die überströmende Güte Gottes ihr eingegossen, weil sie unzählige Geschenke Gottes nachlässig vergeudet und nicht die geringste Frucht davon gebracht habe, weder in sich selbst durch Genuss oder Danksagung noch in andern, die sie, wenn es ihnen bekannt gewesen wäre, hätte erbauen oder in göttlicher Erkenntnis fördern können. Hierüber wurde sie durch folgende Erleuchtung getröstet: Zuweilen ergießt der Herr seine Gnadengaben auf die Auserwählten nicht in der Art, dass er von jeder einzelnen würdige Früchte verlangt, weil die menschliche Gebrechlichkeit dies oftmals verhindert. Seine überfließende Freigebigkeit vielmehr, die sich nicht mäßigen kann, obgleich sie weiß, dass der Mensch sich nicht in allem Einzelnen zu üben vermag, vermehrt beständig die Fülle der Gnaden, um dem Menschen hierdurch in Zukunft eine Fülle von Seligkeit zueignen zu können. Solches betrachten wir für gewöhnlich auch bei irdischen Geschenken, die man hin und wieder einem kleinen Kind macht, ohne dass es um den Nutzen des Geschenkes weiß, damit es ihn aber später als Erwachsenen mit Gütern überschütte. Ebenso ist es, wenn unser Herr in diesem Leben seinen Auserwählten Gnade verleiht: Er bereitet und sichert ihnen Geschenke, deren ewiger Genuss sie im Himmel selig machen wird.
Jesus wählte zwar, das wissen wir, unter seinen Jüngern zwölf Männer als Väter des neuen Israel aus, weil er sie „bei sich haben und [sie] dann aussenden wollte, damit sie predigten“ (Mk 3,14–15). Das ist eine offenkundige Tatsache, aber außer den Zwölf, Säulen der Kirche, Väter des neuen Gottesvolkes, werden in die Schar der Jünger auch viele Frauen gewählt. Ich kann nur ganz kurz auf jene Frauen hinweisen, die auf dem Weg Jesu selbst anzutreffen sind, angefangen bei der Prophetin Anna (vgl. Lk 2,36–38) bis hin zur Samariterin (vgl. Joh 4,1–39), zu der Syro-Phönizierin (vgl. Mk 7,24–30), zu der Frau, die an Blutfluss litt (vgl. Mt 9,20–22), und zu der Sünderin, der vergeben wird (vgl. Lk 7,36–50). Ich gehe auch nicht näher auf die weiblichen Hauptfiguren einiger eindrucksvoller Gleichnisse ein, zum Beispiel auf die Frau, die Brot bäckt (vgl. Mt 13,33), auf die Frau, die die Drachme verliert (vgl. Lk 15,8–10), auf die Witwe, die den Richter immer wieder aufsuchte (vgl. Lk 18,1–8). Bedeutsamer für unser Thema sind jene Frauen, die im Rahmen der Sendung Jesu eine aktive Rolle gespielt haben. An erster Stelle denken wir dabei natürlich an die Jungfrau Maria, die durch ihren Glauben und durch ihr Muttersein in einzigartiger Weise an unserer Erlösung mitgewirkt hat, so dass Elisabet sie sogar „Gesegnete unter den Frauen“ (Lk 1,42) nennen konnte und hinzufügte: „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Maria ist zur Jüngerin des Sohnes geworden, sie zeigte in Kana ihr vollkommenes Vertrauen in ihn (vgl. Joh 2,5) und folgte ihm bis unter das Kreuz, wo sie von ihm einen Auftrag erhielt, nämlich Mutter zu sein für alle seine Jünger aller Zeiten, dort verkörpert von Johannes (vgl. Joh 19,25–27). Dann gibt es verschiedene Frauen, die in unmittelbarer Umgebung der Gestalt Jesu verschiedene verantwortungsvolle Funktionen wahrnahmen. Ein beredtes Beispiel dafür sind die Frauen, die Jesus folgten, um ihn mit ihrem Besitz zu unterstützen, und von denen uns Lukas einige Namen überliefert: Maria Magdalene, Johanna, Susanna und „viele andere“ (vgl. Lk 8,2–3). Dann informieren uns die Evangelien darüber, dass die Frauen, im Unterschied zu den Zwölf, Jesus in der Stunde seines Leidens nicht verlassen haben (vgl. Mt 27,56.61; Mk 15,40). Unter ihnen sticht besonders Magdalene hervor, die nicht nur bei seinem Leiden und Sterben zugegen war, sondern dann auch die erste Zeugin und Verkünderin des Auferstandenen war (vgl. Joh 20,1.11–18). Gerade dieser Maria von Magdala behält der hl. Thomas von Aquin die einzigartige Bezeichnung „Apostolin der Apostel“ („apostola apostolorum“) vor und widmet ihr diesen schönen Kommentar: „So wie eine Frau dem ersten Menschen Worte des Todes verkündet hatte, so verkündete als erste eine Frau den Aposteln Worte des Lebens“ (Super Ioannem, ed. Cai, § 2519).
Gertrud erkannte: Wer sich Gott anempfiehlt, indem er ihn um Bewahrung vor der Sünde bittet, den wird, falls er auch nach dem verborgenen Ratschluss Gottes vor den Menschen in irgendeinem Stück schwer zu fehlen scheint, dennoch die Gnade Gottes wie ein Stab stützen und er kann zu jeder Zeit viel leichter zurückkehren […] Einmal stellte sie sich vor den Herrn und begehrte seinen Segen. Nachdem sie diesen erlangt hatte, schien auch der Herr von ihr Segnung zu verlangen. Hieraus erkannte sie, dass der Mensch den Herrn dann segnet oder lobpreist, wenn er in Gedanken Reue erweckt, dass er seinen Schöpfer jemals beleidigt hat, und dessen Hilfe anfleht, um künftig die Sünden zu meiden. Auf diese Lobpreisung neigt der Herr der Himmel voll Huld sich tief herab und zeigt, dieselbe werde ihm so wohlgefällig sein, als wenn seine ganze Seligkeit hierdurch vervollkommnet würde […] Ein andermal sagte sie wegen der Schwierigkeit eines Werkes zu Gott dem Vater: „O Herr! ich opfere dir dieses Werk auf durch deinen eingeborenen Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes zur ewigen Verherrlichung.“ Als Wirkung dieses Wortes erkannte sie, dass durch eine solche Absicht alles, was aufgeopfert wird, über menschliche Schätzung wunderbar geadelt wird. Gleichwie nämlich grün erscheint, was durch grünes Glas, und rot, was durch rotes gesehen wird: So ist alles, was durch seinen eingeborenen Sohn ihm dargebracht wird, Gott dem Vater überaus angenehm und wohlgefällig.
Die Kirche lebt ein authentisches Leben, wenn sie das Erbarmen bekennt und verkündet – das am meisten überraschende Attribut des Schöpfers und des Erlösers – und wenn sie die Menschen zu den Quellen des Erbarmens des Heilandes führt, welche sie hütet und aus denen sie austeilt. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der ständigen Betrachtung des Wortes Gottes zu und vor allem der bewussten, mit innerer Reife vollzogenen Feier der Eucharistie und des Sakraments der Buße oder Versöhnung. Die Eucharistie nähert uns ja immer mehr jener Liebe, die mächtiger ist als der Tod: „Sooft wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken“, verkünden wir nicht nur den Tod des Erlösers, sondern auch seine Auferstehung, „bis er kommt“ in Herrlichkeit. Die gleiche Eucharistiefeier, die zum Gedächtnis dessen gefeiert wird, der uns in seiner messianischen Sendung durch sein Wort und sein Kreuz den Vater geoffenbart hat, beweist die unerschöpfliche Liebe, durch die er immer danach strebt, sich mit uns zu verbinden und mit uns eins zu werden, indem er allen Menschenherzen entgegenkommt. Das Sakrament der Buße oder Versöhnung ebnet dabei den Weg zu jedem Menschen selbst dann, wenn er mit schwerer Schuld beladen ist. In diesem Sakrament kann jeder Mensch auf einzigartige Weise das Erbarmen erfahren, das heißt die Liebe, die mächtiger ist als die Sünde.
Die wahre Andacht zu Maria ist weiterhin ein leichter, kurzer, vollkommener und sicherer Weg, um zur Vereinigung mit Gott zu gelangen, worin die Vollkommenheit des Christen besteht. Jesus Christus selbst hat diesen Weg gebahnt, als er zu uns kam, und auf ihm gibt es kein Hindernis, das uns den Zugang zu ihm versperren oder uns aufhalten könnte. Man kann gewiss auch auf anderen Wegen zur Vereinigung mit Gott gelangen. Aber auf ihnen werden viel mehr Kreuze stehen, weit schwerere Opfer verlangt werden und viel größere Schwierigkeiten zu überwinden sein. Auf diesen Wegen muss man über schroffe Felsen, spitzige Dornen, durch entsetzliche Wüsten und finstere Nächte wandeln, schwere Kämpfe und schreckliche Todesängste bestehen. Auf dem Wege Mariä wandelt man angenehmer und ruhiger. Man muss gewiss auch dort noch schwere Kämpfe durchmachen und große Schwierigkeiten überwinden. Aber diese gute Mutter und Herrin hält sich stets in nächster Nähe ihrer treuen Diener auf, um sie in ihren Finsternissen zu erleuchten, in ihren Zweifeln aufzuklären, in ihren Beängstigungen zu stärken und in ihren Kämpfen und Schwierigkeiten aufrecht zu erhalten, sodass dieser jungfräuliche Weg im Vergleich zu den anderen, in Wahrheit ein Weg von Rosen und Honig ist.
[Gertrud empfing einmal] folgende Unterweisung: Wenn der Mensch sich zu einem Kruzifix hinwendet, so denke er in seinem Herzen, er höre den Herrn Jesus mit freundlicher Stimme also zu ihm reden: „Sieh, wie ich aus Liebe zu dir am Kreuz hing, nackt und verachtet, am ganzen Körper verwundet und an allen Gliedern ausgespannt! Und noch ist mein Herz von solcher Liebesglut gegen dich entzündet, dass, wenn du anders nicht gerettet werden könntest, ich für dich allein alles ertragen möchte, was ich jemals nach deiner Schätzung für die ganze Welt könnte erduldet haben.“ Durch solche Betrachtung wecke der Mensch sein Herz zur Dankbarkeit auf, weil es wahrhaftig niemals ohne die Gnade Gottes geschieht, dass jemand den Gekreuzigten sieht. […] Als sie ein andermal ihren Geist mit dem Leiden des Herrn beschäftigte, erkannte sie, dass Gebete oder Lesungen, die dasselbe zum Gegenstand haben, von unendlich größerer Kraft sind, als andere Übungen. Denn gleichwie es unmöglich ist, dass jemand Mehl trage, ohne Mehlstaub an sich zu ziehen, so kann niemand andächtig an das Leiden des Herrn denken, ohne irgendeine Frucht davon zu empfangen. Ja, liest jemand auch nur etwas darüber, so bereitet er wenigstens seine Seele zum Empfang irgendeiner Gnade vor und oftmaliges Gedenken daran bringt größeren Gewinn als viele andere fromme Absichten. Bestreben wir uns deshalb, öfter etwas aus dem Leiden des Herrn zu betrachten, damit dasselbe uns werde Honig im Mund, Musik im Ohr und Jubel im Herzen.
Christus legt auf die Notwendigkeit, den anderen zu verzeihen, so großen Nachdruck, dass er Petrus auf die Frage, wie oft er dem Nächsten verzeihen müsse, die symbolische Zahl „siebenundsiebzigmal“ nennt und hiermit die Antwort gibt, dass er jedem und jedes Mal verzeihen muss. Selbstverständlich hebt die Forderung, hochherzig zu verzeihen, die objektiven Forderungen der Gerechtigkeit nicht auf. Die richtig verstandene Gerechtigkeit ist sozusagen der Zweck des Verzeihens. An keiner Stelle der Frohen Botschaft bedeutet das Verzeihen, noch seine Quelle, das Erbarmen, ein Kapitulieren vor dem Bösen, dem Ärgernis, vor der erlittenen Schädigung oder Beleidigung. In jedem Fall sind Wiedergutmachung des Bösen und des Ärgernisses, Behebung des Schadens, Genugtuung für die Beleidigung Bedingungen der Vergebung. So braucht also das Erbarmen als grundlegende Struktur immer die Gerechtigkeit. Aber es hat die Kraft, der Gerechtigkeit einen neuen Inhalt zu geben. Dieser findet seinen einfachsten und vollsten Ausdruck im Verzeihen. Es macht uns deutlich, dass es außer […] Forderungen der Gerechtigkeit – auch die Liebe geben muss, wenn der Mensch Mensch bleiben soll. Dass die Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt werden, ist eine Hauptbedingung dafür, dass das Antlitz der Liebe aufleuchten kann. […] Die Kirche betrachtet es mit Recht als ihre Pflicht, als Ziel ihrer Sendung, die Echtheit des Verzeihens zu bewahren […].
Wer mit dem Mund segnet, in seinem Herzen jedoch verflucht (vgl. Ps 61,5 LXX), der verbirgt die Heuchelei unter dem Deckmantel der Liebe. Wer zur Liebe gelangt ist, der erträgt unbeirrt alles Betrübliche und Unangenehme, das die Feinde ihm bereiten. Allein die Liebe vereint die Schöpfung mit Gott und die Geschöpfe untereinander in Eintracht. Wahre Liebe besitzt, wer weder Verdacht noch üble Nachrede gegen seinen Nächsten zulässt. Geehrt von Gott und den Menschen ist jener, der nichts unternimmt, was die Liebe zerstören könnte. Kennzeichen einer aufrichtigen Liebe sind wahre Worte, die einem guten Gewissen entspringen. Wer seinem Bruder die Vorwürfe zuträgt, die ein anderer über ihn machte, der verbirgt Eifersucht unter dem Deckmantel des Wohlwollens. […] Hüte dich vor Unmäßigkeit und Hass, und du wirst nichts finden, was dich in der Zeit des Gebets behindern könnte. So wie es nicht möglich ist, Parfüm im Schlamm zu riechen, so ist es auch nicht möglich, den Wohlgeruch der Liebe in einer nachtragenden Seele zu wahrzunehmen. […] Derjenige trägt die gleiche Liebe zu allen in sich, der die Guten nicht beneidet und Mitleid hat mit den Bösen. […] Traue nicht dem Gedanken, der den Nächsten verurteilt, denn da sein Schatz böse ist (vgl. Mt 6,21; 12,35), trachtet er nach dem Bösen.
Die Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch besteht eben darin, dass diese Willensgemeinschaft in der Gemeinschaft des Denkens und Fühlens wächst und so unser Wollen und Gottes Wille immer mehr ineinanderfallen: der Wille Gottes nicht mehr ein Fremdwille ist für mich, den mir Gebote von außen auferlegen, sondern mein eigener Wille aus der Erfahrung heraus, dass in der Tat Gott mir innerlicher ist als ich mir selbst (vgl. hl. Augustinus). Dann wächst Hingabe an Gott. Dann wird Gott unser Glück (vgl. Ps 73(72),23–28). So wird Nächstenliebe in dem von der Bibel, von Jesus verkündigten Sinn möglich. Sie besteht ja darin, dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe. Das ist nur möglich aus der inneren Begegnung mit Gott heraus, die Willensgemeinschaft geworden ist und bis ins Gefühl hineinreicht. Dann lerne ich, diesen anderen nicht mehr bloß mit meinen Augen und Gefühlen anzusehen, sondern aus der Perspektive Jesu Christi heraus. Sein Freund ist mein Freund. […] Ich sehe mit Christus und kann dem anderen mehr geben als die äußerlich notwendigen Dinge: den Blick der Liebe, den er braucht.
„Wer mich liebt“, spricht der Herr, „der wird meine Gebote halten. Das ist mein Gebot: dass ihr einander liebt“ (vgl. Joh 14,15.23; 15,12). Wer also seinen Nächsten nicht liebt, hält das Gebot nicht. Und wer das Gebot nicht hält, kann den Herrn nicht lieben. […] Wenn die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist (vgl. Röm 13,10), übertritt dann nicht das Gesetz und verdient die ewige Strafe, wer gegen seinen Bruder übel gesinnt ist, wer gegen ihn Böses plant oder es ihm wünscht und sich über seinen Fall freut? Wenn einer, der seinen Bruder verleumdet und verurteilt, das Gesetz verleumdet und verurteilt (vgl. Jak 4,11), und wenn das Gesetz Christi die Liebe ist, bringt sich dann der Verleumder nicht um die Liebe Christi und setzt sich selbst der ewigen Strafe aus? Leih dein Ohr nicht der Zunge des Verleumders, und lass deine Zunge nicht in das Ohr dessen sprechen, der gerne Böses redet. Hab kein Gefallen daran, schlecht über deinen Nächsten zu sprechen, noch zu hören, was gegen ihn gesagt wird, damit du nicht die göttliche Liebe verlierst und vom ewigen Leben ausgeschlossen wirst. […] Verschließ deine Ohren vor den Reden aus dem Mund des Verleumders, damit du nicht zusammen mit ihm die doppelte Sünde begehst, dich an die gefährliche Leidenschaft zu gewöhnen und den Verleumder nicht daran zu hindern, falsch über seinen Nächsten zu reden. […] Wenn alle Gaben des Geistes ohne die Liebe für ihren Besitzer nutzlos sind, wie der große Apostel sagt (vgl. 1 Kor 13,3), welchen Eifer müssen wir dann an den Tag legen, um Liebe zu erlangen!
„Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden“ (Mt 5,4). Durch dieses Wort will der Herr uns zu verstehen geben, dass der Weg zur Freude über das Weinen führt. Durch Betrübnis gelangt man zur Tröstung. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden; wer es hasst, liebt es; wer es verachtet, bewahrt es (vgl. Mt 16,24–25). Wenn du dich selber erkennen und zügeln willst, geh in dich und suche dich nicht draußen […]. Geh in dich, du Sünder, geh dorthin, wo du bist, in dein Herz […]. Wird der Mensch, der in sich geht, sich nicht in einem fernen Land entdecken, wie der verlorene Sohn, in einer ihm fremden Gegend, auf fremder Erde, wo er im Gedenken an seinen Vater und sein Heimatland sitzt und weint? (vgl. Lk 15,17). […] „Adam, wo bist du?“ (vgl. Gen 3,9). Vielleicht noch im Dunkel, damit du dich nicht selber siehst; um deine Blöße zu bedecken, heftest du Feigenblätter zusammen und betrachtest das, was um dich herum ist und dir gehört. […] Schau in dich hinein, schau dich an […]. Kehr in dein Inneres zurück, du Sünder, komm zurück zu deiner Seele. Schau und weine um diese Seele, die der Eitelkeit, der Umtriebigkeit ausgeliefert ist und sich aus ihrer Gefangenschaft nicht befreien kann. […] Es ist offensichtlich, Brüder, wir leben außerhalb von uns selbst, wir vergessen uns selbst, wann immer wir uns in Geschwätz oder Ablenkungen zerstreuen, wenn wir Geschmack finden an Nichtigkeiten. Und deshalb ist es stets das Herzensanliegen der göttlichen Weisheit, eher in das Haus der Buße einzuladen als in das Haus der Genüsse, also den Menschen, der außerhalb seiner selbst war, in seinem Innern zu erinnern, indem sie sagt: „Selig, die weinen“ (vgl. Lk 6,21), und an anderer Stelle: „Weh euch, die ihr jetzt lacht“ (Lk 6,25). Meine Brüder, seufzen wir in der Gegenwart des Herrn, denn seine Güte führt zur Vergebung; kehren wir um zu ihm „mit Fasten, Weinen und Klagen“ (Joel 2,12) über uns selbst, damit eines Tages […] seine Tröstungen unsere Seelen erquicken. Selig sind wirklich diejenigen, die weinen, nicht, weil sie weinen, sondern weil sie getröstet werden. Das Weinen ist der Weg; Trost ist die Seligkeit.
Sie wurde nach einem Plan der göttlichen Vorsehung Maria, d. h. Stern des Meeres genannt, um schon durch ihren Namen zu verkünden, was sie in der Realität noch viel deutlicher offenbart. […] Ebenso wie in Schönheit, ist sie auch in Kraft gekleidet und hat sich umgürtet, um mit einer Handbewegung die gewaltigen Strudel des Meeres zu besänftigen. Jene, die auf dem Meer der gegenwärtigen Welt unterwegs sind und voll Vertrauen zu ihr rufen, entreißt sie dem Toben des Sturmes und dem Wüten der Orkane und führt sie im Triumphzug an das Ufer der seligen Heimat. Es ist unmöglich zu sagen, meine Teuersten, wie oft die einen an die schroffsten Felsen angeschlagen und in Gefahr gewesen wären, unterzugehen, und die anderen auf den schlimmsten Riffen auf Grund gelaufen und nie mehr zurückgekehrt wären, […] wenn nicht der Stern des Meeres, Maria, die immerwährende Jungfrau, mit ihrer überaus mächtigen Hilfe dem entgegengewirkt und sich der Ihren angenommen hätte – die Ruder waren bereits gebrochen und das Boot zerschlagen, aller menschlichen Hilfe beraubt –, um sie unter ihrer himmlischen Führung in den Hafen des inneren Friedens zu führen. So freut sie sich über immer neue Triumphe, über die neue Befreiung der Verurteilten und über das neue Wachstum der Völker und jubelt sich im Herrn. […] Sie strahlt und ragt heraus durch ihre zweifache Liebe: Einerseits ist sie überaus glühend in Gott verankert, dem sie, eines Geistes mit ihm, anhängt; andererseits zieht sie sanft die Herzen der Erwählten an, tröstet sie und teilt ihnen die vorzüglichen Gaben zu, die aus der freigebigen Fülle ihres Sohnes kommen.
Jesus ist „am ersten Tag der Woche“ (Mt 28, 1; Mk 16,2; Lk 24,1; Joh 20,1) von den Toten auferstanden. Als der „erste Tag“ erinnert der Tag der Auferstehung Christi an die erste Schöpfung. Als „achter Tag“, der auf den Sabbat folgt (vgl. Mk 16,1; Mt 28,1), bedeutet er die mit der Auferstehung Christi angebrochene neue Schöpfung. Er ist für die Christen zum ersten aller Tage, zum ersten aller Feste geworden, zum „Tag des Herrn“ [hè kyriakè heméra, dies dominica], zum „Sonntag“. […] Der Sonntag unterscheidet sich ausdrücklich vom Sabbat, anstelle dessen er, in Erfüllung des Sabbatgebotes, von den Christen allwöchentlich am Folgetag des Sabbats gefeiert wird. Der Sonntag erfüllt im Pascha Christi den geistlichen Sinn des jüdischen Sabbats und kündigt die ewige Ruhe des Menschen in Gott an.
Unter Mitbrüdern und Mitknechten, wo Hoffnung, Furcht, Freude, Schmerz und Leiden gemeinsam sind, weil derselbe Geist von demselben Herrn und Vater allen gemein ist – warum wolltest du diese für etwas anderes als dich selbst halten? Warum fliehst du wie Spötter die, welche an deinen Unfällen Anteil nehmen? Ein Leib kann ja nicht froh sein bei der Plage eines seiner Glieder, er muss dann notwendig in seiner Ganzheit Schmerz empfinden und zur Genesung mitarbeiten. In dem einen wie in dem andern lebt ja die Kirche; die Kirche aber ist Christus. Wenn du dich also den Mitbrüdern zu Füßen wirfst, so umfassest du Christum und flehest Christum an. Umgekehrt, wenn jene über dich Tränen vergießen, so leidet Christus, so fleht Christus zum Vater. Mit Leichtigkeit wird stets erlangt, um was der Sohn bittet.
Zum Sonntag gehört die Eucharistie. Am Ostermorgen haben zuerst die Frauen, dann die Jünger den Auferstandenen sehen dürfen. So wussten sie von da an, dass nun der erste Wochentag, der Sonntag, sein Tag ist, der Tag Christi. Der Tag des Schöpfungsbeginns wird zum Tag der Erneuerung der Schöpfung. Schöpfung und Erlösung gehören zusammen. Deswegen ist der Sonntag so wichtig. Es ist schön, dass in vielen Kulturen heute der Sonntag ein freier Tag ist oder gar mit dem Samstag ein sogenanntes freies Wochenende bildet. Aber diese freie Zeit bleibt leer, wenn Gott nicht darin vorkommt. Liebe Freunde! Manchmal ist es vielleicht im ersten Augenblick unbequem, am Sonntag auch die heilige Messe einzuplanen. Aber Ihr werdet sehen, dass gerade das der Freizeit erst die rechte Mitte gibt. Lasst Euch nicht abbringen von der sonntäglichen Eucharistie, und helft auch den anderen, dass sie sie entdecken. Damit von ihr die Freude kommt, die wir brauchen, müssen wir sie natürlich auch immer mehr von innen verstehen und lieben lernen. Mühen wir uns darum – es lohnt sich. Entdecken wir den inneren Reichtum des Gottesdienstes der Kirche und seine wahre Größe: dass da nicht wir selber uns allein ein Fest machen, sondern dass der lebendige Gott selbst uns ein Fest gibt.
„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). Das bezeugen die Heiligen immer wieder: Die hl. Katharina von Siena sagt deshalb „zu denen, die an dem, was ihnen zustößt, Ärgernis nehmen und sich dagegen auflehnen“: „Alles geht aus Liebe hervor, alles ist auf das Heil des Menschen hingeordnet. Gott tut nichts außer mit diesem Ziel“ (dial. 4,138). Der hl. Thomas Morus tröstet kurz vor seinem Martyrium seine Tochter: „Es kann nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will, so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste“ (Brief). Und Juliana von Norwich sagt: „Durch die Gnade Gottes wurde ich inne, dass ich mich fest an den Glauben halten und nicht weniger fest sehen muss, dass alles, wie es auch sein mag, gut sein wird. … Und du wirst sehen, dass alles, alles gut sein wird“ (rev. 32). Wir glauben fest, dass Gott der Herr der Welt und der Geschichte ist. Die Wege seiner Vorsehung sind uns jedoch oft unbekannt. Erst am Schluss, wenn unsere Teilerkenntnis zu Ende ist und wir Gott „von Angesicht zu Angesicht“ schauen werden (1 Kor 13,12), werden wir voll und ganz die Wege erkennen, auf denen Gott sogar durch das Drama des Bösen und der Sünde hindurch seine Schöpfung zur endgültigen Sabbatruhe (vgl. Gen 2,2) führt, auf die hin er Himmel und Erde erschaffen hat.
Die Engel und die Menschen, intelligente und freie Geschöpfe, müssen ihrer letzten Bestimmung aus freier Wahl entgegengehen und ihr aus Liebe den Vorzug geben. Sie können darum auch vom Weg abirren und sie haben auch tatsächlich gesündigt. So ist das moralische Übel in die Welt gekommen, das unvergleichlich schlimmer ist als das physische Übel. Gott ist auf keine Weise, weder direkt noch indirekt, die Ursache des moralischen Übels. Er lässt es jedoch zu, da er die Freiheit seines Geschöpfes achtet, und er weiß auf geheimnisvolle Weise Gutes daraus zu ziehen: ,,Der allmächtige Gott … könnte in seiner unendlichen Güte unmöglich irgendetwas Böses in seinen Werken dulden, wenn er nicht dermaßen allmächtig und gut wäre, dass er auch aus dem Bösen Gutes zu ziehen vermöchte“ (Augustinus, enchir. 11,3). So kann man mit der Zeit entdecken, dass Gott in seiner allmächtigen Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag. Josef sagt zu seinen Brüdern: ,,Nicht ihr habt mich hierher geschickt, sondern Gott … Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn … um … viel Volk am Leben zu erhalten“ (Gen 45,8; 50,20). Aus dem schlimmsten moralischen Übel, das je begangen worden ist, aus der durch die Sünden aller Menschen verschuldeten Verwerfung und Ermordung des Sohnes Gottes, hat Gott im Übermaß seiner Gnade (vgl. Röm 5,20) das größte aller Güter gemacht: die Verherrlichung Christi und unsere Erlösung. Freilich wird deswegen das Böse nicht zu etwas Gutem.
Die Einsamkeit, o mein Gott, besteht nicht darin, dass wir allein sind, sondern, dass du da bist, denn dir gegenüber erscheint alles wie tot oder alles wird uns zu dir. […] Sind wir Kinder genug, um zu denken, dass all diese Scharen von Menschen groß genug, wichtig genug, lebendig genug sind, um uns den Horizont zu versperren, wenn wir nach dir Ausschau halten. Alleinsein heißt nicht, über die Menschen hinausgegangen zu sein oder sie hinter sich gelassen zu haben; alleinsein heißt, zu wissen, dass du groß bist, o mein Gott, dass nur du allein groß bist, und dass es keinen besonderen Unterschied gibt zwischen der Unermesslichkeit der Sandkörner und der Unermesslichkeit der Scharen von Menschenleben. Die Verschiedenheit beeinträchtigt die Einsamkeit nicht, denn das, was sie – diese Menschenleben – den Augen unserer Seele sichtbarer, präsenter macht, ist diese Botschaft, die sie von dir haben, ist ihre wunderbare Ähnlichkeit mit dem Einzigen, der ist. Sie ist wie ein Zipfel von dir und dieser Zipfel verletzt nicht die Einsamkeit. […] Machen wir der Welt keinen Vorwurf, machen wir dem Leben keinen Vorwurf, dass es uns das Antlitz Gottes verhüllt. Dieses Antlitz, lasst es uns finden, dieses Antlitz ist es, das verhüllt, das alle Dinge in sich aufnimmt. […] Ganz gleich, wo unser Ort auf der Welt ist, ganz gleich, ob er bevölkert oder unbewohnt ist, überall sind wir „Gott mit uns“, überall sind wir Immanuel.
„Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott“ (Offb 11,17). […] Ich denke vor allem an die Dimension des Lobes. Von hier geht nämlich jede echte Glaubensantwort auf die Offenbarung Gottes in Christus aus. Das Christentum ist Gnade, ist die Überraschung eines Gottes, der sich, da er sich mit der Erschaffung der Welt und des Menschen nicht zufrieden gab, in Gleichschritt mit seinem Geschöpf begeben hat und, nachdem er viele Male und auf vielerlei Weise durch die Propheten gesprochen hatte, „in dieser Endzeit aber zu uns gesprochen hat durch den Sohn“ (Hebr 1,1–2). In dieser Endzeit! Ja, das Jubiläum hat uns spüren lassen, dass zweitausend Jahre Geschichte vergangen sind, ohne die Frische jenes „heute“ zu entkräften, mit dem die Engel den Hirten das wunderbare Ereignis der Geburt Jesu in Betlehem verkündeten: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,11). Zweitausend Jahre sind mittlerweile vergangen, aber die Rede Jesu über seine Sendung, die er vor seinen erstaunten Mitbürgern in der Synagoge von Nazaret hielt und dabei die Prophezeiung des Jesaja auf sich anwandte, ist lebendiger denn je: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21). Zweitausend Jahre sind vergangen, aber noch immer erweist sich für die Sünder, die des Erbarmens bedürfen – und wer ist das nicht? –, jenes „heute“ des Heils als trostreich, das am Kreuz dem reuigen Verbrecher die Pforten des Himmelreiches öffnete: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).
Eines Tages betete sie für eine Person mit dem Bedauern, dass sie aus deren Mund ein Wort der Ungeduld gehört hatte, warum Gott ihr solche Beschwerden schicke, die nicht für sie geeignet wären. Da sprach der Herr zu ihr: „Frage jene Person, welche Beschwerden ihr denn zusagen, und sage ihr, weil sie ohne irgendein Leiden das Himmelreich nicht gewinnen könne, so solle sie sich die ihr passenden Leiden auswählen und wenn diese über sie kämen, dann auch die Geduld bewahren.“ Aus diesen Worten des Herrn erkannte sie, dass es die gefährlichste Art der Ungeduld sei, wenn jemand glaubt, in anderen Leiden wolle er wohl geduldig sein, aber in denen, die Gott ihm schickt, könne er es nicht, während der Mensch im Gegenteil doch immer vertrauen soll, das sei ihm das Nützlichste, was Gott sendet, und sich verdemütigen muss, wenn er hierin die Geduld nicht bewahrt. Der Herr fügte noch gleichsam liebreich lächelnd hinzu: „Und was glaubst du von dir? Schicke ich auch dir ungeeignete Leiden?“ Sie erwiderte: „Nein, mein Herr; vielmehr bekenne ich und werde es bekennen, solang ich atme, dass du sowohl betreffs des Leibes als der Seele und in allem Glück und Unglück so für mich gesorgt hast, wie dies niemals eine andere Weisheit vom Anfang der Welt bis zum Ende vermocht hätte, außer deiner unerschaffenen Weisheit allein, o mein süßester Gott, die von einem Ende bis zum andern reicht und alles mächtig und lieblich ordnet“ (vgl. Weish 8,1).
Johannes hat nicht für sich selbst gelebt und ist nicht für sich selbst gestorben. Wie viele sündenbeladene Menschen wurden durch sein hartes und karges Leben nicht zur Umkehr gebracht? Wie viele Menschen hat sein unverdienter Tod nicht dazu ermutigt, ihre Prüfungen zu ertragen? Und wir? Was gibt uns heute Veranlassung, Gott in Treue Dank zu sagen, wenn nicht das Andenken an den heiligen Johannes, der um der Gerechtigkeit willen, also um Christi willen, ermordet wurde? […] Ja, Johannes der Täufer hat von ganzem Herzen sein irdisches Leben um der Liebe Christi willen geopfert. Er zog es vor, lieber die Gebote des Tyrannen zu missachten als die Gebote Gottes. Dieses Beispiel lehrt uns, dass uns nichts teurer sein sollte als der Wille Gottes. Den Menschen zu gefallen nützt nicht viel, oft schadet es sogar sehr […] Deshalb lasst uns mit allen Freunden Gottes unseren Sünden und unseren Sorgen sterben, unserer verirrten Eigenliebe einen Fußtritt geben und darauf bedacht sein, die glühende Liebe Christi in uns wachsen zu lassen.
Wir sind eingehend darüber aufgeklärt worden, dass alles, was wir auf Erden zu tun haben, darin besteht, Gott zu lieben. Und damit wir nicht unentschlossen sind und uns fragen, wie wir das anstellen sollen, hat Jesus uns gesagt, dass die einzige Weise, das einzige Rezept, der einzige Weg sei, einander zu lieben. Diese Liebe, die auch eine theologale ist, insofern sie uns untrennbar mit ihm (Gott) verbindet, ist die einzige Tür, die einzige Schwelle, der einzige Zugang zur Liebe Gottes. An dieser Tür enden alle Wege, also die Tugenden, die ja dorthin führen. Sie alle sind im Grunde nur dazu gemacht, uns schneller, fröhlicher, sicherer dorthin zu führen. Eine Tugend, die nicht dort mündet, ist eine töricht gewordene Tugend. […] Und es kann uns vielleicht Vergnügen bereiten, eine sensationelle Demut zu erreichen oder eine unübertroffene Armut, oder einen unerschütterlichen Gehorsam, oder eine narrensichere Reinheit; wenn aber diese Demut, diese Armut, diese Reinheit, dieser Gehorsam uns nicht zur Güte geführt haben; wenn die Menschen in unserem Haus, auf unserer Straße, in unserer Stadt immer noch hungern und frieren wie eh und je, wenn sie immer noch so traurig sind und düster, wenn sie immer noch so einsam sind – dann sind wir vielleicht Helden, gehören aber nicht zu denen, die Gott lieben. Denn es gibt unter den Tugenden so etwas wie kluge Jungfrauen, die mit ihren Lampen in der Hand an dieser einen Tür hockend ausharren, an der Tür der Wahl, der brüderlichen Fürsorge, an der einzigen Tür, die sich öffnet, wenn Gott Hochzeit hält mit seinen Freunden.
Hört aufmerksam meinen Worten zu, und leiht euer Ohr meiner bescheidenen Rede. Euch allen rufe ich zu, euch alle ermahne ich: „Erhebt euch zu Gott, entledigt euch eurer Anhänglichkeit an die Leidenschaften!“ Hört, was euch der Prophet zuruft: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs“ (Jes 2,3), dem unerschütterlichen Haus, und lasst uns mit den Augen unseres Geistes die Freude betrachten, die uns durch himmlische Verheißungen bestimmt ist. Meine geliebten Kinder, rafft euren Eifer zusammen, nehmt feurige Flügel wie Tauben, wie es geschrieben steht, fliegt davon (vgl. Ps 55(54),7) und gelangt auf die Plätze der Tugendhaften zu seiner Rechten (vgl. Mt 25,33). Empfangt Freude, geistliches und leidenschaftliches Verlangen nach Gott. Verkostet die überaus große Süße seiner Liebe und betrachtet von daher alles andere als zweitrangig; tretet mit Füßen eitlen Ruhm, Fleischeslust und wilden Zorn! […] Für diesen raschen Flug, der von der Erde in den Himmel führt, lasst uns die Röcke hochraffen, lasst uns wachsam sein und unseren Blick schärfen. Sicher können die Reisenden unter Umständen zu leiden haben. Und das geschieht auch euch: Wie ihr seht, müht ihr euch in harter Arbeit ab, ihr werdet müde, ihr bearbeitet die Erde bis zur Erschöpfung; es fließt euer Schweiß, ihr seid am Ende eurer Kräfte, hungrig und durstig: der eine kämpft mit dem Pflug, der andere im Weinberg, wieder einer an der Ölpresse oder beim Kochen, beim Bauen, beim Brotbacken oder im Keller, kurz: jeder an seinem Platz. Alle schreiten auf dem Weg zu Gott voran, sie nähern sich der großen Stadt und durch den Tod hindurch werden sie Zugang erhalten zu der unaussprechlichen Freude an den Gütern, die Gott denen vorbehält, die ihn geliebt haben. […] Mögen wir für würdig befunden werden des Reiches Christi, unseres Gottes, dem mit dem Vater und dem Heiligen Geist die Herrlichkeit und die Macht gehört, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen.
Wir müssen uns doch vor einer gewissen irrigen Auffassung der Vollkommenheit hüten, der man zuweilen bei wenig erleuchteten Seelen begegnet. Diese setzen die ganze Vollkommenheit in die rein äußerliche, materielle Beobachtung der Vorschriften. Wohl klingt es hart, muss aber dennoch gesagt werden: Solche Auffassung grenzt an Pharisäismus oder kann dahinführen, und darin liegt die große Gefahr. […] In den Augen der Menge galten die Pharisäer als Heilige. Auch sie selbst hielten sich für heilig; denn sie suchten die Vollkommenheit lediglich in der genauen Beobachtung rein äußerlicher Vorschriften. Manche Beispiele ihrer Buchstabentreue und kleinlichen Genauigkeit wirken geradezu lächerlich. Nicht zufrieden mit der ängstlichen Beobachtung des mosaischen Gesetzes, das allein schon eine schwere Last darstellte, fügten sie noch eine ganze Reihe von Vorschriften nach eigenem Gutdünken bei, die der Heiland „Menschensatzungen“ (Mk 7,8) nannte. Äußerlich beobachteten sie alles untadelhaft, so dass es unmöglich gewesen wäre, mustergültigere Jünger Moses zu finden. […] Sollen wir denn nicht alles beobachten, was vorgeschrieben ist? Gewiss sollen wir das tun […] Nur müssen wir wohl beachten, dass das Wichtige in der Beobachtung äußerer Vorschriften der innere Beweggrund ist, der uns leitet. Die Pharisäer beobachteten alles ganz genau, jedoch nur, um von den Menschen gesehen und gelobt zu werden, und diese sittliche Verirrung verdarb von Grund aus alle ihre Werke. – Die rein äußerliche, mit mathematischer Genauigkeit, aber nur um ihrer selbst willen und ohne veredelnden Beweggrund geübte Regeltreue ist zum allerwenigsten keine Vollkommenheit. Inneres Leben muss unsere äußere Treue beseelen. Diese sei das Ergebnis, die Frucht und die Äußerung der Gesinnungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, die in unserem Herzen herrschen.
[Johannes, der] Evangelist berichtet, dass Jesus, als er Natanaël näherkommen sieht, ausruft: „Da kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne Falschheit“ (Joh 1,47). Es handelt sich um ein Lob, das einen Psalm in Erinnerung ruft: „Wohl dem Menschen, … dessen Herz keine Falschheit kennt“ (Ps 32,2). Aber es weckt die Neugier Natanaëls, der erstaunt erwidert: „Woher kennst du mich?“ (Joh 1,48a). Die Antwort Jesu ist nicht sofort verständlich. Er sagt: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen“ (Joh 1,48b). Wir wissen nicht, was unter diesem Feigenbaum geschehen war. Offensichtlich handelt es sich um einen entscheidenden Augenblick im Leben Natanaëls. Er fühlt sich von diesen Worten Jesu zutiefst berührt, er fühlt sich verstanden und begreift: Dieser Mann weiß alles über mich, er weiß und kennt den Weg des Lebens, diesem Mann kann ich mich wirklich anvertrauen. Und so antwortet er mit einem klaren und schönen Glaubensbekenntnis, wenn er sagt: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ (Joh 1,49). In diesem Bekenntnis ist ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg der Treue zu Jesus gegeben. Die Worte Natanaëls werfen Licht auf einen doppelten, komplementären Aspekt der Identität Jesu: Er wird sowohl in seiner besonderen Beziehung zu Gott Vater erkannt, dessen eingeborener Sohn er ist, als auch in seiner Beziehung zum Volk Israel, zu dessen König er erklärt wird; dieser Titel ist dem erwarteten Messias zu eigen. Wir dürfen niemals weder das eine noch das andere dieser beiden Elemente aus den Augen verlieren, denn falls wir nur die himmlische Dimension Jesu verkünden, laufen wir Gefahr, aus ihm ein ätherisches und substanzloses Wesen zu machen; und wenn wir umgekehrt nur seinen konkreten Ort in der Geschichte anerkennen, vernachlässigen wir letztendlich die göttliche Dimension, die ihn eigentlich kennzeichnet.
Wir [fühlen] Uns sicher in der Burg der Heiligen Kirche. […] Die Verheißungen Christi [haben zu keiner Zeit] die Erwartungen getäuscht; […] bestätigt durch die Erfahrungen vieler Jahrhunderte, erprobt in den Umwälzungen einer langen Vergangenheit müssen sie Uns umso mehr bestärken. Königreiche und Kaisertümer sind dahingesunken. Einst hochberühmte und mit allen Segnungen menschlicher Kultur ausgezeichnete Völker sind dem Untergang verfallen. Nicht selten haben die Völker gleichsam vom Alter gebeugt sich verloren. Die Kirche hingegen ist unvergänglich; unlösbar ist das Band, welches sie mit ihrem himmlischen Bräutigam verbindet. Nicht wie eine hinfällige Jugendblüte ist ihre Kraft. Fortwährend ist sie von derselben Lebensfrische beseelt, mit der sie aus Jesu durchstochenem Herzen nach seinem Tode am Kreuze hervorging. Die Mächtigen der Erde haben sich gegen sie erhoben. Sie verschwanden, aber jene blieb. Ruhmredige Philosophen haben in fast unübersehbarer Mannigfaltigkeit Theorien ersonnen und die Lehre der Kirche gewähnt entkräftet, die Hauptstücke des Glaubens widerlegt und alle Dogmen als unhaltbar erwiesen zu haben. Die Geschichte aber zählt heute diese Philosophen alle zu den vergessenen und gänzlich abgetanen Erscheinungen, während das Licht der Wahrheit vom Felsen Petri noch immer im gleichen Glanze strahlt, den Jesus ihm gegeben und vor dem Erbleichen durch sein göttliches Wort schützt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen (Mt 24,35). […] Lenket daher, […] Denken und Forschen nach wie vor auf den festen Felsen, auf welchen, ihr wisst es, unser Erlöser die Kirche für die ganze Welt begründet hat; so wird aufrichtiger Sinn nicht durch Irrwege vom rechten Pfad abgelenkt werden.
Die Demut ist eine geheime Kraft, die die Heiligen empfangen, wenn sie die ganze mühevolle Übung ihres Lebens gut durchlaufen haben. Diese Kraft wird nämlich nur denen gegeben, die die Tugend durch die Kraft der Gnade zur Vollendung bringen. […] Es ist die gleiche Kraft, die die seligen Apostel in Gestalt des Feuers empfangen haben. Der Erlöser hatte ihnen befohlen, Jerusalem nicht zu verlassen bis sie die Kraft aus der Höhe empfangen hätten (vgl. Apg 2,3; 1,4). Jerusalem steht hier für die Tugend. Die Kraft ist die Demut. Und die Kraft aus der Höhe ist der Paraklet, das heißt der Tröster Geist. Das ist es, was die Heilige Schrift sagt: Die Geheimnisse werden